• Simone Mätzler
  • Pirmin Roos

America del Sur

Coddiwomple (Englisch, Verb): “Absichtlich zu einem unbekannten Ziel reisen” Les mer
  • Puerto Nariño

    12. juni 2024, Colombia ⋅ ☁️ 29 °C

    Wir sind schockverliebt ab der ersten Minute: in die bezauberndste aller Gastgeber-Familien, in das hübscheste Cabaña am See, in das gemütlichste aller Dörfchen im Amazonas.

    Dieser Ort ist wirklich etwas ganz Besonderes. Vielleicht liegt es an der Magie des Flusses und des Dschungels oder an der einzigartigen Verbindung, die die Menschen hier mit der Natur haben. Vielleicht sind wir auch ein wenig sentimental, weil wir Kolumbien bald verlassen und weiter nach Peru ziehen. So oder so, dieser Ort repräsentiert die Schönheit Kolumbiens und seiner wunderbaren Menschen geradezu perfekt.Les mer

  • Drei Nächte mit Lucho ⛴️

    16. juni 2024, Peru ⋅ ☀️ 30 °C

    Das Frachtschiff tuckert fast im Schritttempo den Amazonas hinauf. Wir liegen in unseren Hängematten und starren in den vorbeiziehenden, endlosen Regenwald. Es ist wie eine Meditation. Noch nie auf unserer Reise fühlten wir uns so entschleunigt und zufrieden, einfach nichts denken, nichts zu tun.

    Wir sind auf einem Frachtschiff namens „Lucho“, das etwas in die Jahre gekommen ist. Die Fahrt nach Iquitos in Peru dauert etwa drei Tage und drei Nächte. Im untersten Deck des Schiffs sind frische Fische, Kochbananen, Zement und andere Frachtgüter gelagert. Auf dem zweiten und dritten Deck sind Hängematten gespannt.

    Das Abenteuer beginnt schon einen Tag vor der Abfahrt. Denn einen Fahrplan gibt es nicht. Die Frachtschiffe legen zu beliebigen Tagen und Tageszeiten ab. Also fahren wir mit dem Boot-Taxi auf die peruanische Seite und fragen uns durch, ob und wann das nächste Schiff fährt. Von zehn Personen erhalten wir zehn unterschiedliche Antworten. Aber eines scheinen alle zu wissen: Morgen fährt ein Frachter und der heisst “Lucho”. Ja dann auf in den Kampf, Hängematten und Snacks kaufen, Ausreise- und Einreisestempel besorgen und die übrigen kolumbianischen Pesos in peruanische Soles tauschen.

    Als wir am nächsten Tag wieder zum peruanischen Hafen fahren, sehen wir das Frachtschiff schon von weitem. Wir sind vier Stunden zu früh da, aber das ist egal. Wir hängen unsere Hängematten auf und nach und nach gesellen sich noch sieben weitere Backpacker aufs Deck. Das Frachtschiff ist aber vor allem ein beliebtes Transportmittel bei der lokalen Bevölkerung. Die dreitägige Fahrt kostet umgerechnet nur 18 Franken – inklusive Frühstück, Zmittag und Znacht.

    Punkt 19.30 Uhr ertönt die Sirene. Lucho sticht in den Amazonas. Es dauert nicht lange bis wir mit neugierigen Kinder in Kontakt kommen, die um uns herumrennen und mit uns spielen wollen. Und wir freunden uns mit unterschiedlichsten Personen an und lernen spannende Charaktere und ihre Geschichten kennen.

    Oswaldo, der Koch: Chef der kleinen Schiffsküche, direkt neben dem ohrenbetäubenden Schiffsmotor. Der 56-Jährige ist der umtriebigste und herzlichste Mensch auf dem Schiff. Ohne zu fragen, hilft er uns, die Hängematten aufzuhängen. Bei einem Feierabend-Pisco – Perus Nationalschnaps – erzählt er uns von seinem Leben: wie er knapp über die Runden kommt mit einem Monatslohn von 600 Soles (140 Franken), wie er damit rechnet, bis ans Lebensende arbeiten zu müssen, weil er keine Rente erhält, wie er bei der Arbeit einmal die Treppe hinunterstürzte und sich die Schulter brach, und wie er sich als homosexuell outete und dankbar ist, dass seine Familie ihn unterstützt. Befreundet zu sein mit dem Chefkoch hat übrigens den grossen Vorteil, dass man ab und zu eine Extra-Portion erhält.

    Walter Piña, der Capitano: Der Boss auf dem Schiff. Seine Aufgabe: Herumlaufen, schauen, dass alles zum Rechten läuft, und manchmal das Steuerrad übernehmen. Als er merkt, dass wir etwas Spanisch sprechen, lernt er unsere Namen und kommt regelmässig bei uns vorbei. Viermal pro Monat fahre er den Amazonas hinauf und wieder hinunter. Sein ganzes Leben hat er auf dem Wasser verbracht. Zuerst 30 Jahre als Offizier bei der Marine, nun seit 10 Jahren auf dem Frachtschiff. Wie andere auf dem Schiff bietet er uns in seiner Heimatstadt Iquitos eine Ayahuasca-Zeremonie an – ein spirituelles Ritual mit einem bewusstseinserweiternden „Medikament“. Wir lehnen dankend ab und stossen stattdessen mit Sangria an.

    Jaime, der Kampfhahn-Züchter: Unser Hängematten-Nachbar Jaime betritt das Schiff mit einem Kampfhahn unter dem Arm. Der Hahn sei ein Geschenk eines Freundes, das er jetzt nach Hause bringen müsse. Er sei schon bisschen besorgt, ob der Hahn die lange Fahrt im Frachtraum überlebt. Zuhause habe er noch mehr Kampfhähne und andere Hühner. Er liebt seine Tiere – das merken wir auch, als wir am frühen Morgen aufwachen, weil er neben uns Videos von seinen krähenden Güggel schaut.

    Wir lernen noch viele andere interessante Personen kennen, etwa die Transfrau Aleika, die im kleinen Kiosk arbeitet. Oder Angel, der in Kolumbien und Brasilien Heilkräuter verkauft. Den 10-jährigen Emanuel, mit dem Pirmin Karten spielt. Oder Carli, das 6-jährige Mädchen, das alle 30 Minuten bei Simi vorbei schaut und nach einem Erdnussbutter-Toast fragt.

    Zeitweise fühlen wir uns wie auf einem Openair-Festival – einfach ohne Musik. Hier bisschen plaudern, da ein Bierchen mit neuen Freunden trinken, zwischendurch eine kleine Siesta machen und einfach die Zeit vergessen. Die Stimmung ist auch noch am dritten Tag super, obwohl alle an Bord langsam müde sind und sich nicht mehr so frisch fühlen - und eine richtige Dusche nötig hätten.

    Eigentlich wollen wir gar nicht, dass die Fahrt zu Ende geht. Trotzdem kommen wir früh morgens des vierten Tages in Iquitos an. Der Kontrast könnte grösser nicht sein. Die Amazonas-Metropole ist laut, stinkig und anstrengend.

    Wir verabschieden uns von „Lucho“ und seinen herzlichen Menschen - und denken in Zukunft gerne an diese entspannten Tage auf dem Frachtschiff zurück.
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  • Anpfiff in Peru

    27. juni 2024, Peru ⋅ ☁️ 20 °C

    Iquitos ist die grösste Stadt der Welt, die nicht an ein Strassennetz angeschlossen ist. Um wieder aufs “Festland” zu gelangen, planen wir eine erneute mehrtägige Fahrt mit einem Frachtschiff. Doch “Eduardo II”, der an unserem gewünschten Tag ablegt, ist leider nicht für gemütliches Hängematten-Logieren geeignet. Und wann der nächste Frachter kommt, weiss natürlich niemand. Daher entscheiden wir uns kurzfristig, das "Rapido"-Boot zu nehmen. Dass "rapido" auf Deutsch nicht unbedingt schnell bedeutet, erfahren wir auf der 18-stündigen Fahrt von Iquitos nach Yurimaguas, eingepfercht auf unbequemen Sitzen, zwischen stinkenden Männern und einer 30-köpfigen Reisegruppe aus Indien. Selten haben wir uns so sehr nach einer Hängematte gesehnt.

    Übermüdet in Yurimaguas angekommen, lassen wir uns als erstes vom Colectivo-Fahrer übers Ohr hauen. Für zu viel Geld bringt er uns in die nächst grössere Stadt, nach Tarapoto. Höchste Zeit unsere Vehandlungsskills auf Level 2.0 zu bringen.

    Aber zuerst erholen wir uns zwei Nächte in der Executive Suite mit King-Size-Bett (für schlappe 30 Franken) von den Strapazen. Sonst gibt es nicht viel über die Stadt zu berichten. Also ziehen wir weiter nach Moyobamba, wo just das grösste Fest der Amazonas-Region stattfindet. Ähnlich wie bei den Frachtschiffen gibt es aber auch bei den Festen keinen Zeitplan. Das Fest findet bestimmt irgendwo statt… nur sind wir zwei Tage lang zur falschen Zeit am falschen Ort.

    Ihr merkt es, Peru hat einen schweren Einstand. Die Anfangsphase ist bisschen knorzig. Wir sind uns aber auch bewusst, dass die Messlatte gerade sehr hoch liegt. Jagte doch in letzter Zeit ein Highlight das nächste.

    Wir lassen die Moyobamber ihr Fest feiern und fahren weiter nach Cocachimba. Und finally… ab hier ist die Welt wieder in Ordnung. Wir werden mit einem Zimmer mit spektakulärer Aussicht auf einen der höchsten Wasserfälle der Welt belohnt. Der Gocta-Wasserfall stürzt 771 Meter in die Tiefe. Zufällig übernachten wir in der Hospedaje vom liebenswürdigen Telesforo. Er und ein deutscher Entwicklungshelfer haben vor etwa 20 Jahren den gigantischen Wasserfall "entdeckt" und der Welt verkündet. Seither kommen jährlich immer mehr Touristen in das verschlafene Dorf. Und die Berufe der Einwohnerinnen und Einwohner haben sich von einfachen Bauern zu Restaurantbesitzern, Guides und Hoteliers gewandelt.

    Telesforo hat neben seiner Unterkunft noch einen Nebenjob. Tagein, tagaus sitzt er in seinem Hüttchen, kontrolliert Tickets und zählt die Touristen, die zu seinem Wasserfall wandern. Zur Hauptsaison seien es manchmal über 1000 Touristen pro Tag, erzählt er uns. Heute sind es aber nur 50 gewesen - also hat er genügend Zeit, uns die Geschichte seiner Entdeckungstour und die alten Sagen zu erzählen.

    Nach drei Nächten in Cocachimba kennen wir fast alle 200 Einwohner des Dorfes. Wir wissen wo‘s den besten Kaffee, den besten Burger und den besten Pisco Sour gibt. Und das Schönste: wir sind endlich so richtig in Peru angekommen.
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  • Skelette & Schluchten

    5. juli 2024, Peru ⋅ ☁️ 11 °C

    Longsleeve-Shirts sind völlig unterschätzt. Unten am Amazonas-Fluss haben sie uns vor Mücken geschützt. Jetzt, oben in den Bergen, sind sie ideal für die frischen Temperaturen. Wir befinden uns mittlerweile auf 2500 Metern Höhe, im hügeligen Teil der Region Amazonas. Von der Provinzhauptstadt Chachapoyas aus erkunden wir die Region. Unsere Top-3-Erlebnisse:

    𝗦𝗰𝗵𝘄𝗶𝗻𝗱𝗲𝗹𝗲𝗿𝗿𝗲𝗴𝗲𝗻𝗱𝗲 𝗦𝗰𝗵𝗹𝘂𝗰𝗵𝘁𝗲𝗻
    Rund um Chachapoyas fressen sich 1000 Meter tiefe Canyons in die Landschaft, uns wird schier schwindlig bei dieser Aussicht. Abgesehen von vereinzelten Inland-Touristen, die sich hierher verirren, sind wir weit und breit die einzigen.

    𝗭𝗲𝗶𝘁𝗿𝗲𝗶𝘀𝗲 𝗻𝗮𝗰𝗵 𝗞𝘂𝗲𝗹𝗮𝗽
    In dieser Region lebte einst das mysteriöse Volk der Chachapoya. Diese Kultur ist noch älter, noch unerforschter als das Inka-Reich, das später grosse Teile Südamerikas beherrschte. Ganz in der Nähe kann man ihre ehemalige Festung Kuélap bestaunen. Mit Bus und Seilbahn geht’s auf 3000 Meter Höhe – sogar noch 500 Meter höher als der weltberühmte Machu Picchu. Nicht umsonst bedeutet das Wort „Chachapoya“ übersetzt „Wolkenmenschen“.

    𝗚𝗿𝘂𝘀𝗲𝗹𝗻 𝗶𝗻 𝗟𝗲𝘆𝗺𝗲𝗯𝗮𝗺𝗯𝗮
    Vor 25 Jahren kam es im nahegelegenen Dörfchen Leymebamba zu einem Sensationsfund. Über 200 gut erhaltene Mumien der Chachapoya-Kultur wurden entdeckt. Die Mumien erhielten ein neues Zuhause und können heute in einem Museum bestaunt werden. Fasziniert betrachten wir die Gestiken und Mimiken der Körper, die in der Embryo-Stellung mumifiziert wurden. Eines der gruseligsten und zugleich schönsten Museen, das wir je besucht haben.
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  • Los Peruanos

    6. juli 2024, Peru ⋅ ☁️ 22 °C

    "Soy más peruano que la papa." – „Ich bin peruanischer als die Kartoffel.“

    Wer dieses peruanische Sprichwort sagt, zeigt seine tiefe Verbundenheit mit dem Land. Die Kartoffel ist nämlich tief in der peruanischen Kultur und Gastronomie verankert und stammt ursprünglich sogar aus den peruanischen Anden.

    Wir erleben die Peruaner als sehr stolzes, patriotisches Volk. Traditionen werden gelebt und gepflegt. So auch in der Stadt Cajamarca, wo wir einige Tage verbringen. Hier laufen die Einwohnerinnen und Einwohner stolz mit ihren riesigen Stroh-Hüten herum. Die „sombreros cajamarquinos“ schützen nicht nur vor der intensiven Andensonne, sondern sind auch ein Symbol ihrer Identität und Gemeinschaft.

    In den drei Wochen, in denen wir bisher durch Nordperu gereist sind, haben wir einen Einblick in den peruanischen Alltag erhalten und weitere, spannende Beobachtungen gemacht:

    Die peruanische Küche ist tatsächlich so grossartig, wie ihr Ruf. Das Essen ist vielfältiger und würziger als in Kolumbien. Überraschend für uns sind die asiatischen Einflüsse – ein Erbe der zahlreichen chinesischen und japanischen Einwanderer. Dazu kommen Klassiker wie Ceviche und Meerschweinchen. Wir haben es aber (noch) nicht übers Herz gebracht, Piipsi am Spiess zu essen. 🐹

    Was weiter auffällt: Die Distanzen in diesem Land sind riesig. Peru ist nochmal eine Nummer grösser als Kolumbien. Eine 6-stündige Busfahrt fühlt sich mittlerweile wie eine Kurzstrecke an. Für die vielen Stunden im Bus werden wir aber auch belohnt – mit grossartigen Aussichten. Als wir nach Cajamarca gefahren sind, führte die einspurige Strecke über mehrere eindrückliche Pässe, am Abgrund entlang, vorbei an sattgrünen Dschungel-Oasen.

    Und zuletzt: Der Norden des Landes ist angenehm „untouristisch“. Pro Stadt gibt es nur 1-2 Hostels und die Zimmerpreise sind deutlich billiger als in Kolumbien. Wir nehmen die Leute eher zurückhaltend und introvertiert wahr. Es kommt zudem nicht selten vor, dass wir als Gringos regelrecht angestarrt werden. Aber das ist okay, wir werden uns sicherlich noch an diese Zeit zurücksehnen, wenn wir dann einmal im viel touristischeren Süden des Landes sind...
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  • Höhenrausch 🏔️

    19. juli 2024, Peru ⋅ ☀️ 25 °C

    4600 Meter über Meer - so hoch oben waren wir noch nie! Die Luft ist dünn, das Atmen fällt schwer, die Sonne knallt. Wir stehen am Ufer der Laguna 69, dem wohl berühmtesten Gletschersee Perus. Das blauste und kristallklarste Wasser, das man sich vorstellen kann. Umgeben von massiven, schneebedeckten Bergen, die über 6000 Meter hoch sind. Unser Wochenziel ist erreicht!

    An diesem Punkt befinden wir uns übrigens auf der Höhe des höchsten Berges der Schweiz. Um so hoch zu steigen und der Höhenkrankheit zu entgehen, braucht es vor allem Geduld - und einen Plan. Und der sah bei uns so aus:

    Eine stufenweise Steigerung der Höhe ist optimal, damit sich der Körper an den geringeren Luftdruck gewöhnen kann. Also fahren wir nach einem kurzen Zwischenstopp an der Pazifikküste hoch in die Cordillera Blanca - die höchste Gebirgskette des amerikanischen Kontinents. Wir machen es uns in Caraz gemütlich, auf 2250 Metern. Ein kleiner verschlafener Ort, perfekt für unseren Steigerungslauf. Nach ein paar Tagen Angewöhnungszeit und einfacheren Tageswanderungen auf 2500 und 3200 Metern fühlen wir uns ready, die 4000er-Marke zu knacken.

    Die Laguna Paron auf 4200 Meter ist unwirklich schön. Worte können dieses Erlebnis kaum beschreiben. Der Berg am Ende des türkisfarbenen Sees diente übrigens als Vorlage für das Logo von „Paramount Pictures“.

    Euphorisiert nehmen wir am nächsten Tag unser Wochenziel in Angriff. 800 Höhenmeter hinauf zur Laguna 69. Der bisher grösste Test für unsere Beine und Lungen. Auch wenn uns der Schlussanstieg fast ausgenockt hat, erreichen wir schlussendlich die malerische Lagune. Mit letzter Kraft drücken wir 2-3 Mal auf den Auslöser und machen uns wieder auf den Weg ins Tal.

    Zufrieden und bereit für mehr packen wir unsere Rucksäcke und machen uns auf nach Huaraz - der grössten Stadt der Region, auf 3000 Metern. Die Höhenluft macht Lust auf mehr…

    (Sorry für die längere Abstinenz. Unsere Köpfe waren etwas beschäftigt mit Planen, Akklimatisieren und Verarbeiten der Eindrücke😅)
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  • Huayhuash

    31. juli 2024, Peru ⋅ ☀️ 5 °C

    Jetzt haben wir etwas gemacht, das wir uns gar nicht zugetraut haben. Bisschen aus Übermut. Vielleicht auch aus dem Drang heraus, die Komfortzone zu verlassen und unsere Grenzen zu testen.

    Eigentlich haben wir den 4-tägigen “Santa Cruz”-Trek durch den Huascarán-Nationalpark geplant. Schwierigkeitslevel: mittelmässig. Gekommen ist es anders…

    Tag 0:
    Langsam bekommen wir ein ungutes Gefühl. Die Agentur, bei der wir die 4-tägige “Santa Cruz”- Wanderung gebucht haben, “ghosted” uns. Als wir dann am Nachmittag vor einem dunklen, verlassenen Büro stehen, ist klar: Morgen wandern wir mit denen nirgendwohin.

    Es ist 15 Uhr und wir haben keine Lust, unsere Pläne zu begraben. Also klappern wir die unzähligen Agenturen in Huaraz ab, in der Hoffnung, uns noch spontan einer Gruppe anschliessen zu können. Das Ergebnis: Den Santa Cruz-Trek müssen wir begraben. Doch plötzlich eröffnet sich eine andere Möglichkeit… Der legendäre 8-tägige Huayhuash-Trek. Schwierigkeitslevel: dificil. Eine Wanderung durch den spektakulärsten Teil der peruanischen Anden. Eine Tour, die zu den Top-Treks der Welt zählt – und die wir uns eigentlich für die Zukunft aufsparen wollten. Egal, die Zukunft ist jetzt. Wir fühlen uns fit und sind gut akklimatisiert. Voller Euphorie und Selbstüberschätzung sagen wir zu und machen uns auf, letzte Dinge zu besorgen bzw. zu mieten. Wanderstöcke, Handschuhe, einen Schlafsack, der zweistellige Minusgrade aushält und eine extra-dicke Daunenjacke.

    Leicht nervös und unsicher, ob wir diese Herausforderung meistern können, fallen wir schliesslich um 23 Uhr ins Bett. Es wird eine kurze Nacht...

    Tag 1:
    Um 2 Uhr klingelt bereits der Wecker. Im Halbschlaf steigen wir in einen Van ein. Acht Stunden lang fahren wir von Huaraz über Stock und Stein ins Camp 2 des Huayhuash-Treks. Hier können wir uns einer Gruppe anschliessen, die bereits am Vortag mit der Wanderung gestartet ist.

    Unser erster Zeltplatz liegt auf 4150 Metern, völlig abgelegen, weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Die Dimension der beeindruckenden Bergkette haut uns schon am ersten Tag um. Mehrere 5000er- und 6000er-Gipfel reihen sich hier dicht aneinander. Massive Bergflanken, spitzige Felsnadeln, hängende Eisfelder. In den nächsten sechs Tagen werden wir diese Bergkette umrunden. Jeden Tag einen Pass, fast jeden Tag über 4000 Meter schlafen.

    Der erste Tag verläuft jedoch gemütlich. Beim Znacht lernen wir unsere Mitwanderer kennen: eine Amerikanerin, zwei Australier, drei Engländer und eine Waliserin. Die Jungs drehen sich zunächst mal in aller Ruhe einen Joint. Wir sind beruhigt, dass auch die anderen keine Spitzensportler sind - und zuversichtlich, dass wir mithalten können😅.

    Tag 2:
    Um 6 Uhr kriechen wir in unseren dicken Daunenjacken aus dem Zelt. Auf der Aussenseite hat sich eine Eisschicht gebildet. Trotz Minustemperaturen und Höhenluft haben wir erstaunlich gut geschlafen.

    Damit wir uns aufs Wandern und Überleben konzentrieren können, begleitet uns eine kleine Crew. Carlos, der in seinem spartanischen Kochzelt einfache, aber nahrhafte Menüs zubereitet. Luis und Capi, die stets gut gelaunten Esel- und Pferdetreiber. Jeden Tag bauen sie unser Camp ab und wieder auf - und beladen ihre Tiere mit den Zelten und Lebensmitteln. Und schliesslich Rojas, unser knorliger Guide, der uns über die Pässe führt. Keiner von ihnen spricht Englisch, und da unsere englischsprachigen Freunde nur begrenzt Spanisch sprechen, werden wir schon bald zu den Dolmetschern der Gruppe.

    Die erste Wanderung führt an türkisblauen Lagunen vorbei, dahinter einige der mächtigsten Berge der Huayhuash-Bergkette. Wir staunen, keuchen und kämpfen, als der steinige Pfad auf 4800 Meter hinauf zum Paso Siula führt. Geschafft, aber glücklich geniessen wir die erste Passüberquerung und wandern anschliessend bergab ins nächste Camp. Bisschen mehr als 7 Stunden dauert die erste Etappe.

    Abgelegen heisst nicht einsam. Auf dem neuen Zeltplatz tummeln sich bereits fünf andere Wandergruppen. Es gibt sogar einfache Toiletten, fliessendes Wasser und in einer kleinen Scheune wird Bier verkauft. Das hätten wir auf 4350 Metern definitiv nicht erwartet. Im Wissen, dass Alkohol in dieser Höhe doppelt und dreifach reinhaut, verzichten wir (vorerst) aufs wohlverdiente Bierchen…

    Tag 3:
    Coca-Blätter sind seit Jahrhunderten ein traditionelles Mittel in den Anden, um in der Höhe leistungsfähiger zu sein. Sie fördern die Durchblutung und erhöhen die Ausdauer. Also rein damit in die Backe und kauen, denn heute steht der erste 5000er an.

    Wir wandern über eine Mondlandschaft, der Nebel hängt tief. Plötzlich schrecken wir auf, als sich durch die Wolken ein Monster von einem Berg schiebt – der Trapesio. Zu ihm wollen wir. Wir kämpfen uns weitere 700 Höhenmeter hoch, und dann ist es endlich so weit: Zum ersten Mal über 5000 Meter über Meer. Was für eine Kulisse! Endorphine und Adrenalin sorgen dafür, dass wir die Erschöpfung vergessen. Die ganze Gruppe jubelt, es fliessen sogar vereinzelt Freudentränen.

    Nach dem Hoch folgt das Tief. Nach 7,5 Stunden erreichen wir das nächste Camp. Der Grossteil der Gruppe ist komplett zerstört, die Beine schlapp, der Kopf schmerzt, Katerstimmung. Einzelne klagen über Durchfall. Wir beide haben jedoch Glück und bleiben verschont…

    Tag 4:
    Am nächsten Morgen sitzen alle wieder um 6 Uhr am Zmorgen-Tisch. Das Rührei runterwürgen, das abgekochte Flusswasser in die Flaschen abfüllen, Blasenpflaster aufkleben – und weiter geht’s. Der längste Hike der Woche steht an: über 20 Kilometer, rund 8 Stunden.

    Wir sind im Roboter-Modus, die Beine tragen uns einfach weiter. Und wir pulverisieren unseren Höhenrekord vom Vortag gleich nochmals. Der Santa Rosa-Pass liegt auf 5150 Metern. Das ist 300 Meter höher als der höchste Berg Europas, der Mont Blanc. Wir geniessen das Hiker’s High und wissen: Den Rest schaffen wir jetzt mit links.

    Dieser Ort ist übrigens auch Schauplatz des auf wahren Fakten basierenden Dokudramas „Touching the Void“, das den Überlebenskampf zweier abgestürzter Bergsteiger zeigt. (Youtube Link: https://youtu.be/lHYwxoYsK0A?si=XO6t1DdoBPpLBOuj)

    Die Wanderung führt hinab in die Nähe eines verschlafenen Dorfes – das einzige Mal, dass wir unterhalb der 4000-Meter-Grenze schlafen. Keine 24 Stunden nach dem ersten Tiefpunkt ist die Stimmung in der Gruppe wieder ausgelassen. Passend dazu findet im Dorf ein kleines Fest mit Stierkampf statt. Wir mischen uns unter die Menge und gönnen uns ein erstes, wohlverdientes Bier.

    Tag 5:
    Immer wenn wir denken, jetzt wird es bestimmt leichter, wird es mit Sicherheit anstrengender. Wir müssen 1300 Höhenmeter hochwandern, fünf Stunden lang einfach nur steil bergauf. Doch nichts hält uns mehr auf. Wir beide laufen vorneweg – zusammen mit unserem Guide Rojas erreichen wir als Erste den Pass auf 4800 Metern. Noch nie fühlten wir uns so fit.

    Unser Camp liegt auf 4500 Metern. Hier ist es spürbar windiger und kälter als in den vorherigen Camps. Und tatsächlich: Die Nacht wird zur Horrornacht. Wir machen kaum ein Auge zu. Der Schlafsack kann die Minustemperaturen nicht mehr ausgleichen. Die Hüfte schmerzt, weil die Isomatte heute besonders dünn scheint. Wir sehnen dem Ende der Wanderung entgegen…

    Tag 6:
    Der Morgen danach ist nicht besser. Das lebensrettende Kaffeepulver ist aufgebraucht, alle husten und sind erschöpft, die Beine schwer wie Blei. Die Konzentration lässt nach, wir stolpern dem letzten Pass auf 4800 Metern entgegen.

    Dieses Wechselbad der Gefühle ist schon krass. Kaum oben auf dem Aussichtspunkt angekommen, verwandelt sich unsere Stimmung wieder schlagartig. Es ist, als würde plötzlich eine Droge durch die Adern fliessen. Wir schweben entlang eines surrealen Grats – mit dem mächtigen Yerupajá vor Augen, ein absolutes Highlight. Mit 6635 Metern ist er der zweithöchste Berg Perus. Dann hinab zur malerischen Lagune Jahuacocha – unser letztes Camp. Einer der schönsten Zeltplätze dieser Woche.

    Hier feiern wir unsere Leistung – und Pirmins Geburtstag. Ein Pferdebauer verkauft uns kühles Bier. Carlos hat sogar einen Kuchen in der Bratpfanne gebacken. Luis holt sein Lieblingspferd hervor und lässt uns eine Runde entlang der Lagune galoppieren. Und zum Abendessen gibt’s frisch gefangene Forellen. Was für ein grossartiger Abschluss einer unvergesslichen Woche.

    Tag 7:
    Es ist okay, dass der Kopf heute ein wenig schmerzt. Wir müssen nur noch vier Stunden durch ein Tal wandern, bis wir das nächste Städtchen erreichen. Dort wartet bereits der Van, der uns zurück nach Huaraz fährt.

    90 Kilometer durch eine abgelegene, absolut faszinierende Landschaft zu wandern, ist nicht alltäglich. Staubig, stinkig, aber mächtig stolz beenden wir diese Woche.
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  • Die graue Hauptstadt

    8. august 2024, Peru ⋅ ☁️ 17 °C

    Fragt man eine Peruanerin oder einen Peruaner, woher sie oder er stammt, lautet die Antwort höchstwahrscheinlich: „Soy de Lima.“ Ein Drittel der peruanischen Bevölkerung lebt in der Hauptstadt. Und das spüren wir auch, als wir mit dem Bus langsam in Lima einrollen. Die Fahrt von der Stadtgrenze bis zu unserem Airbnb im Stadtviertel Barranco dauert Stunden.

    Zunächst sind wir überwältigt von den hippen Bäckereien, Bars, Kunstgalerien und uuuuuunzähligen Restaurants und Cafés, die sich in den kolonialen Häusern aneinanderreihen. Zum Frühstück holen wir uns frisches Brot, Käse und Butter. Uns kommen fast die Tränen. Wie sehr haben wir das in den letzten Monaten vermisst!

    Drei Viertel des Jahres ist Lima jedoch kalt, neblig und ungemütlich. Der August ist der kälteste Monat, deshalb kommen wir nicht so richtig in Sightseeing-Laune. Stattdessen schlemmen wir uns quer durch die berühmten peruanischen Gerichte: Ceviche, Causa, Lomo Saltado, Chaufa – und in Chinatown gibts Dim Sum, denn auch die chinesische Küche ist hier tief verwurzelt.

    Wir sind vollgefressen und uns ist kalt bis auf die Knochen. Schnell zurück in die Sonne, nach Arequipa!
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  • Oh, linda Arequipa

    14. august 2024, Peru ⋅ ☀️ 24 °C

    Plötzlich befinden wir uns mitten in einer traditionellen Inka-Zeremonie. Ein getrockneter Lamafötus liegt auf dem Tisch, bedeckt mit Blumen und Coca-Blättern. Abuelo fordert uns ebenfalls auf, jeweils drei Coca-Blätter auf das ungeborene Lama zu legen und uns dabei etwas zu wünschen. Ausserdem sollen wir einen Schluck Wein auf den Boden, in Richtung des Feuers, werfen. Nachdem dies jeder im Kreis getan hat, wird die Opfergabe dem Feuer übergeben und verbrannt.

    Die Zeremonie findet auf der Dachterrasse unseres Hostels statt. Ein kleiner Familienbetrieb, in dem die ganze Sippe mithilft. Dementsprechend sind auch alle an diesem wichtigen Abend anwesend.

    Das Ritual ist zu Ehren von Pachamama, die Mutter Erde in den alten Kulturen der Anden. Noch heute wird sie von den Nachfahren der Inkas verehrt. Wer Glück oder Fruchtbarkeit im Leben sucht, sollte ihr regelmässig etwas opfern. Vor Jahrhunderten wurden sogar Kinder geopfert, heute sind es “nur” Lamaföten. Vieles davon verstehen wir nicht ganz, doch wir beobachten fasziniert dieses Ritual im (erweiterten) Familienkreis.

    Wir sind im Süden des Landes angekommen, in Arequipa, der zweitgrössten Stadt des Landes. Der Kontrast zur grauen Maus Lima könnte nicht grösser sein. Hier scheint fast das ganze Jahr die Sonne, es ist angenehm warm. Die Gebäude im Zentrum strahlen in leuchtendem Weiss. Und das Stadtbild wird von imposanten Vulkanen geprägt.

    Unser Entdecker-Modus ist wieder on fire. Wir tauchen in den Alltag der Arequipeños ein – auf dem schönsten Markt, den wir bisher in Peru gesehen haben (hier kann man übrigens die Lamaföten kaufen). Schlendern staunend durch das farbenfrohe, ehemalige Kloster Santa Catalina - und fühlen uns dabei eher in Andalusien als in den Anden. Und wir dürfen sogar das grosse, alljährliche Stadtfest miterleben.

    Aber das Beste wartet noch. Uns zieht’s wieder in die Höhe bzw. diesmal in die Tiefe…
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  • Colca Canyon

    18. august 2024, Peru ⋅ ⛅ 17 °C

    Wir stehen staunend am Rand des Colca Canyons – eine der tiefsten Schluchten der Welt. Vor uns liegen vier Tage, 35 Kilometer Wanderweg und ziemlich viele Höhenmeter...

    Tag 1: Knie vs. Kondor

    Wir gehen richtig steil – wortwörtlich. Fast 1200 Höhenmeter hinunter auf 2100 Meter über Meer. Während unsere Knie schon nach den ersten Metern schlottern, ziehen über uns die Kondore ihre Kreise – als wollten sie sich das Schauspiel nicht entgehen lassen. Im Tal angekommen, gibt es ein Stück Brot und ein Mini-Pic zum Picknick – der Landjäger war leider ausverkauft – neben einem Geysir, der kochend heisses Wasser ausspuckt. Wo Geysire sind, sind Thermalbäder nicht weit. Noch 30 Minuten geradeaus, dann springen wir direkt in die heissen Pools unserer ersten Unterkunft, bis unsere Hände und Füsse schrumpelig sind und die Sonne untergeht.

    Tag 2: Höhen, Tiefen und Drama

    Nach einem kurzen, aber steilen Anstieg geht es vier Stunden entlang des Canyons. Ein sympathisches, französisches Seniorenpaar begleitet uns. Am Ziel angekommen, erwartet uns ein Zimmer im Kondor-Look zum Schnäppchenpreis. Die Touristenhorden, die mit einer 2-Tages-Tour durch den Canyon eilen, gibt es gratis obendrauf. Sogar ein Live-Hörspiel einer deutschen Touristin, die offenbar von der Sonne und Höhe so hart getroffen wurde, dass sie all ihre Beschwerden lautstark ihrer Mutter am Telefon berichten muss. Im Verlauf des Nachmittags zieht die Karawane zum Glück weiter und wir haben den grossen Garten fast für uns alleine.

    Tag 3: Im Paradies

    Am dritten Tag gehen wir’s gemütlich an. Nach einer kurzen, aber wunderschönen Wanderung entlang prächtiger Gärten und Kaktuswälder erreichen wir nach drei Stunden die Oase Sangalle. Gastgeber Ronaldo empfängt uns mit einem Willkommensapero am Pool. Erst nach Sonnenuntergang kommen noch zwei Paare aus Spanien dazu, mit denen wir ein leckeres Lomo Saltado de Alpaca zum Znacht geniessen.

    Tag 4: What comes down - must go up!

    Um 4:30 Uhr heisst es: Aufstehen. Wir müssen die 1100 Höhenmeter wieder bergauf - im Wettrennen gegen die Sonne. Unsere Wädli sind zum Glück noch gut im Schuss vom Huayhuash-Trek, deshalb sind wir nach gut zwei Stunden bereits wieder oben am Rand des Canyons.

    Ein weiteres Natur-Spektakel in Peru, check ✅ !Wir fahren zurück nach Arequipa, wo wir unser grosses Gepäck deponiert haben. Und dann geht unser Peru-Abenteuer schon bald in die Schlussrunde…
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  • Rainbow Mountains

    24. august 2024, Peru ⋅ ☀️ 13 °C

    Vor einigen Wochen haben wir hier geschrieben, dass wir den untouristischen Norden von Peru noch vermissen werden. Es ist jetzt soweit. Wir sind in Cusco – früher Zentrum des mächtigen Inkareichs. Heute Hauptstadt der Touristen.

    Preise für Touren sind in US-Dollar angeschrieben. Frauen mit geschmückten Baby-Lamas betteln, fotografiert zu werden. In den engen Gassen herrscht Dichtestress. Die komplette Innenstadt scheint nur für die internationalen Gäste ausgelegt zu sein. Wir hatten keine Lust, die Kamera hervorzuholen.

    Nichts wie raus aus der Stadt. Denn eines hat diese Region zweifellos zu bieten: eine beeindruckende Bergwelt. Wir machen einen Tagesausflug zum Berg Palccoyo (5000 Meter). Der unbekannte kleine Bruder der berühmten Rainbow Mountains. Genauso farbig aber ohne Schlange stehen für ein Foto.
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  • Das heilige Tal

    1. september 2024, Peru ⋅ ☁️ 20 °C

    Es war einmal ein König, der die Welt verändern sollte: Pachacútec Yupanqui. Mit seinen „Kinder der Sonne“ formte er das grösste Imperium, das Südamerika je gesehen hatte. Das Inka-Reich erstreckte sich vom heutigen Ecuador bis nach Chile und Argentinien. Unter Pachacútecs Herrschaft wurde Cusco zum rituellen, politischen und kulturellen Mittelpunkt des Reiches.

    Wir machen uns auf eine kleine Entdeckungsreise – von Cusco aus, durchs nahegelegene Valle Sagrado, dem heiligen Tal der Inka. Und wir versuchen abseits der eingetrampelten Pfade der mysteriösen Geschichte der Inka etwas näher zu kommen.

    Wir starten unseren Streifzug in Chinchero. Ein ruhiges Dorf, wo einst Tupac Yupanqui, der Sohn des grossen Pachacútec, eine prächtige Sommerresidenz errichten liess. Die Einheimischen grüssen uns freundlich und scheinen etwas verwundert, dass die Gringos hier übernachten. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg entlang einer der unzähligen Inka-Pfade, zur Ruine Huchuy Qosqo (übersetzt „kleines Cusco“). War es ein königliches Landgut oder ein Regierungszentrum nach dem Vorbild der Inka-Hauptstadt Cusco? Man weiss es nicht, die Inka-Kultur birgt bis heute noch viele Geheimnisse. Denn die Inka hatten keine Schrift, hinterliessen keine Dokumente und auch keine in Stein gemeisselten Hieroglyphen oder Schriftzeichen.

    Als wir uns den steinigen Weg hinaufkämpfen, stellen wir uns vor, wie einst die Chasquis, die Nachrichten-Kuriere der Inka, in Stafetten-Läufen diese steilen Wege hoch sprinteten. Sie sollen Nachrichten von Chile bis nach Ecuador in nur wenigen Tagen überbracht haben. Wir sind etwas langsamer unterwegs und kommen erst nach 5 Stunden in Klein-Cusco an. Am Torbogen sitzt eine Schaf-Hirtin und schaut hinab ins Tal. Ihre Schafe grasen gemütlich auf den gut erhaltenen Landwirtschaftsterrassen. Sie freut sich über unseren Besuch, wir sind wahrscheinlich die einzigen Menschen, denen sie heute begegnet. Nach der Ruinen-Besichtigung geht’s noch 1,5 Stunden steil bergab, bevor wir an unserem Tagesziel in Pisac ankommen.

    Pisac war zu Inka-Zeiten ein bedeutender, militärischer Kontrollpunkt. Heute ist Pisac eher bekannt für seine Hippie-Vibes. Yoga-Retreats und Mandala-Workshops sind noch das Harmloseste, was man hier findet. Von psychedelischen Wanderungen, über Ayahuasca-Sessions, Bufo-Ritualen (Krötengift) und jeder erdenklichen Sorte von "Medizin" bietet dieser Ort alles, was das moderne, alternative Herz begehrt. Wir geben uns eine Nacht in diesem Hippie-Nest, damit wir am nächsten Morgen in aller Frühe, noch vor den Busladungen voller Tagesausflügler, die eindrücklichen Festungsanlagen und Terrassen besuchen können.

    Genau aufs Zmittag sind wir zurück im Städtchen. Nach einem Menu del Dia und einem Matcha Chai Latte führt uns die nächste Etappe mit drei verschiedenen Colectivos weiter hinauf ins Tal - nach Maras. Von hier haben wir eine spektakuläre Aussicht auf das Heilige Tal und die dahinter liegenden Anden. In diesem staubigen Dorf treiben Frauen mit grossen Hüten und farbigen Röcken die Schafherden durchs Dorf. Dicke Munis und Schweine leben neben Güggel und Esel im Hinterhof. Ansonsten ist dieses Dorf angenehm ausgestorben, genau nach unserem Gusto.

    Nur zwei Stunden Wanderung vom Dorf entfernt gibt es etwas zu sehen, das uns eher an einen Science-Fiction-Film erinnert. Moray - das geheimnisvolle Labor der Inka. Diese kreisförmigen Terrassen, sollen den Inka als eine Art landwirtschaftliches Experimentierfeld gedient haben. Zwischen der obersten und untersten Ebene herrscht ein Temperaturunterschied von 12 Grad. So sollen die Inka untersucht haben, wie Höhe, Temperatur und Sonneneinstrahlung das Pflanzenwachstum beeinflusst – und was die besten Bedingungen für Gemüse und Getreide sind.

    Doch das war noch nicht alles, was Maras zu bieten hat. Zwei Stunden in die andere Richtung befinden sich die berühmten Salzsalinen. Wieder so ein Ort nicht von dieser Welt. Über 3000 Salzbecken reihen sich entlang eines Tals dicht aneinander. Seit der Inka-Zeit zapfen die Bewohner eine salzhaltige Quelle an, deren Wasser durch die Sonne verdunstet und das wertvolle Salz zurücklässt. Wir schauen staunend den Arbeiterinnen und Arbeiter in den Salzbecken zu, die heute immer noch in mühsamer Handarbeit das Salz gewinnen – auf gleiche Weise wie ihre Vorfahren.

    Lange Zeit lebten die Inka ohne Feinde auf Augenhöhe. Bis die Spanier kamen. Denn dem spanischen Konquistador Francisco Pizarro war zu Ohren gekommen, dass es in diesem “Biru” reichlich Gold gibt. Er startete seinen Feldzug an den Küsten des Inka-Reichs. Die Inka mit ihrer riesigen Armee waren nicht auf die Ankunft der Spanier vorbereitet, die mit ihren seltsamen grossen Tieren (auch bekannt als Pferde) angeritten kamen. Der Rest ist Geschichte: Die Spanier kamen, sahen und plünderten alles, was nicht niet- und nagelfest war.

    Die Inka mussten sich von den vorrückenden Konquistadoren zurückziehen. Eine der letzten Widerstands-Hochburgen war Ollantaytambo – weit hinten im heiligen Tal. Genau dort verbringen wir unsere letzten zwei Nächte im Valle Sagrado und besuchen die majestätischen Verteidigungsanlagen und Ruinen, die über dem hübschen Städtchen wachen.

    Insgesamt leisteten die Inka 40 Jahre lang Widerstand. Der letzte Inka-Herrscher Tupac Amaru (nicht zu verwechseln mit dem totgesagten Rapper Tupac Shakur) wurde 1572 gefangen genommen und in Cusco hingerichtet. Sein Tod markierte das endgültige Ende des Inka-Reiches.

    Ach ja, und was ist eigentlich mit Machu Picchu, dem versteckten Königspalast der Inka? Den haben die Spanier nie gefunden. Wir auch nicht. Entweder man muss Tickets Wochen im Voraus reservieren – oder zwei Tage Schlange stehen für ein Last-Minute-Ticket. Auf beides haben wir keine Lust. Also entscheiden wir uns, diesen Touri-Hotspot auszulassen und ihn auf unsere Liste “machen wir, wenn wir pensioniert sind“ zu setzen.

    Der Legende nach sollen die Inka ihre letzten Schätze tief im peruanischen Dschungel versteckt haben. Dort schlummern sie vielleicht noch immer. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben die Geister der Inka im tiefen Grün des Dschungels weiter...
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  • Titicaca-See

    11. september 2024, Bolivia ⋅ ☀️ 15 °C

    Seit unserer nicht so charmanten Grenzerfahrung in Nicaragua sind Länderwechsel immer so eine Sache, die uns leicht nervös macht. Bestimmte Berufsgattungen sind eben nicht überall willkommen. Und nein - ausnahmsweise ist es nicht die HR-Tante, von der man sich fürchtet.

    Doch noch nie verlief ein Grenzübertritt so schnell und reibungslos wie von Peru nach Bolivien. Aus dem Bus aussteigen, Ausreisestempel im peruanischen Büro abholen, 100 Meter zu Fuss über die Grenze gehen, Einreisestempel in einer improvisierten Hütte von den bolivianischen Beamten bekommen, zurück in den Bus – mucho gusto Bolivia!

    Kurz darauf sind wir in Copacabana. Nicht der Partystrand in Rio de Janeiro, sondern eine Kleinstadt am Titicaca-See. Der höchstgelegene schiffbare See der Welt (3800 M.ü.M), 15 Mal so gross wie der Bodensee – und angeblich der Geburtsort der Inka-Kultur.

    Neues Land, neues Geld, neue Spezialitäten, neue Gerüche. Wir lassen es gemütlich angehen, saugen die neuen Eindrücke auf und geniessen unsere grossartige Hostel-Terrasse – mit Blick auf den See, der uns ein bisschen Strandurlaub-Feeling gibt. Unser einzige tägliche Fixpunkt ist die Trucha (Forelle) zum Zmittag in einem der vielen Zelt-Kioske an der Seepromenade. Die Nummer 20 “Kiosco Titikaka Sagrado” ist unser Favorit, hier schmeckt die Trucha al Limón wirklich himmlisch.

    Nach vier Tagen „tranquillo, tranquillo“ haben wir dann doch wieder etwas Bewegungsdrang. Also machen wir uns mit dem Boot auf zur Isla del Sol – der Sonneninsel. Ein heiliger Ort der Inka, wo laut Mythos der Sonnengott seine Kinder auf die Erde geschickt hat, um später das Inka-Reich zu gründen.

    Die erste Nacht verbringen wir im Norden der Insel. Hier gibt es mehr Schafe und Esel als Einwohner. Die Bauern treiben ihre Herden dem Strand entlang zum täglichen Weidegang. Das Leben ist einfach und ursprünglich, die Natur absolut spektakulär. Als wir am Abend in der einen von zwei Beizen sitzen, fragen wir uns, warum wir hier die einzigen weit und breit sind…

    Vielleicht liegt es daran, dass man als Tourist eine Zeit lang nicht an diesen Ort konnte. Bis vor wenigen Jahren herrschte ein Kleinkrieg zwischen zwei Dörfer im Norden. Beide wollten ein grosses Stück des Tourismus-Kuchens. Es flogen Fäuste, Steine und Dynamit. Der Norden der Insel wurde kurzerhand für den Tourismus gesperrt.

    Heute haben sich die Gemüter beruhigt, und man kann den herrlichen Wanderweg von der Nordseite zur Südseite ohne Hindernisse geniessen. Genau das tun wir am zweiten Tag.

    Für die zweite Nacht checken wir bei einer herzlichen Señora ein. Auch in ihrer einfachen Herberge sind wir wieder die einzigen Gäste. Seit Covid seien die Touristen nicht zurückgekommen, erzählt sie uns.

    Am nächsten Morgen nehmen wir das Boot zurück aufs Festland. Der Start in Bolivien könnte nicht besser sein. Das Essen schmeckt, die Menschen sind herzlich und hilfsbereit, und wir fühlen uns vom ersten Moment an wohl und willkommen.

    Ach, und dann gibt es noch dieses kuriose Spektakel auf dem Hauptplatz von Copacabana – die berühmten Autossegnungen. Hinz und Kunz karren ihre frisch gekauften Autos hierher, um sie vor der Kirche liebevoll mit Blumen zu schmücken, vom Priester segnen zu lassen und mit reichlich Champagner zu übergiessen. Wohl der bolivianische MFK für unfallfreies Fahren. Wir bekommen auch bisschen Weihwasser ab und sind somit bereit für die Weiterreise durch Bolivien.
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  • Hexen & gute Aussichten

    18. september 2024, Bolivia ⋅ ☀️ 17 °C

    Um von Copacabana aufs „Festland“ von Bolivien zu kommen, muss man den super vertrauenswürdigen Fährservice in Tiquina nehmen. Unser Bus wird auf ein paar Holzbretter mit Schwimmflügeli geladen und ans andere Ufer geschifft. Die Passagiere werden derweil per Taxi-Boot rübergefahren und nehmen den Bus auf der anderen Seite wieder in Empfang. Brücken? Völlig überbewertet!

    In der Dämmerung rollen wir in La Paz ein. Wolkenkratzer im Tal, umgeben von einem endlosen Meer aus backsteinfarbenen, halbfertigen Häusern. Alles Absicht, lernen wir später, denn für unfertige Häuser bezahlt man weniger Steuern. Wir checken in einem Airbnb im 19. Stock eines fertigen Wolkenkratzers ein. Vom Stubenfenster überblicken wir das Zentrum. Aus der Küche strahlt uns der 6400 Meter hohe, schneebedeckte Illimani entgegen. Und auch La Paz kann mit Höhenmetern angeben. Mit 3640 M.ü.M der höchstgelegene Regierungssitz der Welt.

    Die Stadt hat ihren ganz eigenen Charme – laut, chaotisch, farbenfroh. Mal heiss, dann wieder kalt. Auf dem gigantischen Mercado Rodriguez verkaufen die „Caseras“ (Marktfrauen) frisches Gemüse und Früchte. Drei Strassen weiter stehen die “Cholitas” (Frauen in traditioneller Kleidung, schicken Hüten und endlos langen Zöpfen) hinter ihren Verkaufsständen. Wir sind auf dem berühmten Mercado de las Brujas - dem Hexenmarkt. Hier gibt es alles für das nächste Opfergabenritual an Pachamama. Von Coca-Blättern, Süssigkeiten, Wein bis Lama-Föten. (Siehe Arequipa-Post für mehr Details über Lama-Föten🦙).
    Auch der Stadt-Friedhof von La Paz ist besonders. Hier wird nicht getrauert, sondern das Leben gefeiert. Musiker singen Lieder, die Angehörigen bringen Wein und Pollo Frito und schmücken damit das Grab. Jedes Jahr findet hier zudem ein grosses Streetart-Festival statt.

    Mit einer der zehn Seilbahnlinien (made in Austria) schweben wir auf über 4000 Meter in die Nachbarstadt El Alto. Donnerstags und sonntags steigt hier einer der grössten Märkte Südamerikas – über 500 Blocks gross! Wir sehen nur einen Bruchteil davon und leiden schnell an totaler Reizüberflutung. Aber wir kaufen uns je zwei Secondhand-Hemden.

    Die brauchen wir nämlich für unser nächstes Abenteuer. Nach sieben Monaten non-stop Reisen sind wir etwas durch. Es ist Zeit für etwas Anderes. Wir haben uns einen Job ergattert. Im bolivianischen Amazonas hat es sich ein Romand zur Lebensaufgabe gemacht, Affen und andere Tiere aus illegalem Handel zu retten, aufzupäppeln und wieder auszuwildern. In den nächsten Wochen packen wir mit an und hoffen ganz viel Neues über die Tiere und das Dschungelleben zu lernen. Strom und Handyempfang wird es nicht geben. Also herrscht auch auf diesem Kanal die nächsten 2-3 Wochen Funkstille. 🐵✌🏼
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  • La Cruz Verde

    13. oktober 2024, Bolivia ⋅ ⛅ 37 °C

    Baba ist 2,5 Jahre alt, hat gold-rotes Haar, liebt Mangos und Umarmungen, schmatzt genüsslich beim Essen und kann selbstständig die Toilette benutzen. Das Problem: Baba ist kein Mädchen, sondern ein Brüllaffe. Sie ist bei Menschen als Haustier aufgewachsen – und hat keine Ahnung wie sich Brüllaffen in der Wildnis benehmen und überleben.

    Auch in Bolivien ist es illegal, Brüllaffen (und andere Wildtiere) als Haustiere zu halten. Deshalb wurde Baba beschlagnahmt und der Auffangstation „La Cruz Verde“ im bolivianischen Urwald übergeben. Hier wird sie aufgepäppelt, artgerecht gehalten und Schritt für Schritt auf ein selbstständiges Leben im Dschungel vorbereitet.

    Baba ist eine von sechs jugendlichen Brüllaffen, um die wir uns kümmern. Dazu kommen drei Brüllaffen-Babys, drei Kapuzineraffen und zwei Totenkopfäffchen. Zwei Wildschweine, ein Nasenbär und ein „Bush Dog“ machen die bunte Patchwork-Familie komplett. Alles Tiere, die aus illegalem Handel gerettet, als Waisen aufgefunden oder wie Baba als Haustier gehalten wurden.

    Solange die Wildtiere noch nicht erwachsen und selbstständig sind, übernehmen wir die Rolle der Ersatzeltern. Wir geben ihnen Früchte, Salat und Milch – und behalten sie stets im Auge, wenn sie in den Bäumen spielen und verfolgen sie wenn nötig in den Dschungel hinein. Im Gegensatz zu anderen Auffangstationen verbringen die Affen hier den ganzen Tag frei im Dschungel – und nicht in Käfigen. Nur nachts werden die Babys in einem geschützten Bereich untergebracht.

    Ein einzigartiger Ansatz – aber auch ein Ansatz, der viel Manpower erfordert. Daher arbeiten hier stets rund 15-20 Volunteers aus aller Welt mit, für Kost und Logis.

    Wir müssen zugeben: Zu Beginn fiel uns die 6-stündige Schicht im Dschungel nicht leicht. Ein Grossteil der Arbeit besteht aus Beobachten und Warten. Ohne Handy, ohne Internet. Nur du, die Affen, der Dschungel und deine Gedanken. Aber nach ein paar Tagen Angewöhnungszeit kommen wir in den Dschungel-Rhythmus und können die einzigartige Entschleunigung mitten im Amazonas-Regenwald geniessen.

    Die Auffangstation wurde vor vier Jahren vom Schweizer Frédéric „Fred“ Bordier gegründet. Finanziert wird sie ausschließlich durch private Spenden, ohne Unterstützung der Regierung. Zuvor hat Fred in anderen Rescue Centers gearbeitet, kam dann aber zur Überzeugung, dass eine Auffangstation auch ohne Käfige funktionieren kann. Und so mietete er ein Stück Land einer indigenen Gemeinschaft und errichtete darauf sein kleines Paradies.

    Dass die Tiere sich frei im Dschungel bewegen können, birgt auch gewisse Risiken. Das mussten wir in unserer zweiten Woche auf tragische Weise erleben. Ein Adler griff die Gruppe der jugendlichen Brüllaffen an. Beim Versuch, den kleinsten Affen „Anca“ zu attackieren, wurde sie mit den Krallen so schwer verletzt, dass sie starb. Baba stellte sich dem Adler wohl mutig in den Weg und wurde dabei selbst verletzt. Seitdem kann sie einen Arm nicht mehr richtig bewegen.

    Nach der Attacke müssen wir uns nicht nur um die traumatisierte Baba kümmern. Sondern auch um Fred, für den der Verlust wie der eines Familienmitglieds ist.

    Ein trauriger Moment… in einer sonst grossartigen Zeit, in der wir viel Neues und Unerwartetes lernen dürfen. Uns gefällt der Digital Detox und die Arbeit mit den Affen so gut, dass wir länger als geplant im Dschungel bleiben. Insgesamt vier Wochen.

    Mehr über das Leben im Camp, die herausfordernden hygienischen Bedingungen und unsere Begegnungen mit anderen Tierchen berichten wir im nächsten Teil…
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  • Im Dschungelcamp

    18. oktober 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 33 °C

    In unserem Camp begegnen uns nicht nur Affenbabys und Wildschweine. Eine kleine Tarantulafamilie schaut uns regelmässig beim Kochen zu, Schlangen kreuzen unsere Wege, riesige Echsen warten vor der Dusche und kleine Frösche duschen sogar mit. Und dann gibt es noch diese ganz besondere Spezies: Parasiten & Salmonellen. Fast jede und jeder im Camp (ausser Simi aka “Rossmagen”) musste in den vier Wochen daran glauben – manche sogar doppelt.

    Ja, das Camp-Leben mitten im Dschungel ist teilweise herausfordernd. Keine Elektrizität, kein Kühlschrank, Temperaturen über 40 Grad und bräunliches Leitungswasser. Wir teilen uns zwei Massenschläge und drei WCs mit rund 20 Volunteers. Eine Wohlfühloase für die kleinen Krankmacher.
    Nach einem kurzen Besuch im Laboratorio in der nahegelegenen Stadt Rurre – wo es interessanterweise weder WC-Papier noch Handseife gibt – kommen die Pechvögel (natürlich inkl. Pirmin) mit einer Ladung Anti-Parasiten-Medikamenten zurück. Nach 1-2 Tagen sind sie meist wieder fit.

    Trotz aller Herausforderungen funktioniert das Zusammenleben erstaunlich reibungslos. Am Mittag kocht Teresa für uns, eine herzliche Señora aus der indigenen Community. Am Abend kochen wir selbst – gar nicht so einfach für 20 Leute. Die Auswahl an Lebensmitteln ist begrenzt. Dreimal pro Woche bekommen wir frisches Gemüse, Reis, Gerste, Linsen, Bohnen, Spaghetti, Käse, Mehl, Konfi und Milchpulver. Für ausgefallenere Zutaten reicht das Budget oder die improvisierte Kühltruhe nicht. Zum Glück hausen wir mit vielen Franzosen, die wissen, wie man kocht.

    Jeweils vor dem Znacht planen wir den nächsten Tag. Es gibt Morgen- und Nachmittagsschichten. Wer morgens arbeitet, kann am Nachmittag in der indigenen Community “Carmen Florida” mithelfen. Bananen ernten, Bananenstauden pflanzen, Dschungelpfade mit der Machete freimachen oder Treppen bauen. Ausserdem geben zwei Volunteers einmal pro Woche Englischunterricht in der Schule. Wer nicht zusätzlich arbeiten möchte, kann den freien Nachmittag am Pool in Rurre verbringen und zum Zvieri einen Eiskaffee trinken. Zugegeben, das Dschungelleben lässt sich aushalten, wenn die Zivilisation nur eine 15-minütige Bootsfahrt entfernt ist.

    Abends sind wir alle müde vom langen Tag in der Hitze – meist hören wir beim Einschlafen nur das Zirpen der Grillen. Einmal pro Woche gibt es jedoch eine kleine Party am improvisierten Lagerfeuer aus Kerzen am Strand. Wegen der Waldbrände in grossen Teilen des bolivianischen Amazonasgebiet wäre ein richtiges Feuer nicht angebracht. Am “Feuer” werden die Neuankömmlinge mit einem Shot “Ceibo” begrüsst – 96-prozentiger Alkohol, den wir tagsüber zum Reinigen und Desinfizieren brauchen.

    Nach vier Wochen sitzen wir ein letztes Mal im Kerzenschein und trinken einen Abschiedsschluck Desinfektionsmittel. Was für eine unvergessliche Zeit wir hier eleben durften!

    Der Abschied fällt uns nicht leicht – von den Affenbabys, Baba und Fred, der etwas ganz Einmaliges geschaffen hat und die gesamte Verantwortung und die finanziellen Sorgen alleine trägt. Wenn ihr also schon bald auf der Suche nach einem sinnvollen Weihnachtsgeschenk seid, kennen wir da jemanden, der eine kleine Spende dringend gebrauchen könnte und sein letztes Hemd gibt, um diese Welt ein kleines Stück besser zu machen.

    Baba geht es übrigens wieder gut – und sie ist zurück in den Bäumen bei den grossen Affen. Vorläufiges Happy End ❤️

    P.s. Hier noch der Link zu einem Kurzfilm über Cruz Verde, der von einem Volunteer produziert wurde: https://youtu.be/GR0uNtoVSZg?si=gSUdtsbEara_GY25
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  • Lamaland

    29. oktober 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 10 °C

    Zurück auf 4200 Metern Höhe stehen wir auf dem staubigen Dorfplatz eines kleinen, verschlafenen Dorfes. Im Hintergrund strahlt der Vulkan Sajama – Boliviens höchster Berg (6542 m) – in der Abendsonne.

    Willkommen im Sajama-Nationalpark, direkt an der Grenze zu Chile. Der Kontrast zum Dschungel könnte kaum grösser sein. Hier erstreckt sich eine weite, karge Steppenlandschaft, umgeben von gigantischen Vulkanen und dampfenden Geysiren. Wir haben auf dieser Reise ja schon vieles gesehen, aber diese Landschaft wirkt absolut surreal. Während wir zu Lagunen und heissen Quellen wandern, fühlen wir uns wie auf einem anderen Planeten.

    Auch die zahlreichen Lamas und Alpakas starren uns mit ihren grossen, gwundrigen Augen an, als wären wir Ausserirdische.
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  • Ein Land steht still

    10. november 2024, Bolivia ⋅ ☀️ 25 °C

    Die bolivianische Hauptstadt Sucre kämpft mit Barichara (Kolumbien) und Arequipa (Peru) um den Titel der „schönsten südamerikanischen Stadt“, die wir auf unserer Reise besuchen durften. Die weissen Kolonialgebäude strahlen im permanenten Sonnenschein. Eine lebendige Kultur- und Studentenszene prägt das Stadtleben. Und die Sucreños sind (wie eigentlich alle Bolivianer) sehr offen und freundlich.

    Hierhin zu gelangen war jedoch alles andere als einfach. Grund dafür sind die unzähligen Strassenblockaden auf den Nationalstrassen, die das Land seit Tagen lahmlegen.

    Es war eine Donnerstagnacht um 2 Uhr, als unser Nachtbus nach Sucre plötzlich stecken blieb - in einem grossen Haufen aus Schutt und Steinen. Einige Passagiere gingen hinaus in die eiskalte Nacht, um den Bus anzustossen und versuchten, mit Schaufeln und blossen Händen die Räder freizubekommen. Doch der Bus bewegte sich weder vor- noch rückwärts.

    Wir steckten in einer der unzähligen Blockaden fest, die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Evo Morales errichtet hatten. Morales will die aktuelle Regierung stürzen und bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nochmals antreten – obwohl die Verfassung dies verbietet. Er war bereits 13 Jahre an der Macht.

    Wir hatten uns im Vorfeld auf einen langen Umweg vorbereitet, um die Blockaden im Zentrum des Landes zu umfahren. Warum der Busfahrer schliesslich doch die Direktstrasse nach Sucre wählte, bleibt uns ein Rätsel. Vielleicht wusste er, dass diese Blockade nicht mehr von bewaffneten Anhängern kontrolliert wurde. Und es schon möglich ist, irgendwie durchzukommen.

    Und tatsächlich: Nach 30 Minuten bewegten sich die Räder langsam und wir konnten die Fahrt durch die Nacht fortsetzen.

    Wir hatten Glück. Viele andere Reisende steckten tagelang in abgeschnittenen Städten fest. Es sind turbulente Tage für die bolivianische Bevölkerung. Die Anhänger von Morales sind zu allem bereit, legen sich mit Militär und Polizei an und nahmen zwischenzeitlich sogar Soldaten in einer Militärkaserne als Geiseln. Die Strassenblockaden verhindern zudem, dass Lebensmittel in alle Landesteile transportiert werden können, was zu Engpässen führt.

    Als wäre das nicht genug, steckt das Land auch in einer Wirtschaftskrise, die unter anderem zu einer Benzin- und Dieselknappheit führt. Mit eigenen Augen haben wir die kilometerlangen Warteschlangen von Autos und Lastwagen vor den Tankstellen gesehen. Oft warten die Menschen tagelang auf ein paar Liter Treibstoff.

    Jetzt sitzen wir in einem Café im ruhigen Sucre und verfolgen die politische Krise via Social Media und Zeitung. Ganze 24 Tage hielten die Blockaden an, bevor Evo Morales nun angekündigt hat, eine Pause einzulegen. Dass bald neue Blockaden errichtet werden, steht ausser Frage – die einzige Frage ist, wann. Wir jedenfalls sind froh, aktuell in einer so schönen Stadt zu sein. Hier lässt es sich aushalten…
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  • La Familia Boliviana

    17. november 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 24 °C

    Sucre ist nicht nur die Hauptstadt, sondern auch das Sprachschul-Mekka Boliviens. Obwohl unser Spanisch mittlerweile ganz flott läuft, hapert es beim Geschichten erzählen in der Vergangenheitsform noch ordentlich. Also entscheiden wir uns, eine Weile in Sucre zu bleiben und tiefer ins Pasado einzutauchen.

    Carla ist nicht nur Teilzeit-Anwältin, sondern gleichzeitig auch unsere Lehrerin. In anwaltlicher Manier trichtert sie uns die vier Vergangenheitsformen und den Unterschied zwischen hablé, he hablado, hablaba und había hablado ein 🤯. Nach einer Woche rauchen uns die Köpfe und wir sind froh, dass Vini, der Chef der Sprachschule, übernimmt. Zwar weitaus chaotischer, aber etwas unterhaltsamer führt er uns durchs Futuro, Condicional und lehrt uns ein paar Fluchwörter – ja, weil wichtig!

    Vini mag uns so sehr, dass er kurzerhand eine Parrillada und eine vorgezogene Geburtstagsparty für Simi organisiert. Und was für eine! Es gibt saftiges Fleisch, frische Salate, Chnoblibrot und jede Menge Cervezas. Zum Abschluss tischt er noch einen Krug Fernet-Cola auf, dessen Geschmack auch als Mundspülung durchgehen könnte. Der Abend erinnert uns an einen lauen Sommerabend mit Freunden - und wir wünschten, er würde nie enden.

    Die zwei Wochen Sucre haben noch viel mehr zu bieten. Wir wohnen bei Silvia, einer warmherzigen Frau, die mit ihrem Sohn und zwei Hunden im Herzen der Stadt lebt. Ihre Herzlichkeit ist ansteckend und sie nimmt uns sofort in ihre Familie auf. Auch unsere kanadische Klassenkameradin Gaëlle ist Teil unserer Patchwork-Familie. Wir lernen sie am ersten Tag in der Schule kennen und sind von da an unzertrennlich. In der zweiten Woche zieht sie kurzerhand ebenfalls bei Silvia ein – ab diesem Moment wird sie offiziell zu unserer Hermana Boliviana.

    Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir führen lange Gespräche am Küchentisch, trinken zusammen Singani (Boliviens Nationalgetränk) und Silvias Haushälterin Elli verwöhnt uns tagtäglich mit den grossartigsten Gerichten.

    Zum Abschied laden uns Silvia und ihr Freund Marcello zu einem Ausflug aufs Land ein. Dort zeigt uns Marcello voller Stolz sein 200 Jahre altes Haus. Er führt uns über das riesiges Grundstück und stellt uns jeden Baum, jede Pflanze und jedes Feld einzeln vor. Irgendwo zwischen Kartoffeln und Obstbäumen denken wir: Was für ein einfaches, aber reiches Leben, in dem uralte Bäume und deren Früchte der ganze Stolz sind.

    Es fällt uns schwer, von Sucre Abschied zu nehmen. Immerhin können wir jetzt im Condicional sagen, dass wir am liebsten nie gehen würden… Und sollte irgendjemand widersprechen, sagen wir ab sofort einfach: „Callate, perra“ 🤫.
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  • Der Berg, der Menschen frisst

    20. november 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 13 °C

    Das Atmen fällt schwer. Nase und Mund füllen sich mit Staub. Es ist eng und dunkel, nur unsere Stirnlampen werfen etwas Licht in den Tunnel. Immer wieder stossen wir mit den Helmen gegen die niedrige Decke. Hin und wieder müssen wir den Minenarbeitern ausweichen, die mit ihren schwer beladenen Schubkarren an uns vorbeieilen. Unser Guide Wilson führt uns durch das endlose Labyrinth des Cerro Rico.

    Der Cerro Rico („reicher Berg“) ist der unübersehbare Hausberg der Stadt Potosí. Aus jeder Gasse der Stadt sehen wir den Riesen, der 4800 Meter hoch ist. Dieser Berg hat der Stadt viel Reichtum gebracht – aber auch viel Leid. Während der Kolonialzeit wurde Potosí dank seines Silbers zu einer der reichsten Städte des Spanischen Reichs. Doch von diesem Glanz ist heute kaum etwas geblieben.

    Wie so oft bedeutet der Reichtum an Bodenschätzen nicht Wohlstand für die Menschen vor Ort. Und so ist die Region Potosí heute die ärmste Region Boliviens (im ärmsten Land Südamerikas). Alles Silber, alles Geld ist ins Ausland abgeflossen. In die Infrastruktur oder alternative Industrien wurde kaum investiert. Unser Guide Wilson kritisiert, dass die ganze Stadt heute noch immer vom Bergbau abhängt. Sollte der Berg irgendwann leergeräumt sein – oder gar einstürzen – wird auch Potosí verschwinden, ist Wilson überzeugt.

    Heute gibt es kaum noch Silber im durchlöcherten Berg, nur noch ein bisschen Zinn und Zink. Dennoch arbeiten noch immer 10’000 Mineros im Berg. Manche haben sich in Kooperativen zusammengetan (Monatslohn ca. 400 Fr.), andere arbeiten auf eigene Faust. Kontrollen oder Sicherheitsvorschriften in den Minen gibt es nicht.

    Und so buddelt jeder bisschen für sich im Berg. Unter prekären Bedingungen.
    Erst am Vortag lesen wir in der lokalen Zeitung, dass allein in diesem Jahr bereits über 100 Arbeiter in den Minen ums Leben gekommen sind. Über die Jahrhunderte hinweg sind es Millionen von Todesopfern. Die Einheimischen nennen den Cerro Rico deshalb auch den Berg, der Menschen frisst.

    Wer nicht wegen einer einstürzenden Decke in den alten Minen stirbt, erstickt später an Silikose (Staublunge). Die Lebenserwartung der Mineros liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Traurige Realität ist auch die Kinderarbeit. Auch wenn wir selbst keine arbeitenden Kinder gesehen haben, arbeiten laut Menschenrechtsorganisationen hunderte Minderjährige im Berg. Viele Familien in Potosí sind auf die Arbeit im Berg angewiesen. Um der Armut zu entkommen, helfen die Kinder oft früh mit.

    Und wir sind nun mitten in einer dieser Minen. Wir beobachten die hart arbeitenden Mineros, tauschen ein paar Wörter mit ihnen aus. Ist es überhaupt angebracht, hier als Touristen zu stehen?

    Es gibt Stimmen, die sagen, dass man mit solchen Minentouren eine gefährliche, unmoralische Industrie unterstützt. Doch wir sind der Meinung, dass es wichtig ist, auch diese Seite Boliviens zu sehen, um das Land und seine Geschichte zu verstehen. Der Bergbau bleibt einer der wichtigsten Sektoren des Landes – und die gefährliche Arbeit in den Minen würde auch ohne diese Touren weitergehen.

    Unser Guide Wilson hat selbst viele Jahre in den Minen gearbeitet und hat nun mit einem Freund eine kleine Agentur gegründet. Nur in Zeiten, in denen weniger Touristen kommen, muss er noch selbst in die Minen hinabsteigen. Wilson kennt daher die Mineros persönlich. Und es fühlt sich nicht so an, als ob wir sie in ihrer Arbeit stören. Im Gegenteil: Die Arbeiter wirken dankbar, als wir ihnen die mitgebrachten Coca-Blätter überreichen, die ihnen helfen, wach zu bleiben. Auf die Frage, ob die Mineros auch finanziell beteiligt werden, weicht Wilson jedoch aus…

    Zudem fühlen wir uns zu jedem Zeitpunkt sicher. Wilson verzichtet auf unnötige Manöver durch enge Schächte oder Show-Einlagen.

    Auf unserem Weg zurück ins Freie treffen wir auf „Tio“ – eine tönerne Statue mit Zigaretten im Mund. Die Mineros verehren ihn als Herrscher der Unterwelt und legen ihm Tabak, hochprozentigen Alkohol und Coca-Blätter als Opfergaben hin. Sie beten um eine ertragreiche Schicht und eine sichere Rückkehr.

    Nach etwas mehr als einer Stunde in den Minen erreichen wir das Tageslicht. Die vielen Eindrücke haben uns erschöpft. Der Gedanke, jeden Tag zwölf oder mehr Stunden in dieser Umgebung zu arbeiten, überfordert uns. Die Tour stimmt uns nachdenklich, aber wir bereuen sie nicht. Es ist eine Erfahrung, die uns die Realität vieler Bolivianos nähergebracht hat.
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  • Salar de Uyuni

    25. november 2024, Bolivia ⋅ ☁️ 20 °C

    600 Fotos. Nur mit der Kamera. Wie soll man auch stillhalten, wenn die Welt um uns herum plötzlich wie eine surreale Traumlandschaft aussieht? Jede Szene schreit danach, festgehalten zu werden, während wir mit dem Jeep durch die wohl aussergewöhnlichste Region Südamerikas fahren. Durch die bolivianische Hochwüste, über die grösste Salzebene der Welt – bis zur chilenischen Atacama-Wüste.

    Unser Trip startet in Tupiza, einer verschlafenen Cowboy-Stadt im Süden Boliviens. Dort treffen wir Dan und Megan wieder, die wir bereits in Potosí kennengelernt haben. Da eine Jeep-Tour mindestens vier Personen benötigt, überzeugen wir die beiden schnell von unserem Plan und starten gemeinsam ins viertägige Abenteuer.

    Unser Fahrer Nico legt die Best-of-Folklore-CD ein und wir brettern los. Mit dabei ist auch Köchin Illa – eine ältere Dame, die 90% der Fahrt in der hintersten Reihe schläft. Sie scheint die Wunder dieser Region längst in- und auswendig zu kennen… wir aber schauen staunend aus dem Fenster, als wir der „Ciudad Encanto“ entgegenfahren. Wind und Wasser haben hier eine bizarre Felslandschaft geschaffen, die an die Location eines Fantasy-Films erinnert. Mitten im Nirgendwo, als wäre man in einer anderen Welt.

    Zurück in der Realität erreichen wir am Abend unser erstes Nachtquartier: ein Salzhotel. Die Wände, die Tische, alles ist aus Salz. Das sieht nicht nur schön aus, sondern hat auch praktische Gründe, da Salz hier im Überfluss vorhanden ist und gut isoliert. Denn während die Tage heiss sind, können die Temperaturen hier auf 3’600 Metern auf unter Null fallen.

    Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 4:30 Uhr. Nico will uns den Sonnenaufgang zeigen – auf der grössten Salzebene der Welt, der Salar de Uyuni. Eine endlose, schneeweisse Fläche. Grösser als die Kantone Graubünden und Tessin zusammen. Entstanden durch die Verdunstung von Wasser, bei der Salz und Mineralien zurückblieben.

    Als die Sonne langsam von orange-rot zu gelb-weiss wechselt, werden uns die extremen Bedingungen bewusst. Die Höhe und die reflektierende Salzfläche verstärken die Sonnenstrahlen. Es ist so hell, dass es dir fast die Netzhaut verbrennt. Zudem ist die Luft so trocken, dass die Sonnencreme einzieht, bevor du sie verteilen kannst.

    Dank des Regens in der vergangenen Nacht werden wir weiter draussen Zeugen eines seltenen Spektakels. Eine dünne Wasserschicht verwandelt die Salzebene plötzlich in einen gigantischen Spiegel, der den Himmel fast perfekt reflektiert. Das Fahren über diese Fläche fühlt sich an wie Fliegen. Die riesigen Berge am Horizont scheinen zu schweben. Was für ein Naturwunder!

    Aufgrund der dünnen Wasserschicht ist Nico jedoch gezwungen, maximal 5 km/h zu fahren, da das spritzende Salzwasser den Jeep beschädigen würde. Und so tuckern wir im Schneckentempo durch die magische Landschaft und verbringen schlussendlich 14 Stunden auf der Salzwüste – und uns wird keine Sekunde davon langweilig.

    Im Nachhinein erfahren wir, wie viel Glück wir hatten. Wäre die Wasserschicht nur wenige Zentimeter höher gewesen, wäre der Salar gesperrt worden. Und da die Regenzeit nun beginnt, gehören wir wohl für ein paar Monate zu den letzten Gruppen, die dieses einzigartige Schauspiel erleben durften.

    Am Abend stossen wir mit Singani und Weisswein an – und freuen uns auf die nächsten beiden Tage. Die Salzebene war erst der Anfang. Jetzt wird’s bunt…
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  • Gran Final in Rot & Rosa 🦩

    27. november 2024, Bolivia ⋅ 🌬 14 °C

    Stell dir vor, du stehst vor einer tiefroten Lagune. Zwischen weissen Salzinseln stolzieren hunderte rosafarbene Flamingos. Eingerahmt wird das Ganze von einer kargen Wüstenlandschaft und massiven Vulkanen. Nein, das ist kein LSD-Trip – wir stehen an der Laguna Colorada, irgendwo im Niemandsland zwischen Bolivien und Chile.

    Tag 3 unserer Offroad-Reise zur Atacama-Wüste führt uns zu einem der aussergewöhnlichsten Seen der Welt. Das salzhaltige Wasser schimmert je nach Tageszeit und Wind rosa, orange oder dunkelrot. Algen und Mineralien sorgen für diese spezielle Farbe – dieselben Algen, die den Flamingos ihr unverwechselbares Rosarot verleihen. Die Pigmente setzen sich über das Wasser in ihren Federn ab.

    Die Laguna Colorada ist der Höhepunkt einer intensiven Tagesetappe. Wir durchqueren grüne Täler, in denen Lamas und Vogelstrausse grasen. Sind plötzlich in steinigen und lebensfeindlichen Wüsten auf 4300 Metern Höhe. Vorbei an hellblauen, grünen, weissen und roten Lagunen – alle voller Flamingos. Teilweise ist es brütend heiss, teilweise pfeift der Wind so heftig, dass man das Gegenüber nicht mehr versteht.

    Wir können die vielen Eindrücke kaum mehr verarbeiten. Nach zwölf Stunden im Jeep erreichen wir unsere nächste Unterkunft. Wir sind froh, als um 21 Uhr bereits der Strom abgeschaltet wird. So können wir mit gutem Gewissen unter die schweren Wolldecken kriechen.

    Es ist minus 2 Grad, als wir uns am letzten Tag um 5 Uhr nach draussen kämpfen. Unser Fahrer Nico steht unter Zeitdruck. Bis 9 Uhr müssen wir die chilenische Grenze erreichen, doch es gibt noch so viel zu sehen. Die Müdigkeit verfliegt, als wir bei Sonnenaufgang durch eine Geysir-Landschaft laufen. Bis zu 200 Grad heisser Dampf steigt aus Felsspalten auf und taucht die Szenerie in eine magische Atmosphäre. Beeindruckend, welche gewaltigen, vulkanischen Kräfte hier unter der Oberfläche wirken.

    Die letzte Etappe führt uns durch die Salvador-Dali-Wüste, benannt nach dem berühmten Maler und schliesslich über die Grenze in die chilenische Wüstenstadt San Pedro de Atacama. Staubig, erschöpft, aber überglücklich fallen wir ins Hostel-Bett.

    Wir hätten uns keinen besseren Schlusspunkt für unsere Zeit in Bolivien ausdenken können. Eine once-in-a-lifetime Erfahrung. Bolivien hat uns vom ersten bis zum letzten Moment mit seiner Vielseitigkeit und Authentizität überrascht und verzaubert. Wir werden dieses Land vermissen.
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  • Sonne, Sand, Salz & San Pedro

    1. desember 2024, Chile ⋅ ☀️ 29 °C

    Wir schlendern durch das staubige Dorf und fühlen uns etwas überfordert mit all dieser „Westernness“. Der Kontrast zu Bolivien könnte kaum grösser sein. Hippe Cafés, noch hippere Menschen, die alle Englisch sprechen, perfekt asphaltierte Strassen, glänzende Strassenschilder und europäische Preise. Willkommen in Chile – willkommen in San Pedro de Atacama.

    San Pedro liegt mitten in der Atacama-Wüste, einer der trockensten Regionen der Welt. Es gibt Jahre, in denen hier kein einziger Tropfen Regen fällt. Und die Sonne brätscht! „Vergesst euch ja nicht einzucremen, hier ist die Sonnenstrahlung stärker als auf dem Mount Everest“, sagt die nette Receptionistin, als sie uns in unseren 10-Bett-Schlafsaal eincheckt. Machen wir natürlich, als wir an einem späten Nachmittag mit den Velos durch die spektakuläre Schlucht „Garganta del Diablo“ kurven.

    Beim Feierabendbier lernen wir zwei Engländer kennen – Candice und Joe. Spontan beschliessen wir, einen Tag lang ein Auto zu mieten, um mehr von der Region zu sehen.

    Unser kleiner Roadtrip starten wir an der Laguna Cejar. Der Salzgehalt des Wassers ist so hoch, dass man mühelos auf der Wasseroberfläche treiben kann – genau wie im Toten Meer. Nach 30 Minuten werden wir von einem freundlichen Aufpasser bereits hinausgebeten. An der Dusche wartet schon die nächste Aufpasserin, um sicherzustellen, dass wir unser Salzgewand nicht länger als 30 Sekunden vom Körper waschen. Wasser ist hier knapp.

    Unser Ausflügli endet im Valle de la Luna. Das Tal trägt seinen Namen, weil die Landschaft mit ihren Salzformationen und Dünen der Mondoberfläche ähnelt. Und tatsächlich, die Landschaft ist wieder total surreal und extrem eindrücklich.

    Die Woche in San Pedro de Atacama hat sich definitiv gelohnt. Nun steht uns eine lange Busfahrt nach Argentina bevor. Aber wer weiss, vielleicht machen wir später nochmals einen Schlänker zurück nach Chile.
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  • Da wo der Wein wächst

    13. desember 2024, Argentina ⋅ ⛅ 22 °C

    Wir sitzen in einem dieser typischen Grill-Restaurants. Es ist schon 22 Uhr – und doch gehören wir zu den ersten Gästen. Vor uns liegt das vermutlich beste Stück Fleisch, das wir je gegessen haben. Dazu Chimichurri und ein Glas Wein – Geschmacksexplosion!

    Wir sind offensichtlich in Argentinien angekommen. Genauer gesagt in Salta, ganz oben im Norden dieses riesigen Landes. Hier kann man gut essen und das entspannte Stadtleben geniessen. Salta ist aber vor allem als Ausgangspunkt bekannt, um die umliegenden Weinregionen und spektakulären Landschaften zu erkunden. Also mieten wir uns einen kleinen Flitzer für eine Woche und düsen los.

    Unsere erste Etappe führt uns durch einen Kakteen-Nationalpark ins verschlafene Cachi. Hier gönnen wir uns gemütliche Nachmittage in Bodegas und geniessen die Sonnenuntergänge in unserem abgelegenen Cabaña.

    Weiter geht’s über Stock und Stein der legendären Ruta 40 entlang und durch die “Quebrada de las Flechas” hindurch. Links und rechts ragen eindrückliche, pfeilförmige Felsen empor. Bis nach Cafayate, eine der berühmtesten Weinregionen Argentiniens. Hier geht’s bisschen exklusiver zu und her und man kann nicht überall spontan in die Weingüter stolpern. Wir finden trotzdem 1-2 Gläser Malbec und Torrontés und machen uns dann ready für die Rückfahrt nach Salta. Nochmals ein Highlight: Wir durchqueren rote Canyons und entdecken auf kleinen Wanderungen versteckte Täler und Höhlen.

    Was für ein Einstand in Argentinien! Wir haben Hunger (und Durst) auf mehr...
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  • Voluntario in Mendoza

    31. desember 2024, Argentina ⋅ ☁️ 29 °C

    Es ist Weihnachten, als uns Catherine an der Bushaltestelle in Tupungato abholt. Wir fahren 20 Minuten, bis wir von der Hauptstrasse auf eine unscheinbare Schotterstrasse abbiegen. Sieben Hunde kommen angerannt, ein Begrüssungskomitee, das mehr Begeisterung zeigt als so mancher Verwandter an Weihnachten. Hinter der Dornenwüste und endlosen Reihen an Weinreben, thronen die schneebedeckten Anden – was für ein Panorama!

    Umgeben von Lavendel und Oleander strahlt ein schlichtes, weisses Haus. „Kommt rein! Lasst mich euch Richard vorstellen.“ Wir betreten den „Tempel“ – komplett in Weiss. Die Möbel, die Wände, die Katze und auch Richard, der passend zum Konzept in Weiss gekleidet ist.

    Richard und Catherine, ursprünglich aus Brüssel, haben schon einiges erlebt und viel gesehen. Mit 55 liess sich Richard pensionieren, baute einen Unimog (grosses Geländefahrzeug) zu einem Camper um (ratet mal dessen Farbe). Damit reisten sie über 20 Jahre um die Welt. Am Ende ihrer Reise wurden sie im Herzen der Region Mendoza sesshaft und tauschten das Schneemobil gegen ein Haus. Richard ist mit seinen 86 Jahren zwar noch rüstig, aber der viele Umschwung ist für ihn und Catherine, die über 20 Jahre jünger ist, kaum allein zu bewältigen. Deshalb beherbergen sie regelmässig Backpacker aus aller Welt, die als Volunteers mitanpacken. Der Deal: fünf Stunden Arbeit gegen Kost und Logis.

    Beim ersten Mittagessen geht es gleich los mit den besten Reisegeschichten – von Simbabwe, Syrien, Japan über Mexiko und Chile bis Argentinien. Sie waren überall. Während Richard erzählt und dabei wild gestikuliert, haben wir ein Déjà-vu: Vor uns sitzt Mätz 2.0 (Simi’s Vater) in der Version eines glatzköpfigen Belgiers im Göttergewand. Die Art wie er spricht, Dinge erklärt, von seinen Reisen erzählt, welche Worte er dabei benutzt – sogar wie er die Pasta-Teller vorwärmt – alles erinnert 1:1 an Mätz. Und während Simi noch damit hadert, ob sie eine Woche lang mit Erinnerungen aus dem Jenseits klarkommt, werden wir kurzerhand ans Weihnachtsfest der Nachbarn eingeladen.

    Weihnachten bei einer argentinischen Grossfamilie im Garten ihrer riesigen Walnussfarm. Wir werden begrüsst wie alte Bekannte. Es gibt Weisswein, Rosé, Champagner und ein grosses Buffet mit Essen. Später wird ein grosser Becher mit Fernet und Cola gefüllt und im Kreis herumgereicht. Unser Spanisch wird immer besser, und als wir mitten in der Diskussion über Messi und Co. sind, schlägt es Mitternacht. Alle springen auf, umarmen und küssen sich und wünschen sich „feliz navidad“ – und wir mittendrin. Papa Noel hat Geschenke in den Kamin gelegt, die Kinderaugen glänzen vor Freude. Die Augen der Erwachsenen ebenfalls - vom vielen Fernet.

    Am nächsten Morgen beginnt der Alltag: Drei Stunden Arbeit am Vormittag – Gärtnern, Jäten, Rasenmähen, Büsche stutzen, Aprikosen lesen. Um zwei Uhr wird das Mittagessen zelebriert, danach gibt es für alle eine Siesta. Um 17 Uhr arbeiten wir nochmals zwei bis drei Stunden, und dann ist bereits Abend, die Sonne geht langsam hinter den Schneebergen unter. Jeden Tag scheint der Sonnenuntergang noch ein bisschen spektakulärer zu werden. Richard holt seine Kamera hervor und fügt Foto Nummer 3'088'264’754 zu seiner Sammlung von Sonnenuntergängen, Wolkenformationen und beleuchteten Bergspitzen hinzu. Dabei sagt er immer wieder „Fantastic!”
    Um 21 Uhr gibt es Abendessen – dazu jeden Tag einen anderen exquisiten Wein – und Gespräche über Reisen, Politik und Horoskope.

    Je länger wir bei Richard und Catherine sind, desto deutlicher werden die Unterschiede zu Mätz dann doch. Die Diskussionen über Politik werden immer hitziger: Milei bringe allen nur Gutes, Trump sei eine gute Wahl, Biden ein Arschloch. Bolivien sei das schlimmste Land der Welt. Und die Argentinier – die seien sowieso alle faul und hinterhältig. Hoppla, ziemlich happige Vorurteile für so weitgereiste Menschen. Warum sie sich entschieden hätten, hier zu leben, fragen wir sie in einem passenden Moment. Das Klima, 300 Tage Sonnenschein, das Panorama, das sei einzigartig – fantastic! Und eigentlich ginge es ihnen ja schon gut. Wir schauen uns zwischendurch mit ungläubigen Augen an und beschliessen, aus Gründen des Friedens keine weiteren Kommentare abzugeben. Die Gespräche über Bachblüten und chinesische Horoskope sind dann doch das harmlosere Übel.

    Unser Aufenthalt bei Richard und Catherine ist ein bunter Mix aus Gastfreundschaft, Déjà-vus, ausgezeichnetem Essen, viel Gartenarbeit, spannenden aber manchmal anstrengenden Diskussionen. Und doch haben wir dieses Paar ins Herz geschlossen. Hoffentlich können wir, wenn wir alt und schrumpelig sind, ebenso spannende Geschichten über unsere Reisen erzählen. Und - hoffentlich werden wir nie so bünzlig 😊
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