Lateinamerika

October 2022 - January 2023
A 71-day adventure by Anna Maria & Joe Read more
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  • Day 69

    The great finale

    December 31, 2022 in the United States ⋅ 🌧 10 °C

    „I am an Alien“ singt Sting in seinem Song „English Man in New York“ und berichtet von seiner Erfahrung, sich fremd in der großen, amerikanischen Stadt zu fühlen. Ich mag das Lied, aber es ist mir schleierhaft, wie man sich in New York fremd fühlen kann. Ich wüsste gar nicht, wie ich den ultimativen New Yorker beschreiben sollte, denn auf der Straße begegnen uns Menschen aller Altersklassen, Hautfarben, sexuellen Orientierungen, Familien, Singles, Pärchen, Touristen und Geschäftsleute. Jeder Einzelne von ihnen ist einzigartig und das Einzige, was sie eint, ist die Tatsache, dass sie über die New Yorker Straßen laufen. Wir könnten im Schlafanzug oder in Abendgarderobe auf die Straße gehen und niemand würde uns einen zweiten Blick hinterher werfen. Hier ist wirklich jeder Jeck anders.

    Nach der Kältewelle in St. Charles erscheint uns die Wintersonne in New York fast frühlingshaft. Unser Hotel ist vormittags schon zum Einchecken bereit. Wir werfen unsere Sachen aufs Zimmer und machen uns als erstes auf die Suche nach etwas Essbarem. Vor Jahren war ich bei Grimaldis in Brooklyn essen und habe Joe erzählt, wie famos die Pizza dort schmeckt. Leider haben wir bei es unserem ersten gemeinsamen New York Besuch dann nicht dorthin geschafft. Wie der Zufall es will hat Grimaldis mittlerweile eine Filiale zwei Blocks von unserem Hotel entfernt eröffnet. Dort angekommen trauen wir erstmal unseren Augen nicht, denn wir stehen vor einer alten, restaurierungsbedürftigen Kirche.
    „Ich glaub’, wir sind falsch“, sage ich, während wir das übergroße Skelett vor dem alten Mauerwerk betrachten.
    Joe fasst sich aber ein Herz und öffnet die dunkelrote Eingangstür zur Kirche. Im Halbdunkeln erkennen wir einen leeren Opferkerzenständer. Dahinter beginnt, abgeschirmt von Buntglasfenstern, eine Reihe dunkelgrüner Sitzecken. Kaum um die Ecke gebogen erinnert nichts mehr an eine Kirche, sondern viel mehr an einer ranzige Eckkneipe. Im Gegensatz zu mir kann Joe sich sehr genau daran erinnern, dass ich damals eine Margarita Pizza hatte und dass es keine Strohhalme gab, um die Meeresschildkröten zu schützen, dafür aber Plastikbesteck. Das alles hatte ich schon wieder vergessen. Mittlerweile gibt es Besteck aus Edelstahl und die Pizza schmeckt auch beim zweiten Mal himmlisch - was vielleicht auch am Standort liegt.

    Nach unserer Stärkung geht es zum Rockefeller Center den Weihnachtsbaum besichtigen. Joe schwört, dass er beim letzten Mal größer war und weniger Touristen da waren. Ich kann das nicht hundertprozentig unterschreiben (mein Gedächtnis ist einfach schlechter), aber ich bin mir sicher, dass es weniger Menschen mit Kinderwagen gab, die sich durch die Menge geschoben haben. Auch bin ich mir sicher, dass New York 2019 weniger nach Gras gerochen hat. Jetzt riecht man es an jeder Ecke. Wir sind quasi dauerhaft passiv bekifft.

    „Kannst du eigentlich eislaufen?“, fragt Joe auf dem Weg zum Central Park.
    „Klar“, erwidere ich, „Das weißt du doch.“
    „Woher?“
    Ich suche fieberhaft nach einem Beispiel, aber es stellt sich heraus, dass es eine Sache gibt, die wir in 12 Jahren noch nie gemeinsam gemacht haben: Eislaufen.
    Beim Anblick der 500 Meter langen Schlange, die darauf wartet, die Eislaufbahn im Central Park zu betreten, verwerfen wir unsere romantischen Pläne aber wieder. Manche Dinge hebt man sich eben doch besser für die Zukunft auf. Dafür pflegen wir eine andere Tradition und frühstücken jeden Morgen Bagel mit Creamcheese im Bett.

    Wir besichtigen das Empire State Building und lassen am Times Square die Nacht zum Tag werden. Er ist einer der Orte, die so farbig und lebendig sind, das man sie mit bloßem Auge gesehen haben muss, da kein Bild ihre Atmosphäre einfängt.

    Kulinarisch besuchen wir Joe Lieblingsrestaurant „Pizza Loves Emily“ und das „Katz Delikatessen“, in dem Harry Sally getroffen hat. Die Pastrami Sandwiches sind übrigens größer als im Film (und so lecker, dass ich nie im Leben die Zeit gefunden hätte, Joe beim Essen einen gefakten Orgasmus zu demonstrieren.)

    Wir wagen uns ins New Yorker Nachtleben und freuen uns wie die Kinder, dass der Security Mann am Eingang unsere Ausweise kontrolliert. Allerdings ist Trinken mit Handbremse angesagt: denn am kommenden Abend feiern wir Silvester im Irish Pub und dafür wollen wir beide fit sein.

    Da der 31. Dezember neblig beginnt beschließen wir, Lady Liberty heute nicht Guten Morgen zu sagen, sondern lieber das World Trade Center und das 9/11 Memorial zu besichtigen. Hier zieht es mich immer hin, einfach weil dieser Tag so einprägend in meinem Leben war. Heute ist uns nicht danach, ins Museum zu gehen und uns mit den Terroranschlägen auseinander zu setzen. Es ist Silvester und wir möchten die Zeit in New York einfach nur genießen, ohne Gedanken an das ganze Übel in der Welt zu verschwenden.

    Unser Restaurant für den Abend liegt in einer kleinen Nebenstraße vom Times Square, direkt neben dem Balldrop. Es gibt ein drei Gänge Menü, Cider, Bier und „Mini Guiness“ - kleine Shots mit Baileys und Kaffeelikör. Über Fernseher können wir das Live Programm am Times Square verfolgen, wo es mittlerweile aus allen Wolken schüttet. Immer wieder schieben sich triefend nasse Besucher durch den Pub, um sich mit einem Bier aufzuwärmen. Um kurz vor elf geht es auch für uns nach draußen auf die Straße. Von unserer Absperrung aus können wir die Moderatorin sehen, die wir den ganzen Abend im Fernsehen verfolgt haben. Die Menschen tragen bunte Hüte und schwenken aufgeblasene Luftballons in gelb und lila. Während wir uns vom Trubel und der Ausgelassenheit anstecken lassen, erschallt plötzlich ein überirdisches Ticken. Noch ehe wir das Geräusch richtig verortet haben schießt ein gigantischer Konfettiregen auf uns nieder. Die ersten Takte von „Auld Lang Syne“ erklingen und erinnern uns mit einer Mischung aus Trauer und Hoffnung daran, dass ein neues Jahr in der Zeitrechnung begonnen hat. Nur Sekunden später schallt Frank Sinatras „New York, New York“ über den Times Square und Hunderttausende Menschen singen mit. Das Konfetti regnet gemeinsam mit dem Regen auf unsere Haare und Jacken. Hier ist 2023. Ein leeres Blatt, bereit, mit neuen Abenteuern, Ideen und Momenten gefüllt zu werden.

    Für uns bricht mit dem 1. Januar der letzte Tag unserer Reise an. So unrealistisch es bis zum Abflug schien, für zweieinhalb Monate auf Reisen zu gehen, so surreal ist die Vorstellung, dass wir zurück nach Hause kommen. Immer, wenn wir in den Flieger gestiegen sind, ging es an einen neuen Urlaubsort. Daher fühlt sich unsere Abreise nicht wie das Ende eines Urlaubs an. Es war auch nicht wirklich ein Urlaub, sondern eine Reise, die sich wie ein ganzer Lebensabschnitt anfühlt. Nur wir beide, über Wochen, ohne dass wir uns abends großartig hätten erzählen können, was wir tagsüber erlebt haben, denn der andere war stets mit dabei. Zwei Koffer voller Kleidung, die knapp für sieben Tagen gereicht hat, sodass man ab und an improvisieren musste. Ein ständiges über den Schatten springen von Reiseängsten und Vertrauen lernen in fremde Personen. Wir haben Menschen auf dieser Reise getroffen, die uns ihre Türen geöffnet, unser Herz berührt und Impulse gesetzt haben, die unsere Ansichten auf die Welt verändert haben. Wir haben ein ganzes Buch geschrieben voller Erinnerungen. Und wir sind dankbar für alle, die einen Blick hinein geworfen und uns auf dieser Reise begleitet haben. 

    Als wir mit dem Taxi New York verlassen, läuft "Hollywood Hills“ auf meinen AirPods:

    No I don’t wanna leave
    But I must keep moving ahead
    'cause my life belongs to the other side
    Behind the great ocean’s waves

    I take a part of you with me now
    And you won’t get it back
    And a part of me will stay here
    You can keep it forever, dear

    Joe dreht sich um und schaut durch die Heckscheibe zurück. Ich folge seinem Blick und gemeinsam betrachten wir die New Yorker Skyline, die von der untergehenden Sonne beleuchtet wird.
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  • Day 62

    Xmas in St. Charles

    December 24, 2022 in the United States ⋅ ☀️ -6 °C

    Am Weihnachtstag hilft Joe in der Küche beim Kochen und ich packe die restlichen Geschenke ein. Smokey (die Katze) will helfen, setzt sich aber immer wieder aufs Geschenkpapier und frisst schließlich ein paar verpackte Geschenke an. Als ich ihn hochhebe und knuddele beißt er mich aus Protest kurz in die Wange. Also setze ich ihn vor seinem Futternapf ab (er frisst übrigens nur, wenn er dabei gestreichelt wird).

    Nachmittags kommt Kayes Familie zu Besuch. Mit fünfzehn Leuten sitzen wir am Esstisch und lauschen einem Weihnachtsgedicht. Jeder von uns hat ein Päckchen in der Hand und je nachdem ob „rechts“ oder „links“ in den Versen gelesen wird, müssen wir es an unseren rechten bzw. linken Tischnachbarn weitergeben. Als Weihnachtsessen gibt es Ente mit Mac’n’Cheese (überbackene Käsenudeln) und dazu verschiedene Casseroles (eine Art Auflauf). Es gibt Baileys und Bier und den Mezcal, den Tino und Aneira uns geschenkt haben.
    „Ich fürchte, ich bin gleich ein bisschen betrunken“, sage ich, während ich Kayes Mutter einschenke.
    „Man ist nicht betrunken solange man denkt, man wäre es“, erwidert sie und stößt mit mir an.

    Abends schauen wir beim Kaminfeuer Weihnachtsfilme. Hier in Amerika ist die Geschichte von einem Jungen namens Ralphie ein weihnachtliches Must-See. Der Junge wünscht sich von ganzem Herzen ein Spielzeuggewehr, aber alle, inklusive Santa, prophezeien ihm, dass er sich damit ein Auge ausschießen wird. Am Ende bekommt er seinen Herzenswunsch erfüllt, aber ob er sich nun wirklich das Auge ausgeschossen hat, bleibt offen.

    In den USA findet die Bescherung nicht am heiligen Abend statt, sondern erst am ersten Weihnachtstag. In Pyjamas sitzen wir unterm Baum und packen unsere Geschenke abwechselnd aus. Vic ist sauer auf Smokey, denn er hat zwei Minuten vor Bescherungsbeginn mit der Lok gespielt, die um den Weihnachtsbaum herum fährt und nun funktioniert sie nicht mehr und lässt sich auch auf die Schnelle nicht reparieren. Wir sind erstaunt, wie viele Geschenke es gibt. Das Meiste davon sind Schokolade oder Tee, zumindest kann man das über das Jahr hinweg abbauen. Auch wir wurden von Santa bedacht. Zwar hat er extra Kleinigkeiten ausgewählt, aber unsere Koffer sind kurz vorm Bersten (bzw. ist meiner ja in Costa Rica bereits geplatzt). Daher leihen Vic und Kaye uns einen kleinen Reisehandkoffer extra für die Geschenke.

    Kaye fragt ob ich ihr nicht heute in der Küche helfen möchte, das Essen für Vics Familie vorzubereiten. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich zwar ernähren kann, man meine Küchenkünste aber nicht als Genuss bezeichnen kann. Der Herd und ich stehen seit jeher auf Kriegsfuß. Kaye aber hat eine so liebevolle und motivierende Art, dass ich nicht nein sagen kann. Mit ihrer Hilfe mixe ich die Casserole zusammen und stelle fest, dass die Amerikaner nicht mit Litern und Gramm arbeiten, sondern mit genormten Tassen und Löffeln. Dieses schnellere Prinzip gefällt mir. Weil ich mich scheinbar gut mache, lädt Kaye mich ein, auch die Mac’n’Cheese zuzubereiten.
    „Na ja, Nudeln kann ich kochen“, denke ich mir und behaupte, es sei kein Problem, wenn sie in der Zwischenzeit duschen geht.
    Als die Nudeln fertig sind, ist Kaye noch nicht zurück. Die Mac’n’Cheese Soße ist mir überlassen. Nach ein paar Minuten des Ausharren fasse ich mir ein Herz und fange an, Butter zu schmelzen und mit Mehl zu verrühren. Joe traut seinen Augen nicht, als er mich zwischenzeitlich besuchen kommt. Ich fasse es selbst nicht, dass ich gerade ein Familienessen für sieben Personen zubereite. Darüber hinaus bin mir sehr sicher, dass ich die Milch anbrennen lasse. Aber ich würze nach Gutdünken mit Salz und Pfeffer und kippe alles zu den Nudeln in die Auflaufform. Und was soll ich sagen: das Weihnachtsessen mundet unseren Gästen. Ich bin so hoch motiviert, dass ich Ausschau nach amerikanischen Kochbüchern auf dem deutschen Markt halte, aber ich finde nur Kinderbücher. Vic schenkt mir trotzdem ein Set genormter Tassen und Kaye fügt einen ungenutzten Satz Löffel hinzu.

    Am zweiten Weihnachtstag stellen wir fest, dass es gar keinen offiziellen zweiten Weihnachtstag gibt. Wir fahren zu Fast Eddies in Illinois. Dort gibt es „Steak on a Stick“, gebratenes Fleisch auf einem Schaschlik-Spieß. Und jede Menge Alkohol. Kayes und Vics Freunde Maggie und Mike leisten uns Gesellschaft. Maggie kommt aus Kanada und in Kanada wird heute der Boxing Day gefeiert. Früher war das der Tag, an dem die reichen Adeligen in England ihre Bediensteten beschenkt haben. Grund genug für uns, anzustoßen.

    Nach den Weihnachtsfeiertagen neigt sich unsere Zeit bei Vic und Kaye mit rasanten Schritten dem Ende zu. Vic nimmt uns mit auf eine Tour durch St. Louis. Im 19. Jahrhundert war St. Louis als „Tor zum Westen“ Amerikas eine der bedeutendsten Städte der USA. Heute hat die Innenstadt eine der höchsten Kriminalitätsraten landesweit. Man erkennt dennoch die zerbröselnden Verzierungen an den Fassaden der Gebäude und könnte streckenweise meinen, man befindet sich auf der Düsseldorfer Kö. Die Architektur haben die vielen deutschen Einwanderer mitgebracht, erklärt Vic, der selbst in besseren Zeiten in St. Louis aufgewachsen ist. Wir fahren alle wichtigen Orte seiner Kindheit ab und gönnen uns ein Eis beim besten Eisverkäufer. Eine amerikanische Eiskugel entspricht übrigens 4-5 deutschen Eiskugeln. Kein Wunder, dass meine Klamotten am Ende voller Schokolade sind.

    Wir verbringen einen wunderbaren Nachmittag und Abend mit Joe ehemaligem High School Lehrer Bill Myers und seiner Frau Peggy. Bill hat Joe damals im Programmieren unterrichtet (er hat sozusagen den Grundstein gelegt) und ihn viele Male beim Nachsitzen betreut. Die Stunden fliegen so schnell dahin, dass es fast zehn Uhr ist, als wir am Abend nach Hause aufbrechen.

    Am letzten Tag scheint die Sonne über Missouri und Joe möchte mir unbedingt die „Gateway Arch“ zeigen. Das ist ein 192 Meter großer Torbogen, der das Tor zum Westen verbildlicht. Wie man in diesem dünn geschwungenen Bogen mit dem Fahrstuhl nach oben kommen soll, ist mir ein Rätsel. An der Kasse müssen wir verneinen, dass wir Platz- oder Höhenangst haben. Kurze Zeit später finde ich heraus, wieso: die Fahrstühle sind kleine Boxen, in die man sich mit 4-5 Mann quetscht, die einen daraufhin wie eine Gondel nach oben befördern.
    „Man kann nur im Winter hochfahren“, sagt Kaye, „Im Sommer teilt man die Gondel immer mit jemandem, der nach Schweiß riecht.“
    Oben angekommen muss ich mich am Geländer festhalten, so sehr schwankt das Gebäude. Dafür werden wir mit einem Blick über das sonnige Missouri bis hin zum Horizont belohnt.

    Abends dürfen wir dann noch Zeugen davon werden, wie Vics und Kayes Sohn Scott seiner Christie einen Heiratsantrag macht. Wir finden, die beiden passen wie Topf und Deckel und freuen uns, bei einem so wichtigen Moment im Leben dabei sein zu dürfen. Christies Sohn Gage findet es lustig, dass wir eine ganz andere Sprache sprechen als er und möchte für einen Haufen Wörter die deutsche Bezeichnung wissen. Wir übersetzen „Tannenbaum“, „Weihnachtsmann“, „Kronleuchter“ und „Kerzenständer“ und müssen über sein Gekicher hinweg zugeben, dass das tatsächlich nach einer sehr komischen Phantasiesprache klingt.

    Eine besinnliche Weihnachtszeit geht zu Ende. Sie war anders als in Deutschland und trotzdem nicht weniger festlich. Wir sind eingeladen, unser White Christmas jederzeit zu wiederholen und wir sind entschlossen, unserer amerikanischen Familie so schnell wie möglich wieder einen Besuch abzustatten.
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  • Day 60

    Coming home for Xmas

    December 22, 2022 in the United States ⋅ ☁️ -15 °C

    Früh am Morgen sitzen wir am Flughafen, um unseren Flieger nach St. Louis zu erwischen. Weihnachten feiern wir mit Vic und Kaye, Joes Gasteltern aus Amerika, die über die Jahre zur eigenen Familie geworden sind. Während wir am gläsernen Gate sitzen läuft nonstop amerikanische Weihnachtsmusik. Jeder trägt einen Cappuccino oder einen Hund im Arm, ganz zu schweigen von den vielen Kindern, die ihren Eltern an der Hand in Pyjamas folgen. Jeder ist unterwegs nach Hause und wir fühlen uns wie in einem amerikanischen Weihnachtsfilm.

    „Ich hab’ extra nochmal umgebucht, bevor alles eingeschneit ist“, sagt ein Sitznachbar von uns.
    Das klingt sehr absurd - bedenkt man, dass es in Tampa immer noch 20 Grad warm ist.
    Missouri hingegen erwartet ein Rekordtief von -20 Grad über die Weihnachtstage.
    „Wenn ihr irgendwas noch erledigen wollt - macht es heute!“, sagt Vic, als er uns am Flughafen abholt.
    Es ist wirklich sehr, sehr kalt. Und während wir im Wohnzimmer sitzen und mit Smokey, dem Kater, spielen, fängt der Schnee an zu fallen und bedeckt alles mit einer weißen Schicht.

    Und plötzlich ist alles weihnachtlich. Es herrscht Ruhe, wir liegen auf der Couch und lesen oder gucken Fernsehen und fühlen uns wie zwei Teenager, die Weihnachten zuhause bei ihren Eltern verbringen. Da es wegen der Kälte nicht viel zutun gibt, baue ich mein erstes Lebkuchenhaus. Kaye räumt extra etwas von ihrer Weihnachtsdekoration zur Seite, um es auszustellen und ich freue mich heimlich wie ein Kind darüber.
    Eigentlich will ich auch Joes Weihnachtsgeschenk einpacken (zwei Tüten Haribos), muss sie aber schnell unter der Couch verstecken, weil er ins Wohnzimmer platzt. Am nächsten Morgen hat Smokey die Haribos gefunden - und ein altes Lego-Weihnachtsset, dass Vic und Kaye vor Jahren für Scott gekauft haben. Abends habe ich einen Adventskranz daraus gebaut.

    Wir besuchen alte Freunde von Joe. Sie schlagen ihre Hände überm Kopf zusammen, als er stolz erzählt, dass er mir als Attraktion von St. Charles den Walmart gezeigt hat. Alle sagen, er hätte sich kein bisschen verändert. Ich sage, er wird mit jedem Jahr schöner.

    Abends schauen wir Weihnachtsfilme. Einmal fahren wir auch zu einer Bar, in der ein Bild von unseren Freunden Johannes und Amadeus an der Wand hängt. Darüber steht „Schützenfest 2009, Wevelinghoven, Germany“. Keiner weiß, wie das Bild dorthin gekommen ist. Es hing einfach irgendwann da.
    Während wir es betrachten hören wir auf einmal von der Seite ein: „Hey, du bist doch Joe, oder?“
    Es stellt sich heraus dass einer von Joes Schulkameraden zufällig in der Bar ist. Nach all den Jahren erinnert er sich an Joes Gesicht.
    „Seht ihr“, grinst Joe, nachdem beide einen Shot getrunken haben, „ich hab euch doch gesagt, dass ich berühmt hier bin!“

    Auf dem Rückweg bewundern wir die Weihnachtsdekorationen. Fast jedes Haus ist vom Dach bis zur Straße mit leuchtend bunten Lichterketten geschmückt, die bunt in der Dunkelheit blinken. Von vielen winken uns aufgeblasene Schneemänner, Pinguine und Weihnachtsmänner entgegen. It’s beginning to look a lot like Christmas, everywhere you go. Weihnachten kann kommen.
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  • Day 57

    Florida

    December 19, 2022 in the United States ⋅ ⛅ 23 °C

    Florida ist unser Zwischenstop auf dem Weg in die Weihnachtsferien. Mit 23 Grad ist es hier rund 10 Grad kälter als in Aruba und wir müssen zu unserer Schande gestehen, dass wir frieren. Was tolle Aussichten sind - denn St. Louis, wo wir Weihnachten verbringen, droht ein Rekordtief von -19 Grad über die Feiertage. Innerhalb einer Woche kommen wir also auf 50 Grad Temperaturunterschied.

    Wir verbringen unsere ersten Tage in Fort Lauderdale in einem kleinen Motel, das keine Menschen unter 25 Jahren aufnimmt. Beim Einchecken müssen wir eine Reihe von Papieren unterschreiben, keine Handtücher zu klauen, keinen exorbitanten Dreck zu verursachen und nicht das Zimmer zu vernichten. Joe fragt nach, ob das tatsächlich vor kommt und die Frau sagt nur kopfschüttelnd „Springbreak“. Auch von Uber Fahrern erfahren wir, dass an Springbreak so viele Leute ausrasten, dass die Partytage tatsächlich schon phasenweise verboten wurden.

    Wir eskalieren nicht, sondern fahren in die Everglades, um Alligatoren zu besichtigen. Alligatoren gehören nicht gerade zu meinen Lieblingstieren. Seit Peter Pan halte ich sie für verfressene Fieslinge, die Psychoterror mit ihren Opfern betreiben.
    „Halt’ nicht deine Hand über Wasser und sag’ Bescheid, wenn du es ticken hörst“, sage ich, als ich Joe den Platz am Rand des kleinen Bootes überlasse, das für mein Empfinden ein bisschen zu  tief im Wasser liegt. Die Alligatoren müssen nur ihre Köpfe aus dem Wasser herausstecken für einen Finger-Snack.
    Tatsächlich scheint meine Sorge aber unbegründet zu sein, denn es ist kein Alligator zu sehen. Scheinbar sind es nachtaktive Jäger, die sich tagsüber nur faul in der Sonne aufwärmen. Da es bewölkt ist, tauchen sie heute gar nicht erst aus dem Wasser auf. So ist das in der freien Natur.
    Wir wollen gerade mit dem Boot zurück zum Anlegesteg fahren, da taucht auf einmal mitten auf dem Fluss ein Alligator aus dem Wasser. Er schwimmt direkt auf uns zu. Während das Boot dreht und wendet, damit jede Seite das Tier sehen kann, zieht es selbst neugierig seine Runden um uns und betrachtet jeden Einzelnen. Wir scheinen kein interessanter Snack zu sein, denn es taucht wieder ab und wir machen uns auf den Weg zum Festland.

    Es folgt der Besuch einer Alligator Show und wir werden mal wieder davon überzeugt, dass sich Shows und Tierschutz einfach nicht vereinbaren lassen. Wir hatten gehofft, vielleicht ein bisschen mehr Informationen über die Tiere zu bekommen. Stattdessen erzählt uns der sogenannte Tierpfleger vermeintlich witzige Anekdoten über die brutalen Verletzungen, die seine Kollegen bei Shows mit Alligatoren davon getragen haben. Dabei sitzt er lässig auf dem Rücken eines Tieres, dem er mit beiden Händen das Maul fest zu hält. Er zeigt uns noch ein, zwei supergefährliche Tricks, indem er zum Beispiel sein Kinn auf den Kiefer des Alligatoren legt und den Kopf genau im richtigen Moment weg zieht. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass ich bei diesem Spiel für den Alligator bin. Zum Abschluss werden wir gebeten, bitte ein ordentliches Trinkgeld dazulassen, da dies sein einziger Verdienst sei und er nur deswegen sein Leben riskiere. Wir lassen kein Trinkgeld da in der Hoffnung, dass er von selbst auf die Idee kommt sein Geld irgendwo anders zu verdienen. Aber wir bezweifeln, dass sich das ändern wird, denn die Alligator Show wird damit begründet, dass man die Tiere, sobald sie einmal aus irgendwelchen Vorstadtgärten eingefangen sind, nicht mehr aussetzen darf - sie würden sofort zurück in die Gartenteiche krabbeln, aus denen sie gezogen wurden. Und erschießen sei ja auch keine Lösung. Während ich mir die Tiere so angucke frage ich mich, ob ich nicht lieber ein schnelles Ende finden würde anstatt den Rest meines Hundertjährigen Lebens in einem Sandgehege zu liegen und sinnlose Spielchen zur Unterhaltung der Touristen aufführen zu müssen.

    Auf der Fahrt zu den Everglades bekommen wir übrigens am Rande das WM-Finale mit, denn unser Bus hat einen Bildschirm. Der Empfang läuft allerdings nur im Stehen, daher können wir den Spielstand immer nur bei roten Ampeln überprüfen. Der Fahrer drückt uns sein Handy in die Hand, damit wir ihn auf dem Laufenden halten können. Als es schließlich ins Elfmeterschießen geht, hält er einfach am Straßenrand. Der Rest der Gruppe wird erst eingesammelt, als Argentinien Weltmeister ist.

    Am nächsten Tag fahren wir nach Tampa. Wir nehmen mit unserem Mietwagen den Umweg durch das Big Cypress National Preserve. Weil es ein wolkenfreier Tag ist, liegen jede Menge Alligatoren am Straßenrand und lassen sich die Sonne auf den Rücken scheinen. Sie sind so entspannt und regungslos mit so großen, dunklen Augen, dass wir verstehen können, wieso manche Leute sich dazu verleiten lassen, auszusteigen und sie anzufassen. Was in 99,9% der Fälle eine richtige dumme Idee ist.

    Mit allen Gliedmaßen erreichen wir Tampa und damit unser vorletztes Hotel. Jetzt heißt es „Socken an und Mütze auf“, denn ab morgen wird es eisig.
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  • Day 52

    Aruba

    December 14, 2022 in Aruba ⋅ ☀️ 28 °C

    Für den Flug von Curaçao nach Aruba haben wir Plätze bei „Divi Divi Air“ gebucht. „Divi Divi Air“ - das klingt erstmal nach „Der Name war uns egal und die Sicherheitsvorkehrungen sind es auch“. Auch hier gilt wieder freie Platzwahl. Die Propellermaschine ist so klein, dass wir ohnehin alle mehr oder weniger übereinander sitzen. Es gibt keine Cockpittür und keine Sicherheitseinweisungen.
    „Na ja“, denke ich mir, „so ein kleines Flugzeug entführt sowieso keiner. Und bei den engen Sitzen hocken wir ja quasi schon in der Brace Position.“
    Es ist ein Katzensprung nach Aruba. In nur 30 Minuten sind wir da. Kaum zu glauben, dass es bei der kurzen Distanz tatsächlich keine Bootsverbindung mehr zwischen den Inseln gibt.

    Den ganzen Tag über merke ich schon, dass ich Halsschmerzen kriege. Am nächsten Tag habe ich eine ausgewachsene Angina. Okay, kein Problem, denken wir uns. Legen wir uns einfach entspannt an den Strand. Dort angekommen wird uns gesagt, dass keine Liegen mehr übrig seien.
    "Aber es ist wie spät - 10 Uhr?", fragt Joe.
    "10.11 Uhr", bestätigt der Strandwart.
    "Wann müssen wir denn hier sein für Liegen?", frage ich.
    "Um 11."
    "Ja, aber es ist 10.11 Uhr!"
    "Ja, genau. Aber ihr müsst um 8 Uhr hier sein, wenn ihr eine Strandliege haben wollt."
    Okay. Was für ein Hotel stellt gerade mal so viele Liegen bereit, dass sie um 8 Uhr schon vergriffen sind? Eins, was Geld machen möchte. Wir können nämlich für 40 Dollar pro Person eine Liege mieten oder uns mit klapprigen Plastikstühlen zufrieden geben, die der Strandwart formvollendet vorm nächsten Mülleimer platziert. Hätten wir nicht schon die letzte Woche am Strand verbracht würden wir uns vermutlich darüber aufregen, dass die Richtlinien des Hotels unserer Urlaubsentspannung im Wege steht.

    In den kommenden Tagen findet Joe heraus, dass man die letzte Strandliege um 7.30 Uhr ergattert. Um vorn in der ersten Reihe am Meer liegen zu können, müsste man um 5.30 Uhr sein Handtuch werfen.
    Wir begnügen uns an diesem ersten Tag erstmal mit dem Poolbereich. Es gibt drei verschiedene Pools: einen für Kinder, einen für Erwachsene und einen, um sich zu betrinken. Dort sind feste Hocker und Tische im Wasser eingelassen, auf denen Touristen mit roten Köpfen in der prallen Sonne sitzen und sich Bier aus Eiseimern gönnen. Ständig fühlt sich jemand dazu berufen, zu Whitney Houston die Hüften zu schwingen, ob er nun gerade auf seiner Liege liegt oder im Pool schwimmt oder einfach nur mitten im Weg steht - egal. Jeder fühlt sich hier frei, das zu tun wonach ihm ist.
    Ich sitze währenddessen mit Joe an der Bar und verfolge mit hochgezogenen Augenbrauen, wie alle anderen die Happy Hour abfeiern und sich dabei vom Animateur in die Extase pushen lassen ("When I say happy you sag hour! Happy! Hour! Happy! Hour!") Offiziell finde ich das Ganze höchst lächerlich, aber inoffiziell würde ich jetzt auch gern am Rand eines Sonnenstichs durch den Pool torkeln und mir mit einem Bahama Mama das Resthirn wegzwitschern.

    Joe nutzt die Happy Hour trotzdem und trinkt die 2 für 1 Cocktails einfach alleine, während ich mit meiner Sprite daneben sitze und mit dem Schal um meinen Hals völlig spaßbefreit aussehe. Die erzwungene Nüchternheit hat aber auch ihre Vorteile: gleich an 2 Tagen bringt die Kellnerin uns eine Rechnung, auf der die Happy Hour nicht berücksichtigt wurde. Beim ersten Mal wundern wir uns über den hohen Preis, bezahlen aber gutmütig,  (wird schon stimmen), beim zweiten Mal schauen wir etwas genauer hin und fragen die Kellnerin. Daraufhin verliert sie ihr Lächeln, korrigiert den Beleg und behandelt uns mit eiskalter Verachtung. Es scheint hier Masche zu sein, die Leute mit der Happy Hour in die Bar zu locken und am Ende voll abzurechnen. Und es geht auf: die meisten der Gäste zücken betrunken und entspannt ihre Kreditkarten, ohne auf den Preis zu achten.

    Es gibt noch ein paar andere Möglichkeiten, Geld zu machen: Zimmerservice gibt es hier nur alle 4 Tage. Solange soll man den Sand mit seinen nackten Füßen in möglichst jede Ecke des Zimmers tragen. Umweltschutz ist nicht der Grund für diese Reinigung-Philosophie, denn Handtücher werden täglich gewechselt. Ich frage an der Rezeption, ob man zumindest grundsätzliche Dinge machen wie z.B. das Badezimmer saugen kann, woraufhin am folgenden Tag auch wirklich nur das Badezimmer gesaugt wird - mehr nicht.

    Meine Mail ans Hotel, wie Gäste sich in dem Dreck entspannen sollen, bleibt erstmal unbeantwortet. Dafür kriegen wir einen Brief unter die Tür geschoben, in dem uns erklärt wird, dass wir die Klimaanlage immer laufen lassen sollen, um Schimmel zu vermeiden. Er endet folgendermaßen:
    "Sollten wir noch einmal bemerken, dass Sie die Klimaanlage in Ihrem Zimmer ausgeschaltet haben, werden wir Ihnen 300 $ berechnen. Wir hoffen, Sie genießen Ihren Urlaub bei uns!"

    Am selben Abend werden wir angerufen, ob wir nicht an einem Time-Share Programm interessiert sind. Dann könnten wir für einen bestimmten Betrag im Jahr mehrere Wochen in diesem tollen Resort verbringen. Joe lehnt dankend ab.

    Drei Tage dauert es, dann ist die Angina halbwegs ausgeheilt. Als wir morgens aus dem Hotelzimmer gehen, hängen tiefe Wolken am Himmel. Als wir mit dem Fahrstuhl im Poolbereich ankommen, gießt es in Strömen.
    "Hey, Lorenzo!", frage ich den Animationschef, der uns immer so freundlich nach unseren Tagesplänen fragt, "Was macht man in Aruba an einem Regentag?"
    Schweigen. Dann: "Legt euch am besten wieder ins Bett."
    Wir legen uns nicht ins Bett, wir warten einfach 30 Minuten, dann ist der Regen vorbei gezogen. Und als wir Lorenzo nach Plänen für einen sonnigen Tag fragen, stellen wir fest, dass der einzige Programmpunkt das kostenlose Frühstück ist, bei dem das Time-Share Programm vorgestellt wird.

    Wir gehen lieber an den Strand, wringen die nassen Handtücher aus und lassen uns mitsamt ihnen trocknen. Heute springe ich endlich wieder ins Wasser, das mit seinen hohen Wellen allerdings nicht sehr einladend aussieht. Kaum bin ich knietief  voran geschritten, rollt eine Welle auf mich zu und türmt sich mannshoch über mir auf. Ich will noch weglaufen, da schlägt sie über mir zusammen und spült mich kopfüber zurück an den Strand.
    "Aruba ist nicht meine Insel!", schimpfe ich, als ich klatschnass wieder bei unseren Liegen bin, "Selbst das Meer hat mich ausgespuckt!"

    Aruba war sehr viel touristischer als Curaçao. Curaçao war ruhiger, entspannter und authentischer. Auf Aruba bestand kaum eine Chance, den Hotelkomplex zu verlassen und die Insel an sich kennenzulernen. Das mag zum Teil daran liegen, dass wir wegen meiner Angina mehrere Tage ans Hotel gebunden waren. Bei einer Bootstour am letzten Tag hat uns der Kapitän erklärt, dass hier wenig angebaut und produziert wird. Die Insel lebt also vom Tourismus. Was völlig in Ordnung ist. Unser Hotel hat es aber auf die Spitze getrieben, indem es die Touristen bis aufs Letzte ausnimmt. Wie in einer schlechten Satire haben wir das Treiben auf unseren Liegen beobachtet. Und die Klimaanlage brav eingeschaltet gelassen. Auf 32 Grad.
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  • Day 48

    Curaçao

    December 10, 2022 in Curacao ⋅ ☀️ 27 °C

    Curaçao ist eine Karibikinsel wie aus dem Bilderbuch: weiße Strände und türkisblaues Wasser, das so klar ist, dass man oft trotz mehreren Metern Tiefe noch den Grund erkennt. Wir genießen die Wärme und schwimmen mit Fischschwärmen. Es gibt Fische aller Farben und Größen: leuchtend blau, mintgrün mit rosanem Muster, türkis und lila und manche von ihnen leuchten von innen. Jeden Tag besuchen wir einen anderen Strand. Joe geht dann ins steil abfallende Wasser und legt die Sicherheitsgrenze fest, hinter der man angeblich von der Strömung ins Meer gezogen wird. Manchmal beweise ich ihm, dass er trotz seiner hinreichenden Qualifikation (Seepferdchen-Abzeichen) falsch liegt.

    Wenn wir abends zurück in unser Hotel fahren, ist es fast so, als würde man in Roermond im Einkaufszentrum einkehren: jedes Häuschen von Willemstad ist in einer anderen bunten Farbe bemalt. Kulinarisch ist Curaçao eines meiner Lieblingsländer: es gibt Frikandel und Pommes Special. Aber auch Joe kommt auf seine Kosten mit frischem Fisch und Sushi. Einmal sitzen wir einem Fischrestaurant auf der Terrasse in unmittelbarer Nähe zu den Langusten. Ich bin wirklich ein kleiner T-Rex, aber eines der wenigen Tiere, deren Verzehr ich verweigere, sind Langusten.
    „Guck mal“, sage ich zu Joe, „Ich könnte die jetzt einfach alle nehmen und über die Brüstung hier zurück ins Meer werfen.“
    „Tu’ das bitte nicht“, erwidert er, „Ich glaub’ nicht, dass unsere Kreditkarte das decken würde.“

    Wenn wir nach einem heißen Strandtag ins klimatisierte Einkaufszentrum einkehren, um uns mit Wasser und Eistee auszustatten, ist es höchst befremdlich, Mariah Carey „All I want for Christmas is you“ flöten zu hören. Weihnachten ohne Kälte fühlt sich seltsam an. Noch bizarrer sind der winzige Plastiktannenbaum auf unserem Hotelzimmer und die lachenden Schneemänner in den Schaufenstern. Bei konstanten 30 Grad wäre uns als Schneemann eher nach Weinen zumute. Als wir an einem Abend nach dem Essen mit einem Eis in der Hand durch die enge Fußgängerzone schlendern, steht plötzlich Santa mitsamt zweien seiner Elfen vor uns und schwingt fröhlich die Glocke in seiner Hand. Und unser erster Gedanke ist: „Junge, du hast dich in der Jahreszeit vertan.“

    Apropos Eis: Am ersten Abend fühle ich, wie einer meiner hinteren Zähne sich plötzlich anders anfühlt. Joe leuchtet mit seiner Handytaschenlampe den Tatort ab und bestätigt, dass mir tatsächlich ein kleines Stück abgebrochen ist.
    „Vielleicht kommt die Zahnfee dann wenigstens heute Nacht“, sage ich, nachdem ich den ersten Schock über die Erosion meiner Zähne überwundet habe.
    „Du bist zu alt für die Zahnfee“, erhalte ich als Antwort.
    Toll, ich bin also alt genug, dass mir die Zähne ausfallen, aber zu alt, um dafür noch belohnt zu werden.

    Wollen wir hoffen, dass wenigstens Santa ein Einsehen hat und unser Alter ignoriert, wenn wir ihm Cookies und Milch bereitstellen.
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  • Day 43

    Panama Stadt

    December 5, 2022 in Panama ⋅ 🌧 26 °C

    Die Abreise von Bocas del Toro erfolgt diesmal nicht per Motorboot, sondern mit der Propellermaschine. Etwas verwundert schauen wir auf unsere Bordkarten, denn es gibt keine Sitzplätze.
    „Setzt euch einfach hin, wo Platz ist“, sagt der Mann am Schalter.
    Gerade als wir zur Security gehen, ruft er uns hinterher: „Hey, wollt ihr vielleicht die frühere Maschine in 15 Minuten nehmen? Da ist auch noch Platz frei!“
    So landen wir etwa anderthalb Stunden früher in Panama als geplant.

    Panama-Stadt ist ein Mix aus allem: eine silberne Skyline aus Wolkenkratzern, eine bunte Altstadt, Küstenboulevard und wild bewachsene Berge im Hintergrund. Dazwischen tummeln sich amerikanische Ketten (u.a. eine der ältesten McDonalds-Filialen der Welt) und zahlreiche asiatische Restaurants. Die Stadt ist ein Sammelpunkt für alle kulturellen Einflüsse.

    Hauptgrund hierfür ist der Panama-Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Schon vom Flugzeug aus können wir die riesigen Schiffe sehen, die sich alle einreihen, um den Kanal zu durchqueren. Die Passage dauert etwa 12 Stunden und man spart sich die Rundfahrt um ganz Südamerika, was in etwa 3 Wochen dauern würde. Kein Wunder also, dass die Schiffe tagelang anstehen und bis zu 1 Mio. Dollar zahlen.

    Als wir den Kanal am nächsten Tag besichtigen, erzählt Dan, unser Guide, dass es die Franzosen waren, die mit dem Bau des Kanals begonnen haben, aber aufgrund von Malaria und Gelbfieber aufgeben mussten, nachdem sie etwa 22.000 Arbeiter verloren hatten. Die Amerikaner haben den Kanal ein Vierteljahrhundert später zu Ende gebaut, indem sie vorher mehrere Ärzte in die gefährlichen Regionen geschickt haben, um durch Straßenbau und ein Abflusssystem der Mückenplage Herr zu werden.

    Sechs Stunden am Tag fahren Schiffe von der Atlantikseite in den Kanal und passieren die Schleusen, dann wechselt die Fahrtrichtung und die Schiffe von der Pazifikseite dürfen passieren. Wir beobachten, wie ein riesiges Containerschiff, beladen mit Autos, in die Schleuse einfährt und angehoben wird.
    „Und, willst du auch mal durchfahren?“, fragt Joe.
    „Auf jeden Fall“, sage ich, „Aber auf einem Containerschiff.“
    Ich habe nämlich erstens wenig Lust, mich um einen Sichtplatz boxen zu müssen und zweitens stelle ich mir die Durchfahrt auf einem Containerschiff viel authentischer vor. Ich spüre, wie Joes Hand auf meiner Schulter aufschlägt. „Der Horst ist stark in dir.“
    Ich grinse, denn ich weiß, dass Joe mindestens genauso begeistert ist von der Technik und Präzision, die hier angewandt wird. Der Panama-Kanal ist ein modernes Weltwunder. Und der Beweis dafür, dass alle großen Erfindungen mit einer absurden Idee beginnen.

    Nachdem das riesige Schiff zentimetergenau durch die Schleusen gezogen worden ist, fahren wir weiter ins Casco Viejo, das Altstadtviertel Panamas. Farbenfrohe Häuser säumen hier die eng gepflasterten Straßen. Wir besuchen das Central Hotel Panama, in dem schon amerikanische Präsidenten geschlafen haben. Die Inneneinrichtung mit der ausladenden Holztreppe erinnert uns an die Titanic. Wir schießen Fotos, Joe ist aber schnell am WM Spiel interessiert, das in der Bar gezeigt wird und mein Blick fällt auf den großen, weißen Flügel.
    „Setz’ dich, setz’ dich, ich mach’ ein Foto!“, sagt Dan und ich setze mich auf den Hocker.
    Schon setzt sich ein Mann neben mich und zeigt mir einen Akkord, den ich spielen soll, um ihn zu begleiten. Zusammen spielen wir eine Melodie. Er spricht so schnelles, fremdes Spanisch, dass wir uns nicht austauschen können. Als er Halleluja von Leonard Cohen anspielt, stimme ich ein und übernehme die Hauptmelodie, während er auf die Begleitung überspringt. Wie wir beide so zusammen spielen wird mir klar, dass es andere Wege als Sprache gibt, um sich auszutauschen.

    Immer wieder wird der Tag von heftigen Regenschauern überdeckt.
    „Ich versteh’ nicht, woher dieser Regen kommt“, sagt Dan und schaut durch die Windschutzscheibe gen Himmel.
    „Oh, das ist unser Regen“, sagen wir, „Der verfolgt uns seit Costa Rica. Keine Sorge, morgen ist der weg.“
    Wir haben allerdings keinen Grund, uns zu beschweren. Denn in den Stunden, in denen die Sonne scheint, ist es weit über dreißig Grad. Da tut die Regenwasserdusche nahezu gut.

    Es gibt Orte, bei denen beschließt man schon früh im Leben, dass man sie sehen muss. Der Panama-Kanal war für uns beide so ein Sehnsuchtsort. Mit ihm haben wir das südlichste Ziel unserer Lateinamerika Reise erreicht. Wir haben weit mehr gesehen, als wir uns vorgenommen hatten, denn immer wieder haben sich überraschend Türen auf dieser Reise geöffnet. Wir haben Orte besucht, von denen wir nie gehört hatten und Menschen getroffen, die uns berührt haben. Wir sind reicher geworden. Reicher an Erfahrung, an Perspektiven, an Erinnerungen.

    Bevor wir uns in eisigere Gefilde verabschieden, genießen wir die Sonne in den kommenden Wochen noch einmal ausführlich in der Karibik. Welche Schätze wir da finden? Wahrscheinlich kein Gold, dafür aber sicherlich ein paar immaterielle Güter.
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  • Day 39

    Oh, wie nass ist Panama

    December 1, 2022 in Panama ⋅ ⛅ 27 °C

    Nach regnerischen Tagen im Nebelwald sehnen wir uns nach Sonne und Strand und ein bisschen Wärme. Genau das verspricht die Insel Bocas del Toro in Panama. Karibische Strände, warmes Wasser und leuchtende Seesterne. Um dorthin zu gelangen nehmen wir morgens um halb sechs den Shuttlebus in San Jose (Costa Rica). Wir fahren bis Mittags durch, dann gibt es eine Mittagspause kurz vor der Grenze. Während wir unsere Wraps verspeisen schwimmt im Teich zu unseren Füßen eine Wasserschildkröte von der Größe eines Pizzatellers auf uns zu. Ich strecke ihr meinen Finger entgegen, denn in Flores kamen die kleinen Schildkröten dann immer neugierig aus dem Wasser geklettert. Dieses Exemplar öffnet sein riesiges Maul und will zubeißen. Gerade rechtzeitig kann ich das ungewollte Zusammentreffen noch abbrechen.

    Als es nach der Mittagspause auf die Grenze zu geht, öffnet der Himmel seine Schleusen und der Regen fällt sintflutartig vom Himmel. Unsere Regensachen sind natürlich im Koffer verstaut, aber unser Fahrer drückt jedem beim Aussteigen eine Mülltüte als Schutz in die Hand. Um aus Costa Rica ausreisen zu dürfen, muss man 8 Dollar am Grenzübergang bezahlen. Wir fragen uns, was die Konsequenz wäre, wenn wir uns weigern und einfach hier bleiben würden. Während Joe unsere Ausreiseschulden zahlt, ziehe ich unsere Regencapes alias Umweltsünden aus dem Koffer, die wir in Tikal gekauft haben.

    Es schüttet wie aus Eimern, als wir unsere Koffer über die Brücke über einen Fluss namens Río Sixaola nach Panama ziehen. Dort angekommen müssen wir wieder durch eine Grenzkontrolle. Diesmal dürfen Joe und ich nicht gemeinsam einreisen sondern müssen einzeln vorsprechen. Mein Zollbeamter nuschelt durch die dicke Glasscheibe auf Spanisch und lacht nur, als ich ihn bitte, langsamer und/oder deutlicher zu sprechen. Der Scanner, der meine Fingerabdrücke aufnehmen soll, funktioniert nicht. Während alle anderen Mitreisenden schon fertig mit ihrer Grenzkontrolle sind wischt der Beamte mit einem schmuddeligen Tuch erst über den Scanner und dann über meine Finger. Irgendwie schaffe ich es dann doch, auf legalem Wege einzureisen.

    Es geht weiter mit dem Bus zur Küste. Dort soll uns eine Fähre nach Bocas del Toro bringen. Die Fähre entpuppt sich als altes Motorboot mit viel zu wenigen Rettungswesten. Die Koffer werden am Bug unterm Steuerrad verstaut, während wir uns auf den überfüllten Planken einen Platz suchen. Eng aneinander gedrängt kämpft unser Boot sich vierzig Minuten durch die stürmische See nach Bocas del Toro.

    Dort angekommen fahren wir ans Ende der Insel zu einem Hotel namens Bird Island. Hier gibt es nichts außer Entspannung. Das Wetter ist weiterhin unbeständig, also verbringen wir unsere Tage in der Bar, um immer wieder bei Sonnenpausen in den Pool zu springen. Sobald der Regen einsetzt werden wir von Dillan, dem Barkeeper, mit Bier versorgt. Das Essen ist extrem gesund mit vielen exotischen Früchten und fremdem Gemüse. Während Joe diesen gesunden Lebensstil genießt sehne ich mich nach allem, was durch eine Fritteuse gejagt werden kann. Wir verbringen unsere Tage lesend, spielend und ich gehe sogar zum Yoga.

    In einer ausreichend großen Regenpause besuchen wir den Starfish Beach und bewundern die fußgroßen leuchtend orangefarbenen Seesterne im kristallklaren Wasser. Joe entdeckt einen Mann am Strand, der seinen Freunden die Haare schneidet. Er fragt, was ein Haarschnitt kostet und entscheidet, sich für 3 Dollar kurzerhand einen Friseurbesuch zu gönnen. Als ich dem Friseur erkläre, dass die Seiten zuhause immer auf neun Millimeter getrimmt werden, lacht er und hebt seinen Rasier und sein Messer und sagt, ich könne mich entscheiden.
    „Ich will einfach dieselbe Frisur wie der da!“, sagt Joe und zeigt auf den jungen Mann, dessen Haarschnitt seinem am ähnlichsten ist.
    Als der Friseur daraufhin anfängt, die Haare an den Seiten komplett abzunehmen, ahne ich Böses. Aber im Ergebnis steht der neue, kürzere Haarschnitt Joe so gut, dass er überlegt, sich auch zukünftig in Deutschland die Haare kürzer schneiden zu lassen.

    Das Hotel veranstaltet eine Salsa-Nacht und Joe verkündet den Angestellten mehrfach, dass er nicht daran teilnehmen möchte. Als Begründung nennt er die 6 Dollar Teilnahmegebühr. Schließlich schlägt meine Yogalehrerin Mira beim Frühstück auf den Tisch und sagt: „Weißt du was, Joe, ich lad’ dich heute Abend ein!“
    Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als abends mit uns die Hüften zu schwingen. Und dafür, dass er so außerordentlich wenig Lust hatte, zeigt er einige überraschende Dance-Moves.

    Viel zu schnell sind unsere ruhigen Tage am Ende der Welt vorüber gezogen. Selten haben wir in einem Hotel so viele tolle Bekanntschaften mit dem Personal geschlossen. Auch unsere Mitreisenden, mit denen wir vier Tage in der kleinen Bar gehockt und auf besseres Wetter am Horizont gewartet haben, sind uns ans Herz gewachsen. Das Einzige, was uns nach Panama Stadt lockt, ist die Aussicht auf besseres Wetter. Wollen wir hoffen, dass wir hier nicht enttäuscht werden.
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  • Day 34

    Der Regenwald ruft

    November 26, 2022 in Costa Rica ⋅ 🌧 18 °C

    Von den Vulkanen in Antigua geht es nun nach Costa Rica, genauer gesagt nach Monteverde. Hier erwartet uns der Regenwald bzw. Nebelwald.
    Wir fliegen am frühen Morgen von Guatemala City nach San Jose & nehmen von hier aus einen öffentlichen Bus (6 Stunden) nach Monteverde. Netterweise schmeißt uns der Busfahrer direkt vor dem Hotel raus.
    Unser Hotel ist 15-20 Min. Fußweg vom Monteverde Zentrum entfernt, weswegen wir am Abend uns nur noch etwas von einem Foodtruck zu essen holen, der nicht weit entfernt von unserem Hotel ist. Nach dem langen Reisetag ist dann auch nur noch Bettchen angesagt.

    Am nächsten Tag machen wir uns auf in die Stadt, um unsere Aktivitäten zu planen. In Monteverde gibt es nämlich so einiges: Ziplining, Bungee Jumping, High Bridge walks, Klettern, Wasserfälle, und so weiter.
    Wir entscheiden uns am ersten Tag für ziplining. Durch den dichten Wald mit Ziplines zu rauschen dürfte nicht so verkehrt sein.

    Mit einem klapprigen Minibus geht es am Nachmittag Richtung Wald. Wir lernen auf der Fahrt 2 Deutsche kennen, mit denen wir die Tour gemeinsam bewältigen werden.
    Nachdem uns das Equipment angelegt wird gibt es eine kleine Sicherheitseinführung und schon geht es los über die Bäume zum ziplinen. Es macht richtig Spaß durch die Wälder zu rauschen und sich alles von oben angucken zu können. Zwischendurch ist es allerdings auch gut anstrengend, da wir immer mal wieder Strecken zu Fuß aufwärts gehen müssen.
    Die letzen Ziplines sind speziell:
    Man darf (wenn man möchte) im Superman Stil über die Bäume fliegen. Das bedeutet, man wird am Rücken an der Zipline festgemacht, die Beine werden fixiert und man fliegt tatsächlich wie Superman über die Landschaft. Ein wirklich cooles Gefühl.
    Zum Abschluss gibt es noch die Möglichkeit einer Tarzan Schaukel. Man geht auf einen 60 Meter großen Turm, wird festgebunden, der Boden unter einem wird weggeklappt und auf Kommando löst sich der Haken und man fliegt in einem riesigen Schwung über dem Wald. Ein kleiner Adrenalin Kick also nochmal zum Schluss.
    Am Abend gehen wir mit den 2 Deutschen noch etwas essen & trinken und lassen so diesen Tag ausklingen.

    Den nächsten Tag wollen wir mit einer Wanderung im Nebelwald beginnen. Wir fahren also mit dem Shuttle Richtung Nebelwald und beginnen hier unsere Wandertour. Ganze 4 Stunden gehen wir durch den Wald und sind fasziniert von der Schönheit der Natur.
    Wenn man genau hinschaut kann man immer mal wieder Tiere entdecken, alles ist in einer Art Wolke gehüllt und vor allem ist es eines: Nass.
    Der Boden ist nass, alle Bäume und Blätter sind feucht und ab und zu kommt auch ein kleiner Regenschauer runter. Auch die Geräuschkulisse ist einmalig. Hier ein Zirpen, da ein piepen und immer mal wieder Affengeräusche die von irgendwoher kommen. Wir sind hier wirklich mal von der Zivilisation abgetrennt und freuen uns, dass wir kaum Leute treffen auf den Wegen durch den Nebelwald.

    Am letzten Tag in Monteverde müssen wir ein bißchen organisieren. Das liegt vor allem daran, dass ein Koffer von uns ein wenig kaputt gegangen ist (passiert beim Flug von Guatemala nach Costa Rica). Genauer gesagt: Ein Reißverschluss ist auseinander gegangen, weswegen wir jetzt am besten ein Koffergurt benötigen. Leichter gesagt als getan. Wir gucken wirklich in fast allen Geschäften von Monteverde und fragen mehrere Verkäufer ob Sie etwas in der Richtung haben, aber leider hat niemand was vergleichbares.
    Was machen wir also? Wir kaufen eine Wäscheleine und 2 Gürtel und lösen so das Problem:
    2 Gürtel miteinander verbinden und um den Koffer rum festzurren - et voila, eine Art Koffergurt.
    Die Wäscheleine machen wir nochmal eng um den Reisverschluss rum, der sich geöffnet hatte, damit wir sicher gehen können, das keine Spannung darauf ist.
    Wir sind guter Dinge, dass die Konstruktion zumindest noch für diese Reise halten wird.
    Gegen Mittag wollen wir dann was essen und gehen in ein Bistro. Wir bemerken, dass hier das Spanien-Deutschland Spiel nebenher läuft und verweilen in dem Restaurant ein bißchen.
    Vom Hotel wurde uns empfohlen uns das Kolibri Kaffee anzugucken. Wir folgen diesem Rat und fahren am Nachmittag mit dem taxi dorthin. Was sollen wir sagen? Es hat sich gelohnt...
    So viele Kolibris auf einmal haben wir noch nicht gesehen. Das Kaffee hat draußen überall kleine Zuckerwasser-Stationen aufgehangen in den Bäumen und die Kolibris kommen in Scharen angeflogen. Es ist tatsächlich ein kleines Spektakel das sich hier beobachten lässt. Manchmal fliegen die Kolibris auch so nah am Ohr vorbei, dass man Angst hat, sie würden gegen einen fliegen.
    Mit dem öffentlichen Bus machen wir uns am frühen Abend wieder zurück Richtung Monteverde. An unserer Endhaltestelle wird dieser tatsächlich noch von einem LKW angefahren. Der Busfahrer und der LKW Fahrer beschimpfen sich ein wenig und geben sich gegenseitig die Schuld, aber im Prinzip löst sich dann schnell alles auf und alle fahren wieder ihrer Wege. Lustig, wie hier manches einfach so geregelt wird.

    Am nächsten Tag geht es dann mit gepackten Sachen gegen Mittag Richtung San Jose. Wir haben uns ein kleines Shuttle gemietet hierfür (der öffentliche Bus fuhr nur um 07:30 Uhr früh und das war uns zu hektisch). Hier hatten wir Glück, denn bis auf eine weitere Mitfahrerin war keiner an Bord. Dazu war der Fahrer noch sehr nett unterwegs: Als im Radio "GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOLLLL" geschrien wurde, ist er rechts ran gefahren, hat sein Handy rausgeholt und schnell live gezeigt welche Mannschaft wie ein Tor erzielt hat. Zusätzlich dazu, hat er noch an schönen Orten gehalten, die sehr gut für Fotos geeignet waren. Also alles richtig gemacht mit dem Shuttle.

    Da wir am nächsten Morgen unser nächstes Shuttle nach Panama erwischen müssen (um 05.30 Uhr), gehen wir relativ früh ins Bett. Wir bestellen uns noch etwas bei Uber Eats zu essen (ja, das gibt es in San Jose!), decken uns noch mit Getränken und Snacks für die Fahrt ein und schlafen dann schnell ein.
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  • Day 31

    Auf der Suche nach Lava (Pacaya)

    November 23, 2022 in Guatemala ⋅ ⛅ 21 °C

    Antigua, die alte Hauptstadt Guatemalas, liegt in einem Tal, das umgeben ist von aktiven Vulkanen. Als Hobby-Vulkanologen ist es da für uns ein Muss, einen dieser Vulkane zu besteigen. Der Pacaya Vulkan ist einer der aktivsten Vulkane in der Gegend und bietet laut Get-your-Guide spektakuläre Aussichten und ein wahres Lava-Feuerwerk.
    Der Weg dorthin ist erstmal etwas beschwerlich. 7 km Wanderweg führen uns bergauf. Immer wenn ich - als überzeugte Nicht-Sportlerin - unseren Guide frage, wie lang es noch ist, haben wir gerade „die Hälfte geschafft“. Komischerweise wird dann zwanzig Minuten später der ganzen Gruppe verkündet, gerade sei just „die Hälfte geschafft“ worden. Leicht erzürnt erreiche ich mit Joe schließlich das Lavafeld. Hier müssen wir uns einen Weg durch erkaltetes Lava-Geröll bahnen. Das ist ungefähr so als müsse man ein riesiges, farbloses IKEA-Bällebad durchwaten.
    An irgendeinem Punkt mitten auf dem Lavafeld bleiben wir stehen. Hier gibt es nichts als graue Steine und Dampf, der aus einzelnen Löchern an die Oberfläche dringt.
    „So, da wären wir!“, verkündet unser Guide.
    „Wo ist denn die frische Lava?“, frage ich, denn ich habe ohne WLAN keine Ahnung, wie ich mich anders ausdrücken soll.
    „Es gibt hier gerade keine frische Lava“, erwidert der Guide, „Hier hast du ein Marshmallow.“
    Und er drückt ein Marshmallow aus einer Plastikverpackung auf einen Stock und dann mir in die Hand.
    Das ist ein ziemlich schwacher Trostpreis, aber was bleibt uns anderes übrig? Also begnügen wir uns damit, Marshmallows über austretendem Dampf zu rösten und mitsamt Schwefelaromen zu verspeisen. Dabei beobachten wir die Sonne, wie sie langsam in den tief liegenden Wolken zu unseren Füßen versinkt. Das Schauspiel ist spektakulär - wenn auch leider ohne Lava.
    Den Weg zurück bahnen wir uns im Halbdunklen. Kaum, dass wir den Wanderweg erreicht haben, ist es stockfinster. Mit Stirnlampe und Handy-Taschenlampe suchen wir den Weg nach unten ins Tal.
    Lava bleibt also definitiv erstmal auf unserer Must-See-Liste. Grund genug, weitere Reisen zu planen.
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