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  • Day 54

    Au revoir!

    November 6, 2023 in Canada ⋅ ⛅ -1 °C

    Bonjour, ca va? Unsere Ohren bekommen sehr schnell mit, dass wir nun im französischsprachigen Teil Kanadas gelandet sind. Fünfeinhalb Stunden Zugfahrt durch Ontario und Quebec führen uns zu unserer letzten Station nach Montreal. Die Einheimischen sprechen das "t" allerdings nicht aus, man hört deshalb immer nur "Monreal", aber man wird auch nicht schief angeguckt, wenn man das "t" mitspricht.

    Doch bevor wir in diese Stadt eintauchen noch ein paar Sätze zu der Zugfahrt: Mit dem Uber kommen wir an der Toronto Union Station an, Mona hat Ella im Kinderwagen und einen kleinen Koffer, ich nehme den Rest. Mitarbeiter der kanadischen Bahn ViaRail erspähen uns schon von der anderen Straßenseite und kommen uns zur Hilfe und packen mit an. Mehr noch: Wir werden zum Aufzug quasi eskortiert und als "priority" sogar an der Schlange vorbei direkt in den Fahrstuhl gelassen. Am Zug bekommen wir nochmal Hilfe mit dem schweren Gepäck - was für ein Service! Das wäre in Deutschland bei der Bahn wohl so nicht denkbar.

    Die Züge sind komfortabel und relativ modern, der Raum zwischen den Sitzreihen ist größer als in Deutschland, sodass man viel Beinfreiheit hat. Wir haben es dadurch bequem und fühlen uns wohl.
    Für Ella wäre auch viel Platz zum Spielen gewesen, doch während der Fahrt merken wir, dass sie heute nicht gut drauf ist. Ihr Kopf ist sehr warm, sie wirkt müde und matt und ist sehr anhänglich und braucht ungewöhnlich viele Kuscheleinheiten. Sie schläft zudem öfter als sonst, weshalb wir dort bereits vermuten, dass sie entweder zahnt oder krank ist.

    Die Fahrt durch Ontario und Quebec ist also eigentlich sehr angenehm, aber mit einem kränkelndem Kleinkind auch anstrengend. In Montreal angekommen erhalten wir wieder viel Hilfe mit dem Gepäck und kommen gegen 17.30 Uhr in unserem Hotel an. Ella ist weiterhin nicht gut drauf. Beim nächsten Windelwechseln messen wir ihre Temperatur: 39,3 Grad zeigt das Thermometer an, das ist eigentlich zu hoch, um nur vom Zahnen zu kommen. Sie kriegt ein fiebersenkenden Zäpfchen, was zu helfen scheint und schläft bald im neuen Schlafzimmer ein.

    Keine zwei Stunden später ist sie dann aber wieder richtig wach und wirkt plötzlich wie verwandelt, erkundet die neue Umgebung und hat Spaß. Wir lassen sie lange spielen und bringen sie so viel später als sonst ins Bett.

    Der nächste Tag verläuft ganz anders, als wir es uns gedacht hätten. Da sie abends einen besseren Eindruck gemacht hatte und die Nacht ruhig verlief, hatten wir schon über Pläne für den Tag nachgedacht, auch wenn ihre Temperatur am Morgen noch bei 38,0 lag und sie erneut ein Zäpfchen bekam. Verunsichert hatte uns nur, dass sie gehustet hatte. Ella zeigt uns allerdings bald, dass es ihr nicht gut geht. Wir sind verunsichert: einerseits sind wir mit einem kranken Kind weit weg von zuhause, andererseits wollen wir mit Blick auf den bald anstehenden Flug sicher sein, dass Ella keine weiteren Probleme wie Ohrenschmerzen bekommen wird. Wir suchen die nächstgelegene Kinderarztpraxis auf - vermeintlich- die können uns aber nicht weiterhelfen und schicken uns ins Krankenhaus. Wir landen so unnötigerweise in der Notaufnahme des Montreal Children's Hospital. Zum Glück sprechen die Menschen hier wie fast überall neben Französisch auch Englisch, sonst wäre es kompliziert geworden.

    Wir haben unsere Auslandskrankenversicherung dabei, müssen aber natürlich zunächst alles selber zahlen. Mehr als 1000 kanadische Dollar ist die "Grundgebühr" für die Aufnahme, hinzu kommen dann noch Behandlungskosten. Umgerechnet mehr als 900 Euro müssen wir vorstrecken und Mona eine ganze Menge Papierkram ausfüllen, während ich mich um Ella kümmere. Es gibt eine Vorbefragung durch eine Krankenschwester (pre-triage), damit die Dringlichkeit von Ellas Behandlung eingestuft werden kann. Ella geht es soweit gut, sie ist fiebrig und schlapp, guckt aber viel in der ungewohnten Umgebung und beobachtet diese genau.

    Zwei Stunden müssen wir ausharren, bis wir in einen Behandlungsraum gerufen werden. Eine Krankenschwester befragt uns, untersucht Ella, ehe ein Arzt dazu kommt. Alle sind furchtbar nett und hilfsbereit und zeigen Verständnis für uns und die Situation. Auf dem Bogen, den der Arzt ausfüllt, steht am Ende "viral illness" als Diagnose - Ella hat sich also irgendwo etwas eingefangen. Sie bekommt etwas Fiebersaft, dann geht es zurück ins Hotel.

    - Kurzer Zeitsprung: Mona kränkelt kurz darauf auch, mich erwischt es irgendwo zwischen Abflug und Ankunft in Deutschland und die ersten Tage zuhause verbringen wir daher zumeist im Bett und auf der Couch. Vier Tage nach unserer Rückkehr schaffen wir es dann zur Apotheke, um Coronatests zu holen, die dann auch positiv ausfallen. Das es Corona sein könnte, kam uns erst in Deutschland in den Sinn. Ella wurde im Krankenhaus auch nicht dahingehend getestet. -

    Für mich steht am Abend noch das letzte NHL-Spiel an, die Montreal Canadiens empfangen Tampa Bay Lightnin aus Florida. Die Arena, das Bell Center, ist die größte Arena der Liga und wohl auch die größte Halle überhaupt, in der regelmäßig Eishockey gespielt wird: Mehr als 21.000 Zuschauer passen hier rein.

    Montreal ist absolut eishockeyverrückt - sogar für kanadische Verhältnisse- die Canadiens sind der Rekordsieger in der NHL mit 24 Stanley Cups und sie waren auch das letzte kanadische Team, das den Titel gewinnen konnte. Das war 1993, also vor 30 Jahren. Über viele Jahre waren die Heimspiele ausverkauft, an diesem Abend ist es gut gefüllt, aber es gibt noch einige freie Plätze.

    Mein Platz befindet sich im Oberrang, ist also ziemlich weit weg vom Eis. Doch die Entfernung ist nicht das Problem, es gibt auch große Bildschirme, auf denen das Spiel zu sehen ist, es sind eher die Zuschauer in den Reihen, die meine Sicht einschränken. Das war in den anderen Hallen definitiv besser gelöst.

    Dennoch bekomme ich vom Spiel alles mit. Schon im ersten Drittel fallen vier Tore, Allerdings nur für die Gäste, und Montreal wechselt den Torhüter noch vor der Pause. Die Canadiens kämpfen sich zurück und machen es im Schlussabschnitt durch zwei Tore wieder spannend. Letztlich fehlt ihnen aber die Klasse, um Tampa Bay zu schlagen. Das Team aus Florida ist in den letzten Jahren das, was Montreal früher war und schaffte es in drei der letzten vier Stanley Cup Finals. Zweimal holten sie den Titel.

    Am vorletzten Tag unserer Reise wollen wir nun noch etwas von der Stadt sehen. Ella geht es besser, hätten wir den Eindruck gehabt, dass sie Ruhe braucht, wären wir im Hotel geblieben. Mit der Metro fahren wir zum Jean-Talon -Markt, wo wir uns mit Ahornsirup eindecken und frühstücken. Es geht weiter zum St.-Josephs-Oratorium, einer Wallfahrtskirche am Mont Royal, die den höchsten Punkt der Stadt bildet. Von außen sieht sie schön aus, im Inneren leider schrecklich langweilig wie jeder Kirchenneubau.

    Wir fahren in Richtung Alter Hafen, sehen das Rathaus und schlendern durch die Gassen. Weil Ellas und unser Magen knurrt, kehren wir in einen kleinen Laden ein. Dort gibt es das Nationalgericht Poutine, das aus Montreal stammt. Die Pommes sind knusprig und ordentlich Käse ist auch auf dem Teller - gut gestärkt geht der Bummel dann weiter. Ein zweiter Kirchenbesuch in der Notre Dame du Montreal fällt aus, weil diese für heute schon geschlossen hat. Darum laufen wir in Richtung Centre Ville und an allerhand Einkaufsmöglichkeiten vorbei zum Centre Eaton, einem Einkaufszentrum. Dort befindet sich der "Time out Market", ein Tipp, den ich von zwei Einheimischen auf der Zugfahrt bekam. Der Market ist ein großer Foodcourt, nur dass es hier kein Fast Food gibt, sondern gehobenere Restaurants in kleinen Küchen kochen.

    Da es hier aber relativ laut und voll ist und Ella zudem müde wird, beschließen wir, morgen zurückzukehren und ins Hotel zu fahren. Dort verbringen wir einen ruhigen letzten Abend, waschen Wäsche und packen unsere Koffer fast fertig.

    Als wir am Morgen die Jalousien öffnen begrüßt uns ein in Schnee gehülltes Montreal. Die Flocken rieseln munter runter, da es aber draußen nicht friert, bleibt die weiße Pracht nicht lange liegen. Von der Dachterasse unseres Hotels ergibt sich so dennoch ein schöner Ausblick auf die Stadt, der wir nun langsam Au revoir sagen müssen. Da unser Flug aber erst um 18 Uhr geht, legen wir noch ein Mittagessen im Time out Market ein. Mona entscheidet sich für Ramen (japanische Nudelsuppe), ich dagegen wähle Jambalaya, ein Reiseintopf aus der Karibik. Uns schmeckt es, Ella isst auch fleißig mit und beobachtet das hektische Treiben und die vielen Menschen.

    Dann machen wir uns auf den Weg zum Flughafen, noch einmal mit dem Uber XL. Die Fahrt dauert nur knapp 20 Minuten, der Check in verläuft unkompliziert und der Security Check ist auch schnell gemacht. Ella ist am Gate schon ziemlich müde und weil sich der Start eine ganze Weile wegen des Schnees verzögert - die Flugzeuge müssen alle enteist werden - ist die Phase vor dem Start auch keine entspannte. Als der Flieger endlich abhebt, bekommt sie ihre Flasche und schläft direkt danach ein.

    Rund 3 Stunden fliegen wir ruhig durch die Luft, dann gibt es starke Turbulenzen. Kurze Zeit später nochmal. Mona kriegt kein Auge zu, ich schlafe vielleicht 45 Minuten bis zur Landung um 7.30 Uhr. Für uns nach Montreal-Zeit ist es allerdings erst 1.30 Uhr.

    Dann sind wir zurück auf deutschem Boden, werden von Monas Mama in die Arme genommen und nach Hause gebracht, was sich zunächst sehr eigenartig anfühlt. Doch diese Gefühl verfliegt schnell und weicht der wohligen Wärme, die die eigene Wohnung ausstrahlt. Schön, wieder hier zu sein! Und wie viel Platz wir plötzlich wieder haben!
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  • Day 50

    Mitten im kanadischen New York

    November 2, 2023 in Canada

    Nach dem Flug kommen wir gut im Hotel in Toronto an. Da wir recht früh da sind, beschließen wir noch einmal loszuziehen. Eigentlich nur, um für Ella auf den Spielplatz zu gehen, kurz den St. Lawrence Market abzuchecken und noch etwas einzukaufen. Denn was wir mit zunehmendem Bewegungsdrang bei Ella gemerkt haben, ist, dass Spielplatzbesuche absolut wichtig geworden sind. Und Ella liebt es. Sieht sie nur von Weitem eine Schaukel oder Rutsche gibt es kein Halten mehr. Und wenn sie versteht, dass wir dort tatsächlich hingehen, strahlt sie über das ganze Gesicht.

    Der St. Lawrence Market überzeugt uns dagegen nicht so, deshalb suchen wir im Supermarkt nach etwas zum Abendessen. An der Kasse dann die Überraschung: Ella ist mitten im Lärm des Marktes im Kinderwagen eingeschlafen. Das passiert einfach NIE. Umso erstaunlicher diesmal. Und es wird nicht das letzte Mal in den nächsten Tagen gewesen sein. Wir nutzen die Zeit und erkunden Downtown mit den Hochhäusern, einer Menge gestresster und vielbeschäftigter Businessleute und einer Art zweiten Times Square. Der erste Eindruck verfestigt sich immer weiter: wir sind hier in Manhattan, nur eben im kanadischen.

    Am nächsten Tag haben wir einiges vor: es geht zum Kensington Market, ein Bezirk, in dem es vor allem viele Restaurants und Cafés gibt. Ein Bezirk, der auch hip und alternativ ist, aber auch viele Obdachlose und heruntergekommene Gebäude beherbergt. Wir sind wiedermal nicht überzeugt, Ella wohl auch nicht, sie schläft wieder mal im Kinderwagen ein. Diese neue Schlafposition ist für uns ein wahrer Luxus und gibt uns die Möglichkeit viel entspannter zu planen und die Zeit effektiv zu nutzen - ohne, dass jemand Ella in der Trage herumschleppen muss.

    Wir ziehen zum Mittagessen deshalb weiter in die Ossington Avenue. Tolle Straße in einem netten Bezirk voller vieler schöner kleiner Restaurants und Imbisse. Wir entscheiden uns durch die gute Erfahrung in Vancouver wieder für eine Brewery und werden abermals belohnt. Es gibt einen Hochstuhl für Ella, wir bekommen einen Tisch mit viel Platz zum Krabbeln für die Kleine und das Essen schmeckt hervorragend. Beim Bier sind Philipp und ich uns dann nicht ganz so einig. Gott sei dank gibt es neben dem Sour Craft Beer auch noch ein normales Pils für mich.

    Danach nehmen wir die Fähre auf die Ward‘s Island, eine ruhige und beschauliche Insel vor Toronto mit tollem Blick auf die Skyline der Stadt. Wir schlendern umher und spielen mit Ella auf dem Piratenspielplatz. Ein perfekter Abschluss für diesen Tag. Abends bestellen wir dann noch beim Italiener um die Ecke und ganz unverhofft esse ich dort die besten Spaghetti Carbonara meines Lebens - und ich habe bereits viele gegessen. Philipp ist auch happy mit seiner Pizza Quattro Formaggi. Wir essen ganz unromantisch, aber gemütlich auf dem Boden des Hotelzimmers, damit Ella immer wieder zwischen uns herlaufen und von uns probieren kann. Der neueste Hit bei ihr: Essen im Stehen. Und sie isst mittlerweile wirklich alles. Hauptsache das Gleiche wie Mama und Papa. Neben den salzigen Oliven und der Pizza hat sie witzigerweise irgendwie verstanden, wie man Spaghetti in den Mund saugt. Es ist ein Fest ihr dabei zuzusehen!

    Bevor am nächsten Tag alles im Zeichen des Eishockey steht, erkunden wir noch den Destillery District. Das ist eine Fußgängerzone mit wunderschönen, alten Gebäuden, in denen sich einst wie der Name vermute lässt, eine große Whiskey-Brennerei befand. Ich liebe es sofort: viele Restaurants, Bars und kleine Shops, Galerien, Skulpturen im Freien und im Dezember auch Ort des Weihnachtsmarktes. Schade, dass wir das verpassen. Als wir durch die Straßen schlendern, wird gerade ein riesiger Kürbis aus einem Restaurant herausgefahren, an dem bereits die Weihnachtsbeleuchtung hängt. Tja nach Halloween kommt ja schon direkt Weihnachten…

    Im Anschluss fahren wir zur Hockey Wall of Fame, in der sich Philipp austoben kann: Hier gibt es natürlich viel Geschichte über die Legenden der NHL zu sehen und lesen, aber auch Eishockey aus anderen Teilen der Welt wird gewürdigt. So sind Trikots aus eher Eishockey-untypischen Ländern wie Thailand, Südafrika und Brasilien zu sehen und auch ein Trikot der deutschen Silber-Mannschaft von Olympia 2018 ist dort ausgestellt. Zudem sind dort der neue und der alte Stanley Cup zu sehen. Für Eishockeyfans ein Ort, an dem man viele Stunden verbringen kann.

    Ich lese auch das ein oder andere und bleibe besonders bei den ersten Frauen im Hockey hängen. Spannend, wie die sich damals durchgekämpft haben. Ella währenddessen schläft im Kinderwagen…

    Abends geht es dann für Philipp zu seinem zweiten Eishockeyspiel: die Toronto Maple Leafs gegen die Buffalo Sabres. Toronto ist der klare Favorit bei diesem Spiel. Aber eigentlich glauben die Fans der Leafs jede Saison, dass ihr Team das beste der Liga ist, dabei ist der letzte Titel - 1967 - lange her. Dennoch haben sie wohl die größte Fangemeinde in Kanada und rufen dementsprechend die höchsten Ticketpreise auf. Zumindest gibt es für das viele Geld auch viele Tore: 5:4 lautet das Endergebnis, jedoch für Buffalo. Aber für die Zuschauer ist das Ergebnis offenbar oft zweitrangig. Die meisten sehen das Spiel als Event, wollen feiern, essen und trinken. Sie kommen gerne 10 Minuten nach Beginn des Spiels und gehen 5 Minuten früher, um nicht im Stau zu stecken. Philipp genießt das Happening trotzdem und freut sich zudem, dass er zu Fuß hin und zurück laufen und so die Stadt bei Nacht sehen konnte.

    Ich versuche währenddessen ein heißes Bad zu nehmen, doch nachdem Ella mich dreimal wieder aus der Wanne rausholt, gebe ich es auf. Manchmal soll es halt nicht sein.

    An unserem letzten Tag geht es für uns dann ins benachbarte Mississauga ins Outlet Center. Wir shoppen ein wenig und finden auch für Ella richtig süße Klamotten. Sie genießt den kleinen Spielplatz und die anderen Kids. Abends genießen wir dann nochmal Essen vom Italiener um die Ecke, wieder auf unserem Hotelzimmerboden. Chaotisch, gemütlich und lecker. So muss Familienessen doch aussehen, oder?

    Morgen geht es dann mit dem Zug ins fünfeinhalb Stunden entfernte Montreal. Toronto, du hast uns gut gefallen. Danke, wir kommen bestimmt wieder!
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  • Day 48

    Großstadtlandleben

    October 31, 2023 in Canada

    Eine letzte Nacht haben wir noch in unserem Camper, der uns sicher durch Landschaften aus Schnee und Eis brachte und uns nachts wärmte, wenn es draußen -15 Grad und weniger kalt war. Wir werden dieses Camperleben schon vermissen, aber wir freuen uns auch auf unsere Ferienwohnung in Calgary.

    Wir haben uns einen Campingplatz 30 Minuten von der Abgabestation gesucht, wo wir das Wohnmobil tags drauf um 10 Uhr abgeben müssen. Wir fahren jedoch von Banff aus nicht direkt zum Platz, sondern zunächst zum Einkaufszentrum Crossiron Mills, einer riesigen Mall, in der es ein paar Outletgeschäfte gibt und auch einen Laden für Eishockeybedarf. Gut 90 Minuten brauchen wir von Banff aus, die Strecke ist nicht mehr sonderlich spannend, nach dem, was wir zuvor alles gesehen haben. Wir lassen die großen Rocky Mountains hinter uns und fahren in eine weitläufige Hügellandschaft mit Feldern und Weiden, auf denen Kühe und Pferde zu sehen sind.

    Mittendrin in der kanadischen Prärie steht dann diese riesige Mall, auf der wir problemlos einen Parkplatz für unseren 8 Meter langen RV finden. Mona und ich teilen uns auf. Sie geht zu Lululemon, einem Laden für Leggings und Yogaklamotten, ich gehe mit Ella zum Hockeyshop. Dort gibt es eine riesige Auswahl an Schlägern, Helmen, Schlittschuhen und auch allem, was Torhüter so brauchen - sowie natürlich allerhand Fanartikel der Eishockeyvereine aus Kanada und USA. Ich staune, schaue und probiere mich aus, Ella hält erstmals einen Schläger in der Hand (findet sie gut) und kriegt einen Helm aufgesetzt (findet sie weniger gut), hat aber Spaß und läuft mit mir durch die vielen Reihen und Regale.

    Danach treffen wir uns alle wieder, stärken uns und gehen zu Nike. Dort gibt es auch Schuhe für Kleinkinder und Ella darf (oder muss) erstmals Schuhe anprobieren. Schnell werden wir fündig und holen ihr dunkelblaue Sneaker mit dem weißen "Swoosh"-Zeichen.

    Nach dem Shoppingtrip geht es dann zum letzten Campingplatz. Der hat einen tollen Spielplatz, ist aber ansonsten ziemlich vereist und glatt. So richtig Lust aufs Spielen in der Kälte hat Ella auch nicht mehr, man kann es ihr nicht übel nehmen. Wir packen unsere Sachen und Koffer zusammen, kochen ein letztes Mal im Camper und wollen einen entspannten Abend genießen. Doch dann gibt es ein Problem: Unsere Airbnb-Gastgeberin schreibt uns, dass alle Aufzüge in dem Haus, in dem sie im 29. Stock die Ferienwohnung hat, ausgefallen sind und diese wohl auch nicht bis zum nächsten Tag repariert werden. Mona sucht daher kurzfristig nach einer neuen Unterkunft, während ich Ella ins Bett bringe.

    Zum Glück ist Calgary nicht gerade eine Touristenhochburg - es sei denn es ist Juni und die Calgary Stampede findet statt - sodass wir eine andere Wohnung in ähnlicher Lage buchen können. Die Stampede ist ein etwa zehntägiges Fest, bei dem es Rodeoshows und eine Vielzahl von Ausstellungen rund um die Vieh- und Landwirtschaft gibt.

    Am nächsten Morgen fahren wir nach einem kurzen Frühstück zur Abgabe des Campers, alles verläuft problemlos. Ich hole am Flughafen, ganz in der Nähe, einen Mietwagen ab und dann damit Ella und Mona. 20 Minuten später sind wir schon in der Wohnung und machen uns damit vertraut.

    Über Calgary wussten wir vorher nicht viel, auch bei der Suche nach Unternehmungen für unsere knappe zwei Tage spuckt uns Google nicht viele Tipps aus (außer eine Vielzahl an Museen-nix für Ella und eine Vielzahl an Parks-bei den kalten Temperaturen auch nicht so verlockend). Daher gehen wir zunächst einfach mal bummeln und schauen uns um.

    In und um Calgary gibt es noch echte Cowboys und um sich richtig auszustatten auch die passenden Bekleidungsgeschäfte. Selbst in Downtown, zwischen den Hochhäusern von Banken und anderen geschäftigen Unternehmen, findet sich ein solches Fachgeschäft. Auch die Eishockeyarena, in der die Calgary Flames spielen und Wettbewerbe der Olympischen Spiele 1988 stattfanden, heißt "Saddledome", weil es von der Seite wie ein Pferdesattel aussieht.

    In dieser Millionenstadt fühlen wir uns deshalb meist, bis auf Downtown, auch so gar nicht wie in einer großen Metropole, sondern eher wie einer sehr weitläufigen Kleinstadt, in der man mit dem Auto schnell von A nach B kommt. Ella kann hier im Zoo viele Tiere bestaunen. Giraffen, Flusspferde und Pinguine haben ihr besonders gut gefallen. Wir spazieren durch Inglewood, wo einige Brauereien und Restaurants sitzen und holen uns auf dem Weg nach Hause noch "Ginger Beef" vom Chinesen. Das wurde mehrfach als ein für Calgary typisches Essen angepriesen, was man unbedingt probieren sollte. Dünne Rinderfiletstreifen werden paniert und frittiert und in einer Ingwersoße eingelegt. Uns hat das aber gar nicht überzeugt. Die Soße war eine ziemlich dickflüssige Zuckersuppe und vom Ingwer keine Spur zu schmecken. Zusammen mit dem frittierten Fleisch zudem eine echte Magensperre.

    Für mich stand an diesem Abend dann noch das erste von insgesamt drei Eishockeyspielen an: Calgary Flames gegen Dallas Stars. Von der Wohnung laufe ich nur gut 15 Minuten zur Halle, unterhalte mich mit zwei Fans, die mir erzählen, dass eine neue Eishockeyhalle gebaut und die alte abgerissen werden soll. Gut, dass ich diese ehrwürdige Spielstätte noch besuchen kann!

    Die Halle wirkt dann auch ein bisschen in die Jahre gekommen, während einer Drittelpause leckt es im Rundlauf an einer Stelle kräftig, das hat aber auch einen gewissen gemütlichen Charme. Bilder der Olymischen Spiele hängen an der Wand, unter anderem von Kati Witt, die damals Gold holte. Das Spiel ist unterhaltsam mit insgesamt sieben Toren, aber keinem guten Ende für die Gastgeber, denn Dallas gewinnt 4:3.

    Zurück zuhause trinken Mona und ich dann noch einen Wein und denken über den morgigen Flug nach Toronto nach, für den wir sehr früh aufstehen müssen (um halb 5 Uhr).

    Die Organisation macht uns keine großen Sorgen mehr, wir sind es mittlerweile ja gewohnt, dennoch bleibt immer ein bisschen Restspannung, ob auch alles klappt - und wie die Fluggesellschaften auf Ella und ihr Gepäck reagieren. Denn das ist einer der nervigsten Punkte unserer Reise: jede Airline hat andere Bestimmungen und geht auch unterschiedlich mit kleinen Kindern um. Bei der Lufthansa hatte Ella eine eigene Bordingkarte und auch einen eigenen Reisekoffer als Gepäck im gebuchten Tarif inkludiert (selbst auf der Langstrecke muss man inzwischen für aufgegebenes Gepäck zahlen!). Danach war es bei jedem Flug anders. Mal war Ella auf einer unserer Karten vermerkt ("with infant on lap") und ihr Koffer musste zusätzlich bezahlt werden. Mal hatte sie eine Bordkarte, aber trotzdem kein Anrecht auf eigenes Gepäck.

    Manchmal hat man aber auch Glück und erwischt eine freundliche Person am Schalter, so wie wir an diesem morgen. Wir flogen mit Porter Airline, die ziemlich harte Vorschriften fürs Gepäck hat - nicht mal Handgepäck war inklusive - und gleichzeitig ziemlich happige Preise verlangt. So wie wir für das Gepäck fast nochmal den Preis eines Tickets bezahlen würden, wenn wir alles vorab online buchen. Wir haben uns angewöhnt zumindest bei Ellas Gepäck auf einen netten Menschen hinter dem Schalter vor Ort zu hoffen, der es mit dem Bezahlen vielleicht nicht so genau nimmt. Wir gingen mit unserer Wagenlandung Gepäck, von denen wir nur für zwei bezahlt hatten, also an den Schalter. Die Frau zeigte ein Herz für Ella und hielt ihr direkt ihr Smartphone hin: "Willst du mal meinen Hund sehen?" Ellas Koffer bekam auch ohne Nachfrage direkt ein Etikett, zu unserem Handgepäck sagte sie auch nichts. Glück gehabt!

    Als wir dann auch in weniger als fünf Minuten durch die Sicherheitskontrolle waren, waren wir total verwundert. Calgary hat zwar nur einen kleinen Flughafen, aber das ging doch alles sehr schnell und problemlos. Bis darauf, dass wir fast de Wickelrucksack vergessen hätten. Der Sicherheitsmann lachte nur und sagte, solange wir das Baby nicht vergessen, sei ja alles gut.

    Erst im Flugzeug wies uns dann eine Stewardess darauf hin, dass wir ja kein Gepäck gebucht hätten und machte sich einen Vermerk. Die zunächst ziemlich kühl wirkende Frau wurde während des Fluges aber immer lockerer und scherzte später auch viel mit Ella. Den Vermerk hatte sie dann wohl irgendwann auch vergessen.

    Das Personal auf diesem Flug war super angenehm, eine weitere Stewardess kam immer wieder zu Ella und machte Quatsch mit ihr, der Flug war durch einige Turbulenzen aber nur mittelmäßig, was Mona sehr leiden ließ. Dafür landeten wir nach nur drei Stunden in Toronto - eine Stunde schneller als vorher angegeben und sie war schneller erlöst als gedacht.

    Anmerkung Mona: Uns zeigen aber Flüge wie diese vor allem eins: Reisen mit Baby hängt stark von den Mitmenschen ab. Sind sie entspannt, ist man selbst es auch. In Erinnerung bleibt mir unser Sitznachbar auf dem Flug von Seattle nach San Francisco. Klassischer älterer Business-Reisender im Anzug, der auf dem Flug arbeiten wollte/musste. Er kam zu unserer Reihe und sah Ella. Ich dachte mir schon, der denkt sich jetzt bestimmt "boah da habe ich gar keinen Bock drauf" und guckt genervt bei jedem Geräusch von Ella. Und merke wie ich automatisch angespannter werde. Stattdessen grinst er Ella an und sagt: "So, wir werden also zusammen Spaß haben auf dem Flug?", und nahm mir damit prompt jede Sorge. Das ist so viel Wert!

    Durch den kürzeren Flug kamen wir auch früher in unserem Hotel an, wo wir für drei Nächte bleiben würden und machten uns bald auf zur ersten Erkundungstour durch den Großstadtdschungel. Wir merken schnell, dass Toronto ganz und gar nicht so verschlafen ist wie Calgary. Woran uns Toronto erinnert und was wir erlebt haben, erzählen wir dann im nächsten Beitrag.
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  • Day 44

    Seen, soweit das Auge reicht

    October 27, 2023 in Canada ⋅ ☁️ -11 °C

    Noch völlig beseelt von den Eindrücken im Jasper Nationalpark brechen wir auf nach Banff. 2,5 Millionen Menschen reisen jedes Jahr durch Jasper. Wir sind jetzt drei davon, beziehungsweise zweieinhalb. Und wir haben beide etwas Respekt vor der Fahrt. Dies wird mit dreieinhalb Stunden unsere längste Strecke auf der Reise. Und es gibt keine andere Option. Denn in der off-Season haben alle Campingplätze bis auf zwei Stück geschlossen: auf einem waren wir in Jasper, der andere erwartet uns erst hinter der Stadt Banff. Und wir wissen auch: auf der Strecke gibt es unfassbar viel zu sehen und das ein oder andere wollen wir durchaus mitnehmen. Einfach irgendwo einen Platz suchen geht auch nicht, denn die Nächte in den Rockies werden sehr sehr kalt und wir brauchen daher über Nacht Strom, damit alle Systeme versorgt werden.
    Schade, dass uns nicht mehr Zeit bleibt.

    Unser erster Stopp sind die 23 Meter hohen Athabasca Falls, die wir uns noch gemeinsam mit einer wachen Ella anschauen. Wunderschön und eindrucksvoll fallen die Wassermassen hier über den zweigeteilten Fall in die Tiefe. Es war wie immer kalt draußen (wir haben tagsüber -8, nachts -16 Grad), sodass es gut tut nach diesem kurzen Stopp wieder im Camper anzukommen. Der Kälte-Wärme-Wechsel scheint Ella nicht zum ersten Mal völlig umzuhauen, sie schläft kurze Zeit später ein.

    Wenn ihr euch übrigens fragt, was man einem Kleinkind bei solchen Temperaturen anzieht, lautet die Antwort: viel! Sie trägt einen Langarmbody, eine Strumpfhose, eine Thermohose und Thermooberteil, eine normale Hose und oben entweder einen dicken Pulli oder zwei dünnere Oberteile. Zudem schlüpft sie ganz oben noch in ihren Walkanzug und eine Mütze. Das führt natürlich dazu, dass Ella das An- und Ausziehen noch mehr hasst als sonst.

    Wir fahren jetzt wohl auf einer der schönsten Panoramastrecken auf der ganzen Welt: den Icefield Parkway, ein 232 km langer Abschnitt, der Jasper mit Lake Louise im Banff Nationalpark verbindet und über zwei der höchsten für Autofahrer zugänglichen Pässe führt: den Bow Pass (2.067 Meter) und den Sunwapta Pass (2.030 Meter).
    Er schlängelt sich durch hoch aufragende felsige Berggipfel, beeindruckende Gletscher, türkisfarbene Seen, Flüsse und weitläufige Täler. Einfach atemberaubend! Wir staunen bei jeder Kurve und sind völlig fasziniert von der Landschaft. Gleichzeitig fahren wir konzentriert, denn die Straße ist mit Schnee und etwas Eis bedeckt. Geräumt wurde zwar teilweise, aber nicht flächendeckend. Wir halten zwischendurch an und betrachten den Columbia Icefield Gletscher und die
    „Ice Explorers“, 3,86 Meter hohe Fahrzeuge, in denen Touristen den Gletscher Trail entlang fahren können.

    Wir kommen gut voran und schaffen es bis zum Peyto Lake, bevor Ella wieder aufwacht. Allein der Weg dorthin wirkt surreal: ein kleiner Weg führt bergauf durch einen Wald voller schneebedeckter Tannen - wie in einem Wintermärchen. Und der Blick auf den See übertrifft das sogar noch: der Peyto See liegt inmitten von Bergen mit türkisfarbenem Wasser von Gletschern gespeist - man kann seinen Blick fast gar nicht abwenden. Müssen wir dann aber leider schneller als erhofft, denn Ella wird nach einer Weile spielen im Schnee quengelig und will zurück. Wir fahren das letzte Stück, vorbei an dem auch schönen Bow Lake nach Banff. Geschafft! Nach einem kurzen Einkauf in der Stadt geht es dann auf den Campingplatz. Was für ein Tag! Wir hätten nicht erwartet, dass es nach Jasper noch so viel schöner werden könnte.

    Am nächsten Tag brechen wir auf nach Lake Louise, zum wohl bekanntesten See im Nationalpark. Wir nehmen dafür aber nicht den vielbefahrenen Highway, sondern den Bow Valley Parkway, eine Nebenstraße, auf der man nicht schneller als 60 km/h fahren darf und der, bei viel Glück, Tiersichtungen aller Art verspricht. Ich hab jetzt richtig Bock einen Bären in sicherer Entfernung aus dem Auto heraus über die Straße laufen zu sehen. Auch aus diesem Grund fahren wir später den gleichen Weg wieder zurück, auch wenn es länger dauert. Aber ohne Erfolg. Bis auf Rentiere halten sich alle anderen Tiere fern. Am See angekommen, begeistert uns auch dort die türkisblaue Farbe des Sees, verursacht durch feine Gesteinspartikel, die mit dem Schmelzwasser in den See gelangen. Malerisch!

    Am See liegt auch das Château Lake Louise, ein Fünf-Sterne-Hotel, dem wir kurzer Hand einen Besuch abstatten, um uns aufzuwärmen und werden überrascht. Es gibt ein paar nette Shops im Hotel, wir dürfen uns dort frei bewegen und Ella bekommt sogar kleine Boote für die Badewanne geschenkt. Und nicht nur das, sondern auch Ella selbst überrascht uns: sie will im Hotel nur noch an der Hand umherlaufen und legt dabei ein Tempo vor, das wir nur staunen können. Wo kommt das denn plötzlich her? Wir verweilen eine Weile dort und erfreuen uns an ihrem riesigen Fortschritt. Danach geht es noch eine Runde bummeln in der Stadt Banff, da der eigentliche Plan noch zum Lake Moraine zu fahren aufgrund einer gesperrten Straße nicht zustande kommt.

    Unseren letzten vollen Tag in Banff verbringen wir, wie könnte es anders sein, wieder mal an Seen. Es gibt einfach zu viele schöne hier! Zuerst machen wir einen Abstecher zu den zugefrorenen Vermilion Lakes, auf denen ein paar Sportbegeisterte bereits Eishockey spielen. Danach geht es zum Lake Minnewanka (nicht zugefroren) und Ella genießt es wieder Steine ins Wasser zu werfen.

    Nach so vielen Eindrücken werde ich emotional und bin zutiefst dankbar, dass wir drei das Glück haben, diese Reise gemeinsam zu unternehmen, so viele spannende Orte zu sehen und gemeinsam Abenteuer zu erleben. Die ersten, und da bin ich sicher, von noch so vielen.
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  • Day 43

    Wo die wilden Tiere wohnen

    October 26, 2023 in Canada ⋅ ☁️ -6 °C

    Die beiden Grizzly-Bären, die sich in Valemont herumtreiben sollen, haben sich uns nicht gezeigt. Dabei sind wir doch sogar noch ein zweites Mal zur Bäckerei, denn Mona wollte unbedingt ein Feigen-Walnuss-Brot kaufen, dass Bäcker Tim für den Donnerstag angekündigt hatte.

    Schade - oder Gott sei dank? Ich hätte sehr gerne einen Bären gesehen. In Kenia und Tansania haben wir schließlich auch Löwen, Geparden und Leoparden aus nächster Nähe gesehen. Für Mona wäre es aus dem Auto heraus und mit Abstand auch okay gewesen, sagt sie, also hoffen wir auf die Tage in den Nationalparks Jasper und Banff, die nun vor uns liegen.

    Jasper liegt rund 90 Minuten Fahrt von unserem Campingplatz entfernt. Nach dem Frühstück brechen wir auf, Ella schläft abermals während der Tour und verpasst so die Aussicht auf den Mount Robson. Mit fast 4000 Metern der höchsten Berg im kanadischen Teil der Rocky Mountains, die sich von Alaska bis nach New Mexico erstrecken.

    Die Strecke bis zur Kleinstadt Jasper, nach der der Park benannt ist und wo unser Campingplatz liegt, ist gesäumt von Bergen, schneebedeckten Tannen und wird eingerahmt von Flüssen und Seen. In dieser malerischen Kulisse vergeht die Fahrt im Nu und wir steuern zunächst den Campground an. Anders als in Banff können wir hier nämlich keinen Platz vorab reservieren. Es gilt "first come, first serve", und wir gehen zwar davon aus, einen Platz zu bekommen, wollen aber dennoch auf Nummer sicher gehen.

    Der Platz ist gegen Mittag noch recht leer, es stehen einige Camper von Canadream hier, viele fahren das gleiche winterfeste Modell wie wir. Aber zwischendurch sind auch Pickups dabei, die den Wohnwagen quasi auf der Ladefläche transportieren.

    Wir stellen uns nah an den Weg zum Fluss, der direkt hinter dem Platz fließt und essen zunächst erstmal Nudeln mit Soße, ehe Ella und ich Steine in den stellenweise gefrorenen Fluss werfen und anschließend in die Stadt zum Besucherzentrum fahren, um uns Tipps für kinderfreundliche Ausflüge zu holen. Gerade, als wir aus Jasper rausfahren wollen, um zum Lake Pyramid zu fahren, sehen wir sie: eine Herde Wapiti-Hirsche steht links und rechts der Fahrbahn. Wir halten an und beobachten die Tiere, deren Weibchen ein wenig wie Rentiere aussehen und deren Männchen um einiges größer sind als die europäischen Rothirsche. Die Tiere sind den Verkehr gewohnt und lassen sich kaum stören, im Schritttempo kann man an ihnen vorbeifahren.

    Am See ist eisig. Der Wind bläst (Mona: Nein, er peitscht!) über das Wasser. Wir genießen kurz den Ausblick von einer Brücke auf das Panorama, drehen eine schnelle Runde auf der kleinen Insel im See und bestaunen die Skulpturen aus Eis, die der Wind an umgefallen Bäumen im Wasser gebildet hat. Danach geht es aber auch wieder schnell in den warmen Camper und weiter zum Lake Anette.

    Kurz vor dem zweiten See, nur ein paar Autominuten außerhalb der Stadt, sehen wir zwei Rehe, die sich ebenfalls nicht von uns stören lassen. Wir fahren schließlich bis zum letzten Parkplatz, den es am See gibt und werden für diese Entscheidung belohnt: ein Wapiti-Hirsch grast allein vor dem See, außer uns sind nur zwei Wanderer vor Ort. Wir sind fasziniert von diesem anmutigen Wesen mit seinem prächtigen und großen Geweih. Die Ruhe, die das Tier ausstrahlt, ist allerdings trügerisch. Denn kein anderes Tier ist für mehr Unfälle und Verletzungen an Menschen im Park verantwortlich (Mona: jap, das kam für mich überraschend...).

    Wir halten also Abstand, aber der Fotograf in mir sieht ein Motiv, dass ich aus dem Auto nicht schießen kann. Ich steige aus und gehe ein Stück, sodass nun auch der Berg im Hintergrund des Hirsches zu sehen ist. Was für eine tolle Aufnahme - sie wird später mit Sicherheit einen Platz in unserer Wohnung bekommen. Dann ergibt sich gleich der nächste Schnappschuss: eine Elster setzt sich auf einen Baumstamm neben dem Hirsch und offenbar nach gegenseitigem Einverständnis fliegt der Vogel auf den Rücken des Hirsches und sucht nach Parasiten.

    Wir sind hin und weg von dieser Darbietung, die uns die Natur hier liefert und schauen minutenlang zu. Anschließend widmen wir uns noch dem See selbst, der eine wunderbare türkisfarbene Färbung hat. Langsam wird es draußen aber dunkel - in den Bergen geht das ja oft schneller - und so treten wir den Rückweg an. Ella hat von den Tieren übrigens nichts mitbekommen, weil sie geschlafen hat. In Banff, wo es am nächsten Tag hingeht, hat sie ja aber noch Gelegenheit, um das nachzuholen.
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  • Day 38

    Ein Stück Heimat mitten im Nirgendwo

    October 21, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 13 °C

    Die Fahrt nach Kelowna dauert anderthalb Stunden, wir haben uns aber tags zuvor schon darauf vorbereitet auf halber Strecke - in Penticton - eine Pause einzulegen. Ein Ort zwischen den Bergen direkt am See gelegen, einen schöneren Ort hatte er auf der Welt noch nicht gefunden, so zumindest beschrieb Grant MacDonald vom Campingplatz in Princeton seine Heimat. Aber Ella schläft weiterhin tief und fest, als wir in der Nähe sind, deshalb beschließen wir, weiterzufahren.

    Wir freuen uns auf Kelowna, die belebteste Stadt auf unserer Tour zu den Nationalparks, die aufgrund ihres milden Klimas auch oft mit der Toskana verglichen wird. Dort angekommen gehen wir, wie könnte es auch anders sein, erstmal zum Eishockeyshop der Kelowna Rockets. Deren Maskottchen ist Ogopodo, das Ungeheuer, eine riesige Seeschlange, die angeblich im Okanagan See lebt und Boote zum Kentern sowie Menschen verschlungen haben soll. Wir sehen es leider nicht live. Dafür gehen wir das erste Mal in diesem Urlaub richtig im Restaurant essen: es gibt Ceviche, Trüffel- und normale Pommes und eine Bowl mit Falafel, Hummus und Hähnchen. Ella genießt ihr zweites Mittagessen und isst fleißig mit. Wir bummeln noch etwas durch die Stadt, holen uns bei Tim Hortons, eine Kaffee- und Donutkette eines ehemaligen Eishockeyspielers, Kaffee (und Philipp Sammelkarten für Eishockeyspieler) und gehen für Ella auf den Spielplatz.

    Danach suchen wir einen Campingplatz für die Nacht, in der Nebensaison zwar nicht mehr so voll, aber tatsächlich trotzdem nicht so einfach, denn einige haben schon zu oder bieten nur noch den Platz an, Wasser und Elektro sind schon abgestellt. Aber wir finden einen tollen, kleinen Campingplatz bei einem älteren Ehepaar auf dem Land, kaufen dort uns bisher unbekannte Apfelsorten und probieren uns durch die selbst angepflanzten Kürbisse.

    Am nächsten Tag geht es für uns zum „Don-O-Ray Farm Adventure“ - ein absolutes Kinderparadies: Ella kann auf einem Gummipferd hüpfen, Ziegen, Hasen und Lämmer streicheln, Hühner und Vögel anschauen und wir testen den dort selbst gemachten, leckeren Pumpkin Pie.

    Am nächsten Tag brechen wir auf nach Kamloops, eine zweistündige Autofahrt, die Ella wieder nahezu durchschläft. Wir probieren Bannock Brot („Indianerbrot“) gehen wieder mal zum Spielplatz, einkaufen und fahren danach zum Campingplatz. Dieser ist eigentlich sehr hübsch gelegen, die Nacht wird allerdings aus diversen Gründen für uns alle anstrengend: Ella schläft anfangs sehr unruhig, dann fahren regelmäßig und die ganze Nacht Züge vorbei, die laut hupen und plötzlich klappert etwas laut von außen an den Camper. Wir wachen beide davon auf (Ella gott sei Dank nicht). Was könnte das sein? Mein erster Gedanke natürlich gleich: Ein Bär? Zweite Möglichkeit: Ein Ast, der immer wieder gegen den Camper schlägt? Philipp entwickelt irgendwann die Theorie, dass jemand in die Lagerfächer von unserem Camper einbrechen will. Er betätigt unsere Alarmanlage, um mögliche Einbrecher abzuschrecken und beobachtet eine Weile die Bewegungen draußen. Nachdem mir klar war, dass ein Bär niemals so regelmäßig klappern und klackern würde, schlafe ich beruhigt wieder ein. Philipp lässt das keine Ruhe, er findet anfangs nur schwer wieder in den Schlaf und wacht aufgrund des anhaltenden Geräusches immer wieder auf. Am nächsten Morgen stellte sich heraus: Philipp hat das eine Lagerfach nicht richtig zugemacht und der Wind hat es immer wieder gegen das Auto geknallt… (Kommentar von Philipp: Ja, das war ziemlich dämlich von mir).

    Etwas müde machen wir uns auf ins anderthalbstündig entfernte Clearwater und wollen die Wasserfälle besuchen. Und stellen fest: wir müssen immer noch dazu lernen. Zwei von drei Wasserfällen sind nur durch längere Wanderungen zu erreichen, deshalb sehen wir nur einen. Wir nehmen mit, uns künftig die Ausflugsziele immer genau auf die Länge der Wanderung und Entfernung vom Parkplatz zu überprüfen. Aber neben dem spannenden Wasserfall betreten wir auch wieder Bärenland. Ich studiere genau die Verhaltensregeln bei der Sichtung eines Bären, habe unser Bärenpfefferspray für den Notfall dabei und finde das war mal wieder genug Aufregung für einen Tag.

    Danach, das wird schon zum Klassiker, holen wir uns Kaffee und Philipp sich Eishockeysammelkarten bei Tim Hortons, wir gehen auf den Spielplatz und dann zum sehr schön gelegenen Campingplatz wieder mal direkt am See. Nach kurzem Lagerfeuer, weil viel zu kalt, und Abendessen, macht Philipp mit Ella die Einschlafbegleitung und schläft direkt mit ein. Auch gut, dass wird dann wohl ein Mona-Abend…

    Ella hat übrigens vor einiger Zeit angefangen „Mama“ zu sagen. Allerdings immer nur, wenn sie wütend oder nörgelig war, und dann ganz schnell und oft hintereinander. Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Vor ein paar Tagen sagte sie es dann zum ersten Mal ganz liebevoll. Und seitdem frage ich mich: Wird sich das jemals nicht mehr so besonders und schön anhören?

    Ella hat sich zudem zu einer eifrigen Esserin entwickelt: zum Frühstück gibt es zum Beispiel gerne mal Porridge, Tomaten, eine halbe Avocado und Banane sowie eine Kartoffel (jap, wilde Kombi). Wir merken, dass sie jetzt alles am liebsten selbst in die Hand nimmt, ob Löffel oder das Essen direkt und haben Spaß ihr dabei zuzusehen, weniger danach wenn wir sie wieder sauber machen müssen.

    Nun geht es zu unserem letzten Halt vor den Jasper und Banff Nationalparks nach Cedarside, zwei Stunden von hier. Nach einer ruhigen Fahrt stellen wir bei Ankunft fest: es ist eisig kalt und wir haben Schnee. Die Verwalter vom Campingplatz berichten von -10 Grad in der letzten Nacht, da sind wir doch sehr froh über unsere Heizung im
    Camper. Ella will direkt raus und die Gegend erkunden, stellt aber recht schnell fest wie eisig es ist. Wir merken, sie muss sich erst noch etwas an die kalten Temperaturen gewöhnen. Wir wollen den Nachmittag nutzen, um nochmal ins nahe gelegene Städtchen Valemount loszuziehen, werden aber von der Verwalterin des Campingplatzes vorgewarnt: es seien zurzeit zwei Grizzlybären in der Stadt unterwegs, wir sollten vorsichtig sein. Na das klingt ja wieder mal nach voll was für mich. Obwohl ich gestehen muss, aus sicherer Entfernung im Auto sitzend, würde ich die Tiere schon gerne mal live sehen.

    Wir fahren zur Bäckerei des Ortes, die uns empfohlen wird, und werden überrascht: mitten im Nirgendwo so weit weg von zuhause finden wir unerwartet ein Stück Heimat. Denn es stellt sich heraus: der Bäcker ist Deutscher und macht herrlich leckeres, deutsches Brot mit guter Kruste. Wie schmerzlich haben wir das vermisst! Und er ist zudem ein super Kerl: ist selbst mit Ärzte ohne Grenzen und mit seiner Frau auf dem Fahrrad um die Welt gereist, hat schon überall gearbeitet und sich vor ein paar Jahren dann hier niedergelassen und die Bäckerei von den Vorbesitzern übernommen, nachdem sie lange keiner haben wollte. Er selbst ist übrigens kein gelernter Bäcker, sondern Wirtschaftsingenieur. Aber er probiert sich gerne aus und arbeitet grundsätzlich nur das, was ihm Freude bereitet und auch das nicht zuviel. Deshalb hat die Bäckerei auch nur drei Tage die Woche auf. In seiner Freizeit fährt er gerne Mountainbike im nahe gelegenen Bike-Park und er wohnt mit seiner Familie in einem Haus im Wald mit Solarzellen auf dem Dach und um die Waschmaschine zu betätigen, muss man Fahrrad fahren. Die Bäckerei kommt bei den Einheimischen gut an und ist voller Lego und deutscher und englischer Weisheiten. Und es hängt dort auch ein Bild von seinem Bruder, der eine Husky-Farm in Norwegen betreibt. Ja, das kannste dir nicht ausdenken…

    Wir lassen uns die Kartoffelsuppe mit Wiener Würstchen und das leckere Brot schmecken, verquatschen uns mit Tim und Ella spielt derweil begeistert mit Duplo. Und stellen zudem fest: Tim kommt aus Bad Säckingen im Schwarzwald, da wohnten auch Philipps Großtante und Onkel. Was für eine unverhoffte Begegnung mitten im Nirgendwo.

    Die Grizzlybären haben wir übrigens nicht gesehen. Tim bisher auch nicht. Aber der größere von beiden, die Mama, bedient sich wohl regelmäßig am Abfall der Bäckerei und der kleinere, der Sohn, wird von einem Bekannten von Tim immer morgens bei den Bahngleisen begrüßt. Wie normal das hier einfach ist. Die sind schon verrückt, diese Kanadier.

    Heute ging es nun los für uns in den Jasper Nationalpark, in dem wir eine Nacht verbringen. Gefolgt von drei in Banff. Wir werden wahrscheinlich wieder nahezu keinen Empfang haben und melden uns danach wieder. Aber keine Sorge, uns wird es gut gehen, wir haben etliches leckeres Brot im Gepäck.
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  • Day 37

    On the road again (im Winterchalet)

    October 20, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 19 °C

    Nun rollen wir wieder mit unserer mobilen Unterkunft über die Straßen, dieses Mal auf der anderen Seite Nordamerikas. Von Vancouver aus müssen wir zunächst 40 Minuten mit dem Uber in den Vorort Delta fahren, dort hat der Vermieter Canadream eine Niederlassung. Wir sind etwas zu früh dran, die Abholung ist für halb 2 angesetzt, aber das stört weder Ella noch uns. Sie erkundet den großen Empfangsraum, läuft entlang der vielen Stühle und gibt ihnen schließlich auch eine neue Anoordnung. Außerdem bleibt genug Zeit für ihr Mittagsessen, ehe es eine sehr kurze Einweisung in den Camper sowie wichtige Infos gibt: Wir haben einen speziellen Camper gemietet, der, ganz offiziell, winterfest ist. Ein "Skichalet auf vier Rädern". Im Normalfall darf sich in der kalten Jahreszeit, wenn es frieren kann, nämlich kein Wasser in den Tanks befinden, weil sonst Frostschäden an den Leitungen drohen. Oft werden die Leitungen sogar mit Frostschutz aufgefüllt. Toilette, Spülbecken und Dusche sind dann nicht nutzbar.
    Wir hatten kurz überlegt, ob wir auch ohne Wasser im Wagen auskommen würden. Auf den meisten Campingplätzen gibt es neben Toiletten und Duschen auch Spülplätze zum Abwaschen des Geschirrs.
    Aber mit einem kleinen Kind, vor allem im Herbst und dann später auch noch in den kälteren Gefilden der Rocky Mountains, war es so einfacher. Und Mona muss nachts nicht bei Eiseskälte über den Platz zur Toilette laufen - haha! (Anmerkung von Mona: alle Nachtpinkler sind da ja wohl meiner Meinung??)
    Unser Camper ist winterfest, weil er beheizte Wassertanks sowie eine spezielle Isolierung hat. "Arctic Pac" nennt sich das und funktioniert bis Temperaturen von bis zu minus 30 Grad. Und in Kanada kann es durchaus noch kälter werden...

    Wir lernen außerdem bei der Abholstation ein nettes Paar aus der Schweiz kennen, das uns spannende Geschichten über das friedliche Zusammentreffen mit Bären erzählt (Anmerkung Mona: Hilfe!!!!) und uns mit Feuerholz und einem Bärenpfefferspray versorgt (nur für den Fall der Fälle). Die beiden waren auch in den Städten Kelowna und Kamloops unterwegs, anstelle von den Jasper und Banff Nationalparks haben sie sich allerdings Vancouver Island genauer angesehen (hörte sich so gut an, dass es auf die Löffelreiseliste kommt).

    Nun ja, wir fühlen uns mit diesem Wohnmobil jedenfalls gut gerüstet für die Fahrt. Äußerlich gibt es kaum Unterschiede zu unserem ersten RV, bis auf das Logo. Und ein nettes Extra ist erkennbar: wir haben dieses Mal ein Slide-out, wir können somit den Essbereich ausfahren und haben so mehr Platz im Innenraum.
    Was im Inneren aber sofort auffällt, ist die viel bessere Verarbeitung. Hier geht kein Schrank während der Fahrt auf, alles sitzt wie es soll. Und auch der Geräuschpegel während der Fahrt ist deutlich niedriger. Zudem ist der Grundriss etwas anders. Die Küche ist dieses Mal auf der Seite der Seitentür, Dusche und WC sind getrennt, aber hinter derselben Tür. Der Camper ist etwas kleiner als unser alter und hat statt einer Klappcouch nur einen bequemen Sessel hinter der Fahrerkabine. Uns gefällt er richtig gut!

    Wir starten mit guten Voraussetzungen in unseren Kanada-Trip, der uns von Delta bis nach Calgary führen wird. Wir fahren los und Ella schläft schon bald ein. Wir haben mehrere Campingplätze in unserer Google-Karte eingespeichert, je nachdem wie weit wir kommen. Und es läuft sehr gut an diesem ersten Tag, wir schaffen es bis nach Hope - das hatten wir nicht zu hoffen gewagt - wo wir erst einen Großeinkauf erledigen und dann zum Campingplatz fahren.

    Auch hier regnet es noch, so wie schon in Vancouver, der ganze Himmel ist eine dunkelgraue Wolkensuppe. Ella will natürlich trotzdem auf den Spielplatz, der direkt neben unserem Stellplatz ist. Also Matschanzug an und ab auf die nasse Rutsche! Durch das Toben und die frische Luft schläft sie dann in der ersten Campernacht auch sehr gut. Am nächsten Morgen geht es nach dem Frühstück nochmal auf den Spielplatz und dann schnell weiter. Ella schläft im Kindersitz und wir kommen erneut gut voran. In unserem nächsten Stopp Princeton ist es kühl, aber es regnet nicht. Unser Campingplatz liegt direkt an einem Fluss, den wir mit Ella natürlich erkunden. Steine ins Wasser zu schmeißen ist nämlich eine neue Lieblingseschäftigung.

    Auf dem Platz lernen wir Grant MacDonald kennen. Er ist ein ziemlich redselliger Typ und erwähnt Mona gegenüber gleich, dass sein Vater Eishockeyprofi war und er deshalb als Kind viel rumgekommen war in der Welt und viele Geschichten erzählen könne. Ich bin zu dieser Zeit gerade im Camper und koche, muss aber, nachdem mir Mona davon erzählt hat, unbedingt mehr wissen. Also berichtet Grant, dass sein Vater Jack mit dem Team Pentincton Vees in den 50er Jahren eine Meisterschaft gewann und sie daraufhin Kanada bei der Weltmeisterschaft in Deutschland (in Düsseldorf, Köln, Dortmund und Krefeld) verteten durften - und das Turnier gewannen. Sein Vater spielte und trainierte später dann auch noch Teams in Europa, unter anderem den großen Schweizer Klub HC Lugano. Auch in England war Jack MacDonald aktiv, dort wuchs auch Grant auf, weshalb er einen, wie er selbst sagt, "funny english accent" hat. Grant spielte in England zwar auch Hockey, aber nur zum Spaß. Sein Talent habe für mehr nicht gereicht, erklärt er. Nun ist er Bauunternehmer in Pentincton, wohnt aber unter der Woche hier auf dem Campingplatz in Princeton, wie sein Sohn, um nicht täglich anderthalb Stunden von der Arbeit wieder nach Hause pendeln zu müssen. Nach diesem netten Gespräch verabschieden wir uns und ich lese die ganze Geschichte der Pentincton Vees nochmal im Internet nach.

    Tag drei unseres Roadtrips führt uns dann in eine sehr besondere Ecke Kanadas. An der Grenze zu den USA liegt der Osoyoos Lake, den sich beide Länder teilen. Hier liegt die gleichnamige Stadt Osoyoos mit ihrem wüstenähnlichen Klima. Es regnet kaum und im Sommer sind 45 Grad keine Seltenheit. Deshalb gilt der See auch als der wärmste des Landes. Und aus der Region kommt ein großer Teil des in Kanada angebauten Obstes. Bekannt ist die Region auch für den Weinanbau. Mona und ich sind sehr gespannt und suchen uns ein Weingut in der Nähe unseres Campingplatzes für eine Weinprobe heraus.

    Die Weine sind gut, aber auch ziemlich teuer. Die Flaschenpreise starten ab 30 CAD plus Steuern (1 CAD sind 69 Cent). Am Ende gönnen wir uns drei Flaschen Rotwein und zahlen dafür 90 Euro. Für die Weinprobe zahlt man hier, wie in den USA, normalerweise extra. Bei diesem Winzer spart man sich die 10 Dollar pro Nase aber beim Kauf von zwei Flaschen. Naja da Essen gehen bisher mit Ella nahezu gar nicht drin war, gönnen wir uns diesen kleinen Luxus.

    Im Sommer hätten wir, ohne Monate im Voraus zu buchen, hier niemals einen Stellplatz bekommen. Doch im Herbst ist die Saison vorbei, die Temperaturen irgendwo im niedrigen zweistelligen Bereich. Auf dem Campingplatz direkt am See ist zwar was los, aber noch genug Platz für uns und andere spontane Gäste.

    Ella und ich halten die Füße in den gar nicht mal so warmen See, wir rutschen, klettern und schaukeln - auf beiden Seiten des Sees, denn vorher waren wir noch in "Downtown Osoyoos" und dort auf einem Spielplatz. Das muss man den Kanadiern lassen: die Spielplätze hier sind alle top in Schuss, modern und häufig auch recht groß angelegt, sodass hier viele Kinder Spaß haben können. Einige Spielstationen sind ab und zu sogar rollstuhgerecht. Wir finden, da kann sich Deutschland mal eine Scheibe abschneiden.

    Als Ella im Bett ist, machen Mona und ich eine der Flaschen Wein auf (ein sehr leckerer Syrah) und planen die Aktivitäten und Campingplätze für die nächsten Tage. Das ist doch immer auch sehr aufwendig, macht aber auch richtig Spaß. Landschaftlich hat Kanada auf jeden Fall einiges zu bieten: Gebirge, Wälder mit Bäumen in jeglicher Farbenpracht und große, schön gelegene Seen. Wir freuen uns auf die nächsten Stopps: Kelowna und Kamloops.
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  • Day 32

    It's umbr-Ella season!

    October 15, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 19 °C

    "Oh, wie schön ist Panama", betitelte Janosch einst eine Geschichte vom Bären und dem Tiger. "Oh, wie schön ist Kanada!", denke ich dagegen seit vielen, vielen Jahren, seitdem ich mich mit diesem Land beschäftige, der Heimat meines Lieblingssports Eishockey. Kanada stand so ziemlich ganz oben auf meiner "bucket list", oder Löffelliste, wie Mona es nennt. Also die Dinge, die man gesehen oder gemacht haben will, bevor man den Löffel abgibt. Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als Kanada im Herbst zu erleben, wenn sich das Laub und speziell die Blätter des Ahornbaums in Rot, Gelb oder Braun verfärben, die Sonne noch ein paar warme Strahlen schickt und alles in ein goldgelbes Licht taucht und dann vielleicht noch ein Reh, Elch oder Bär irgendwo über die Straße läuft. Genau dort wollte ich immer sein.

    Nun sind WIR hier! Das macht es natürlich umso schöner, wobei ich auf dieses von mir ausgemalte Naturszenario noch ein bisschen warten muss, denn zunächst steht nach San Francisco und Seattle die nächste Großstadt auf unserem Plan: Vancouver. Von Seattle nehmen wir dieses Mal kein Auto und kein Flugzeug, sondern steigen in einen der silbernen Amtrak-Züge. Wahrscheinlich hätten wir diese Art des Reisen schon viel früher genutzt, wenn es denn vernünftige Verbindungen gäbe. Die Amerikaner sind aber, noch viel mehr als die Deutschen, eine Autofahrernation. Zugfahren widerspricht ganz offensichtlich dem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit. Und zudem herrscht der Eindruck vor, dass mit dem Zug nur diejenigen fahren, die sich kein Auto leisten können.

    Es gibt ein paar ganz tolle Strecken der Amtrak-Züge. So kann man von New York bis Miami oder von Seattle bis Los Angeles fahren. Wenn die Züge aber genauso langsam fahren wie unserer, dann ist das fast wie eine Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostok. Mehr als viereinhalb Stunden braucht der Zug für die Strecke (230 Kilometer). Mit dem Auto wären es nicht mal drei gewesen.

    Unsere entschleunigte Reise war dafür sehr entspannt und unterhaltsam, weil wir einen sehr gut gelaunten und zum Scherzen aufgelegten Schaffner hatten, der uns nicht nur über die nächste Haltestelle, sondern auch über Sehenswürdigkeiten und Tiere in der Umgebung hinwies. Oft waren es Robben oder Seelöwen, denn die Zugtrasse führt über weite Strecken direkt am Pazifik entlang - wunderschön. Die Amtrak-Züge sind dagegen schon in die Jahre gekommen, aber noch ganz gut in Schuss. Wir sitzen vorne in einem Waggon, auf einem behindertengerechten Platz mit viel Freifläche, ideal für Ella und ihren Bewegungsdrang.

    Es gibt hier auch keine Koffer, die den Platz wegnehmen, denn das Gepäck muss im Voraus abgegeben werden, ähnlich wie beim Fliegen und für das Handgepäck gibt es auch klare Vorgaben. Wir drei genießen so den Freiraum, die Aussicht und die Ruhe, während der Zug langsam durch den Staat Washington gen Norden tuckert. An Bord gibt es selbstverständlich auch ein Bistro mit guter Auswahl und sehr humanen Preisen, so kostet der Kaffee hier nur 2,50 Dollar inklusive Tax. Leider ist es ein Starbucks Kaffee. Wir hatten es bis zu diesem Tag geschafft, dieser Kette aus dem Weg zu gehen, aber nun gab es keine Alternative. Ganz ohne Koffein ging es dann auch nicht.

    Ella genoss die Fahrt mindestens so sehr wie wir. Entweder gewann sie mit ihrem Lächeln die anderen Passagiere für sich oder sie tobte durch die Gänge unseres Waggons. Das alles war dann auch so anstrengend, dass sie recht schnell bei Mona in der Trage einschlief. Mona nutzte die Zeit zum Lesen, ich schaute mir währenddessen das Spiel meiner Fischtown Pinguins gegen Düsseldorf an - mit einem dramatischen, aber guten Ende für die Pinguine.

    Bereits im Zug füllten wir das Einreiseformular aus, das Visum hatten wir schon vor der Reise, und am Bahnhof in Vancouver angekommen ging dann alles auch recht zügig bei der Kontrolle durch die Grenzbeamten. Die Fahrt mit dem Uber von der Pacific Central Station zu unserer Unterkunft dauerte nur zehn Minuten und wir waren gegen 13 Uhr da - konnten aber erst eine Stunde später aufs Zimmer. Also gabs für Ella schon mal Mittagessen und danach kauften wir ein wenig ein, denn gerade Ellas Mittagsmenüs gingen zur Neige. Im Supermarkt stellten wir dann fest, dass es auch zwischen den USA und Kanada offenbar Unterschiede beim Kinderessen gibt. Die praktischen Menüs, die wir zuletzt immer gekauft hatten, gab es hier fast nicht. Ebenso hadern wir nach wie vor bei der richtigen Windelmarke, die meisten taugen hier nichts. Die Preise für viele Lebensmittel hier sind dafür nicht so hoch wie in den USA, aber nach wie vor viel höher als bei uns.

    Zurück im Hotel genossen wir dann zunächst mal die Aussicht, denn unser Apartment liegt im 10. Stock. Hier in Vancouver gibt es einige sehr hohe Wohnhäuser, besonders am Wasser stehen viele. Nachdem Ella das alles nochmal im Nachmittagsschlaf verarbeiten musste, gab es noch einen späten Ausflug zum Granville Island Market, einer Markthalle mit vielen Essensständen. Um dorthin zu gelangen, nahmen wir die wohl bisher kleinste Fähre unseres Lebens von False Creek Ferries. Die Überfahrt dauerte keine 3 Minuten und auf das Bötchen passen, mit Kapitän, auch wohl nur rund 10 Menschen. Uns, besonders Ella, hat diese Seefahrt auf jeden Fall sehr gefallen.

    Am Tag darauf sind wir direkt nach dem Frühstück zur Erkundung der Stadt aufgebrochen. Hier, wie auch schon in Seattle, ist der Herbst angekommen - in San Francisco schien dieser noch weit entfernt - und es regnete bereits seit Stunden, doch wir hatten ja unsere Regenjacken eingepackt. Da Ella aber in der Trage bei mir Schlafen sollte, war sie ohne hundertprozentigen Regenschutz. Nachdem wir mit dem Bus ins Viertel Gastown gefahren sind, klapperten wir daher die Geschäfte nach Regenschirmen ab. Im zweiten Souvenirgeschäft wurden wir fündig und waren fortan mit einem schwarzen und einem rot-weißen Kanada-Regenschirm unterwegs und so, wenn nicht bereits vorher, auch als Touris direkt erkennbar. Ella unter dem Umbrella konnte dann auch endlich gut geschützt einschlafen, während wir gemütlich eine Kaffee tranken und Gastown erkundeten.

    In Gastown, Downtown und Yaletown stehen viele Backsteinhäuser, oft sind es alte Fabrikgebäude, in denen nun kleine Geschäfte, Bäcker, Kaffeeröster, Brauereien und andere Unternehmer sitzen. Dadurch unterscheidet sich Vancouver auch von Seattle, wenn es sonst doch viele Ähnlichkeiten gibt, wie die Lage am Wasser, das Klima und die Einwohnerzahl. In Seattle haben Amazon, Google und Co. viele moderne Bürogebäude gebaut, in Vancouver wird offenbar mehr altes renoviert, so kommt es mir vor. Die Backsteinbauten in Seattle waren jedenfalls oft nicht so gut in Schuss. Glas-Beton-Bürotürme gibt es hier aber auch einige.

    Nach Gastown wollen wir Chinatown erkunden, doch montags haben hier einige Geschäfte zu und ähnlich wie der International District in Seattle ist es auch hier nicht so schön wie in San Francisco. Zumindest sieht es nicht so schön klischeehaft aus wie dort. Immerhin hat es zwischenzeitlich aufgehört zu regnen. Drum geht es gleich weiter zur Rogers Arena, der Spielstätte der Vancouver Canucks aus der NHL. Der Fanshop muss erkundet werden - ich sammle seit meiner NHL-Reise 2020 Pucks mit dem jeweiligen Teamlogo. Ella ist inzwischen wieder wach, scherzt mit Kunden und Verkäufern und macht auch sonst einen guten Eindruck. Wir gehen im Pacific Center etwas Essen und danach nach Yaletown. Alles lässt sich fußläufig gut verbinden.

    Dann entdecken wir einen Spielplatz, Ella hat ihren bunten Matschanzug an und ist überglücklich und freut sich auch über die vielen Kinder, die gerade hier herumtoben. Bis dann der Himmel wieder nasse Grüße sendet und die Regenschirme wieder gefordert sind. Wir spazieren im Regen nach Hause, machen uns dort eine Nudelsuppe und Mona und Ella nutzen die große Badewanne zum Aufwärmen. An diesem Tag haben wir wohl so viel gesehen, wie von keiner anderen Stadt bisher - trotz des Wetters!

    Am Tag darauf haben wir daher gar nicht mehr viel auf unserem Plan stehen. Die Wettervorhersage ist eigentlich gut, also wollen wir in den Stanley Park, dort gibt es einen großen Spielplatz und ein Brauhaus, in dem man auch gut essen können soll. Gesagt, getan: Von unserem Hotel laufen wir an der Küste entlang dorthin, Ella darf ein bisschen mit Oma und Opa aus Bremerhaven telefonieren und auf den Klettergerüsten turnen und auch rutschen. Dann regnet es wieder, also nichts wie ab ins Brauhaus. Dort teilen Mona und ich uns einen "Flight", vier Probiergläser mit verschiedenen Bieren und essen lecker und deftig. Anschließend gibt es einen Verdauungspaziergang im Park und von dort über die belebte Denman Street nach Hause.

    Am Abend, als Ella bereits schläft, feiern Mona und ich dann noch eine Premiere: Es gibt Poutine! Das ist das kanadische Volksgericht und besteht aus Pommes, Bratensoße und Käsebrocken. Klingt eigenartig, schmeckt aber hervorragend. Allerdings essen wir jeweils nur eine kleine Portion, weil das Mittagessen schon so schwer war. Den Salat, den wir am Tag zuvor noch gekauft hatten, gibt es dann morgen...

    ...dann beginnt zudem unser nächstes Abenteuer. Wir holen unseren zweiten Camper ab und haben diesen für zwei Wochen. Stay tuned!
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  • Day 29

    Ein besonderes Wiedersehen

    October 12, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 16 °C

    Neun Jahre hat es gedauert, bis wir uns in Seattle wiedergesehen haben. Zwischendrin hatten wir nur selten Kontakt. Umso schöner, dass es sich anfühlte, als wäre keine Zeit vergangen. Aber beginnen wir am Anfang.

    Von Frisco aus fliegen wir nach Seattle, ein zweistündiger Flug, auf dem wir uns erstmals die Economy Premium Class gegönnt haben. Dafür bekamen wir mehr Beinfreiheit und Getränke umsonst. Ella machte die Anreise und den Check-In gut mit, shakerte mit einer Frau eine Reihe hinter uns im Flugzeug und schlief auf mir direkt nach dem Start ein. Ich haderte wieder mit mir und meiner Flugangst, stellte aber recht schnell fest, dass wir aufgrund eines Inlandsflugs nicht so hoch flogen (gefiehl mir gut!) und der Flug insgesamt sehr ruhig war (gefiehl mir auch sehr gut!!). Ich genoss die schlafende Ella auf mir, die Ruhe und Entspannung ausstrahlte und schaute sogar einige Male nach draußen (sogar im Landeanflug!). Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich Fliegen lieben könnte, wenn ich nicht jedes Mal solche Angst haben würde. Ergibt das einen Sinn?

    In Seattle angekommen, geht es mit dem Uber zum Hotel, in dem wir ein größeres Zimmer mit Kochnische haben. Wir bestellten Ramen Suppe zum Abendessen (lecker und sau scharf!) und dann ging es bald ins Bett - Reisetage sind immer anstrengende Tage.

    Am nächsten Morgen zieht es uns früh los: nach dem Frühstück laufen wir an den Hafen, dann zur Space Needle, einem Aussichtsturm, der vielen aus Grey‘s Anatomy bekannt ist und in den Kraken Eishockey Fanshop (das war vor allem der Grund warum es Philipp so früh rauszog…😋).

    Zurück im Hotel werden wir dann auch schon abgeholt: Tianyi, den ich 2014 im Auslandssemester in Venedig kennengelernt habe, hatte sich extra freigenommen, um den Tag mit uns zu verbringen. Nach neun Jahren ein Wiedersehen voller Freude und Neugierde! Was war nur alles zwischenzeitlich passiert? Erstmal hatte er chinesisches Essen besorgt und holte uns mit seinem Tesla (wow!) ab für den Zoobesuch. Das hatten wir extra für Ella eingeplant, damit sie auch mal wieder auf ihre Kosten kommt. Und der Zoo war schön angelegt, es gab Vögel, Affen, Giraffen, Löwen, Pinguine, Otter, Ziegen und vieles mehr zu bestaunen. Ella fand es toll! Uns blieb aber auch genug Zeit das leckere Essen zu probieren und ausgiebig zu quatschen. Tianyi arbeitet bei Cruise, einem Anbieter selbstfahrender Autos. Super spannend und für mich doch nach wie vor etwas gruselig.
    Er erzählt zudem von seiner Acapella-Singgruppe (er hat eine wahnsinnig schöne Stimme!), wir reden über vergangene Zeiten und über unsere Reise. Er erzählt aber auch, wie einsam er sich während der Pandemie gefühlt hat, seine Eltern leben nach wie vor in China, und es wird mir wieder bewusst, wie viel Glück ich doch hatte in dieser Zeit.

    Danach geht es weiter zum Kerry Park. Wir hören unterwegs Annenmaykantereit und Milky Chance (Tianyis deutsche Lieblingsband während seiner Venedigzeit) und Ella schläft unerwartet bei all der Lautstärke im Auto ein. Wir genießen die Aussicht auf die Seattle Skyline und den dahinter liegenden Mount Rainier und Tianyi berichtet uns, wo Promis wie Bill und Melinda Gates wohnen.

    In Seattle sind nämlich viele weltweit bekannte Unternehmen wie Microsoft, Amazon (zusammen stellen die beiden über 100.000 Arbeitsplätze), Boeing und Starbucks angesiedelt und haben einen großen Teil der Stadt unter anderem mit ihren Büros belagert. Auch Google hat seinen zweitgrößten Standort hier, und auch T-Mobile USA und Facebook sind hier vertreten.

    Wir stellen an diesem Tag aber auch fest: Seattle ist gemütlich, sehr grün, ist umringt von großen Bergen wie dem Mount Rainier und hat eine wunderschöne Universität, die ein bisschen an Hogwarts erinnert und laut Tianyi im April von Kirschblüten umringt sein soll. Nach einem Spaziergang und einem Kaffee an der schönen Uni bringt uns Tianyi zurück zum Hotel. Wie viel man an einem Tag erleben kann und trotzdem das Gefühl hat, die Zeit war nicht genug!

    Am nächsten Tag sind wir dann wieder zu 2 1/2 unterwegs und besuchen den Pike Place Market, ein Markt direkt am Wasser, auf dem es von Essens- und Shoppingständen nur so wimmelt. Wir folgen Tianyis Rat und essen bei der russischen Bäckerei Piroshky Piroshky, eine Institution, in der es Smoked Salmon im Teigmantel, den Bestseller Beef&Cheese, ebenfalls im Teigmantel, und Rhabarber- sowie Kürbisteilchen zum Vernaschen gibt. Danach zieht es uns aufs Wasser: wir machen eine Rundfahrt mit der Fähre nach Bainbridge Island und zurück. Wir werden mit einer frischen Brise und einer tollen Aussicht auf Seattle belohnt.

    Zurück an Land wollen wir noch in den International District, ähnlich wie Chinatown, das dann aber doch eher enttäuschend ist. Wenig Geschäfte und Restaurants, dafür viele Obdachlose und Drogenabhängige. Eine Situation, die bedrückend ist und wie Tianyi uns berichtete, seit der Pandemie um einiges schlimmer geworden ist. Nach diesem vollen Programm geht es für uns zurück ins Hotel und früher ins Bett. Am
    nächsten Tag wartet eine lange Zugfahrt auf uns, die uns zum zweiten großen Teil unserer Reise bringt: Kanada. Ich bin etwas wehmütig, die USA zu verlassen, schwöre mir aber, dass es nicht wieder neuen Jahre dauert, bis Tianyi und ich uns wiedersehen. Bye Bye States, du warst gut zu uns, see you soon again!
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  • Day 27

    … wear some flowers in your hair!

    October 10, 2023 in the United States ⋅ ⛅ 19 °C

    Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich sind meistens die ersten paar Minuten in einer Stadt ausschlaggebend, ob ich sie lieben werde oder nicht. Spüre ich den Vibe? Gefällt mir, was ich sehe, rieche, aufschnappe? So war es in Venedig, so war es in New York. Und es ist wieder geschehen. Auf dieser Reise. Zum ersten Mal.

    „Be sure to wear some flowers in your hair“ - eine Liedzeile, die wohl wie keine andere für diese Stadt steht. Ein viktorianisches Haus aus „Full House“, das große Berühmtheit erlangte und in dieser Stadt zu finden ist. Oder diese beeindruckende Hängebrücke mit 2.737 Metern Gesamtlänge, die wohl eines der berühmtesten Wahrzeichen in den gesamten USA darstellt. San Francisco, du hattest mich schon kurz nach der Ankunft.

    Nachdem wir Harry abgegeben hatten, ging es direkt mit dem Uber in unser Hotel, ein Holiday Inn, gut gelegen inmitten der Stadt. Wir wollen nach Ankunft eigentlich nur noch kurz die Gegend erkunden und uns etwas zu Essen holen, merken aber schnell, dass Ella gut drauf und in der Trage sehr zufrieden am Beobachten ist.

    Also laufen wir weiter und landen in Chinatown (natürlich nach einigen steilen Straßen, die uns beim Hochlaufen durchaus unsere gesamten Anstrengung kosten und mich sehr an Lissabon erinnern). Wir genießen den Trubel, die verschiedensten Gerüche, darunter auch streng riechende Fischgerüche, die chinesischen Zeichen überall und Zutaten, die uns sonst nicht so über den Weg laufen. Nach einigem Rumschauen kaufen wir in zwei Läden Dim Sum, gedämpfte oder frittierte Teigtaschen mit unterschiedlichen Füllungen, fürs Abendessen ein.

    Dank des Paares, das wir bei der Camperabgabe kennengelernt haben, haben wir auch noch zwei Tickets für die Cable Car übrig, die wir dann auf unserem Rückweg direkt nutzen. Wir sind völlig fasziniert von dem tollen Fahrgefühl und den einzigartigen Wägen, die in liebevoller Handwerksarbeit innerhalb von zwei Jahren gebaut und verziert und immer noch per Hand gesteuert werden. Ella liebt vor allem die Kordel, die zum Bimmeln an den Kreuzungen getätigt wird, und würde sie natürlich selbst gerne die ganze Zeit betätigen. Wir kommen ohne große Kordel-Zwischenfälle am Hotel an und genießen noch das Abendessen (wiedermal romantisch im Badezimmer).

    Am nächsten Tag beschließen wir nach einer Auszeit im Pool (Baden ist bei Ella nach wie vor mega angesagt!) und ihrem ersten Nap im Hotel, den Hop-on Hop-off Bus zu nehmen, in der Hoffnung einen guten Überblick über die Stadt zu bekommen und gleichzeitig Ella mit Busfahren zu begeistern. Wir starten bei einem winzigen Teil der Lombard Street, (die ist nämlich super lang), die als „kurvenreichste der Welt“ bezeichnet wird. Innerhalb der 145 Meter werden 33 Höhenmeter überwunden. Danach geht es weiter an den Pier39, eigentlich war das nicht das nächste Ziel, aber Ella findet Busfahren wohl doch nicht so toll wie erhofft. Wir gehen etwas shoppen, essen zu Mittag (die restlichen Dim Sum vom Vortag, Ella fand sie auch lecker), schauen Seerobben und Möwen an und genießen das, wenn auch sehr touristische Flair.

    Schönerweise schläft Ella dann schnell in der Trage ein, wir setzen uns im Doppeldeckerbus nach oben an die frische Luft und fahren eine ganze Weile mit dem Bus, lauschen den Infos über Kopfhörer und genießen die Aussicht. Unser letzter Stopp des Tages sind dann die „Painted Ladies“, viktorianische, mehrfarbig gestrichene Holzhäuser, aus dem 19. Jahrhundert. Wunderschön! Philipp und ich haben uns eventuell eins ausgesucht. Oder auch schon eins der anderen, die wir davor gesehen haben. Das wäre dann schon das zweite Haus, das wir kaufen müssen, neben dem in Carmel-by-the-sea. Ella hat die Ladies verschlafen und ist erst auf dem Rückweg ins Hotel wieder aufgewacht.

    Unseren letzten vollen Tag in Frisco starten wir nach Poolauszeit und Ellas Nap im Haight-Ashbury, dem Hippieviertel der Stadt, von dem aus der Summer of Love (1967) die Welt eroberte. Dort gefällt es uns sehr: Shops mit tollen Dingen, schöne Cafés und eine Ben&Jerry‘s Eisdiele. Hier haben aber auch schon Berühmtheiten wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und sogar Marilyn Monroe gewohnt.

    Danach ist Ella-Zeit: wir finden im nebenan gelegenen Golden Gate Park einen Kinderspielplatz und treffen die Eltern von Noel, elf Monate alt und für einige Zeit Ellas Spielgefährte. Die drei sind auch auf Elternzeitreise bleiben aber vor allem in und um Frisco. Als Noel anfängt vor Müdigkeit zu schreien, kommentiert sein Vater das nur mit den Worten „Noel, chill mal“ - ich nehme mir vor, das künftig auch mal auszuprobieren.

    Danach nutzen wir nochmal den Bus, um die Golden Gate Bridge von allen Seiten zu bewundern und nehmen so langsam Abschied von dieser Stadt. Eine Stadt, die so viel zu bieten hat: wundervolle viktorianische Häuser, ein trubeliges Chinatown, ein chilliges Hippieviertel, ein beeindruckendes Bankenviertel mit Hochhäusern vergleichbar zu Frankfurt (ebenso leider vergleichbar die doch immer wieder sichtbaren Obdachlosen und Drogenabhängigen), durch die vielen Parks sehr viele grüne Ruheoasen und den Strand, die Piere und das Wasser. Ich hätte gerne zwei, drei Tage mehr hier verbracht. Aber ich bin sicher, mit einem viktorianischen Eigenheim kommen wir bald wieder. Natürlich nur mit ganz vielen Blumen im Haar.
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