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  • Dag 108

    Rosario

    17. februar 2017, Argentina ⋅ ☁️ 27 °C

    Nach Rosario fuhren wir nur ein paar Stunden. Wir waren froh, dass das unsere vorletzte Busreise sein sollte. Wir haben in den letzten Monaten etwa 12.000 km per Bus zurückgelegt und sind froh, wenn wir davon bald mal eine kleine Pause haben.

    Wir kamen in einem kleinen, unheimlich netten Hostal unter, das von einem langhaarigen, sehr gemütlichen und sehr gesprächigen Mann betrieben wurde. Man hatte eigentlich nie die Gelegenheit, heimlich an ihm vorbei zukommen, ohne in ein Gespräch verwickelt zu werden. Das war natürlich manchmal etwas anstregend, trainierte im Grunde aber nochmal unsere Spanischkenntnisse. Das Hostal war mit einigen netten Details ausgestattet. So gab es für den nachmittäglichen Jerbagenuss extra Thermoskannen, die man sich mit heißem Wasser füllen und dann mit auf sein Zimmer oder auf die Dachterasse nehmen konnte. Ich fiel natürlich gleich beim ersten Mal eine der steilen Treppen zum Dach hinunter, erlitt zwar nur ein paar Prellungen, zerdepperte allerdings eine der Thermoskannen. Die Kannen waren von der Sorte, die einen Glaskern hat. Den konnte man allerdings austauschen, so dass alles laut unserem Gastgeber nur halb so schlimm gewesen sei. Ich bezahlte ihm den Ersatz natürlich.

    Ein besonders schöner Teil von Rosario ist seine Innenstadt. Hier gibt es ein großes Flaggendenkmal, das zu Ehren der argentinischen Unabhängigkeit aufgestellt wurde und in dem eine ewige Flamme brennt. Ganz in der Nähe gibt es auch ein Museum für Inneneinrichtung, dass zwar hässliche Sachen ausstellt, aber in einem wunderschönen Gebäude eines ehemaligen Landbesitzers untergebracht ist, der es der Stadt als Museum vermacht hat. Leider war es wegen renovierungsarbeiten abschnittsweise geschlossen und wir sahen nur einen wirklich kleinen Teil. Wer möchte, kann sich aber hier einen kleinen Teil anschauen:
    http://www.museoestevez.gob.ar/

    Rosario liegt an einem kleinen Fluss, in dem schöne, grüne Inseln liegen, die man mit einem Boot besuchen kann. Wir fanden die Fähren allerdings nicht.

    Wenn wir ganz ehrlich sind, hatten wir in Rosario ein wenig Pech. Wir wollten noch gerne in das Museo de Memoria, das von der Militärdiktatur berichtet. Das hatte allerdings geschlossen als wir dort ankamen, so dass wir auch das von unserer Liste streichen mussten.

    Am selben Tag stellte ich fest, dass meine Hosentasche ein Loch hat. Ich stellte es fest, nachdem ich unseren Zimmerschlüssel nicht mehr in ihr gefunden habe. Ich lief also nochmal einen Teil unseres Weges ab. Wir hatten in einem großen Park gepicknickt, in dem sich ein großer Laubengang unter Rosenbögen befand. Hier suchte ich alle Bereiche ab, in denen wir gewesen waren, war aber erfolglos. Zu dieser Zeit schien die halbe Stadt auf den Beinen. Kinder spielten im Park und Trainingsgruppen und Fußballmannschaften trainierten hier. Das war, obwohl ich natürlich nicht sonderlich gute Laune hatte, wirklich sehr schön. Ich habe mir vorgenommen, unsere Grünanlagen in Hamburg auch wieder mehr zu nutzen.

    Ich kehrte also ins Hostal zurück und wir berichteten dem Besitzer von unserem Pech. Er war wie immer nett und machte uns keine Vorwürfe. Er versuchte eine Weile selbst die Tür zu öffnen, musste dann aber einen Schlüsseldienst kommen lassen. Ich war ganz froh, als ich erfahren habe, dass dessen Arbeit, auch im Notdienst nur 400 Pesos gekostet hat, was in etwa 24 Euro entspricht. Wer in Deutschland schonmal eine zugefallene Tür hatte, wird das sicher nachvollziehen können. So fiel auch unser Hauswirt vom Glauben ab, als ich ihm sagte, was das Ganze bei uns gekostet hätte.

    Am selben Abend erfuhren wir übrigens, dass unsere Buchung für unser Hostel in Buenos Aires storniert wurde. Sie hatten Probleme mit ihrem Buchungssystem, so dass unsere Buchung über das Internet angenommen wurde, obwohl keine Zimmer mehr frei waren. Es hätte so ausgesehen:
    http://www.del900hostel.com/homeen

    Alles in allem also, hatten wir in Rosario ein wenig Pech. Trotzdem hatten wir ein paar entspannte Tage. Grade die Spaziergänge durch die Innenstadt mit ihren herrschaftlichen Gebäuden haben uns für viel entschädigt. Wir würden jedem raten, der nur wenig Zeit hat, eher auf Córdoba und Santa Fe zu verzichten als auf diese Stadt.

    Trotzdem freuten wir uns natürlich schon sehr auf unsere Rückkehr nach Buenos Aires und unseren kleinen Ausflug nach Uruguay.
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  • Dag 105

    Córdoba

    14. februar 2017, Argentina ⋅ 🌙 23 °C

    Nach Córdoba brauchten wir etwa 4 oder 5 Stunden. Unsere Reisebusse sollten ab jetzt von Mal zu Mal einfacher werden. Auf der Fahrt nach Santa Fe wurde uns abends noch ein Abendessen und Wein serviert. Auf dieser Fahrt waren bereits die Polster zerschlissen und auf der späteren Fahrt nach Rosario fiel Silkes Sitz ganz auseinander.

    Córdoba trägt den Beinamen „La docta“, was soviel wie „die Gelehrte (Stadt)“ heißt. Sie ist eine der argentinischen Städte mit den meisten Universitäten, die im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Südamerikas ohne Studiengebühren finanziert werden.

    Wir kamen in einem Viertel etwas außerhalb des Zentrums unter. Unser Hostel war auf der ersten Blick sehr nett. Offenbar wohnen hauptsächlich jüngere Argentinier dort. Die Ausnahme bildete ein älterer Mann, der den ganzen Tag Mate trank und immer sehr hilfsbereit war. Suchte man etwas in der Küche und er hörte das, kam er gleich aus dem Nachbarzimmer angelaufen, um beim Suchen zu unterstützen.

    Mate ist, das hatte ich ja schonmal geschrieben, DAS Nationalgetränk der Argentinier. Es wird aus den Blättern einer hier ansässigen Stechpalme zubereitet. Diese ist im Gegensatz zur europäischen Variante nicht, bzw. kaum Giftig. In ihren Blättern kommen unter anderem die Stoffe Koffein und Theophyllin vor, dass früher oft in der Asthmatherapie eingesetzt wurde. Aufgrund seines Wirkungsprofils, das mit einer starken Anregung des Herzens einhergeht, wird es aber zusehends seltener in der aktuellen Medizin angewendet. Man kann sich, wenn man diesen Hintergrund kennt, allerdings vorstellen, wie Mate wirkt. Man muss allerdings dazu sagen, dass der Wirkstoffgehalt ungemein gering ist. Dementsprechend unterscheidet sich die aufputschende Wirkung kaum von der eines Kaffees. Ich finde allerdings, dass Mate deutlich „runder“ ist. Es macht wach, aber auch in größeren Mengen nicht aufgedreht oder hektisch. Dem Tee werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Etwa eine kreislaufstärkende Wirkung. Allerdings sind auch Nachteile, wie etwa eine (verhältnismäßig geringe) Risikosteigerung für bestimmte Krebsarten, bekannt. Man geht davon aus, dass dieses Risiko beim Herstellungsprozess entsteht und nichts mit dem eigentlichen Strauch zu tun hat.
    Die Blätter werden bei einem bestimmten Verfahren noch an ihren Ästen über offenem Feuer getrocknet. Hierbei, so nimmt man an, reichern sich die krebsförderlichen Stoffe in den Blättern an, die danach kleingeschnitten werden und somit aufgussfertig sind. Die Risikoerhöhung ist also in etwa so hoch, wie bei geräucherten Fleisch- und Fischprodukten und da ich ja Vegetarier bin, erlaube ich mir hier (statt Katenschinken) regelmäßigen Matekonsum :-)
    Denn grade diese geräuchert zubereitete Variante ist besonders lecker. Der Tee ist insgesamt sehr bitter, wird von einigen Argentiniern also noch mit Zusätzen, wie etwa Organgenschalen, Zimt oder Zucker getrunken. Neben der fruchtigen Bitterkeit hat der Tee ein leichtes Tabakaroma und schmeckt ein bisschen so, wie Pfeifenrauch riecht.

    Das wirklich spannende ist aber die Zubereitung. Man benötigt neben dem Jerba, wie er in Argentinien, Paraguay und Uruguay genannt wird, noch eine Kalebasse, die eigentliche „Mate“ und einen Strohhalm (Bombillo), der meistens aus metall, seltener aus Holz angefertigt ist. Am Ende dieses Strohhalms ist ein kleines Sieb, so dass keine Matepartikel in ihn gelangen können. Man füllt nun den Jerbe mindestens bis zur Hälfte in den Mate (die Kalebasse) und legt eine Hand auf die Öffnung. Jetzt schüttelt man das Ganze auf dem Kopf stehend, um eine bestimmte Anodnung der feinen und groben Jerba-Partikel zu erzeugen. Nun neigt man die Kalebasse auf die Seite, immernoch zugedeckt, schüttelt ein paar mal hin und her und nimmt nun seine Hand weg. Das Ergebnis sollte eine Art Aufschüttung in der halben Kalebasse sein. Man kann es sich ein wenig so vorstellen, wie bei den gefüllten Milka-Eiern, die es zu Ostern gibt. Beißt man in sie hinein ist die Füllung oftmals nur in einer Hälfte vorhanden. In der anderen befindet sich Luft. Genau das möchte man hier auch erreichen. Nun füllt man etwas kaltes Wasser hinzu, um die Nährstoffe im Jerba vor dem heißen Wasser zu schützen und steckt den Bombillo in die Hälfte mit der Luft. Jetzt kann man die Kalebasse mit Wasser aufgießen, dessen Temperatur zwischen 70 und maximal 90 Grad liegen sollte. Klingt alles kompliziert, ist aber schnell gemacht. Und der Vorteil ist, dass man nun eine Ganze Weile beschäftigt ist. Ist nämlich die Kalebasse leer getrunken, gießt man einfach neues Wasser hinein. Zur Nachmittagszeit sieht man unheimliche viele Argentinier auf öffentlichen Plätzen mit ihrer Mate sitzen, neben sich eine große Thermoskanne mit heißen Wasser.

    So auch im Zentrum von Córdoba. Wir lebten allerdings wie bereits gesagt etwas außerhalb. Unser Viertel war zudem auch etwas dubios. Niemand hielt sich in den Straßen auf und alles war verfallen. Am ersten Abend bei der Suche nach einem Supermarkt wurden wir zeugen eines Autounfalls. Ein, in Deutschland würde man ihn wohl Zuhältertyp nennen, ist mit etwa 40 Stundenkilometern verkehrtherum in eine Einbahnstraße gefahren und erwischte ein ankommendes Taxi frontal. Allen Beteiligten schien es gut zu gehen. Für den Taxifahrer war das natürlich trotzdem eine mittlere Katastrophe. Nebenbei bemerkt ist der argentinische Verkehr wieder deutlich gefährlicher, als er es in Chile war.
    Am zweiten Tag holte ich unsere Wäsche aus einer nahegelegenen Wäscherei und wurde Zeuge, wie eine sehr betrunkene (oder noch sehr nüchternde und daher unzufriedene?) Frau irgendeinem Fremden seine Kopfhörer im Vorbeigehen aus den Ohren riss. Am dritten und letzten Tag konnten wir beobachten, wie zwei ältere Typen einen jüngeren Typen durch die Straßen jagten und fanden ein kleines improvisiertes Messer auf dem Boden. Es sah so aus, wie eines, dass man im Knast selbst hergestellt hatte. Der Sinn dahinter hat sich uns nicht so recht erschlossen, da die Waffengesetzgebung hier relativ lax ist und man sich an jeder Ecke ein vernüftiges Messer kaufen kann.

    Córdoba hat aber natürlich auch nette Seiten. Wie „fast“ überall in Südamerika (die Ausnahme ist wohl Bolvien), sind die Menschen hier ungemein gesprächig und freuen sich, wenn sie feststellen, dass man als „Extranjero“ ein paar Brocken Spanisch kann. Wir warten hier oft an Kassen von Supermärkten, denn durch den Bargeldmangel zahlen die meisten Argentinier ihre Einkäufe mit Karte. Die Kassensysteme sind aber zumeist uralt, so dass 4 Leute vor einem mindestens 10 Minuten warten bedeuten. Besagte Gesprächigkeit der Argentinier verlängert die Wartezeiten zwar manchmal auch etwas (immerhin entwickeln sich so auch schneller Gespräche zwischen Kassieren und Kunden), ist aber eine tolle Möglichkeit, um ein paar Worte mit Einheimischen zu wechseln, während man wartet.

    Etwas weiter im Zentrum offenbart Córdoba schöne Kirchen und belebte Plätze. Besonders spannend ist ein ehemaliges Frauengefängnis, welches mitten in der Stadt lag und dessen Räume heute als Kulturzentrum genutzt werden. Auf den Treppen davor sitzen an den Nachmittagen zahlreiche Argentinier und trinken Mate.

    Wir machten bei einer Städtetour in der Gegend mit. Da Sonntag war waren wir die einzigen Teilnehmer, was ein wenig irritierend war. Ganz zu Anfang wurden uns 3 mehr oder minder kleine Fehlschläge der Stadt gezeigt. Vor eine Kunstmuseum steht die Statue eines Eisbären, die urpsprünglich für einen von Argentinien beanspruchten Anteil der Antarktis gedacht war… bis man feststellte, dass dort keine Eisbären leben. Sie wurde nach Córdoba zurück gebracht und dort, wegen Massenprotesten und unpassierbaren Straßen einfach irgendwo abgeladen. Es hat ein gutes halbes Jahr gedauert, bis mal irgendjemand in die große Holzkiste geschaut hat, die nun auf einem der Plätze stand. Aus Verlegenheit hat man den Eisbären dann vor einem Museum aufgestellt.

    Der zweite Fehlschlag war eine Statue von Anne Frank, die zu Ehren der jüdischen Community in Córdoba aufgestellt wurde. Die Statue war wunderbar gearbeitet und sah wirklich gut aus, bis ihr -ebenfalls im Rahmen eines Massenprotestes- der Kopf abgetrennt wurde. Eine Zeit lang war sie also ohne Kopf und deprimierte ihre Umgebung mit diesem Anblick. Ein Nachbar hielt es nicht mehr aus und bot an, den Kopf zu rekonstruieren. Das Ergebnis kann man sich hier ansehen:
    http://staticf5a.lavozdelinterior.com.ar/sites/…

    Der dritte Fehlschlag war Leuchtturm, den man als Städtewahrzeichen etablieren wollte. Er ist von tribünenartigen Strukturen umgeben, die große Wellen darstellen sollen. Das Ganze sieht auch wirklich gut aus, wenn es in Betrieb ist. Unser Guide hat uns ein Foto gezeigt. Das Problem war allerdings, dass niemand vor der Inbetriebnahme des Leuchtturms, an die Nachbarn gedacht hat, deren Schlafzimmer für einige Zeit nun sehr hell wurden, bis der Leuchtturm gerichtlich abgeschaltet wurde. Außerdem, hier wird es jetzt tragisch, starb ein 4-jähriges Mädchen bei dem Versuch die Tribünen herunterzurutschen, was eine Zeit lang bei den Kindern der Gegend zur Mode geworden war. Auf den „Wellen“ sind seither lange Rohre installiert, um das zu verhindern.

    Die schönsten Teile der Tour waren der große Park, in dem es neben zahlreichen Wiesen auch ein günstiges Freibad und einen Rummelplatz gibt und ein ehemaliges Arbeiterviertel, das den selben Wandel durchgemacht zu haben scheint, wie die Sternschanze in Hamburg. Ein großer, regelmäßiger Kunstflohmarkt lädt zum Bummeln ein und zahlreiche Hauseingänge zu den ehemaligen Arbeiterwohnungen, die traditionelle mit einem Innenhof ausgestattet waren, eröffnen einem den Zugang zu Restaurants und Bars, die in den alten Quartieren untergekommen sind.
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  • Dag 102

    Santa Fe

    11. februar 2017, Argentina ⋅ 🌧 21 °C

    Bereits kurz hinter der Grenze von Misiones, etwa auf Höhe von Posadas, versändert sich die Landschaft. Ab hier wird Argentinien wieder ein wenig langweilig. Man sieht lange Feldabschnitte, kaum Bäume und zahlreiche Kuhweiden. Wir fuhren durch Corrientes, das berühmt für seinen Karneval, der ein wenig mit dem in Río verglichen wird, ist. Daneben gibt es hier eine spezielle Musikrichtung, die eine Mischung aus Polka und indigener Musik ist. Die Polka kam mit den Jesuiten, die oftmals aus Osteuropa stammten, nach Argentinien:
    https://www.youtube.com/watch?v=keUPh3fDrR4

    Unser Ziel war Santa Fe, das die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz ist. Die berühmteste und größte Stadt der Region ist allerdings Rosario. Dort liegt auch das touristische und kulturelle Zentrum der Provinz. Wir planten dort einen Halt auf dem Weg von Cordoba nach Buenos Aires zu machen. Die Stadt Santa Fe hingegen ist aus historischen Gründen der Gouverneurssitz.
    Bemerkenswert ist hier der Hafen, der zwar nicht sonderlich spektakulär aussieht, es kleineren Hochseeschiffen aber ermöglicht über den Río Paraná ins Zentrum von Argentinien vorzudringen.
    Dieser verleiht der Stadt noch heute eine große Bedeutung für die Argentinische Wirtschaft, wobei ihr der Rang vom Hafen Rosarios abgelaufen wurde.

    Die gesamte Provinz Santa Fe war am zweitstärksten von der Einwanderungswelle Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts betroffen. Dabei wurden Rosario und die Stadt Santa Fe, ähnlich wie Buenos Aires, nur in geringerem Ausmaße, zu kleinen Schmelztigeln. In der gesamten Provinz entstanden aber viele Städte aus homogenen Gemeinden, die „colonias“ genannt werden. So kommt es vor, dass mitten in der Provinz eine Stadt eine starke schweizerische, deutsche oder italienische Tradition hat.

    Wir kamen in Santa Fe an, ohne vorher ein Hotel gebucht zu haben. Wir hatten im Internet gesehen, dass der Busterminal im Zentrum lag und von zahlreichen Unterkünften umgeben war. Wir klapperten ein paar von ihnen ab, darunter eine, die so ziemlich das heruntergekommenste Loch war, dass wir auf der Reise gesehen hatten, bis wir ein kleines, anspruchsloses Hotel fanden.

    Nachdem wir eingecheckt hatten, erkundeten wir etwas die Stadt. Wir wollten ja schon am nächsten Morgen weiter und hatten somit nur den Tag, um uns einen Eindruck zu verschaffen. Santa Fe steht in kaum einem Reiseführer. Es hat keine nennenswerte touristische Infrastruktur und bietet einem Besucher nicht viel. Aber ähnlich wie wir es in Taltal, Posadas und Concepcion gemacht hatten, war uns ein Zwischenstopp wichtig, um zum einen die Fahrtzeit zu verkürzen und zum anderen ein wenig mehr vom Land kennen zu lernen, als nur die Touristenroute.

    Wir bummelten also etwas durch die Stadt, die um die Mittagszeit menschenleer war. Irgendwann kamen wir zum Plaza de Mayo, der überraschend schön aussah. Auch hier fand sich ein starker Einfluss europäischer Bauweisen in den Gebäuden. Die paar Jugendlichen, die auf dem Platz Tütenwein tranken, fielen da kaum ins Gewicht. Wir bummelten, bis die Stadt zum Nachmittag hin wieder erwachte. Diese „Siesta“ haben wir erst in Argentinien kennen gerlent. Zwar schließen auch in Peru, Bolvien und Chile einige der Geschäfte über den Mittag bzw. Nachmittag, aber hier wurde das von von allen Geschäften so gehandhabt. Man fühlte sich also jeden Nachmittag so, als würde man am Sonntag durch eine deutsche Innenstadt laufen. Am Abend dann, war alles ganz normal.

    Wir wechselten ein paar Dollar, die wir in Paraguay geholt hatten. Das verfahren hierfür war unheimlich kompliziert. Man musste sich an einer Schlange anstellen, wartete dort eine Weile, registrierte sich dann als Kunde, musste seine Identität nachweisen. Es wurden Kopien des Passes angefertigt, einige bekamen dann einen Passierschein. Wir bekamen keinen, wohl weil wir Ausländer waren, durften uns dann aber trotzdem bei der zweiten Schlange anstellen. Hier wartete man nochmal, musste dann sagen, wieviel Geld man tauschen möchte, musste sich erneut ausweisen und konnte dann sein Geld entgegennehmen. Zählte man es nach, wurde man aus allen Richtungen böse angeschaut. Das mag ein wenig daran liegen, dass man recht lange zählte. Zwar gibt es inzwischen in Argentinien auch 500-Pesos-Scheine, es existieren allerdings viel zu wenige, so dass man für etwa 240 Dollar 40 Scheine ausgehändigt bekommt. Will man ihre Echtheit prüfen, was dringend empfohlen wird, muss man auf den Sicherheitsstreifen achten. Die Wasserzeichen werden wohl schon erfolgreich kopiert, einen durchgehenden Sicherheitsstreifen aber, konnte noch nicht, oder zumindest selten, von Fälschern produziert werden. Durch die gigantische Inflation des Landes ist die Notenbank mit dem permanenten Nachdrucken von 100-Pesos-Scheinen beschäftigt gewesen, was (für meine zugegebenermaßen sehr rudimentären volkswirtschaftlichen Kenntnisse) nicht ganz unproblematisch ist. Damit kam man allerdings nicht hinterher, so dass man in Brasilien angefragt hat, ob sie beim Drucken aushelfen konnten. Die Brasilianer sagten zu, konnten aber eine bestimmte Nummer nicht in einer bestimmten Farbe drucken. Da zwischenzeitlich auch mal das Design der Scheine geändert wurde, Eva Perón ziert die neuen Exemplare, sind hier nun 3 verschiedene Sorten von 100-Pesos-Scheinen im Umlauf, was grade bei Touristen ein paar Sorgen erzeugt. All die Verwirrung machen sich Fälscher natürlich zu nutze.

    Den Abend verbrachten wir mit einem Spaziergang zum Hafen, wo auch ein Casino und eine mittelgroße Einkaufspassage liegen. Wir aßen etwas, gingen aber schon zeitnah nach Hause, um am nächsten Morgen pünktlich aufstehen zu können.

    Das Frühstück in unserem Hotel war besser, als wir es erwartet hatten. Richtiger Milchkaffe und Croissants, die ich zwar nicht essen konnte, die aber wirklich gut aussahen. Die Argentinier, zumindest in dieser Region, mögen süßes Frühstück. Höchstens Käse findet einmal seinen Weg auf den Teller. Schinken oder Wurst findet man, in dem Land, das neben italienischer Küche eigentlich nur „Asado“ zu kennen scheint, so gut wie nie am Morgen.

    Bevor wir abfuhren kaufte ich mir noch einen etwas albernen Hut, von dem ich glaube, dass er zu einem Aufenthalt in einer Tango Bar in Buenos Aires passen würde...
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  • Dag 100

    San Ignacio und Paraguay

    9. februar 2017, Paraguay ⋅ ⛅ 21 °C

    Der Ort San Ignacio liegt ganz dicht bei Posadas, das wir auf dem Hinweg nach Iguazú besichtigt hatten. Mitten in der kleinen, eher unscheinbaren Ortschaft liegt San Ignacio Mini, die Ruine einer der Jesuitenreduktionen, über die ich ja bereits etwas geschrieben habe.

    Die Jesuiten sind ein katholischer Glaubensorden, dessen Mitglieder sich zur Armut, zum Eheverzicht und zur Gehorsamkeit verpflichten, ohne in einem Kloster zu leben. Ihre Ausbidung ist in mehrere Abschnitte unterteilt und wird nochmals erweitert, wenn sie sich für das Priesteramt entscheiden. Normalerweise ist es ihnen Verboten hohe Ämter zu bekleiden, außer auf Anordnung des Papstes. So war es es auch für einen gewissen Jorge Mario Bergoglio möglich zunächst Bischof und später zum Kardinal zu werden. Heute nennt er sich Franziskus und lebt im Vatikan.

    Er gilt wohl als der fortschrittlichste Papst, den in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. So zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, dennoch ist er kein Befreiungstheologe. Diese Denkrichtung des Katholizismus stammt aber ebenfalls aus Südamerika, hat basis-demokratische und ansatzweise sozialistische Standpunkte und stellte sich in der Vergangenheit offen gegen eine Vielzahl von Diktatoren, was nicht selten zu intensiver Verfolgung durch diese führte.

    Bei Franziskus gibt es sogar Ungereimtheiten in Bezug auf sein Verhältnis zur Militärjunta in Argentinien. Mitte der 1970er Jahre wurden zwei Priester, die unter Bergoglios Verwantwortung standen, von der Junta entführt, gefoltert und mehrere Monate angekettet und mit verbundenen Augen gefangen gehalten. Sie warfen ihn im Nachhinein vor sie nicht geschützt oder sogar denunziert zu haben. Anderen Aussagen zufolge soll es allerdings er gewesen sein, der ihre Freilassung erwirkt habe. Ich habe versucht mich etwas in das Thema reinzulesen und mir parallel „Llámame Francisco“ anzuschauen, bin aber nicht viel schlauer als vorher.

    Die Jesuiten haben schon immer einen starken missionarischen Ansatz vertreten und waren dabei nicht selten sehr erfinderisch. So wurden zum Beispiel traditionelle Kirchenlieder in Guaraní gesungen. Auf diese Weise entstanden hier ganz neue einzigartige Chorstücke.

    Auch von Ennio Morricone gibt es ein „Ave Maria“ in Guarani. Es wurde für den Film „The Mission“ von 1986 geschrieben, in dem ein unheimlich junger Robert De Niro mitspielt:
    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Mission_(1986…
    https://www.youtube.com/watch?v=VSWWLTqNRoU

    San Ignacio Mini ist nicht mehr vollständig erhalten. Die meisten Teile der Anlage sind verfallen, nachdem die Reduktionen aufgegeben wurden. Misiones liegt schon in der Regenwaldzone, so dass sich die Vegetation alles, was nicht geflegt wird, in kürzester Zeit zurückholt. Die Ruinen sind heute ein Traum für Vögel, die ihre Nester hier anlegen und für kleine Geckos, die sich auf den Steinen sonnen und in den Ritzen zwischen ihnen verstecken können.

    Der Aufbau der Missionen ist immer sehr ähnlich, so auch in Paraguay, das wir zwei Tage später besuchten. Wir wurden hierzu mit einem Taxi auf eine Fähre gebracht, dessen Fahrer uns in Paraguay herumfahren sollte. Das ganze war also nicht so recht eine richtige Tour. Mehr ein koordinierter Transport zu den wichtigsten Stätten und zum Mittagessen. Wir teilten uns das Taxi mit einem britischen Bankangestellten, der sich zwei Jahre Auszeit genommen hatte und unheimlich aufgeschlossen und liebenswürdig war.

    In der ersten Reduktion wurden wir auch durch eine Expertin herumgeführt, so konnten wir uns ihren Aufbau nochmals verdeutlichen. Zumeist bestand eine Reduktion aus mehreren Gebäudetrakten, in denen die Guaraní lebten. Sie waren so angelegt, dass es ihnen möglichst schwer gemacht werden sollte heimlich polygam zu leben, was bis vor ihrer Christianisierung ein fester Teil ihrer Kultur gewesen war.
    Zudem verfügte jede Reduktion über Werkstätten, wo handwerkliche Fertigkeiten vermittelt und Produkte hergestellt wurden und einen Hauptplatz, auf dem das soziale Leben stattfand.

    Und natürlich durften die großen Kirchenanlagen nicht fehlen. Die Bauweise war recht fortschrittlich. So gab es zum Beispiel ein Abwassersystem für die Toiletten und Belüftungssysteme für die Räume in denen gekocht wurde.

    Unsere Führerin sprach sogar ein wenig Deutsch. Sie war auch, im Gegensatz zu allen anderen Paraguayianern, die wir bisher kennengelernt hatten, strohblond. Offenbar war ihre Familie deutscher Abstammung. Das ist ein wenig prekär und wir fragten nicht weiter nach ihrem Stammbaum, denn Paraguay galt als Naziparadies nach dem zweiten Weltkrieg. Bereits zuvor waren hier deutsche Siedler, die in recht isolierten Gemeinden lebten. Viele von ihnen engagierten sich während des 3. Reiches auch in einer Art Auslandsorganisation der NSDAP.

    Einer dieser Orte, den wir uns auch im Vorbeifahren anschauen konnten, war Hohenau. Bekanntester Gast des Städtchens war der KZ-Arzt Josef Mengele, der hier mehr oder minder offen lebte. Er hatte die paraguayanische Staatsbürgerschaft angenommen, um sich vor einer Auslieferung zu schützen. Er floh von hier aus weiter nach Brasilien, aus Angst, dass der Mossad ihn genau wie Eichmann aufspüren und nach Israel bringen würde.

    Silke hat einen spannenden alten SPIEGEL-Artikel aus den 60er-Jahren dazu im Internet gefunden:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46174853.…

    An einem anderen Tag schauten wir uns auch noch die Reduktionen rund um San Ignacio an. Natürlich sah man immer das selbe, aber es war gemütlich in den grünen Wäldern zwischen den Ruinen spazieren zu gehen. Immer mal wieder sah man dann doch etwas neues. So zum Beispiel fanden wir auch hier die riesigen Spinnen, die wir in Iguazú gesehen hatten. Außerdem noch gewaltige Käfer, die sich wohl auch häuteten, denn wir sahen einen Baum voll mit aufgeplatzen Käferpanzern, aus denen der Käfer selbst offenbar verschwunden war.

    Auch in einem kleinen Nationalpark liefen wir an diesem Tag herum. Hier gibt es ein Haus, in dem etwas Meißner Porzellan und ein paar Nazi-Münzen gefunden wurden. Irgendwie wurde daraus über die Jahre eine absurde Geschichte, denn angeblich habe sich in dieser Hütte Martin Bormann versteckt, der Deutschland nie verlassen hatte. Man hat ihn zweifelsfrei an den Restens seins Leichnams identifizieren können. Die Geschichte wurde nie anständig aus der Welt geräumt, so dass jeder der Anwohner im Ort noch heute davon überzeugt ist, dass es sich bei der verfallenen Hütte um das „Casa de Bormann“ gehandelt habe:
    http://cicero.ccknackmuss.de/wp-content/uploads…
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  • Dag 97

    Iguazú

    6. februar 2017, Brasil ⋅ 🌙 25 °C

    Iguazú kommt aus dem Guaraní und bedeutet soetwas wie „großes Wasser“. Tatsächlich handelt es sich mit bis zu 13.000 m³/s in der Regenzeit um einen der wasserreichsten Fälle der Welt. Das entspricht etwas mehr als fünf Wettkampfschwimmbecken nach olympischen Vorgaben… pro Sekunde.

    Die Guaraní haben einen schönen Entstehungsmythos. Demnach sollen die Wasserfälle vom Gott „Mboi“, einer gewaltigen Schlage, erschaffen worden sein. Mboi verlangte jedes Jahr nach einer Jungfrau. Eine von ihnen versuchte mit ihrem Gebliebten in einem Boot den Fluss hinab zu fliehen. Darauf wurde Mboi rasend und schlug eine gewaltige Schlucht in den Boden. Die Seele des Mädchens sperrte er in einen Stein am Fuße des Wasserfalls. Ihr Geliebter verwandelte sich daraufhin vor Schmerz in einen Baum, der am Ufer stand, um sie für immer beobachten zu können.

    Die Fälle liegen in einem Nationalpark, der einen brasilianischen und einen argentinischen Teil hat. Kurz neben der Stadt, in der wir wohnten (Puerto Iguazú) liegt auch die Grenze zu Paraguay, so dass man von hier aus alle drei Länder bereisen kann.

    Wir machten uns auch gleich am ersten Tag auf, um einen kleinen Eindruck dieses Dreiländerecks zu erhalten. Als erstes wurden wir nach Ciudad del Este in Paraguay gebracht. Ein furchtbarer Ort, der ausschließlich aus Kaufhäusern besteht. Paraguay gilt als das Einkaufsparadies der Region. So ziemlich alles ist günstiger als in den Nachbarländern. Aus diesem Grunde entstand hier ein gigantischer Einkaufstourismus, der die Stadt in eine Art Konsumwasteland verwandelt hat. Es ist wirklich furchtbar…
    https://www.youtube.com/watch?v=yAhhITkI0gU

    Wir kauften auch etwas, ließen uns ein wenig mit dem Umrechnungskurs bescheißen, übergingen die merkwürdigen Kommentare des Verkäufers über die Berliner Mauer, von der er glaubte, dass sie immer noch stünde und seine Fragen, ob wir Hitler nicht aus super finden würden und tranken dann einen Kaffee, um die Zeit zu überbrücken, bis wir endlich weiter konnten.

    Die Paraguayaner haben historisch bedingt ein komisches Verhältis zu Deutschland und insbesondere zu den Nazis. Das Land wurde Jahrzehnte lang von dem deutschstämmigen Diktator Alfredo Stoessner beherrscht. Zugleich gibt es eine große deutsche Aussiedlercommunity. Wir fahren als nächstes nach San Ignacio, in dem Beitrag erzähle ich etwas mehr dazu, weil wir auch planen uns einige der Reduktionen in Paraguay anzuschauen, die ich im Artikel über Posadas erwähnt habe.

    Unser nächster Halt war ein gigantisches Mittagessen in Brasilien. Ich habe noch nie ein Bufet gesehen, dass so reichhaltig war. Auf mehreren gigantischen Tischen waren rundherum alle möglichen Speisen angerichtet. Man konnte sich durch die halbe südamerikanische Küche essen, obwohl der Schwerpunkt auch hier auf der sehr fleischlastigen, deftigen Küche der Region lag. Ich kam trotzdem nicht zu kurz. Am Ende konnte man sich noch am ebenfalls gigantischen Dessertbuffet bedienen. Das schönste war hier, dass man sich selbst Eis in super spannenden Geschmacksrichtungen auftun konnte. Ich kleckerte dabei etwas von dem Avodacoeis auf den Rand der Anrichte und machte mich auf die Suche nach einer Serviette. Genau in diesem Moment kam eine kleine, ältere Frau mit wirklich großen Brüsten, die genau bis zum Rand der besagten Theke reichten. Sie hat nicht gemerkt, dass sich nun ein großer grüner Fleck auf einer von ihnen ausgebreitet hat…

    Bevor wir uns die Wasserfälle anschauten, gingen wir noch in den Vogelpark auf der brasilianischen Seite. Ein Großteil der Vögel hier ist vor Tierfängern und privten Sammlern gerettet worden. So hatten wir die Chance Einblicke in die heimische Vogelwelt zu bekommen. Wir sahen Tucane, hsePapageien, Harpyen und allerlei Federvieh, dass wir nicht benennen konnten. Zusätzlich waren auch noch einige Schmetterlinge und Reptilien ausgestellt. Einmal lief uns eine gigantische Echse von bestimmt einem Meter Kopf-zu-Schwanzspitzen-Länge direkt vor die Füße. Ob das so gehörte oder ob sie ausgebüchst war, wussten wir nicht genau. Den Tierpfleger der in der Nähe stand hat es aber recht kalt gelassen, so dass wir davon ausgingen, dass das alles schon so passte. Ein tolles Tier, unheimlich groß und wieselflink.

    Auch bei den Wasserfällen begrüßten uns einige Tiere. Das Gelände war voll von Nasenbären, die unheimlich niedlich aussehen, die aber auch unheimlich verfressen waren. Jede Tüte mit Essen musste vor den kleine Biestern mit den unheimlich scharfen Krallen, die sie normalerweise zum Buddeln benutzten in Sicherheit gebracht werden. Trotzdem gehören sie definitiv in die Kategorie „Tiere die man gern haben muss“:
    https://www.youtube.com/watch?v=RrjjRCBOXUc

    Daneben haben wir hier das erste Mal die gigantischen Webspinnen der Selva gesehen. Ihre Beinspannweite betrug bestimmt 10 cm und ihr Körper erreichte eine Länge von etwa 4-5 cm. Sie hingen vermehrt direkt über dem Wasser in großen mehrdimensionalen Netzen. Ich habe versucht sie anhand von unseren Fotos zu bestimmen, bin aber bisher gescheitert. Ich wollte in Hamburg nochmal in die Unibibliothek dafür.

    Die Wasserfälle selbst waren gigantischen. So als habe die Welt einen Riss bekommen und nun fließe ein Ozean darüber. Man konnte, stand man in der Mitte, nach links und rechts schauen und sah nur herabfließendes Wasser.
    An einigen Stellen konnte man auf langen Steegen direkt an die Fälle herangehen. Hier wurde man von dem dabei entstehenden Sprühnebel durchgeweicht bis auf die Knochen, man konnte über den Rand des Wassrfalls in die Tiefe schauen und hinter einem bildete sich ein Regenbogen, der eine perfekte Kreisform annahm.

    Nach diesem Erlebnis planten wir natürlich gleich in den nächsten Tagen auf die argentinische Seite zu fahren. Nach unserer Rückkehr tranken wir nach unserer Rückkehr aber noch einen Cocktail, um einen kleinen dekadenten Plan von uns zu verwirklichen:
    Kaffee am Morgen in Paraguay, Mittagessen in Brasilien und am Abend Drinks in Argentinien.

    Einen Tag schauten wir uns auch in Puerto Iguazú um und mussten nach einem ewigen Spaziergang durch den Ort feststellen, dass eine Art Regenwaldpark, den man besichtigen sollten hätte können, seit einem guten Jahr geschlossen hatte, obwohl er noch auf den offiziellen Karten eingezeichnet war. Stattdessen besuchten wir einen kleinen privat betriebenen Kolobrigarten. Der Besitzer hatte in seinem Garten mehrere Kolibritränken aufgestellt. Die sehen aus, wie Trinkfläschchen für Hamster oder Mehrschweinchen, haben an ihrem Ende aber kein Metallrohr, sondern eine Plastikblüte, in die ein Loch eingelassen ist. Mit ihren langen Schnäbeln können nur die Kolibris an die Zuckerlösung in der Tränke gelangen. Alle anderen Vögel und selbst die Bienen scheitern beim Versuch, etwas davon zu trinken. Die Kolibris schweben dann für eine Weile vor den vermeintlichen Blüten, die Flügel kaum sichtbar, so schnell schlagen sie. Dann plötzlich verschwinden sie, blitzartig, man sieht sie kaum, wenn sie ihre Position wechseln. Dann aber stehen sie erneut in der Luft, an einer anderen Stelle.

    Auch auf der argentinischen Seite der Wasserfälle soll man welche sehen können. Uns ist das allerdings nicht gelungen. Stattdessen sind wir erneut zahlreichen Nasenbären begegnet. Einer von ihnen hätte auch fast unser Essen geklaut. Grade noch rechtzertig habe ich es vom Tisch gezogen, aber seine Krallen hatten sich schon in die Tüte geschlagen, so dass wir sie danach wegschmeißen konnten. Auch Affen haben wir gesehen. Sie lauern beim Eingang und hoffen auch darauf, etwas zu essen ergattern zu können. Die wohl spektakulärsten Tiere, die wir hier gesehen haben, waren wohl die Kaimane, die in den ruhigen Abschnitten des Flusses lagen. Urprünglich hatten wir noch vor, einen der Waldpfade zu nehmen, in der Hoffnung, auch Ameisenbären und Tapire sehen zu können. Hier streunte aber grade ein Jaguar umher, so dass man nicht tiefer in den Wald gehen durfte.

    Die Wasserfälle waren auch von hier aus unglaublich. Hinter ihnen nisten die Rußsegler, kleine Vögel, die in der Lage sind fliegend Wasserfälle zu durchstoßen und dahinter ihre Nester anzulegen.
    Grade das Ende des oberen Besichtigungspfades eröffnet einem einen Einblick in die Wassermassen, die hier hinabstürzen.

    Unseren letzten Tag in Iguazú wollten wir eigentlich am Itaipú-Damm verbringen, einem Wasserkraftwerk, dass zwischen Brasilien und Paraguay liegt. Er war lange Zeit der Leistungsstärkste Staudamm der Erde und ist heute noceih führend in Bezug auf die Jahresenergieproduktion. Der Damm ist, wie es die meisten Dämme sind, hoch umstritten. Er stellt zwar für eine normalerweise enorm umweltschädliche Region, eine ungemein Klimaschonende Energiequelle dar, dafür musste allerdings ein nicht unerheblicher Teil des Regenwalds abgeholzt werden und viele Guaraní wurden umgesiedelt. Da der Touranbieter aber unheimlich unfreundlich war, hattem wir keine Luste mehr und planten stattdessen eine Regenwaldtour.

    Die fiel allerdings, im Wortsinne, auch ins Wasser und so verbrachten wir unseren letzten Tag im Dreiländereck damit, dem Regen zuzuhören, zu lesen und zu entspannen.
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  • Dag 92

    Posadas

    1. februar 2017, Argentina ⋅ ⛅ 14 °C

    Argentinien ist das zweitgrößte Land Südamerikas. Es ist fast 8 mal größer als Deutschland, hat aber nur halb soviele Einwohner. Demenstsprechend gering ist die Bevölkerungsdichte und dementsprechend leer ist das Land an manchen Stellen. Und das Land ist flach, zumindest in großen Teilen… Lange Busfahrten sind also hier ein eher unangenehmer Teil unserer Reise.

    Von Buenos Aires aus wollten wir nach Iguazú, dass im Dreiländereck von Argentinien, Brasilien und Paraguay liegt. Dort befinden sich die berühmten Iguazú-Wasserfälle. Die Busfahrt dorthin hätte in einem Stück allerdings etwa 18 Stunden gedauert, so dass wir uns entschieden haben, einen Nachtbus bis Posadas zu nehmen, dort eine Nacht zu bleiben und am nächsten Tag das letzte Reststück mit einem anderen Bus fahren zu können.

    Die immerhin noch zwölf Stunden im Nachtbus konnten wir dann schlafend verbringen. Unglücklicherweise saß neben uns eine Familie mit etwas quirligen Kindern, die abends vom Bordsteward (jeder Bus hat immer einen Fahrer und einen Kontrolleur, der auch Getränke und Snacks serviert und das Filmprogramm aussucht) noch mit reichlich Cola versorgt wurden. Vor uns saß eine Truppe betrunkener Argentinier im fortgeschrittenen Alter und aus Geiz hatten wir uns gegen Liegesessel entschieden. Die Nacht war also verhältnismäßig durchwachsen und wir waren froh, dass als wir am Morgen aussteigen konnten.

    Posadas liegt am unteren Rand der Provinz Misiones. Ähnlich wie Deutschland ist auch Argentinien ein föderaler Staat. Die Provinzen ähneln den Bundesländern und haben alle ihre eigene Verfassungen. Der gesamte Staat ist als Zentralstaat organisiert und in den Entscheidungsbereich der Provinzen fällt nur, was nicht ausdrücklich aufgabe des Zentralstaates ist.

    Die Provinz Misiones liegt in dem kleinen keilförmiges Ausläufer Argentiniens, der wie ein kleiner Haken zwischen den Nachbarländern verläuft. Die Region hat eine recht lange Geschichte und trägt ihren Namen aufgrund der Jesuitenreduktionen, die sich im 17. und 18. Jahrhundert dort befanden. Diese Reduktionen waren kleine Dörfer, in die die indigene Bevölkerung umgesiedelt wurde, um ihnen „den Glauben nahezubringen“. Die erste Versuche der Christianisierung der Ureinwohner waren nur teilweise erfolgreich. Immer wieder mischte sich der aufoktroyierte Glaube mit den bereits bestehenden spirituellen Vorstellungen der Menschen, wenn er überhaupt gelang. Oftmals wurde den Missionaren auch einfach nur feindlich begegnet.

    Die Reduktionen dienten somit als Versuch eine Art Ausbildungslager zu etablieren. Das wirkt zunächst abschreckend. Man muss allerdings dazu sagen, dass die Reduktionen, trotz ihrer paternalistischen Funktion auch dem Schutze der indigenen Bevölkerung dienten. Das beste Beispiel hierfür sind die Reduktionen hier in der Provinz Misiones, die auch ihren Namen daher hat. In ihnen wurden die Guaraní ausgebildet. Sie waren eines der ersten Völker Südamerikas, das mit den Europäern in Kontakt kam. Unter anderem da schon der erste spanische Gouverneur Paraguays die „Vermischung“ von Guaraní und Zuwanderern förderte, sind sie auch heute noch eine verhältnismäßig bedeutende Volksgruppe. Zumindest im Vergleich zu vielen argentinischen Stämmen, die durch die Skrupellosigkeit der Kolonialherren heute nicht mehr existieren. Allerdings waren die Guaraní auch bedroht. Sie wurden von Sklavenhändlern gejagt und oftmals in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen durch die weiße Oberschicht ausgebeutet.
    Die Reduktionen setzten hier an und ermöglichten den Guaraní neben dem Erwerb einer formalen Bildung, die zur Selbstbehauptung nötig war, auch sich selbst zu schützen.

    Der Ort Posadas liegt in der Nähe von San Ignacio, wo eine der berühmtesten Ruinen der Reduktionen steht. Auf unserer Rückkehr von Iguazú wollen wir dort halt machen. Leider bietet Posadas wenig schönes. Zumindest haben wir nur wenig schönes gefunden. Es ist hauptsächliche eine Drehscheibe zur Einreise nach Paraguay.

    Auch mit dem Hostal hatten wir etwas Pech. Es war unglaublich schmutzig und in unserem Nachbarzimmer verbrachten einige Mädchen ihren Abend damit eine Küchenschabe zu jagen. Bei uns wohnte nur ein kleiner Gecko im Zimmer, an dem wir uns nur wenig störten. Unser Fenster war vergittert und wir konnten auf eine Art Podest im Garten schauen, auf dem eine selbstgemachte Langhantel lag. Alles in allem fühlte es sich ein wenig wie Gefängnis mit Freigang an.

    Wir verbrachten einen großen Teil vom Tag also außerhalb, tranken Kaffee, aßen Obstsalat oder Eis und liefen herum. Die Innenstadt war stellenweise ganz gemütlich. Diese Gemütlichkeit war allerdings nur ein kleiner Streifen, zwischen den traurigen Straßen, die das Zentrum umrandeten und dem Kern der Innenstadt, bei der ein hässliches Geschäft neben dem anderen stand.

    Zur Ehrenrettung von Posadas muss man allerdings die Promenade am Fluss Paraná erwähnen. Hier konnte man am Abend, bei tief stehender Sonne, sehr gemütlich spazieren gehen und nach Paraguay hinüberschauen. So erging es nicht nur uns. Viele Menschen kamen zum Ausklang des Tages hier her, bepackt mit großen Matevorräten und manchmal auch Klappstühlen. Misiones ist DIE Provinz für den Mateanbau. Unter anderem hatten Che Guevaras Eltern hier eine Plantage. Wir wandeln daher etwas auf seinen Spuren, denn er wird uns noch bei mindestens zwei weiteren Stops begegnen…

    Wir liefen bis zur großen Statue eines indigenen General Commander, die sich am Flussufer auftut und gigen dan nach Hause, um genug Schlaf für unsere Fahrt nach Iguazú zu finden…

    Die Geschichte dieses General Commander ist eigentlich ganz interessant, denn an und für sich war es der indigenen Bevölkerung anfang des 19. Jahrhunderts nicht erlaubt, einen solchen Rang zu bekleiden. Er wurde, eigens zu dem Zweck der Einschreibung in die Armee, von einem Argentinier adoptiert und durfte damit den Nachnamen „Artigas“ tragen. Sein wirklicher Name, Andrés Guazurary, hätte ihm diese Karriere verwährt. Er galt als als Vorbild für die Guaraní und war zeitweise sogar Provinzgouverneur. Im Jahr 2014 wurde er durch Chrstina Fernandez de Kirchner posthum zum General befördert:
    https://www.tripadvisor.de/LocationPhotoDirectL…

    PS: Etwas würde ich gerne noch nachreichen. Beim Beitrag über Buenos Aires hatte ich schon die maximal erlaubte Zeichenanzahl erreicht. Hier also noch ein kleines Video von den „Madres de Plaza de Mayo“:
    https://www.youtube.com/watch?v=S3me2wogxNc
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  • Dag 90

    Buenos Aires I

    30. januar 2017, Argentina ⋅ ☀️ 30 °C

    Buenos Aires hat wirklich ungemein guten Kaffee. Zumindest, wenn man sich die Mühe macht, und ein anständiges Lokal sucht. Warum hier Kaffee im Gegensatz zu anderen südamerikanischen Ländern eine lange Tradition hat, liegt an der bewegten Geschichte der Stadt.

    Vermutlich war einer der Hauptgründe für die Errichtung von Buenos Aires, die gute Lage als zentraler südamerikanischer Hafen auf der Ostseite des Kontinents. Ein weiterer war allerdings, dass man große Silbervorkommen in der Region vermutete. Daher rührt auch der Name „Río de la Plata“ für den dortigen Fluss und der Name Argentinien, der von Argentum stammt. Das meiste Silber kam allerdings aus Potosí im heutigen Bolivien. Silber wurde hier keines gefunden. Aber die sich zunehmend vergrößernde Stadt wurde zum Zentrum eines Landes, dass sich maßgeblich mit Argrarwirtschaft finanzierte.

    Im Jahr 1810 erlangte Argentinien seine Unabhängigkeit infolge der Thronbesteigung von Joseph Bonaparte, dem Bruder Napolenos, in Spanien. Das „Mutterland“ hatte daraufhin soviele innenpolitische Instabilitäten zu bewältigen, dass es seinen kolonialen Ideen nicht mehr gerecht werden konnte. Infolge dieser Unabhängigkeit wurde zwar eine Republik gegründetm diese wurde aber maßgeblich von Oligarchen dominiert, welche über gigantische Ländereien verfügten. Ein paar Jahrzehnte später öffnete sich Argentinien für europäische Aussiedler. Etwa 50 % waren Italiener, daneben viele Nordspanier aus dem Baskenland und Galizien. Infolgedessen und durch die indigenen Einflüsse u.a. aus dem Guaraní, dem Mapundugun und dem Quechua, bildete sich der für Argentinier so eigentümliche Dialekt heraus. Aus „J“ wird hier eine Art „Che“. Aus „llamar“ (sprich: jamar) wird hier also „dschamar“. Einer der berühmtesten Söhne Argentiniens, Ernesto Guevara, erhielt seinen Spitznamen durch diese Besonderheit.
    Neben der Sprache veränderten sich auch die Brauchtümer innerhalb des Landes. So gelangte der Kaffee, neben dem Nationalgetränk „Jerba Mate“, zu großer Beliebtheit.

    Buenos Aires ist eine fantastische Stadt. Ich habe mich innerhalb weniger Stunden verliebt und plane schon jetzt fest, hier nocheinmal für eine längere Zeit her zu kommen. Die Stadt ist ein wirklicher „Melting Pot“ mit Einflüssen aus allerlei Kulturen, Trends und Weltanschauungen. Die Architektur ist auf die Zusammenstellung bezogen eine Katastrophe. Alt neben neu. Glashochhaus neben florentiner Bauweise. Und dennoch schafft es die Stadt, wie aus einem Guss zu wirken. So als habe sie dieses Chaos als einen Teil von sich akzeptiert und beschlossen es stolz und mit Würde zu betonen.

    Gleich am ersten Tag machten wir eine Tour durchs Zentrum. Die damalige Oligarchie war stets bemüht, dem Ort ein „kulturell Wertvolles“ Antlitz zu verleihen. Auf diese Weise entstanden hier gewaltige Prunkbauten in den verschiedensten Stilrichtungen… nur viel größer als sie es in Europa gewesen wären. Beim Kongress, an dem auch unsere Stadttour begann, ging man sogar soweit, jedes einzelne Teil, jeden Stein, jeden Türbeschlag aus Europa zu importieren. Auf diese Weise formte sich die Innenstadt ganz im Sinne der damaligen Oberschicht.

    Mit dem fortschreitenden Zuzug von immer mehr Aussiedlern, entschieden sich die damaligen Oligarchen, sich etwas aus dem Zentrum zurückzuziehen und andere Quartiere einzunehmen, was es einigen Neuankömmlingen ermöglichte auch in den schönen Bauten im Zentrum zu leben. Das natürlich nicht so prunkvoll, wie es ihre Vorgänger getan hatten, sondern mit deutlich mehr Personen pro Zimmer. Küchen wurden gemeinsam genutzt, was die heutige argentinische Küche formte, die zahlreiche europäische Einflüsse aufweist.

    Die Lebensbedingungen der Zuwanderer waren allerdings oft fatal. Viele Männer hatten ihre Familien zurückgelassen und lebten in der Hoffnung, sie durch die Früchte ihrer Arbeit irgendwann in die neue Heimat holen zu können. Und die, die es bereits geschafft hatten, lebten oftmals trotzdem unter erbärmlichen Bedingungen. In dieser Zeit entwickelte sich auch der Tango, der eine Mischung aus Tanz, Gesang, Schauspiel und Gedicht ist. Er gilt als das Produkt der Tragik, die die Menschen aus allen Himmelsrichtungen damals umgab. Er weist Einflüsse aus Afrika, Osteuropa und zahlreichen anderen Erdteilen auf (https://de.wikipedia.org/wiki/Tango_Argentino).
    Wir wurden auf unserer Tour auch am Kaffee Tortoni vorbeigeführt, dem ältesten Kaffee der Stadt, wo wir einen Abend später eine Tango-Show besuchen sollten.

    Die wirtschaftliche Situation Argentiniens verbesserte sich zusehends. Zwischenzeitlich war Argentinien eines der wohlhabensten Länder der Erde. Doch durch die Weltwirtschaftskrise wurden die aufkommenden Hoffnungen auf eine goldene Zukunft schon rasch wieder zerstört. Die Situation der armen Arbeiter, grade auf auch auf dem Land, wurde immer prekärer und auch die Oberschicht, immer in der Angst vor Bauernaufständen und Rebellionen, wurde zusehends nervös.

    Und dann trat eine der interessantesten politischen Figuren Südamerikas auf den Plan, Juan Perón. Er war ein großer Bewunderer Mussolinis und des Faschismus, was es, nebenbei bemerkt, so vielen Nazis ermöglichte vor den Alliierten nach Argentinien zu fliehen. Trotz dieser Tatsache war seine Sozialpolitik durch marxistische Einflüsse geprägt. So verstaatlichte er zahlreiche Industriezweige und verbesserte maßgeblich die Situation der armen Bevölkerung. Der Peronismus war geboren. Diese politische Denkrichtung versteht sich selbst als dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Er versucht die Klassen der Gesellschaft zu erhalten, aber gleichzeitig einen starken staatlichen Fürsorgecharakter zu etablieren. So wurden die Industriebesitzer zum Beispiel nicht, wie es klassisch sozialistisch gewesen wäre, enteignet, sondern mit horrenden Summen abgefunden. Unter anderem dies führte zur Absetzung Peróns, denn die Staatskasse war auf diese Weise bereits nach einigen Jahren hoffnungslos geleert. Der nächste Halt unserer Tour war ein gigantisches Konterfei seiner ersten Ehefrau Evita. Noch heute wird sie von vielen Argentiniern verehrt. Sie war Radiosprecherin und fungierte als die Stimme des „kleinen Mannes“. Sie hatte einen gewaltigen Einfluss auf ihren Mann, der aus ihre beinahe die Vizepräsidentin des Landes gemacht hätte. Sie starb mit Anfang 30 an Gebärmutterhalskrebs. Ihre Beerdigung wurde zu einem Volkstrauertag. Aber sie und ihr Mann waren umstritten. So wurden nach ihrem Tod zahlreiche Mauern der Stadt mit dem Slogan „Viva el cancer!“ besprüht. Um ihren Leichnam, der auf dem Friedhof in Recoletta ruht, ranken sich zahlreiche Legenden und Geschichten.

    Unser nächster Halt war der Plaza de Mayo, der seinen Namen nach dem Monat trägt, in dem Argentinien unabhängig wurde. Hier erinnern Bodenbedruckungen in der Form von Kopftüchern an die Bewegung der „Madres des Plaza de Mayo“. Nachdem Peroń abgesetzt wurde, lief es trotzdem nicht so recht in der Politik, so dass er auf großen Druck der Bevölkerung in den 70er Jahren aus seinem Exil in Spanien heimkehrte und sich nochmal zur Wahl aufstellen ließ. Er starb allerdings kurz nach seiner Amtsübernahme und seine Frau, die gleichzeitig Vizepräsidentin war, übernahm die Amtsgeschäfte. Sie galt es etwas verrückt. Angeblich hat sie einmal Versucht sich auf den Leichnam von Evita zu legen, um sich mit Hilfe eines Magiers ihrer Seele zu bemächtigen. Sie scheitete als Präsidentin und wurde von einer Militärjunta abgesetzt.

    Diese bestand aus den wohl übelsten Menschen Argentiniens. Sie waren hoch konservativ und traditionalistisch und wohl auch von den Altnazis beeinflusst, die noch unter Perón vielfach als Militärberater eingesetzt wurden. Es wirkt so, als würden sie nicht ertragen, dass die Erde sich entwickelt. Ein berühmter Ausspruch von einem der Oberkommandierenden lautete:
    „Die aktuelle Krise der Menschheit ist drei Männern geschuldet: Zum Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte Marx die drei Bände seines Kapitals und säte mit ihnen Zweifel an der Unverletzlichkeit des Eigentums; Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die geheiligte Intimsphäre des Menschen angegriffen durch Freud mit seinem Buch die Traumdeutung, und schließlich hat Einstein 1905 mit seiner Relativitätstheorie die statische Vorstellung von der Materie und ihrem Untergang untergraben.“
    Er erwähnte zudem, dass es sich bei allen dreien um Juden gehandelt habe.
    Infolge der Machtübernahme begannen zahlreiche Menschen zu verschwinden. Sie wurden in Foltergefängnisse verbracht, dort verhört und hinterher beseitigt. Gängig war es zum Beispiel die Verletzten noch lebend aus einem Helikopter oder Lastenflugzeug in den Rio de la Plata zu werfen. Zum Ende der Militärdiktatur galten etwa 30.000 Menschen als „Desaparecidos“. Demonstrationen waren zu dieser Zeit verboten, aber den Müttern der Verschwundenen war klar, dass sie als Mütter eine hoch geachtete Stellung in der Gesellschaft hatten. Sie beschlossen Demonstrationen zu wagen, indem sie, die alten Stoffwindeln ihrer verschwundenen Kinder zu Kopftüchern gebunden, schweigend im Kreis über den Plaza de Mayo liefen, wo auch der Regieruntgssitz liegt.
    Der Plaza de Mayo wird auch heute noch für Demonstrationen genutzt. Die letzte war ein Aufmarsch der transnationalen Bewegung „Ni una menos“, die sich gegen die Gewalt an Frauen in Argentinien und Südamerika stellt. Mehrere hunderttausend Menschen kamen.
    Wir besichtigten auch noch den Friedhof von Recoletta, zu dem es zahlreiche Geschichten gibt. So zum Beispiel die eines Mannes, der Angst davor hatte, lebendig begraben zu werden und deshalb sein Grab mit allerlei Mechanismen ausgestattet hatte, um in einem solchen Fall entkommen zu können. Er testet diese Vorrichtungen bis zu seinem Tode jedes Jahr einmal. Immer an seinem Geburtstag…
    Unsere Reise durch Argentinien beginnt in Buenos Aires und wird auch hier enden. Ich freue mich schon, wenn wir in 3 Wochen wieder hier sein dürfen...
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  • Dag 86

    Santiago

    26. januar 2017, Chile ⋅ 🌙 23 °C

    Nach den eher ernüchternen Tagen in Conception haben wir es endlich zu unserer letzten Station in Chile geschafft. „Endlich“ sage ich weniger, weil es mir hier keinen Spaß gemacht hat, sondern vielmehr, weil wir uns sehr auf Santiago gefreut haben. Katalina hatte uns bereits in Bolivien von dem „Museo de la Memoria y los Derechos Humanos“ erzählt. In diesem Museum wird die Militärdiktatur Pinochets aufgearbeitet bei der mehrere tausend Menschen getötet wurden oder „verschwunden“ sind. Zudem wurden unzählige von ihnen Opfer grausamster Folter.

    Auf der Fahrt sahen wir auch einige der Waldbrände, die Chile derzeit heimsuchen. Sie gelten als die schlimmsten Brände, die es hier in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Ich habe dazu eine wirklich gute Bilderschau gefunden:
    https://www.nzz.ch/panorama/bildstrecken/bildst…

    Santiago liegt in einem Kessel aus Bergen, so dass der Rauch, vielleicht war es auch Smog, fast durchgehend über der Stadt hing. Ein Taxifahrer hat uns erzählt, dass es in Chile keine hauptamtlichen Feuerwehrleute gibt. Das heißt, dass der gesamte Einsatz zur Brandbekämpfung von Ehrenamtlichen geleistet So mussten zahlreiche Anfragen an das Ausland getätigt werden. NACHTRAG: Etwas später als ich diesen Eintrag begonnen habe, sollten wir erfahren, dass die Stadt Concecion maßgeblich von den Bränden bedroht war und, so zumindest die Nachrichten, nur das Eingreifen von russischen Flugzeugen ein Übergreifen der Brände auf die Stadt verhindert werden konnte.

    Unser Hostal in Santiago lag etwas außerhalb, so dass wir immer erst eine halbe Stunde in die Stadt fahren mussten. Etwas zentraleres konnten bzw. wollten wir uns nicht leisten. Dafür war es bestens ausgestattet, so dass wir hier -seit langem das erste Mal- wieder etwas kochen konnten. Wir schleppten seit Ewigkeiten eine große Einkaufstasche mit Lebensmitteln mit uns herum, hatten aber seit Puerto Varas keine gute Küche mehr.

    In unserer Nähe lag auch ein Einkaufszentrum, so dass wir den ersten Tag eigentlich nur mit Bummeln verbracht haben. Am Abend haben wir uns nach dem Essen „Animales fantasticós“ von J.K. Rowling im angeschlossenen Kino angeschaut. Toller Film. Die Story ist zeitweise etwas dünn, wird aber durch die magische Welt, die man kennenlernt und die zahlreichen guten Interpretationen der 20er Jahre in New York wieder wettgemacht.

    Am zweiten Tag sind am Morgen noch schnell auf einen Abstecher ins Museum der schönen Künste gegangen. Wir wollen eigentlich nur Zeit überbrücken, bis unsere Tour anfing, sind aber auf eine Austellung von Godoy gestoßen. Er malt hauptsächlich nackte Männer, manchmal in Sadomasosituationen:
    http://d2vpb0i3hb2k8a.cloudfront.net/wp-content…
    Das war ein wenig schräg, aber für so ein eher konservatives Land auch spannend. Dafür fand man dann in der zweiten Etage wieder die für Südamerika typischen katholisch inspirierten Gemälde von Maria, Jesus und kleinen dicken Engeln.

    Vor dem Museum startete auch unsere Tour durch die Stadt. Die wohl interessantesten Punkte, an denen wir Halt gemacht haben, waren das „Centro cultural Gabriela Mistral“, der Präsidentenpalast und das frühere Hauptquartier der „Radikalen Partei“. Sie alle hatten mit der Regierung Allendes zu tun.

    Das Kulturzentrum wurde ursprünglich für ein Treffen der Vereinten Nationen errichtet. Es sah allerdings zunächst so aus, als wäre es nicht möglich, es bis zur Konferenz fertig zu stellen. Da Allende das Land von seiner besten Seite präsentieren wollte, startete er einen Aufruf:
    Alle Arbeiter Chiles sollten sich, sofern möglich, in Santiago einfinden, um das Gebäude zu errichten. Und Tausende folgten seinem Ruf. So schafften sie es, anstatt der ursprünglich angesetzten 2 Jahre, lediglich wenige Monate mit dem Bau zu verbringen. Die Konferenz konnte wie geplant abgehalten werden. Nach deren Ende widmete Allende den Bau den Arbeitern Chiles und füllte es mit sozialistisch angehauchten Dovotionalien.

    Nach seinem Sturz wurden diese durch Pinochet entfernt. Da der Präsidentenpalast zerstört war, bezog er die Räume zunächst und machte sie zu seinem Hauptquartier. Dies ist eine ganz typische Vorgehensweise für das Regime gewesen:
    Die Vernichtung der Symbole der vorangehenden Gesellschaft war eines der Kerngeschäfte der neu errichteten Diktatur. Es erinnert dabei ein wenig an die Bücherverbrennung der Nazis. Nichts sollte existieren außerhalb des neuen Regimes. So kam es auch in den ersten 2 Jahren zu den meisten Menschenrechtsverbrechen. Chile sollte „kulturell gesäubert“ werden.

    Das selbe galt auch für das ehemalige Hauptquartier der Radikalen Partei, die Allende unterstützt hatten. Nach der Machtergreifung Pinochets wurde es zum Stützpunkt der Geheimpolizei. Es muss ein furchtbares Gefühl gewesen sein, in seiner ehemaligen politischen Heimat von einem folternden Polizeiapparat verhört zu werden… Auch hier zeigt sich wieder, welche Macht Umdeutungen haben.

    Der spannenste Abschnitt der Tour war aber der Präsidentenpalast. Der Sturz Allendes war nicht so, wie es der Sturz von der Witwe Peróns in Argentinien Mitte der 70er Jahren war. Sie hatte damals die Möglichkeit einfach frei abzuziehen und das Land zu verlassen. Danach zog auch hier der Schrecken ein.

    Der Sturz Allendes war mit einem militärischen Angriff auf den Palast verbunden, der dabei durch die Luftwaffe fast vollständig zerstört wurde. Die letzte Rede Allendes ist bis heute erhalten geblieben:
    https://www.youtube.com/watch?v=HC8UirZLCZQ (Untertitel verfügbar)

    Kurz danach setzte er seinem Leben ein Ende, um der Gefangenschaft zu entgehen. Der Film „Allende en su laberinto“ (auf Netflix verfügbar) ist dabei eine verhältnismäßig authentische Erzählung seiner letzten Stunden. Auf IMDb hat der Film eine recht geringe Gesamtbewertung. Schaut man in die Kommentare sieht man, dass noch heute der Konflikt zwischen Amerikanern und Chilenen schwelt. Alle positiven Stimmen kommen aus Chile, während die Kritk aus Nordamerika kommt:
    „Allende was not a bad president in the eyes of many president but had ideals much too close to communism. This meant he was the US's enemy and we had to do something about it.“

    Man sieht also, dass auch heute noch eine ideologische Aufladung des Themas besteht.
    Ich persönlich kann den Film nur empfehlen. Auch wenn er, wie alle Nacherzählungen, seine Schwächen hat. Gemacht wurde er vom großartigen Miguel Littin, über den Gabriel García Márquez, ein schönes Buch geschrieben hat:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Abenteuer_des…

    In angesprochenem „Allende-Film“ ist das eigentlich beeindruckende die Art und Weise, wie Allende dargestellt wird. Aufrecht und rechtschaffend. Ob er das wirklich war, kann ich natürlich nicht sagen. Eine Szene aus dem Film hat mich trotzdem besonders beeindruckt. Allende schickt darin seine Verteidiger nach draußen, um dem Tod zu entgehen. Er selbst bleibt zurück, um sich zu opfern. Bevor er seine Männer entlässt, gibt er, bei anhaltendem Beschuss, jedem einzelnen von ihnen die Hand. Das hat schon etwas ungemein anrührendes und eben „aufrechtes“.

    Wie geplant haben wir es auch noch in das erwähnte Museum geschafft. Wir haben knapp 3 Stunden benötigt, waren aber bereits nach einer schon so erschlagen von all den Informationen und Hintergründen. Der Rundgang durch das Museum beginnt mit dem Sturm auf den Präsidentenpalast und endet mit Pinochets Rücktritt. Die Themen Gewalt und Folter sind zwar allgegenwärtig, aber dennoch nur ein kleiner Teil der Austellung. Viel wird auch über die politischen Strategien der Junta erzählt, viel auch über die Gegenbewegungen und die Rolle der Kirche.
    Das Museum stellt auch eine online zugängliche digitale Bibliothek mit einer gigantischen Menge an Material zur Verfügung: http://www.bibliotecamuseodelamemoria.cl/gsdl/c…

    Das Museum ist, vor allem unter Chilenen, ungemein populär. Es kommt jedoch öfter die Kritik auf, dass es die Zustände in Chile vor dem Putsch nicht beleuchte und so die Realität verzerre. Dem halten die Macher des Museums allerdings entgegen, dass die Zustände, die unter Allende geherrscht haben, keine Rolle in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochet spielen. Dem schließe ich mich an. Ob man Allende nun politisch mochte oder eben nicht, entbindet die nachfolgende Regierung nicht von ihrer Pflicht zur Achtung des menschlichen Lebens. Im Report der Valech-Komission, den ich ja schon einmal verlinkt hatte, werden Details offenbart, die keinerlei Dikussion in Bezug auf den Daseinszweck des Museums zulassen.

    Trotz alledessen hatte Santiago natürlich auch schöne Seiten. Eine witzige Geschichte rankt sich um den sogenannten „Kaffee mit Beinen“ (Café con piernas). Chile ist aufgrund seiner Seefahrertradition eigentlich ein Teetrinkerland. Kaffee hat hier nie den Stellenwert erhalten, den es heute in den meisten andren Ländern Süd- und Mittelamerikas hat. Da sich aber einige Leute in den Kopf gesetzt hatten, mit Kaffee in Chile Geld zu verdienen, wurde der „Kaffee mit Beinen“ erfunden. Überall in Santiago finden sich heute Kaffeeläden mit schwarzgetönten Scheiben, in die nur Männer hineingehen. Ausgeschenkt wird tatsächlich nur Kaffee, kein Alkohol und die Beine sind natürlich die der leichtbekleideten Bedienungen.

    Richtig guten Kaffee findet man in Chile kaum. Die meisten Haushalte und sogar die meisten Restaurants servieren Nescafé. Oft bekommt man einfach eine Tasse heißes Wasser und drei Plastikbeutel serviert: Zucker, Nescafé und Kaffeeweißer…

    ...ich war also ganz froh, dass wir bald schon in Buenos Aires sein sollten, welches maßgeblich durch italienische Einwanderer beeinflusst wurde. Insofern hoffte ich dort mal wieder einen richtigen Kaffee trinken zu können.
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  • Dag 83

    Concepcion

    23. januar 2017, Chile ⋅ 🌙 17 °C

    Auf dem Weg nach Santiago haben wir noch für zwei Nächte in Concepcion gehalten. Auch diese Stadt, die eine der größten Chiles ist, wurden von Pedro de Valdivia gegründet, wobei sie nach mehrfacher Zerstörung durch Naturkatastrophen zwischenzeitlich verlegt wurde. Diese Verlegung geschah „von Menschenhand“. Im Gegensatz dazu, wurde die Stadt auch einmal durch die Natur selbst verlegt. Bei dem großen Erdbeben von 2010, bei dem mehr als 500 Menschen ums Leben kam, konnte im Nachhinein mit GPS-Technologie festgestellt werden, dass sich die gesamte Stadt um 3 Meter bewegt hatte.

    Obwohl Concepcion als eine der Universitätsstädte Chiles gilt, gab es für uns nur wenig Einladendes. Die Straßen waren die meiste Zeit menschenleer und die Geschäfte geschlossen oder aufgegeben. Auch von der Musikkultur der Stadt, die Heimat zahlreicher Rockbands sein soll, bekamen wir nicht viel mit. Die Straßen hatten sogar etwas trauriges.

    Ich habe vor gut zwei Jahren einen Bericht über Detroit im Fernsehen gesehen. Nach dem Zusammenbruch der Autoindustrie der USA, schoss die Arbeitslosenquote von „Motorcity“ in die Höhe und die Stadt zerfällt seither. In Conception fiel mir das, auch wenn es anderes aussah, als die Bilder in der Dokumentation, wieder ein.

    Untergekommen sind wir in einem kleinen, im Internet nur als „mäßig rezensierten, Hostal ohne Fenster. Wir haben uns notgedrungen hierfür entscheiden müssen, weil wir, trotz erwähnter Größe der Stadt, kein anderes finden konnten. Wir verbrachten den Tag, den wir zur Verfügung hatten damit, zu einer kleineren Handwerksaustellung zu gehen, auf der verschiedene Nationen Süd- und Mittelamerikas vertreten waren. Hier konnten wir auch eine Kleinigkeit essen und in einem nahegelegenen Einkaufzentrum stöbern. Dort gab es auch eine Spielhalle mit ganz unterhaltsamen Light-Gun-Spielen. Auch der Hauptplatz mit der futuristischen Kirche war wirklich schön.

    Alles in allem aber, können wir nicht empfehlen hierher zu kommen. Immerhin aber, hatte ich etwas Zeit mir Gedanken über Chile zu machen. Ich muss sagen, dass mir Perú und Bolvien fast etwas mehr Spaß gemacht haben.

    Chile ist sehr in der „westlichen Moderne“ angekommen. Die Menschen fahren SUVs, halten sich an die Verkersregeln, das Wasser aus der Leitung ist trinkbar. Die Mittelklasse ist breit, überall Smartphones… Fastfood, und zwar die besonders fettigen Varianten, sind Verkauftsschlager. Ich war ja noch nie in den USA, hatte aber immerwieder das Gefühl, dass es sich dort stellenweise so anfühlen muss.

    Das ist eine harte Kritk und ich tue Chile unrecht, wenn ich den Eintrag mit ihr beende, denn das Land bietet jedem Reisenden wirklich viel. Von Wüsten, über Küsten, über Vulkangebirge bis hin zu Seenlanschaften haben wir alles gesehen. Wir durften in Städten feiern, durch Canyons laufen und auf Berge klettern. Viele Erfahrungen, habe ich hier zum ersten Mal gesammelt und ich möchte sie nicht missen. Außderdem haben wir nur einen winzigen Teil des Landes gesehen. Im so beliebten, umschwärmten Patagonien waren wir nur kurz und nur in der ganz nördlichen Spitze. Insofern ist es wohl zu früh für ein objektives Urteil. Und ein letzter Halt steht uns ja noch bevor...
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  • Dag 80

    Valdivia

    20. januar 2017, Chile ⋅ 🌙 16 °C

    Valdivia trägt seinen Namen durch den spanischen Conquistadoren Pedro de Valdivia oder besser durch den König, dem er diente. De Valdivia war nämlich eines der prominetesten Opfer der Wehrhaftigkeit der Mapuche Indianer. Nach seinem Tod wurde die Stadt durch Karl I. nach ihm benannt. Er war es auch, der die Hauptstadt Santiago gründete. Sein Auftrag war, nachdem er zunächst für Francisco Pizarro, den „Unterwerfer der Inca“, gekämpft hatte, die Kolonisierung Chiles.

    Der Ort Valdivia wurde mehrfach zerstört. Erst durch ein großes Erdbeben, dann durch die Mapuche, dann durch ein Großfeuer und dann, im letzten Jahrhundert, durch das stärkste Erdbeben, dass jemals aufgezeichnet wurde. 40 % der Häuser wurden zerstört. Neben den zahlreichen Toten gab es in ganz Chile etwa. 3.000.000 Obdachlose.

    Heute gilt der Ort als Zentrum des deutschen Siedlertums. Denn hier landeten die meisten von ihnen bei ihrer Ankunft. Auch heute noch sind zahlreiche Straßen nach den Emigranten benannt und deutsche Bezeichnungen, wie etwa „Feuerwehr“, sind erhalten geblieben. Auch die erste Brauerei Chiles wurde durch hier durch die Einwanderer gegründet (Kunstmann).

    Wir sind hierhergekommen, um ein paar entspannte Tage vor unserer Ankunft in Santiago verbringen zu können. Wir fliegen von dort aus am 27.1. nach Buenos Aires weiter. Ich freue mich schon sehr auf Argentinien und habe mir fest vorgenommen, mich in den nächsten Tagen verstärkt mit unserem neuen Ziel zu beschäftigen.

    Das wohl gemütlichste an Valdivia ist der Fischmarkt. Weniger wegen der Fische, die dort verkauft werden, sondern wegen der Seelöwen, die davor im Wasser schimmen und sich auf den Anlegern ausruhen. Sie werden permanent von Geiern, Seemöwen und Kormoranen umflogen, die an den Resten vom Fischmarkt interessiert sind. Direkt neben dem Markt, vor der naturwissenschaftlichen Universität, steht ein großes foucauld‘sches Pendel. Ich musste im Hostel nachschlagen, wie es funktioniert und bin auch jetzt noch begeistert von der Idee.

    Noch etwas spannender fand ich die kleine Austellung, die in einem der Seitenarme der Universität gezeigt wurde. Organisiert wurde sie von den Meeresbiologen, die den Besuchern die Anatomie und Physiologie von Walen und Delphinen nahebringen wollten. Neben den gigantischen ausgestellten Blauwalbarten war eine Abbildung zur Extremitätenevolution am interessantesten. Sie zeigte den Aufbau verschiedener Wirbeltierextremitäten und machte durch die Lage der Knochen, auch wenn sie mal kürzer, mal länger, mal dicker oder mal dünner waren, deutlich, dass zwischen all diesen Tieren eine evolutionäre Verwandtschaft besteht. Hier ein Beispiel einer ähnlichen Abbildung:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Extremitätenevolu…

    Auch konnten wir eine kleine Bootsfahrt auf dem Fluss machen. In einem Arm des Cau-Cau befindet sich Chiles erste Zugbrücke, die Cau-Cau-Brücke. Auch sie folgt einer gewissen deutschen Tradition, denn ähnlich wie der Berliner Flughafen, Stuttgard 21 oder bis vor kurzem auch noch die Elbphilharmonie hat sie viel Geld gekostet, funktioniert aber nicht. Da die Firma international operiert, hat es sich zu einem herrlichen Politik entwickelt. Selbst die Dailymail ist auf die Brücke aufmerksam geworden. Die Einwohner nehmen es mit Humor und nutzen die Brücke, um sie Touristen zu zeigen und gemeinsam mit ihnen Witze über ihr neues Wahrzeichen zu machen.
    http://www.dailymail.co.uk/news/article-2536666…

    http://www.azvi.es/en/the-back-to-front-bridge-…

    Am zweiten Tag in Valdivia sind wir nach Niebla gefahren, um uns die Verteidigungsanlage dort anzuschauen. Den Namen trägt der Ort wegen der tiefhängenden Wolken, die ihn manchmal in einen dichten Nebel tauchen (Niebla). Das Fort selbst war eine der größten Verteidigungsanlagen in Chile.

    Zwischenzeitlich, als Valdivia von den Spaniern aufgegeben waren, haben sich dort sogar die Niederländer aufgehalten, um ihren Angriff auf die Spanier zu koordinieren. Aber auch sie wurden von den Mapuche vertrieben. Auch andere Großmächte waren an dem Standort interessiert. So wurden große Teile der Küste Chiles und Perus durch Francis Drake angegriffen. Als Konsequenz entschloss sich die spanische Krone nach ihrer Rückeroberung des Gebietes zum Bau großer Verteidigungsanlagen.

    Heute sind noch die Grundmauern und die Kanonengräben erhalten. Die ausgestellten Kanonen sind Repliken, sehen aber ungemein beeindruckend aus, wie sie so auf das offene Meer ausgerichtet sind. Außerdem gibt es viele Aussichtspunkte von denen aus wir einen Blick auf den Pazifik werfen konnten. An einem von ihnen ereignete sich vor 8 Jahren eine Tragödie, als ein 20 Jahre alter Mann beim Fotografieren die etwa 80 Meter tiefe Steilklippe hinabfiel. Ein Kreuz erinnert heute an ihn.
    http://www.adnradio.cl/noticias/nacional/joven-…

    Eine etwas schönere Erinnerung an das Fort war der Kleiderstand, an dem sich vornehmlich Kinder, aber auch Erwachsene Kleidung aus dem 17. Jahrhundert anziehen konnten, um damit durch das Fort zu laufen. So kam es vor, dass einem beim Spaziergang durch die Ruinen eine kleine Patrollie von halwüchsigen Musketieren entgegenkam.

    Zwar sollte auch unsere letzte Station votr Santiago, Concepcion, am Meer liegen. Den Pazifik würden wir allerdings schon in Valdivia das letzte Mal auf dieser Reise zu gesicht bekommen.

    Nach dem Besuch im Fort wollten wir eigentlich noch gerne in ein im Fluss ausgestelltes U-Boot gehen, auf dem auch immer einer der Seelöwen lag. Dafür kamen wir aber leider zu spät und begnügten uns an unserem letzten Abend in dieser zwar nicht besonders schönen, aber wirklich gemütlichen Stadt mit Wein und Papas Bravas.
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