Lateinamerika

October 2022 - January 2023
A 71-day adventure by Anna Maria & Joe Read more
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  • Day 22

    Holbox

    November 14, 2022 in Mexico ⋅ ☀️ 29 °C

    Unser Freund Amadeus hat uns empfohlen, auf gar keinen Fall Holbox zu verpassen, wenn wir in Mexiko unterwegs ist. Und er hatte vollkommen Recht. Holbox ist eine kleine Insel im Norden der Halbinsel Yucatán. Um dorthin zu gelangen, muss man 30-45 Minuten mit der Fähre übersetzen. Falls ihr euch auch fragt, wie man den Namen ausspricht: Hol-Bosh scheint die richtige Betonung zu sein.

    In Holbox gibt es fast keine Autos. Man benutzt Golfcarts und Motorräder als Fortbewegungsmittel. Fast sind wir ein bisschen enttäuscht, als sich unser „Taxi“ als riesiges Hummer-Golfcart herausstellt. Wir finden schnell heraus, warum es hier so wenige Autos gibt: die Straßen bestehen ausschließlich aus Sand. Die Insel scheint gefühlt nur 50 Zentimeter über dem Meeresspiegel zu liegen, denn die vielen Schlaglöcher sind mit Wasser gefüllt, obwohl es hier selten zu regnen scheint. Es ist eine holprige Fahrt, bei der wir mal die rechte, mal die linke Straßenseite nutzen und immer wieder kleinen Straßenseen und schlafenden Hunden ausweichen müssen.

    Unser Hotelzimmer ist ein Baumhaus mit einer eng gewundenen Holztreppe, an deren oberen Ende eine Planke ins Schlafzimmer führt. Man fühlt sich ein bisschen wie die verlorenen Kinder auf Nimmerland, wenn man dort entlang balanciert. Wenn man morgens wach wird (meist schon vor der Dämmerung), sieht man als erstes die ausladenden Palmblätter vor unserem Haus. Joe flüchtet allerdings in der ersten Nacht, denn wir haben den Ventilator ausgestellt, da ich schnell von Zugluft krank werde. Ohne Wind wird er aber von den Mücken zerstochen. Als ich morgens herunter klettere liegt er im Bett auf der unteren Etage im sicheren Wind des Ventilators. Weil er wach ist, mache ich das Licht an und prompt erlischt alles um uns herum, denn der Strom ist weg.
    „Dann werde ich wohl jetzt wieder zerstochen“, sagt er und schlägt sich die Decke über den Kopf.
    Als wir später fünfhundert Meter weiter die Straße runter in einem kleinen Gartencafé beim Frühstück sitzen, sagt der Kellner den Gästen am Nachbartisch, er könne momentan keinen Kaffee servieren, sie hätten einen Stromausfall.
    „Und wie lange dauert das?“, fragt die Frau.
    „Schwer zu sagen: zehn Minuten, ’ne Stunde, zwei Tage - wir sind hier auf Holbox.“
    Joe wirft mir einen vielsagenden Blick zu und ich zeige mein unschuldigstes Gesicht. Eine halbe Stunde später ist der Strom aber wieder da und unser Baumhaus kann samt Ventilatoren wieder in Betrieb genommen werden.

    Wir verbringen unsere Tage am Strand. Joes Lieblingsort ist die türkisblaue Hängematte, meiner das knöcheltiefe Wasser, wo ich stundenlang sitze und lese. Der Sand ist puderweich und der Himmel strahlend blau. Abends beobachten wir mit einem Mojito und einer Pina Colada, wie die orange leuchtende Sonne im Meer versinkt. Sobald sie den Horizont berührt sieht es aus, als würde sie ins Wasser schmelzen. Danach leuchtet der Himmel noch einmal in allen Rot- und Rosatönen auf, ehe die ersten Sterne auftauchen. Selten haben wir so viele Sterne mit bloßem Auge gesehen. Je länger man auf einen bestimmten Punkt am Himmel schaut, umso mehr Sterne erscheinen. Es sieht aus, als hätte jemand eine gewaltige Käseglocke über uns gestülpt, die mit Lichtern gespickt ist.

    Wir essen fangfrischen Fisch und Garnelen, trinken Cocktails und genießen das Inselleben, bei dem die Zeit ein wenig still zu stehen scheint.
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  • Day 24

    Flug nach Flores ✈️

    November 16, 2022 in Guatemala ⋅ ⛅ 29 °C

    Die Anreise nach Guatemala ist sehr aufregend, weil wir mit einer Propellermaschine fliegen. Ich weiß, es klingt sehr skurril, vielleicht auch beunruhigend, aber obwohl ich ehemalige Flugbegleiterin bin, habe ich vorm Fliegen immer ein ungutes Gefühl. Nicht, weil die Sicherheitsstandarts schlecht sind, im Gegenteil, sondern weil ich Probleme damit habe, mein Leben und meine Sicherheit fremden Menschen anzuvertrauen. Das Ganze potenziert sich in einer kleinen Maschine, deren Motoren dröhnen und die aufgrund der niedrigeren Flughöhe zwangsläufig stärkeren Turbulenzen ausgesetzt ist.
    Joe wäre mit mir auch per Jet nach Guatemala City geflogen, aber dann hätten wir von dort aus den Nachtbus über mehr als 10 Stunden nehmen müssen. Also habe ich mich in die Sicherheit von Propeller-Maschinen eingelesen, die Absturzrate der Airline gegoogelt und mir einen Beitrag aus der Sendung mit der Maus angeguckt, in dem Armin mir erklärt, wie Flugzeuge funktionieren und warum sie in der Luft bleiben. So gewappnet habe ich mich entschieden, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und uns ein bisschen Reisezeit einzusparen.

    Beim Einstieg in die Maschine sehe ich, dass ich nicht die Einzige bin, für die das Ganze aufregend ist: fast jeder außer Joe lacht mindestens einmal nervös auf und es werden eine Menge Fotos auf dem Flugplatz geschossen. Propellermaschine fliegen ist eben doch was Besonderes. Die Maschine ist alt und die Sitzpolster abgesessen und kurz bin ich nervös, als beim Anrollen auf die Landebahn nur der linke Propeller rotiert, aber dann denke ich mir, dass der Pilot ja auch ein nicht ganz unrelevantes Interesse daran hat, am Leben zu bleiben, und er die Maschine wohl kaum starten würde, wenn ein Risiko bestünde. Also beobachte ich die Stewardess, wie sie ihren Jumpseat zurückklappt, damit sie die Einstiegsleiter mit einem beherzten Griff hochziehen, einklappen und an der Seite der Flugtür verstauen kann.
    „Warum haben Flugbegleiterinnen eigentlich immer einen Anschnallgurt, der über die Schultern geht?“, fragt Joe.
    „Weil sie im Zweifelsfall überleben sollen“, antworte ich.
    „Ach, und bei uns ist es egal?“
    „Bei uns ist es nicht überlebenswichtig fürs Team, wenn wir’s nicht schaffen. Aber die Stewardess weiß, wie sie uns evakuiert und wie man Hilferufe mit dem Equipment absetzt.“
    Im nächsten Moment starten die Propeller mit einem ohrenbetäubenden Lärm durch. Es klingt ein bisschen, als wolle die Maschine explodieren, scheint aber tatsächlich normal zu sein. Bloß ungewohnt für Jet-verwöhnte Ohren. Ich setze meine Kopfhörer auf und frage mich, wie man früher Flüge über den Ozean mit Propellermaschinen absolviert hat. Danach muss man ja taub gewesen sein. Überraschend sanft hebt das Flugzeug ab und bahnt sich seinen Weg in die Wolken.

    Den Flug verbringe ich damit, mir Troja mit Bratt Pitt anzusehen (Joe hat die an dieser Stelle folgende ausführliche Filmanalyse gekürzt. Ich sage nur so viel: Homer hat den Charakteren in seiner Ilias sehr viel mehr Würze verliehen als Hollywood).

    Während ich über all diese Dinge nachdenke, senkt der Flieger sich langsam zum Boden. Wir erhaschen einen Blick auf sanfte Hügel, grüne Felder und dichte Wälder. Der Flieger setzt genauso sanft auf wie er gestartet ist. Rückblickend muss ich sagen, dass das tatsächlich einer der angenehmsten Flüge war, die ich je hatte. Allein schon weil nur maximal zwanzig Menschen an Bord waren.

    Auf dem Rollfeld schauen wir uns unsicher an, denn es gibt quasi keine Wegmarkierungen und niemand winkt uns hektisch in eine Richtung. Also gehen wir selber aufs Gebäude zu, wo in einer kleinen Halle Einreiseformalitäten, Gepäckabholung und Zoll in einem Schub erledigt werden. Es gibt nur ein einziges Gepäckband und noch während wir auf unsere Koffer warten, kommt der Zollbeamte und möchte von uns ein Formular ausgefüllt haben, dass sich ausschließlich um Bananen dreht:

    * Haben Sie eine Bananenfarm im vorherigen Land besucht?
    * Haben Sie Bananen im Gepäck?
    * Die restlichen Fragen haben wir vergessen, weil wir sie den Rest des Tages weitergesponnen haben: Mögen Sie Bananen? Welche Größe haben Bananen in Ihrem Land? Haben Sie schon einmal an einer Banane gerochen?

    Ein neues Land mit neuen Abenteuern wartet auf uns. Wir haben ein paar aufregende Aktivitäten geplant, aber auch Tage des Nichtstuns und schlichten Genießens. Das ist das Besondere an einer langen Reise, vielleicht auch die Ruhe des Älterwerdens: wir müssen nicht jede Stunde mit Erlebnissen füllen. Wir haben die Ruhe und den Luxus, den ganzen Nachmittag in einer Hängematte zu verbringen, zu schauen, wie die Sonne über das Wasser wandert und den Ort auf uns wirken zu lassen. Dort, wo wir sind, dürfen wir wirklich ankommen. Wir sind im Hier und Jetzt, sorgenfrei, stressfrei und bereit, alles anzunehmen, was das Leben uns schenkt.
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  • Day 25

    Flores

    November 17, 2022 in Guatemala ⋅ 🌧 26 °C

    Beim Anflug haben wir bereits vermutet, dass Guatemala, zumindest Flores, etwas wilder ist als México. Durchs Flugzeugfenster war schon zu erkennen, dass deutlich mehr Flora und Fauna die sanften Hügel bevölkert. Tatsächlich ist das Gebiet hier ein einziger Urwald. Die Blätter sind riesig, der Boden ständig feucht und überall, wo man hinsieht, kriecht oder krabbelt irgendetwas. Ich stelle schnell fest, dass ich Tiere mit bis zu vier Beinen bevorzuge, aber die meisten Lebewesen, die hier meine Gegenwart aufsuchen, haben deutlich mehr davon zu bieten.

    Flores ist eine kleine Insel inmitten des riesigen Sees Péten-Itzá. Manchmal könnte man meinen, man wäre am Chiemsee, und dann verraten die anders geformten Blätter der Pflanzen und Bäume, dass man sich doch an einem exotischen Ort befindet. Die kleine Insel ist innerhalb von zwanzig Minuten umrundet, zumal sie momentan unter Hochwasser steht. Sie als Venedig Guatemalas zu bezeichnen, um euch einen Eindruck zu vermitteln, würde es nicht ganz treffen. Es ist wilder, es gibt mehr Natur und die Häuser sind alle in leuchtend fröhlichen Farben gestrichen.

    Einmal am Tag schüttet es wie aus Eimern. Der Platzregen geschieht oft unangekündigt; wenn wir Glück haben, warnt uns ein plötzlicher und unvorhergesehener Windsturm, ein festes Dach über unseren Köpfen aufzusuchen. Meistens aber liegen wir bereits in unseren Betten und hören, wie der Regen aufs Dach prasselt. Der Wind, der über den offenen Flur heult, gepaart mit den schweren Regentropfen hört sich an, als wolle das Wetter die Insel im Meer versenken. Die meiste Zeit des Tages aber genießen wir strahlenden Sonnenschein und heiße Temperaturen.

    Einer unserer Lieblingsorte ist eine Rock-Oase namens „Cool Beans“. Oase, weil unser Blick über den See schweift, Rock, weil schon morgens um acht Kurt Cobain unser Frühstück besingt. Der Besitzer grüßt uns fröhlich mit seiner eigenen Tasse und ruft uns zu, dass genau jetzt Kaffeezeit wäre. Die Katze des Hauses schläft immer auf dem selben Sofa und wird ungern gestört. Dafür besucht uns jeden Morgen eine Eidechse, die Joe auf den Namen „Mr. Eichel“ tauft, und holt sich ein paar Bissen von unserem Rührei ab.

    Die Nachbarinseln besucht man per Kanu oder Motorboot. Man verhandelt kurz den Preis, geht an Bord und wird irgendwo am Ufer einer anderen Insel wieder herausgeworfen. Häfen gibt es kaum, Anlegestege sind überflutet, also steigen wir dort aus, wo gerade Platz ist. Es ist wunderbar einfach und unkompliziert. Manchmal haben die Fahrer auch bessere Ideen für unsere Tagesplanung und werfen uns an einer anderen Ecke raus, weil wir uns dort noch die Aussicht anschauen sollen, ehe wir zum Strand gehen.

    Das Spanisch klingt hier anders als in Mexiko, ohne dass wir benennen könnten, was der Unterschied ist. Englisch wird kaum gesprochen. Am Anfang dachten wir, das liegt daran, dass Englisch als Unterrichtsfach in Schulen einfach nicht so oft angeboten wird. Mittlerweile haben wir aber verstanden, dass die Menschen in Lateinamerika fließend Spanisch und mindestens eine der alten Maya-Sprachen sprechen. Englisch ist also ihre zweite Fremdsprache. In Deutschland sprechen wir alle mehr oder weniger fließend Englisch, aber wie gut sind unsere Französisch-, Italienisch-, Spanischkenntnisse?  

    Die Straßen sind so klein, dass nach nur einem Tag jeder jeden kennt. Auch hier besuchen wir die Apotheke, um neues Mückenspray zu kaufen. Die Apothekerin erklärt uns, dass wir erst Sonnenspray benutzen sollen, dann 30 Minuten warten müssen, und dann erst Moskito Spray auftragen dürfen. Andernfalls wäre beides unwirksam. Diese Regel ist uns neu und wir fragen uns kurz, ob das wieder so eine Sache ist, die allen anderen Menschen einfach glasklar ist und nur an uns vorbei gegangen ist, aber alle, denen wir davon berichten, wirken ebenfalls erstaunt. Zumindest in Guatemala sind wir also gleich dumm.

    Manche der Restaurants haben Dachterrassen und man fühlt sich aufgrund der hoch wachsenden Bäume und wuchernden Pflanzen ständig, als wäre man mitten im Dschungel (was wir faktisch auch sind). In einem unserer Lieblingsrestaurants kann man in einem abgetrennten Bereich Schmetterlinge beobachten. Die Falter sind hier leuchtend blau und so groß, dass sie träge in der Luft dahin gleiten anstatt so nervös zu flattern wie bei uns zuhause. Einer lässt sich gar auf Joes Brust nieder und macht keine Anstalten mehr, davon zu fliegen.

    Im selben Restaurant mieten wir uns auch ein Kanu und paddeln über den See zu einer Nachbarinsel zu einem Ort namens „Jorges Rope Swing“. Es hat etwa extrem Selbstwirksames, die eigene Körperkraft einzusetzen und sich selbst auf eine Insel zu befördern, die vom Ufer, an dem wir ablegen, unerreichbar scheint. Dort angekommen können wir uns mit Seilschwingen ins Wasser gleiten lassen oder in einer der vielen Hängematten entspannen. Während wir dort so am Rand der knapp zwei Meter hohen Steilküste schaukeln, beobachten wir den See aus dem dichten Blätterwerk. Es würde uns wirklich nicht wundern, wenn jetzt Captain Hook mit der Jolly Roger um die Ecke segeln und in die Bucht einkehren würde. Dann würden wir alle aufspringen und ihn ein bisschen ärgern, einfach nur so aus Langeweile, und anschließend würden wir es uns in unserem Versteck wieder gemütlich machen.

    Einen Tag später müssen wir erneut in die Apotheke, denn trotz exakter Anwendung von Sonnen- und Moskito Spray hat Joe bei unserem Besuch in Nimmerland einen Stich unter der Fußsohle bekommen und jetzt ist sein ganzes Fußgelenk angeschwollen. Ich sage, er sieht aus wie eine halbseitig Schwangere, Joe sagt, er hat einen Elefantenfuß. Die Apothekerin wirft einen Blick auf seinen Fuß und sagt, dass das eine typische allergische Reaktion sei, die Touristen hier auf Insektenstiche zeigen. Sie empfiehlt ein Anti-Histamin, was Joe („Ich bin doch nicht allergisch; das stimmt nicht!“) ablehnt. „Es tut mir leid, mein Mann hat scheinbar keine Allergien“, übersetze ich die Empörungswelle, „Wir nehmen erstmal die Salbe.“ Sie nickt verständnisvoll und verkauft uns eine Kortison-Salbe.

    Wir besuchen die Ruinenstätte Tikal und wir wollen unser eigentliches Reiseziel, El Mirador, besichtigen. Das ist der Hauptgrund, warum wir nach Flores gekommen sind. El Mirador ist noch größer als Tikal und liegt mitten im Dschungel. Um dorthin zu gelangen, muss man entweder 5 Tage durch die Urwald wandern oder aber mit dem Helikopter fliegen. Aus Zeitgründen haben wir uns für den Helikopter Flug entschieden, aber leider spielt das Wetter nicht mit. Zwei Mal wird unser Flug gecancelt, zuletzt an unserem Abreisetag, und wir müssen unseren Traum vorerst aufgeben. Trotzdem empfinden wir seltsamerweise keine Wehmut darüber.
    „Manche Dinge sollen eben nicht sein“, sagt Joe, der dem Besuch noch mehr entgegen gefiebert hat als ich.

    Manche Türen schließen sich, dafür aber öffnen sich so viele andere, unverhoffte Gelegenheiten. Ich stelle fest, dass ich ein tiefes Vertrauen entwickelt habe, dass alles gut gehen wird. Joe hat mir von diesem Gefühl von früheren Langzeitreisen berichtet und ich konnte das nie ganz nachvollziehen.
    Jetzt aber sitze ich in einem öffentlichen Bus voller Einheimischer, weil wir den Fahrer bequatscht haben, uns abseits der Haltestellen bei einem Wanderweg rauszulassen. Die Musik schallt laut aus den Boxen und während unser junger Fahrer alle Mädchen auf der Straße grüßt, an denen wir vorbei fahren, weiß ich, dass wir ankommen werden, und dass wir auch den Weg zurück finden werden. Die Menschen hier sind herzlich und hilfsbereit und es fällt uns leicht, uns ihnen anzuvertrauen. Oft wissen wir eben nicht den kürzesten Weg, die richtigen Wörter, die sicherste Vorgehensweise. Wir sind hier fremd und darauf angewiesen, uns anderen anzuvertrauen. Das ist ein neues Gefühl, sind wir doch die Kontrolle über unsere Leben gewohnt. Und natürlich vergessen wir beide nicht unseren gesunden Menschenverstand.
    Und trotzdem merke ich, wie mein Vertrauen wächst. Am Anfang der Reise dachte ich ständig, dass ich das Leben geradezu herausfordere, mich umzubringen, sei es, dass ich durch Mexiko-City spaziere, Kleinbusse ohne funktionierende Anschnallgurte benutze oder aber freiwillig in eine Propellermaschine steige.
    „Vielleicht lernst du aber auch einfach, dass das Leben nicht so gefährlich ist, wie du denkst“, hat Joe gesagt, als ich ihm meine Sorgen mitgeteilt habe.
    Und so ist es. Meine sichere Komfortzone, die ich vor so vielen Wochen verlassen habe, hat sich bedeutend erweitert. Vor ein paar Tagen habe ich Joe zugestimmt, eine noch kleinere Propellermaschine auf einer unserer nächsten Routen zu verwenden, einfach weil ich es witzig fände und auf die Erfahrung gespannt bin. Ein solches Verhalten wäre vor unserer Abreise undenkbar gewesen. Es ist allseits bekannt, dass Reisen den Horizont erweitert, aber zum ersten Mal spüre ich auch eine tiefe Veränderung in meinen grundsätzlichen Glaubenssätzen. Und ich hoffe sehr, dass ein Teil dieser Erkenntnisse sich verankert und bei mir bleibt, wenn wir wieder Füße auf deutschen Boden setzen.
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  • Day 26

    Tikal

    November 18, 2022 in Guatemala ⋅ ⛅ 26 °C

    Die Ruinen von Tikal sind eine der Hauptattraktionen von Flores. Die meisten Besucher fahren zwischen 4.30 Uhr und 6 Uhr los, um den Sonnenaufgang und die Tiere im Dschungel beobachten zu können. Joe und ich entscheiden uns für die zeitlich humanere Tour um 8 Uhr morgens.

    Um zehn nach 8 steht der Bus immer noch in Flores und wartet auf Nachzügler. Bei 80% deutscher Urlauber an Bord könnt ihr euch die Stimmung in etwa ausmalen. Einer fragt (berechtigterweise) weshalb 15 Leute warten müssen und Zeit verlieren, bloß weil ein Mitreisender ein schlechtes Zeitmanagement hat. Eine andere Mitreisende gibt lauthals Grammatiknachhilfe in Spanisch. Manchmal liebe ich es, wenn ich meine Mitmenschen einfach nicht verstehe.

    Es stellt sich heraus, dass der Fahrer versucht, den Bus bis auf den letzten Platz voll zu kriegen. Erst als das gegen zwanzig nach acht geschafft ist, können wir los fahren. Als erstes wird eine Tankstelle angesteuert, denn das hätte man wirklich vorher nicht erledigen können. Dann halten wir an einer Bushaltestelle.
    „Pass auf“, sage ich, „Die Leute da nehmen wir auch noch mit.“
    „Aber der Bus ist voll“, erwidert Joe.
    Die Tür schwingt auf und die Leute steigen ein. Es stellt sich heraus, dass man die Armlehnen an den Doppelsitzen zu Sitzplätzen umfunktionieren kann. Ihr könnt euch Joes Gesicht vorstellen, als er seine Armlehne aufgeben muss, damit eine fremde Frau neben ihm Platz nehmen kann. Ich bin heilfroh, dass wir vorne sitzen und unseren Fluchtweg behalten. Zugepackt bis auf die letzte Armlehne geht es über ruckelige Landstraßen eine Stunde lang nach Tikal. Weil der Bus über keine Klimaanlage verfügt, sind alle Fenster offen. Es zieht wie Hechtsuppe.

    In Tikal angekommen fängt es prompt an zu regnen. Irgendwie hatten wir diese Wetteroption im Regenwald völlig ausgeklammert. Wir finden aber einen Mann, der direkt neben den Eintrittsbuden Regenponchos verkauft und schlagen direkt mal zu, denn wir verspüren wenig Lust, über mehrere Stunden völlig durchnässt durch den Urwald zu waten. Joe wählt einen roten Poncho, ich entscheide mich für ein blaues Design, das beim Auspacken stark an eine übergroße Mülltüte erinnert.
    „Oh, wo habt ihr die her?“, fragt eine Frau, als wir wieder zur Gruppe stoßen und kaum dass wir es ihr erklärt haben, laufen fünfzehn Menschen durch den Regen und holen sich ebenfalls Ponchos.
    „Das ist doch Umweltverschmutzung“, sagt ein junges Mädchen abfällig in unserem Rücken, als ihre Freundin fragt, ob sie sich vielleicht ebenfalls einen Poncho kaufen sollen.
    Joe und ich tauschen einen stummen Blick. Wer mit einem Flugzeug nach Guatemala fliegt und in einem ausrangierten Bus nach Tikal fährt, sollte sich in Sachen Umweltschutz wirklich keine Sorgen mehr wegen eines Ponchos machen. Die beiden entscheiden sich dann doch dazu, einen Poncho zu kaufen, und kaum dass sie ihre Umweltsünde in Händen halten, lässt der Regen nach.
    „Na toll, jetzt hab’ ich mir den ganz umsonst gekauft!“, meckert das Mädchen.
    „Ja“, seufze ich, „Wäre er nur wiederverwendbar…“

    Wir belegen die englische Tour in Tikal. Unser Guide zeigt uns als erstes einen riesigen Baum, der als Baum des Lebens gilt. Wir reichen gerade mal bis zum Ende des Wurzelwerks. Außerdem macht er uns auf Affen in den Bäumen aufmerksam und versucht, eine Tarantel aus ihrem Erdloch zu locken. Sie ist nicht in Besucherstimmung, vielleicht ist sie aber auch umgezogen, weil ständig jemand in ihrem Zuhause stochert. Wie auch immer: wir sind nicht ganz unzufrieden über die entgangene Begegnung.

    Nur etwa 15% von Tikal sind ausgegraben. Der Rest dieser riesigen Stadt, in der zu Hochzeiten bis zu 200.000 Menschen gelebt haben sollen, wird von Dschungel überwuchert.
    „Jede Erhebung, die ihr hier seht, ist kein natürlicher Hügel, sondern ein Gebäude“, erklärt unser Guide.
    Es liegt nicht (nur) am Geld, dass die Pyramiden nicht ausgegraben werden. Sobald sie von Erde und Pflanzen befreit werden, sind sie Sonne, Regen und Wind auf Gedeih und Verderb ausgesetzt und würden verfallen. Nicht zu vergessen: das Element Mensch, das den ständigen Drang verspürt, sich in Jahrtausendealten Kulturstätten mit meist oberflächlichen Botschaften zu verewigen.

    Das Gelände ist so riesig, dass wir lange Wege durch den Dschungel zurücklegen. Etwas schade finden wir, dass viele unserer Gruppenmitglieder das innige Bedürfnis verspüren, sich nonstop mitzuteilen. Wir würden so gerne den Dschungel mit all seinen Geräuschen auf uns wirken lassen, das ist aber leider kaum möglich, da ständig jemand in unserem unmittelbaren Umfeld seine Reisepläne offenbart.

    In Tikal darf man tatsächlich, im Gegensatz zu Mexiko, noch vier Pyramiden besteigen. Weil so viele Touristen heruntergefallen sind, wurden fast überall Holztreppen angebaut, die die Absturzrate verringern sollen. Oben angekommen hat man einen herrlichen Blick über den Dschungel, aus dem immer wieder Pyramidenspitzen hervorstechen. Wir erhaschen einen Blick auf die Kulisse aus Krieg der Sterne, als Han Solo seinen Millennium Falken auf Yavin landet. Es ist sehr bizarr, sich im realen Leben in einem Star Wars Film wiederzufinden. Da sitzen wir auf den Stufen der Pyramide, schauen über den Dschungel und staunen über die Anzahl und die Höhe der Gebäude.
    „Eine Pyramide hat die Maya etwa zwanzig Jahre Bauzeit gekostet“, erklärt unser Guide.
    Das ist weitaus schneller als so manche Bauzeit im hochmodernisierten Europa (in Köln ist der Dom dafür das perfekte Beispiel…)

    Unser Guide erklärt, dass er in Tikal geboren wurde, seine Familie aber umziehen musste, als die Ruinen 1979 zum Unesco Weltkulturerbe ernannt worden sind. Und er ermutigt uns, Fragen zu stellen. Also frage ich, ob Spanisch seine Muttersprache ist oder ob er eine der alten Maya-Sprachen spricht. Plötzlich wird er sehr ernst. Spanisch sei seine Muttersprache. Das läge daran, dass in Guatemala über dreißig Jahre lang ein Bürgerkrieg geherrscht habe, der hier am schlimmsten ausgeprägt war. Es gab die ganz klare Anweisung, auf jeden Maya-Sprechenden zu schießen. Aus diesem Grund hätten seine Großeltern ihre traditionelle Kleidung abgelegt und mit ihren Kindern und Enkeln nur noch Spanisch gesprochen.
    „Ich spreche meine eigene Sprache nicht“, sagt er, „Ich verstehe sie nur. Aber hier drin“, er legt eine Hand auf sein Herz, „spüre ich, dass ich Maya bin.“

    Uns beschleicht das Gefühl, dass die Maya Kultur nie wirklich untergegangen ist. Sie wurde unterdrückt, aber sie ist nicht vollständig verloren gegangen.
    „Tikal wurde 1848 wiederentdeckt“, sagt unser Guide und winkt lachend ab, „Wir wussten all die Jahre, wo es liegt.“

    Kaum ist unsere Tour beendet öffnet der Himmel seine Schleusen und es schüttet aus allen Eimern. Joe und ich suchen im ehemaligen Königspalast Unterschlupf und freuen uns über unsere Ponchos. 

    Auch in Tikal wurden die Pyramiden übrigens so gebaut, dass der Laut des Quetzalcoatl erklingt, wenn man laut in die Hände klatscht; sowohl der Ruf des Weibchens als auch der des Männchens. Und wie bei fast allen Pyramiden hier geht die Sonne an bestimmten Feiertagen im Jahr in bestimmten Punkten der Bauwerke auf. Keiner weiß, woher die Maya dieses architektonische Wissen hatten, außer die Maya vielleicht selber. Und wären wir einer von ihnen, würden wir es auch nicht verraten. Wir würden uns nur darüber kaputt lachen, dass an einem Tag wie am 21.12.2012 sämtliche aufgeklärten Fernsehteams aus aller Welt ihre Sendestationen in Tikal aufbauen, um sicherheitshalber live vor Ort sein zu können, falls die Welt doch untergeht.
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  • Day 30

    Im Polarexpress nach Antigua

    November 22, 2022 in Guatemala ⋅ 🌧 20 °C

    Um von Flores nach Guatemala zu reisen kann man entweder das überteuerte Flugzeug nehmen, oder man verhält sich mal wie ein richtiger Backpacker und bucht sich den Nachtshuttle. Der fährt einen um 9 Uhr abends innerhalb von 12 Stunden nach Guatemala-Stadt und von dort sind es dann nochmal 1,5 Stunden mit dem Kleinbus bis Antigua. So ganz Backpacker sind wir dann doch nicht und buchen uns die Business-Class mit etwas breiteren, zurückstellbaren Sitzen, damit wir die Garantie haben, auf der Langstreckenfahrt ein bisschen die Augen zuzumachen.

    Nach zahlreichen Busfahrten in Mexiko wissen wir, dass die Klimaanlagen in zentralamerikanischen Bussen schon mal gerne auf Hochtouren laufen. Das gepaart mit wenig Bewegung sorgt bei mir schnell für Kältezustände. Also trage ich zwei Leggings (eine davon gefüttert), ein paar dicke Socken, ein paar dünne Socken, ein T-Shirt, ein Longsleeve und eine Fleecejacke. Man kann sich ja immer noch zwiebeln. Kurz überlege ich, auch noch die Mütze anzuziehen, einfach weil es sich so besser schlafen lässt, aber dann lasse ich es bleiben. Wir haben schließlich sommerliche Temperaturen von 24 Grad.

    Kaum dass der Bus angefahren ist, fängt auch die Klimaanlage an zu laufen. Um 21.30 Uhr wird mir langsam kalt. Um 22 Uhr wird es unangenehm. Um 22.30 Uhr hat der Bus die Temperatur von der Fleischereiabteilung im Handelshof erreicht. Nach diversen Box- und Fahrradfahrübungen wird mir gegen 22.45 Uhr klar, dass ich diese Fahrt keine weiteren zehn Stunden aushalte. Ich befinde mich in einem geschlossenen Abteil, die Tür zum Fahrer ist ebenfalls verbarrikadiert und der Bus rauscht durch die dunkle Nacht wie ein Trockeneistransporter.

    „Was ist los, Amyli?“, fragt Joe, der von meinen anhaltenden Aufwärmungübungen wach wird.
    „Ich kann das nicht“, sage ich und halte meine Tränen zurück in dem Wissen, dass sie sofort zu Eis gefrieren würden, „Ich versteh’ auch nicht, wie andere Leute das aushalten können. Es ist einfach 5 Grad hier drin.“

    Einmal wach fällt Joe auch die gefallene Temperatur auf. Kurzerhand steht er auf, klettert herüber in meinen Sitz und breitet seine Fleecejacke über uns beiden aus. „So besser?“
    Viel besser. Erschöpft von der Kälte und der späten Uhrzeit fallen wir beide sofort in einen Tiefschlaf und werden nur wach, wenn wir merken, dass wir die Seiten wechseln müssen, weil unsere Gliedmaßen schwer werden.

    Irgendwann schaut Joe auf sein Handy und sagt: „Nur noch fünf Kilometer bis Guatemala-Stadt.“
    Noch nie war ich so erleichtert, eine Busfahrt zu beenden.

    Auf dem Weg zum Gepäckfach schubsen mich drei Leute aus dem Weg. Sie rempeln mich nicht an, sie boxen mich mitsamt Rucksack einfach zur Seite. Über ruckelige Straßen geht es in einem kleinen Shuttle weiter nach Antigua.

    Dort angekommen verkündet der verschlafene Rezeptionist, dass unser Zimmer erst ab 15 Uhr beziehbar sei.
    „Und da kann man nichts machen?“, frage ich.
    „Nein, die Leute checken erst um 12 aus und dann müssen wir die Zimmer alle sauber machen.“
    Nie im Leben checken alle Leute erst um Punkt 12 aus und nie im Leben dauert es 3 Stunden um ein einziges Zimmer für uns sauber zu machen. Wir sind müde, wir sind halb erfroren und wir wollen einfach nur duschen und schlafen. Verzweifelt wie wir sind lassen wir uns die Suite für 15 Dollar mehr pro Nacht aufquatschen. Der einzige Unterschied zum normalen Zimmer ist, dass es ein Bett mehr gibt und eine Badewanne. Dieses Bad ist die 45 Dollar mehr als wert.

    Später erfahren wir, dass wir scheinbar alles richtig gemacht haben. Denn als Joe unsere Wäsche weg bringt hört er, wie ein anderes Pärchen in der Lobby einchecken will und erfährt, dass ihr Zimmer noch nicht zur Verfügung steht. Da ist es 15.40 Uhr.
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  • Day 31

    Auf der Suche nach Lava (Pacaya)

    November 23, 2022 in Guatemala ⋅ ⛅ 21 °C

    Antigua, die alte Hauptstadt Guatemalas, liegt in einem Tal, das umgeben ist von aktiven Vulkanen. Als Hobby-Vulkanologen ist es da für uns ein Muss, einen dieser Vulkane zu besteigen. Der Pacaya Vulkan ist einer der aktivsten Vulkane in der Gegend und bietet laut Get-your-Guide spektakuläre Aussichten und ein wahres Lava-Feuerwerk.
    Der Weg dorthin ist erstmal etwas beschwerlich. 7 km Wanderweg führen uns bergauf. Immer wenn ich - als überzeugte Nicht-Sportlerin - unseren Guide frage, wie lang es noch ist, haben wir gerade „die Hälfte geschafft“. Komischerweise wird dann zwanzig Minuten später der ganzen Gruppe verkündet, gerade sei just „die Hälfte geschafft“ worden. Leicht erzürnt erreiche ich mit Joe schließlich das Lavafeld. Hier müssen wir uns einen Weg durch erkaltetes Lava-Geröll bahnen. Das ist ungefähr so als müsse man ein riesiges, farbloses IKEA-Bällebad durchwaten.
    An irgendeinem Punkt mitten auf dem Lavafeld bleiben wir stehen. Hier gibt es nichts als graue Steine und Dampf, der aus einzelnen Löchern an die Oberfläche dringt.
    „So, da wären wir!“, verkündet unser Guide.
    „Wo ist denn die frische Lava?“, frage ich, denn ich habe ohne WLAN keine Ahnung, wie ich mich anders ausdrücken soll.
    „Es gibt hier gerade keine frische Lava“, erwidert der Guide, „Hier hast du ein Marshmallow.“
    Und er drückt ein Marshmallow aus einer Plastikverpackung auf einen Stock und dann mir in die Hand.
    Das ist ein ziemlich schwacher Trostpreis, aber was bleibt uns anderes übrig? Also begnügen wir uns damit, Marshmallows über austretendem Dampf zu rösten und mitsamt Schwefelaromen zu verspeisen. Dabei beobachten wir die Sonne, wie sie langsam in den tief liegenden Wolken zu unseren Füßen versinkt. Das Schauspiel ist spektakulär - wenn auch leider ohne Lava.
    Den Weg zurück bahnen wir uns im Halbdunklen. Kaum, dass wir den Wanderweg erreicht haben, ist es stockfinster. Mit Stirnlampe und Handy-Taschenlampe suchen wir den Weg nach unten ins Tal.
    Lava bleibt also definitiv erstmal auf unserer Must-See-Liste. Grund genug, weitere Reisen zu planen.
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  • Day 34

    Der Regenwald ruft

    November 26, 2022 in Costa Rica ⋅ 🌧 18 °C

    Von den Vulkanen in Antigua geht es nun nach Costa Rica, genauer gesagt nach Monteverde. Hier erwartet uns der Regenwald bzw. Nebelwald.
    Wir fliegen am frühen Morgen von Guatemala City nach San Jose & nehmen von hier aus einen öffentlichen Bus (6 Stunden) nach Monteverde. Netterweise schmeißt uns der Busfahrer direkt vor dem Hotel raus.
    Unser Hotel ist 15-20 Min. Fußweg vom Monteverde Zentrum entfernt, weswegen wir am Abend uns nur noch etwas von einem Foodtruck zu essen holen, der nicht weit entfernt von unserem Hotel ist. Nach dem langen Reisetag ist dann auch nur noch Bettchen angesagt.

    Am nächsten Tag machen wir uns auf in die Stadt, um unsere Aktivitäten zu planen. In Monteverde gibt es nämlich so einiges: Ziplining, Bungee Jumping, High Bridge walks, Klettern, Wasserfälle, und so weiter.
    Wir entscheiden uns am ersten Tag für ziplining. Durch den dichten Wald mit Ziplines zu rauschen dürfte nicht so verkehrt sein.

    Mit einem klapprigen Minibus geht es am Nachmittag Richtung Wald. Wir lernen auf der Fahrt 2 Deutsche kennen, mit denen wir die Tour gemeinsam bewältigen werden.
    Nachdem uns das Equipment angelegt wird gibt es eine kleine Sicherheitseinführung und schon geht es los über die Bäume zum ziplinen. Es macht richtig Spaß durch die Wälder zu rauschen und sich alles von oben angucken zu können. Zwischendurch ist es allerdings auch gut anstrengend, da wir immer mal wieder Strecken zu Fuß aufwärts gehen müssen.
    Die letzen Ziplines sind speziell:
    Man darf (wenn man möchte) im Superman Stil über die Bäume fliegen. Das bedeutet, man wird am Rücken an der Zipline festgemacht, die Beine werden fixiert und man fliegt tatsächlich wie Superman über die Landschaft. Ein wirklich cooles Gefühl.
    Zum Abschluss gibt es noch die Möglichkeit einer Tarzan Schaukel. Man geht auf einen 60 Meter großen Turm, wird festgebunden, der Boden unter einem wird weggeklappt und auf Kommando löst sich der Haken und man fliegt in einem riesigen Schwung über dem Wald. Ein kleiner Adrenalin Kick also nochmal zum Schluss.
    Am Abend gehen wir mit den 2 Deutschen noch etwas essen & trinken und lassen so diesen Tag ausklingen.

    Den nächsten Tag wollen wir mit einer Wanderung im Nebelwald beginnen. Wir fahren also mit dem Shuttle Richtung Nebelwald und beginnen hier unsere Wandertour. Ganze 4 Stunden gehen wir durch den Wald und sind fasziniert von der Schönheit der Natur.
    Wenn man genau hinschaut kann man immer mal wieder Tiere entdecken, alles ist in einer Art Wolke gehüllt und vor allem ist es eines: Nass.
    Der Boden ist nass, alle Bäume und Blätter sind feucht und ab und zu kommt auch ein kleiner Regenschauer runter. Auch die Geräuschkulisse ist einmalig. Hier ein Zirpen, da ein piepen und immer mal wieder Affengeräusche die von irgendwoher kommen. Wir sind hier wirklich mal von der Zivilisation abgetrennt und freuen uns, dass wir kaum Leute treffen auf den Wegen durch den Nebelwald.

    Am letzten Tag in Monteverde müssen wir ein bißchen organisieren. Das liegt vor allem daran, dass ein Koffer von uns ein wenig kaputt gegangen ist (passiert beim Flug von Guatemala nach Costa Rica). Genauer gesagt: Ein Reißverschluss ist auseinander gegangen, weswegen wir jetzt am besten ein Koffergurt benötigen. Leichter gesagt als getan. Wir gucken wirklich in fast allen Geschäften von Monteverde und fragen mehrere Verkäufer ob Sie etwas in der Richtung haben, aber leider hat niemand was vergleichbares.
    Was machen wir also? Wir kaufen eine Wäscheleine und 2 Gürtel und lösen so das Problem:
    2 Gürtel miteinander verbinden und um den Koffer rum festzurren - et voila, eine Art Koffergurt.
    Die Wäscheleine machen wir nochmal eng um den Reisverschluss rum, der sich geöffnet hatte, damit wir sicher gehen können, das keine Spannung darauf ist.
    Wir sind guter Dinge, dass die Konstruktion zumindest noch für diese Reise halten wird.
    Gegen Mittag wollen wir dann was essen und gehen in ein Bistro. Wir bemerken, dass hier das Spanien-Deutschland Spiel nebenher läuft und verweilen in dem Restaurant ein bißchen.
    Vom Hotel wurde uns empfohlen uns das Kolibri Kaffee anzugucken. Wir folgen diesem Rat und fahren am Nachmittag mit dem taxi dorthin. Was sollen wir sagen? Es hat sich gelohnt...
    So viele Kolibris auf einmal haben wir noch nicht gesehen. Das Kaffee hat draußen überall kleine Zuckerwasser-Stationen aufgehangen in den Bäumen und die Kolibris kommen in Scharen angeflogen. Es ist tatsächlich ein kleines Spektakel das sich hier beobachten lässt. Manchmal fliegen die Kolibris auch so nah am Ohr vorbei, dass man Angst hat, sie würden gegen einen fliegen.
    Mit dem öffentlichen Bus machen wir uns am frühen Abend wieder zurück Richtung Monteverde. An unserer Endhaltestelle wird dieser tatsächlich noch von einem LKW angefahren. Der Busfahrer und der LKW Fahrer beschimpfen sich ein wenig und geben sich gegenseitig die Schuld, aber im Prinzip löst sich dann schnell alles auf und alle fahren wieder ihrer Wege. Lustig, wie hier manches einfach so geregelt wird.

    Am nächsten Tag geht es dann mit gepackten Sachen gegen Mittag Richtung San Jose. Wir haben uns ein kleines Shuttle gemietet hierfür (der öffentliche Bus fuhr nur um 07:30 Uhr früh und das war uns zu hektisch). Hier hatten wir Glück, denn bis auf eine weitere Mitfahrerin war keiner an Bord. Dazu war der Fahrer noch sehr nett unterwegs: Als im Radio "GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOLLLL" geschrien wurde, ist er rechts ran gefahren, hat sein Handy rausgeholt und schnell live gezeigt welche Mannschaft wie ein Tor erzielt hat. Zusätzlich dazu, hat er noch an schönen Orten gehalten, die sehr gut für Fotos geeignet waren. Also alles richtig gemacht mit dem Shuttle.

    Da wir am nächsten Morgen unser nächstes Shuttle nach Panama erwischen müssen (um 05.30 Uhr), gehen wir relativ früh ins Bett. Wir bestellen uns noch etwas bei Uber Eats zu essen (ja, das gibt es in San Jose!), decken uns noch mit Getränken und Snacks für die Fahrt ein und schlafen dann schnell ein.
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  • Day 39

    Oh, wie nass ist Panama

    December 1, 2022 in Panama ⋅ ⛅ 27 °C

    Nach regnerischen Tagen im Nebelwald sehnen wir uns nach Sonne und Strand und ein bisschen Wärme. Genau das verspricht die Insel Bocas del Toro in Panama. Karibische Strände, warmes Wasser und leuchtende Seesterne. Um dorthin zu gelangen nehmen wir morgens um halb sechs den Shuttlebus in San Jose (Costa Rica). Wir fahren bis Mittags durch, dann gibt es eine Mittagspause kurz vor der Grenze. Während wir unsere Wraps verspeisen schwimmt im Teich zu unseren Füßen eine Wasserschildkröte von der Größe eines Pizzatellers auf uns zu. Ich strecke ihr meinen Finger entgegen, denn in Flores kamen die kleinen Schildkröten dann immer neugierig aus dem Wasser geklettert. Dieses Exemplar öffnet sein riesiges Maul und will zubeißen. Gerade rechtzeitig kann ich das ungewollte Zusammentreffen noch abbrechen.

    Als es nach der Mittagspause auf die Grenze zu geht, öffnet der Himmel seine Schleusen und der Regen fällt sintflutartig vom Himmel. Unsere Regensachen sind natürlich im Koffer verstaut, aber unser Fahrer drückt jedem beim Aussteigen eine Mülltüte als Schutz in die Hand. Um aus Costa Rica ausreisen zu dürfen, muss man 8 Dollar am Grenzübergang bezahlen. Wir fragen uns, was die Konsequenz wäre, wenn wir uns weigern und einfach hier bleiben würden. Während Joe unsere Ausreiseschulden zahlt, ziehe ich unsere Regencapes alias Umweltsünden aus dem Koffer, die wir in Tikal gekauft haben.

    Es schüttet wie aus Eimern, als wir unsere Koffer über die Brücke über einen Fluss namens Río Sixaola nach Panama ziehen. Dort angekommen müssen wir wieder durch eine Grenzkontrolle. Diesmal dürfen Joe und ich nicht gemeinsam einreisen sondern müssen einzeln vorsprechen. Mein Zollbeamter nuschelt durch die dicke Glasscheibe auf Spanisch und lacht nur, als ich ihn bitte, langsamer und/oder deutlicher zu sprechen. Der Scanner, der meine Fingerabdrücke aufnehmen soll, funktioniert nicht. Während alle anderen Mitreisenden schon fertig mit ihrer Grenzkontrolle sind wischt der Beamte mit einem schmuddeligen Tuch erst über den Scanner und dann über meine Finger. Irgendwie schaffe ich es dann doch, auf legalem Wege einzureisen.

    Es geht weiter mit dem Bus zur Küste. Dort soll uns eine Fähre nach Bocas del Toro bringen. Die Fähre entpuppt sich als altes Motorboot mit viel zu wenigen Rettungswesten. Die Koffer werden am Bug unterm Steuerrad verstaut, während wir uns auf den überfüllten Planken einen Platz suchen. Eng aneinander gedrängt kämpft unser Boot sich vierzig Minuten durch die stürmische See nach Bocas del Toro.

    Dort angekommen fahren wir ans Ende der Insel zu einem Hotel namens Bird Island. Hier gibt es nichts außer Entspannung. Das Wetter ist weiterhin unbeständig, also verbringen wir unsere Tage in der Bar, um immer wieder bei Sonnenpausen in den Pool zu springen. Sobald der Regen einsetzt werden wir von Dillan, dem Barkeeper, mit Bier versorgt. Das Essen ist extrem gesund mit vielen exotischen Früchten und fremdem Gemüse. Während Joe diesen gesunden Lebensstil genießt sehne ich mich nach allem, was durch eine Fritteuse gejagt werden kann. Wir verbringen unsere Tage lesend, spielend und ich gehe sogar zum Yoga.

    In einer ausreichend großen Regenpause besuchen wir den Starfish Beach und bewundern die fußgroßen leuchtend orangefarbenen Seesterne im kristallklaren Wasser. Joe entdeckt einen Mann am Strand, der seinen Freunden die Haare schneidet. Er fragt, was ein Haarschnitt kostet und entscheidet, sich für 3 Dollar kurzerhand einen Friseurbesuch zu gönnen. Als ich dem Friseur erkläre, dass die Seiten zuhause immer auf neun Millimeter getrimmt werden, lacht er und hebt seinen Rasier und sein Messer und sagt, ich könne mich entscheiden.
    „Ich will einfach dieselbe Frisur wie der da!“, sagt Joe und zeigt auf den jungen Mann, dessen Haarschnitt seinem am ähnlichsten ist.
    Als der Friseur daraufhin anfängt, die Haare an den Seiten komplett abzunehmen, ahne ich Böses. Aber im Ergebnis steht der neue, kürzere Haarschnitt Joe so gut, dass er überlegt, sich auch zukünftig in Deutschland die Haare kürzer schneiden zu lassen.

    Das Hotel veranstaltet eine Salsa-Nacht und Joe verkündet den Angestellten mehrfach, dass er nicht daran teilnehmen möchte. Als Begründung nennt er die 6 Dollar Teilnahmegebühr. Schließlich schlägt meine Yogalehrerin Mira beim Frühstück auf den Tisch und sagt: „Weißt du was, Joe, ich lad’ dich heute Abend ein!“
    Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als abends mit uns die Hüften zu schwingen. Und dafür, dass er so außerordentlich wenig Lust hatte, zeigt er einige überraschende Dance-Moves.

    Viel zu schnell sind unsere ruhigen Tage am Ende der Welt vorüber gezogen. Selten haben wir in einem Hotel so viele tolle Bekanntschaften mit dem Personal geschlossen. Auch unsere Mitreisenden, mit denen wir vier Tage in der kleinen Bar gehockt und auf besseres Wetter am Horizont gewartet haben, sind uns ans Herz gewachsen. Das Einzige, was uns nach Panama Stadt lockt, ist die Aussicht auf besseres Wetter. Wollen wir hoffen, dass wir hier nicht enttäuscht werden.
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  • Day 43

    Panama Stadt

    December 5, 2022 in Panama ⋅ 🌧 26 °C

    Die Abreise von Bocas del Toro erfolgt diesmal nicht per Motorboot, sondern mit der Propellermaschine. Etwas verwundert schauen wir auf unsere Bordkarten, denn es gibt keine Sitzplätze.
    „Setzt euch einfach hin, wo Platz ist“, sagt der Mann am Schalter.
    Gerade als wir zur Security gehen, ruft er uns hinterher: „Hey, wollt ihr vielleicht die frühere Maschine in 15 Minuten nehmen? Da ist auch noch Platz frei!“
    So landen wir etwa anderthalb Stunden früher in Panama als geplant.

    Panama-Stadt ist ein Mix aus allem: eine silberne Skyline aus Wolkenkratzern, eine bunte Altstadt, Küstenboulevard und wild bewachsene Berge im Hintergrund. Dazwischen tummeln sich amerikanische Ketten (u.a. eine der ältesten McDonalds-Filialen der Welt) und zahlreiche asiatische Restaurants. Die Stadt ist ein Sammelpunkt für alle kulturellen Einflüsse.

    Hauptgrund hierfür ist der Panama-Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Schon vom Flugzeug aus können wir die riesigen Schiffe sehen, die sich alle einreihen, um den Kanal zu durchqueren. Die Passage dauert etwa 12 Stunden und man spart sich die Rundfahrt um ganz Südamerika, was in etwa 3 Wochen dauern würde. Kein Wunder also, dass die Schiffe tagelang anstehen und bis zu 1 Mio. Dollar zahlen.

    Als wir den Kanal am nächsten Tag besichtigen, erzählt Dan, unser Guide, dass es die Franzosen waren, die mit dem Bau des Kanals begonnen haben, aber aufgrund von Malaria und Gelbfieber aufgeben mussten, nachdem sie etwa 22.000 Arbeiter verloren hatten. Die Amerikaner haben den Kanal ein Vierteljahrhundert später zu Ende gebaut, indem sie vorher mehrere Ärzte in die gefährlichen Regionen geschickt haben, um durch Straßenbau und ein Abflusssystem der Mückenplage Herr zu werden.

    Sechs Stunden am Tag fahren Schiffe von der Atlantikseite in den Kanal und passieren die Schleusen, dann wechselt die Fahrtrichtung und die Schiffe von der Pazifikseite dürfen passieren. Wir beobachten, wie ein riesiges Containerschiff, beladen mit Autos, in die Schleuse einfährt und angehoben wird.
    „Und, willst du auch mal durchfahren?“, fragt Joe.
    „Auf jeden Fall“, sage ich, „Aber auf einem Containerschiff.“
    Ich habe nämlich erstens wenig Lust, mich um einen Sichtplatz boxen zu müssen und zweitens stelle ich mir die Durchfahrt auf einem Containerschiff viel authentischer vor. Ich spüre, wie Joes Hand auf meiner Schulter aufschlägt. „Der Horst ist stark in dir.“
    Ich grinse, denn ich weiß, dass Joe mindestens genauso begeistert ist von der Technik und Präzision, die hier angewandt wird. Der Panama-Kanal ist ein modernes Weltwunder. Und der Beweis dafür, dass alle großen Erfindungen mit einer absurden Idee beginnen.

    Nachdem das riesige Schiff zentimetergenau durch die Schleusen gezogen worden ist, fahren wir weiter ins Casco Viejo, das Altstadtviertel Panamas. Farbenfrohe Häuser säumen hier die eng gepflasterten Straßen. Wir besuchen das Central Hotel Panama, in dem schon amerikanische Präsidenten geschlafen haben. Die Inneneinrichtung mit der ausladenden Holztreppe erinnert uns an die Titanic. Wir schießen Fotos, Joe ist aber schnell am WM Spiel interessiert, das in der Bar gezeigt wird und mein Blick fällt auf den großen, weißen Flügel.
    „Setz’ dich, setz’ dich, ich mach’ ein Foto!“, sagt Dan und ich setze mich auf den Hocker.
    Schon setzt sich ein Mann neben mich und zeigt mir einen Akkord, den ich spielen soll, um ihn zu begleiten. Zusammen spielen wir eine Melodie. Er spricht so schnelles, fremdes Spanisch, dass wir uns nicht austauschen können. Als er Halleluja von Leonard Cohen anspielt, stimme ich ein und übernehme die Hauptmelodie, während er auf die Begleitung überspringt. Wie wir beide so zusammen spielen wird mir klar, dass es andere Wege als Sprache gibt, um sich auszutauschen.

    Immer wieder wird der Tag von heftigen Regenschauern überdeckt.
    „Ich versteh’ nicht, woher dieser Regen kommt“, sagt Dan und schaut durch die Windschutzscheibe gen Himmel.
    „Oh, das ist unser Regen“, sagen wir, „Der verfolgt uns seit Costa Rica. Keine Sorge, morgen ist der weg.“
    Wir haben allerdings keinen Grund, uns zu beschweren. Denn in den Stunden, in denen die Sonne scheint, ist es weit über dreißig Grad. Da tut die Regenwasserdusche nahezu gut.

    Es gibt Orte, bei denen beschließt man schon früh im Leben, dass man sie sehen muss. Der Panama-Kanal war für uns beide so ein Sehnsuchtsort. Mit ihm haben wir das südlichste Ziel unserer Lateinamerika Reise erreicht. Wir haben weit mehr gesehen, als wir uns vorgenommen hatten, denn immer wieder haben sich überraschend Türen auf dieser Reise geöffnet. Wir haben Orte besucht, von denen wir nie gehört hatten und Menschen getroffen, die uns berührt haben. Wir sind reicher geworden. Reicher an Erfahrung, an Perspektiven, an Erinnerungen.

    Bevor wir uns in eisigere Gefilde verabschieden, genießen wir die Sonne in den kommenden Wochen noch einmal ausführlich in der Karibik. Welche Schätze wir da finden? Wahrscheinlich kein Gold, dafür aber sicherlich ein paar immaterielle Güter.
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  • Day 48

    Curaçao

    December 10, 2022 in Curacao ⋅ ☀️ 27 °C

    Curaçao ist eine Karibikinsel wie aus dem Bilderbuch: weiße Strände und türkisblaues Wasser, das so klar ist, dass man oft trotz mehreren Metern Tiefe noch den Grund erkennt. Wir genießen die Wärme und schwimmen mit Fischschwärmen. Es gibt Fische aller Farben und Größen: leuchtend blau, mintgrün mit rosanem Muster, türkis und lila und manche von ihnen leuchten von innen. Jeden Tag besuchen wir einen anderen Strand. Joe geht dann ins steil abfallende Wasser und legt die Sicherheitsgrenze fest, hinter der man angeblich von der Strömung ins Meer gezogen wird. Manchmal beweise ich ihm, dass er trotz seiner hinreichenden Qualifikation (Seepferdchen-Abzeichen) falsch liegt.

    Wenn wir abends zurück in unser Hotel fahren, ist es fast so, als würde man in Roermond im Einkaufszentrum einkehren: jedes Häuschen von Willemstad ist in einer anderen bunten Farbe bemalt. Kulinarisch ist Curaçao eines meiner Lieblingsländer: es gibt Frikandel und Pommes Special. Aber auch Joe kommt auf seine Kosten mit frischem Fisch und Sushi. Einmal sitzen wir einem Fischrestaurant auf der Terrasse in unmittelbarer Nähe zu den Langusten. Ich bin wirklich ein kleiner T-Rex, aber eines der wenigen Tiere, deren Verzehr ich verweigere, sind Langusten.
    „Guck mal“, sage ich zu Joe, „Ich könnte die jetzt einfach alle nehmen und über die Brüstung hier zurück ins Meer werfen.“
    „Tu’ das bitte nicht“, erwidert er, „Ich glaub’ nicht, dass unsere Kreditkarte das decken würde.“

    Wenn wir nach einem heißen Strandtag ins klimatisierte Einkaufszentrum einkehren, um uns mit Wasser und Eistee auszustatten, ist es höchst befremdlich, Mariah Carey „All I want for Christmas is you“ flöten zu hören. Weihnachten ohne Kälte fühlt sich seltsam an. Noch bizarrer sind der winzige Plastiktannenbaum auf unserem Hotelzimmer und die lachenden Schneemänner in den Schaufenstern. Bei konstanten 30 Grad wäre uns als Schneemann eher nach Weinen zumute. Als wir an einem Abend nach dem Essen mit einem Eis in der Hand durch die enge Fußgängerzone schlendern, steht plötzlich Santa mitsamt zweien seiner Elfen vor uns und schwingt fröhlich die Glocke in seiner Hand. Und unser erster Gedanke ist: „Junge, du hast dich in der Jahreszeit vertan.“

    Apropos Eis: Am ersten Abend fühle ich, wie einer meiner hinteren Zähne sich plötzlich anders anfühlt. Joe leuchtet mit seiner Handytaschenlampe den Tatort ab und bestätigt, dass mir tatsächlich ein kleines Stück abgebrochen ist.
    „Vielleicht kommt die Zahnfee dann wenigstens heute Nacht“, sage ich, nachdem ich den ersten Schock über die Erosion meiner Zähne überwundet habe.
    „Du bist zu alt für die Zahnfee“, erhalte ich als Antwort.
    Toll, ich bin also alt genug, dass mir die Zähne ausfallen, aber zu alt, um dafür noch belohnt zu werden.

    Wollen wir hoffen, dass wenigstens Santa ein Einsehen hat und unser Alter ignoriert, wenn wir ihm Cookies und Milch bereitstellen.
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