DJ Orient

July 2023 - May 2024
Wir, Dörte und Jens, haben unsere Backpacks gestopft, die Hausschlüssel übergeben und unsere Jobs aufgegeben. Um auf Entdeckung in neue Länder mit ihren faszinierenden Geschichten und Kulturen zu gehen und dabei wunderbaren Menschen zu begegnen. Read more
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  • Day 31–33

    Entweder du bist fleißig oder Gauner

    August 16, 2023 in Bosnia and Herzegovina ⋅ ☁️ 24 °C

    Für manche Dinge gibt es keine richtigen Worte. Es dauert, bis man überhaupt darüber sprechen kann - selbst, wenn man es gar nicht selber erlebt hat.

    Was wir in Srebrenica gesehen haben gehört dazu. Da ist ein Ort, der eigentlich bekannt war für seine heilenden Quellen. Große Hotelruinen und Wanderwege zeugen von einer strahlenden Vergangenheit. Berge, Wälder, wunderschöne Aussichten…geradezu idyllisch.

    Und dann liest man, sieht in Videos, hört von Zeitzeugen, was in diesen Wäldern und Bergen geschehen ist. Und mir fehlen die Worte. Erneut und wie so oft ob der menschlichen Brutalität, der Skrupellosigkeit, dem Hass.
    Wer auch immer dorthin fährt: Bitte nehmt euch Zeit. Für alle Aspekte, Perspektiven und Räume. Und nehmt euch Zeit für den Ort.

    Und für die Menschen…beim Trampen lernen wir glücklicherweise Damir kennen…einen der witzigsten Lebemänner, die ich getroffen habe.
    „Bevor du fertig bist, mein Auto zu reparieren, habe ich ein Kind gemacht und großgezogen und das hat das Auto schneller repariert.“ Solche und noch viel mehr Sprüche haut er raus.

    Auch er war dabei. Er hat überlebt. Sein Vater auch. Er konnte fliehen, weil er eine alte Frau getragen hat. Sein Vater hat Monate durch die Wälder bis nach Tuzla gebraucht.
    Damir wäre heute eines meiner IK Kinder*, die selten zum Unterricht erschienen wären. Mit denen ich tausend Gespräche deswegen geführt hätte. Und es ist so gut, seine Perspektive zu hören. Er wollte lieber arbeiten. Geld für die Familie in Bosnien verdienen. Da lag seine Verantwortung. Für die er bis heute alles gibt. Streng, doch nicht ohne Humor. Prioritäten sind eben unterschiedlich.

    Am Ende wurde Damir eben auch wieder aus Deutschland abgeschoben. Denn der Krieg war ja vorbei. Er ist in die Nachbarschaft zurückgekehrt aus der er grausamst vertrieben wurde. Und Damir ist der Fleißige. Kein Gauner. Eine ehrliche Seele. Hat ständig neue Ideen, um dieses Leben zu meistern.

    Da, kurz hinter dem Ort Srebrenica, in den Bergen lebt er mit seiner Familie auf einem Hof, macht Holzkohle, betreibt Landwirtschaft und teilt mit uns einen Abend lang den reichlich gedeckten Tisch.

    *IK Kinder: Wer Dörte noch nicht besser kennt...sie hat in den letzten Jahren in einer Internationalen Klasse unterrichtet, wo Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt, Geflüchtete und andere Migranten, Deutsch gelernt haben.
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  • Day 33–37

    Livemusik für Pobednik

    August 18, 2023 in Serbia ⋅ ☀️ 31 °C

    Der Start in den serbischen Teil des Balkans ist mit Stolpersteinen übersät. Erst der schwere Schritt in den serbischen Teil Sarajevos zu kommen (siehe Sarajevo) und anschließend steigen wir mit nur drei anderen Reisenden in einen kleinen Mini-Bus an der Grenze zu Serbien.

    Die Grenzstadt Zwornik besteht selbstverständlich wieder aus zwei Ländern, die in einander übergehen. Für jeden Bürger dieser zwei Ländern ist die Ein-und Ausreise leicht über die Fußgängerbrücke. Wir werden zur Transit-Grenze abgewiesen, die sich über drei Kilometer entfernt am anderen Ende der Stadt befindet. Nach einem langen Fußmarsch quetschen wir uns zwischen LKW´s und Autos durch und passieren die Grenze.

    In Serbien ist alles beschwerlicher. Es gibt hier an der Grenze keinen Busterminal, nur einen staubigen Streifen an der Straße. Der nächste Reisebus fährt vor und der Fahrer guckt uns grimmig an und winkt mit dem Zeigefinger, dass er keine Reisende mit großen Rucksack mitnimmt und knallt die Tür zu. Nun müssen wir improvisieren und werden am Ende zwei Mini-Bussen bis nach Belgrad nehmen.

    Angekommen in einer lebendigen und sich gerade rasch modernisierenden Stadt, stehen wir vor dem gleichen Chaos an öffentlichen Verbindungen. Tickets können wir keine kaufen, weil mit einer Karte gezahlt wird, die aktuell jedoch nur für Locals ausgestellt wird. Wir steigen in den nächsten Bus zum Hotel und der Fahrer signalisiert, steigt einfach ein. Wir werden die nächsten fünf Tage immer schwarz fahren, nutzt ja nichts.

    Belgrad ist schön gelegen an der Donau, hat eine moderne Architektur, tolle Cafes, super viel Live-Musik und ne coole Partyszene, die zum Teil auf Hausbooten an der Donau liegen. Uns gefällt es hier, einzig die Haltung der Serben gegenüber fast jedem ist schwere Kost. Beim erfolgreichsten Fußballverein Roter Stern Belgrad steht ein Panzer vor dem Stadion mit der Ausrichtung auf den Erzfeind Partizan Belgrad (nur einige hundert Meter entfernt) und dem Kosovo, der sich seit Jahrzehnten versucht von Serbien abzutrennen.

    In der Stadt sind Symbole gegen die EU und die Nato zu finden, die 1999 die Stadt zerbombt haben, aufgrund des militärischen Einmarsches Serbiens in den Kosovos. Die Unterhaltungen über diese Thema mit Einheimischen findet immer die gleiche Sackgasse an politischen und durch die Medien konstruierten Antworten. Die Rolle Serbiens seit dem Ausbruch des Balkan-Kriegs und die bis heute andauernde Haltung gegenüber dem restlichen Balkan und der Welt ist eine einseitige Perspektive. Eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung ist fast unmöglich derzeit.

    Die Abreise mit dem Zug nach Montenegro zieht sich wie in roter Faden in dem serbischen Chaos für Reisende. Der ursprüngliche Bahnhof im Zentrum ist geschlossen und verlegt worden, jedoch weiß keiner eigentlich genau wo und die Meinungen gehen auseinander. Zum Teil heißt es, es gäbe keinen Zugbahnhof mehr oder dieser sei noch im Bau. Zum Glück ist dieser dann doch schon (fast) fertig, befindet sich jedoch kaum angeschlossen an die öffentlichen Verkehrsmittel. Am Ende finden wir gerade noch pünktlich den neuen Zugbahnhof und springen in den Zug nach Montenegro.

    Serbien hat es uns nicht leicht gemacht, es zu mögen. Jedoch ist es ein wunderschönes Land mit viel Grün und Bergen und auf den zweiten Blick auch mit freundlichen Menschen.

    Belgrad ist eine kosmopolitischer, attraktive und lebendige Stadt (vor allem Livemusik). Einzig der bittere Beigeschmack der andauernden politischen Konflikte seit dem Ende Jugoslawiens mit fast allen Nachbarn trübt diese Bild.

    Pobednik ist eine Siegerstatue an der alten Burg, die sich in Zentrum der Stadt befindet. Ein Mann, ein Penis, ein Skandal -> die Statue wurde aus dem Zentrum an den Rand gesetzt, weil die Nacktheit die Öffentlichkeit empörte.
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  • Day 35–39

    Willkommen im Hotel Jugoslavija

    August 20, 2023 in Serbia ⋅ 🌙 29 °C

    Warum quetschen wir uns in ein kleines Hotelzimmer am Rande der Stadt von Neu-Belgrad?

    Alles ist renovierungsbedürftig, zerfallen, halb geschlossen und doch versprüht es Charme, Geschichte und Melancholie von einer anderen Zeit.
    Hotel Jugoslavija ist das Hotel für internationale Empfänge unter dem Präsidenten Tito in Jugoslawien gewesen. Dieser Ort hat Geschichte geschrieben und ist doch leider dem Verfall nah.

    Dörte und ich liegen in Zagreb im Bett und suchen nach einer Auszeit vom Erkunden auf Reisen. Wir finden eine Dokumentation über das Hotel Jugoslavija, die wir zufällig im Streaming-Dienst sehen unter dem Suchbegriff „Jugoslawien“.

    In dieser Doku reist ein deutscher Journalist mit "jugoslawischen" Wurzeln in der Zeit zurück. Er begibt sich immer wieder in das Hotel und porträtiert seine Einzigartigkeit als Begegnungsort der größten Staatsmänner und Berühmtheiten der Welt, die von Jugoslawien eingeladen wurden. Das Hotel Jugoslavija ist ein Prestigeobjekt Titos und soll der Welt den jugoslawischen Wohlstand repräsentieren.

    Nach dem Ende packt uns spontan die Lust auch auf diesen Spuren zu residieren. Gesucht, gebucht und eingezogen. Und dann stehen wir vor dem Eingang des Hotels, mittlerweile zerfällt alles, die großen Leuchtbuchstaben erleuchten nur noch zum Teil, der Eingang ist verkleinert und nun mit einem amerikanischer Diner besetzt. Alles ist einfach übergroß und zum Teil menschenleer. Der Aufzug noch original, wie sehr vieles hier. Sitzend in der Empfangshalle unter einem riesigen Kronleuchter schwelgen wir in dem Flair der alten Zeit. Der leider auch fast verloren ist, nach zig Versuchen dem Hotel den alten Glanz neu einzuverleiben.
    Unser Zimmer und die Innenarchitektur des Hotels sind seit fast 50 Jahren unverändert. Auch die Zimmerluft, die im Belgrader Sommer super heiß werden kann, und das Interieur, das im Badezimmer an allen Ecken bröckelt.

    Uns gefällt es und kurz fühlen wir uns wie im Museum und in der Zeit gereist. Danke für diesen wunderschönen Zufall.
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  • Day 37–43

    #wildlife Montenegro

    August 22, 2023 in Montenegro ⋅ ☀️ 23 °C

    Feiern bis die Schwarte kracht in der Hauptstadt, wandern durch Landschaften, die einem den Atem rauben, Sandstrände, Steilküste, Mausoleen gigantischen Ausmaßes auf Bergspitzen, Yachthäfen, Seilbahnen, mittelalterliche Stadtkerne, Klosterinseln, reißende Flüsse, Rafting, türkise Stauseen, Raki bis zum Abwinken.

    Magst du? Ab nach Montenegro...

    Unser Zug von Belgrad hat alten IC-Charme und Zugfahren ist für uns in der Ferne eine besondere Freude aus Ausblicken und gemütlichem Distanzen überwinden. Ursprünglich war unser Ziel Bar, jedoch in Podgorica packt uns spontan die Lust hier zu bleiben, ohne zu wissen was uns erwartet.

    Es wird großartig, weil wir schnell ein Zimmer finden und die Stadt am Abend erkunden. Es weht ein leichter Sommerwind bei 30 Grad und wir hören Musik beim Überqueren der vielen Brücken in der Stadt. Im Flussbett legt ein DJ in einer Open-Air Bar auf und bei leckeren Cocktails tanzen wir in die Nacht.

    Am nächsten Tag mieten wir uns erstmal ein Auto, weil Montenegro zu viele abgelegene Bergregionen hat ohne öffentliche Verkehrsanbindung. Wir düsen für fünf Tage durch die wunderschönen Berglandschaften, sonnen uns an Stränden, baden in der Adria, springen in saukalte Bergflüsse, essen handgemachten Käse und Schinken und leckere Suppen in Bergdörfern, spielen Fußball mitten in den Bergen auf Stein-Rasenfeldern, trinken zu viel Raki und begegnen Menschen aus aller Welt auf Motorrädern, Fahrrädern und zu Fuß und dabei sehr gastfreundlichen Montenegrinern.

    Besonders Josef, einem selbstbewussten, alten Hotelbesitzer mit Deutschkenntnissen, bleit in Erinnerung: Er rief uns grinsenden zur Verabschiedung hinterher "Deutschland, wenn ihr Auto fahrt, immer schön die Hände bei euch behalten!" ;-)
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  • Day 43–44

    Von sechs auf elf Millionen...

    August 28, 2023 in Albania ⋅ ☀️ 35 °C

    ...Touristen in nicht einmal vier Jahren.

    Albanien in a Nutshell:

    Du kommst nach langer Fahrt auf chaotischen Straßen durch traumhafte Landschaften in einer größeren Stadt an. Dort, wohin du möchtest, fährt gerade kein Bus.

    Doch da triffst du eine Gruppe Frauen, die selber gerade aus den Bergen kommen, und sie laden dich in ihren privaten Bus ein. Nehmen dich nicht nur einfach mit: Bei 80 km/h auf der Autobahn dröhnt die Musik und selbst Oma tanzt auf den Sitzen. Und wenn das nicht mehr reicht, um gemeinsam zu feiern, dann hält der Busfahrer eben mitten im Nichts an und es wird richtig getanzt.

    Man unterhält sich ohne ein Wort zu verstehen. Und zum Abschied herzen und küssen einen alle.

    Albanien überrascht. Mit Gastfreundschaft, Türmen, wilder Natur, tragischer Geschichte und jede Menge Bunkern.
    Der Stadtführer beschreibt das, was die Albaner vereint, folgendermaßen:
    Sprache, Verehrung des Nationalhelden Shkenderbey und Mercedes fahren.

    In Skhodra:

    Wo ist Albanien eigentlich unterschiedlich zu dem Rest auf der balkanischen Halbinsel? Um es kurz zu machen: die noch größere Gastfreundschaft!

    Die Zeit läuft hier gemächlicher, unser Vermieter sonnt sich noch am Strand und darum werden wir auf einen landestypischen Shkenderbey Whisky eingeladen. Wir sollen Platz nehmen in einer angrenzenden Bar im Hinterhof und werden mit offenen Armen dort empfangen.

    Am nächsten Tag treffen wir hier einen Deutsch-Albaner, der uns unbedingt auf ein Kaffee einladen will und unser Vermieter lässt uns kostenlos unsere Backpacks in seinem Kühlhaus von der Schlachterei parken, für ein paar Wandertage in den albanischen Alpen.

    Doch noch nicht genug dieser übersprudelnden Herzlichkeit: Immer wieder reisen wir per Anhalter durch das Land und kommen mit tollen Menschen zusammen, die uns selbstverständlich mitnehmen und uns zum Teil zu sich nach Hause einladen.

    Eigentlich wollte ich von Skohder erzählen, der zweigrößten Stadt des Landes. Hier wird Fahrrad gefahren, was nicht oft passiert auf unser Reise. Sie hat eine alte und schöne Festung über der Stadt mit tollem Blick auf den angrenzenden See und Fluss.

    Der Busbahnhof ist einfach am größten Hotel der Stadt. Praktisch sind sie, die Albaner. Menschen leben hier einfacher und ärmlicher als zuvor auf unserer Reise. Das Zentrum ist schick gestaltet und Restaurants/Cafes legen viel Wert auf das Äußere, wobei nicht alles Gold ist, was glänzt.

    Wir besuchen das Museum "Site of Witness and Memory", in der die Geschichte des Sozialismus und die Rolle der Religion in Albanien aufgezeigt wird. Albanien war der erste atheistisch Staat der Welt und unterdrückte brutal jeglichen religiösen Glauben, der jedoch in dem Land tief verwurzelt ist.

    Es entsteht eine Schreckensherrschaft mit Ermordungen, Folter und jegliche Art von Religionspraxis wird unter Strafe gestellt. Zum Glück überleben einige Glaubenshäuser, aufgrund ihrer praktischen Umfunktionierung in Zirkusübungsstätten, Tischtennis-Hallen oder einfach nur Lagerräume.
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  • Day 43–47

    Peaks of the Balkans

    August 28, 2023 in Albania ⋅ ☀️ 30 °C

    Leider fährt der Bus nach Theth nur einmal morgens um 7 Uhr von Shkodra ab. So früh sind wir nicht unterwegs. Aber man ist nicht mit Jens unterwegs, wenn das ein Problem darstellen würde.

    Kurzerhand trampen wir mit leichtem Gepäck - problemlos die 80 km über den 1600 m hohen Pass - in den kleinen Bergort Theth. Problemlos heißt in diesem Fall in ein paar Stunden. Ich schwitze jedoch im englischen Mercedes auf der Beifahrerseite auf der engen kurvigen Straße bei jedem Überholmanöver wie im Juli als Kind bei den Bundesjugendspielen.

    Deutlich (fast zu) gechillter geht es dann mit zwei Israelis weiter und wir kommen da an, wo wir in unseren Köpfen einen kleinen, beschaulichen Ort wie in den Alpen vor jeglichem Massentourismus erwarten. Doch da sind wir vermutlich ein paar Jahre zu spät. Überall sprießen unkontrolliert die Hotels, Pensionen und Ferienhäuschen aus dem Boden wie die Pilze an einem feuchten Herbsttag.

    Dafür ist die Infrastruktur jedoch noch nicht ausgebaut, was man an den völlig überfüllten Mülltonnen erkennen kann. Zwischen den teilweise noch Rohbauten stehen vereinzelt die Kühe und alte Bauernhäuser zeugen von einer nicht allzu entfernten ruhigen Vergangenheit.

    Wir schlendern durch den Ort und finden hinter Wiesen und Kühen am Rand ein Gästehaus bei einer Familie, die an dem Touristen-Boom teilhaben möchte und neben ihrem zerfallenen Haus ein neues aus Beton ausschließlich für Touristen gebaut haben.

    Am Morgen bekommen wir ein großartiges lokales Frühstück (Brot, Tee, Ziegenkäse, fetttriefendes Omelett, Honig und Oliven aus eigener Herstellung von der 11 Jährige Tina serviert, als wäre sie bereits eine ausgebildete Hotelfachfrau.

    Und es das Frühstück brauchen wir. Denn es wird ein Knaller-Wandertag! Zuerst laufen wir gute 10 km zum Blue Eye, wo das Wasser so kalt ist, dass die gesamte Temperatur drum herum deutlich abnimmt, was uns nicht vom Baden abhält. Zurück trampen wir mit einem freundlichen Paar aus Kanada. Und dann geht es erst richtig los. Über den auf 1795 m hohen Valbona-Pass (Peaks of the Balkans Route Nummer 1) knapp 18 km in den gleichnamigen Ort auf der anderen Seite des Passes. 1000m hoch und wieder runter. Und es ist wunderschön!

    Wir übernachten bei einer Familie, die hier im Sommer in einem Zelt lebt, in einer kleinen Hütte, neben uns die Kuh und über uns nur der Sternenhimmel.

    Über Bayram Curr geht es trampend, mit Bussen und einer Fähre über den Stausee der Drin zurück nach Shkodra, wo unsere Rucksäcke noch immer im Kühlraum der Metzgerei lagern...
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  • Day 46–51

    Ein hoch auf Wolkenkratzer

    August 31, 2023 in Albania ⋅ ☀️ 26 °C

    Urplötzlich erreicht dich die moderne Welt des 21. Jahrhunderts wenn du in Tirana einfährst. Und passt damit so gar nicht zum Rest Albaniens.

    Wir werden von unserer Mitfahrgesellschaft von älteren Damen am Rande der Stadt rausgelassen und steigen in einen Linienbus um. Dieser fährt über Sandwege durch dunkle Industriegebiete und Satelliten Shopping-Malls ins Zentrum. Nun stehen wir Mitten umgeben von sage und schreibe zehn Wolkenkratzern und weitere zwölf sind im Bau, die hier irgendwie nicht hineinpassen. Noch unwirklicher wird es, als wir eine riesengroße Pyramide entdecken, die noch aus Zeiten der Enver Hoxha Diktatur stammen.

    Tirana klotzt, katapultiert sich in die Moderne und gleichzeitig vergrößert sich die soziale Ungerechtigkeit in einem wirtschaftlichen Entwicklungsland. Weil Albanien immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit aufweist, viele Albaner weiter an der Armutsgrenze leben, Korruption verbreitet ist und hier sich die Drehscheibe des europäischen Drogenhandels befindet. Lokals berichten, dass viele der Hochhäuser einen sehr hohen Leerstand haben. Unsere Guide spaßte mit dieser Entwicklung, er wolle die Türme mit Zipp Lines verbinden, damit sie überhaupt einen Nutzen bekommen.

    Backpacking-Reisen üble Seite:
    Nachts werden wir leider von so kleinen schwarzen Käfern, Bettwanzen, in unseren Hostelzimmer heimgesucht. Die kleinen Mistdinger kommen in der Nacht ganz unbemerkt und lutschen dich aus. Meist spürt man es in der Nacht nicht, sieht am Morgen dann die Beiß-Straße am Körper. Es juckt ordentlich und raubt auch den Schlaf, jedoch geht es auch wieder und hinterlässt keine Schäden. Nicht schön, jedoch in Hostelbetten, wo tausende Rucksackreisende verkehren eine gewöhnliche Herausforderung.

    Tirana bietet eine Handvoll Sehensenwürdigkeiten, gerade in ihrer Geschichte. Über fast 40 Jahre diktatorisch geführt von Enver Hoxha, der seine Bevölkerung nahezu einsperrt und mit der Zeit Panik vor einem militärischen Einfall entwickelt, so dass er über 170.000 Bunker in ganz Albanien zur Verteidigung errichten lies. Seine Kommandozentrale als Bunker und ein tolles Museum sind am Rande der Stadt untergebracht. Des Weiteren ist die Religion lange staatlich unter Strafe gestellt worden und Gotteshäuser erst seit 1991 wieder erlaubt.

    Die Fußball-Saison in Albanien hat gerade wieder gestartet und wir besuchen den aktuellen Meister, Partizan Tirana, in seinem neuen Stadion. Das ist noch gar nicht richtig fertig, weil zwei Tribünen noch folgen sollen und trotzdem sind die elektronischen Einlässe, Toiletten, Aufgänge bereits kaputt. Albaner lieben Fußball und durch eine nie endende Schleife des Vereins-Songs werden wir und das Stadion euphorisiert. Als dann noch das erlösende 1:0 fällt ist kein Halten mehr. Wir lieben es in Kulturen über Fußball einzutauchen und Albaner machen es einem auch leicht. Schon zu Beginn treffen wir ein sympathischen Jugendtrainer, der eine Zeitlang in Deutschland sein Glück suchte und uns sehr herzlich mit allem hilft.

    Wolkenkratzer, eine Pyramide, Bunker, ein riesen Platz im Zentrum mit übergroßer Skanderbeg Statue, ein Nationalmuseum ohne Englische Übersetzung (besser auslassen), Fußballverrückte und sehr sympathische Menschen* erwarten euch in Tirana.

    *So wie meinen ehemaligen Schüler Lisian. Ich freue mich so, dass wir uns nach so vielen Jahren hier wiedersehen können. Lisian war als kleiner Junge in meine Klasse am Siegtal-Gymnasium gekommen und ich weiß noch, wie wichtig er mit seiner ruhigen Art und hohen sozialen Kompetenz für die Klasse war. Immer wieder waren wir in Kontakt, nachdem die Familie leider wieder abgeschoben worden war. Und es hat mich tief berührt zu sehen, wie aus dem kleinen Jungen ein selbstbewusster, fleißiger und toller junger Mann geworden ist.

    Danke Lisian für den schönen Abend!
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  • Day 50–55

    Welcome to our cozy place

    September 4, 2023 in Albania ⋅ ⛅ 18 °C

    Berat und Girokaster:

    Es sind nicht nur nette Menschen aus Albanien, die uns hier begegnen. Als wir von Berat, dem pittoresken osmanischen Städtchen mit den tausend Fenstern morgens Richtung Girokaster mit dem Minibus (hier heißen sie Furgon) losfahren, ist dieser bereits eigentlich schon mehr als ausgelastet. Jedenfalls alle Sitze belegt, plus mehrere Hocker in der Mitte. Und von einem dieser Klappstühle heißt uns eine sympathische Frau (wie wir später herausfinden ist es Patrizia aus Paris) mit einem warmen "welcome to our cozy place" willkommen (Willkommen in unserem gemütlichen Örtchen). Kurzerhand werden einfach noch mehr Klappstühle in den Mittelgang gestellt und so finden auch wir noch einen Platz, so wie später auch noch mehr Passagiere, die dann stehen und weitere Dinge wie Motoren, Pakete und Koffer.

    Auch hier schwitze ich wieder bei allen Überholmanövern vor Kurven und Hügeln - doch der nette Deutsch-Albaner aus Aachen beruhigt mich: "Mach dir keine Sorgen - der Fahrer kennt den Weg!". Na dann!

    Mit Patrizia aus Paris und Timothy aus Belgien verbringen wir lustige und kulinarisch köstliche Abende, wohnen im besten Hostel auf der Reise (Stonehome Hostel), dessen niederländischer Besitzer uns bei einer Stadtführung viel erklären kann (die Steindächer wiegen etwa 400kg pro Quadratmeter!) und stoßen per Zufall auf eine kleine Kneipe, wo gerade das Spiel Albanien gegen Tschechien läuft. Auch hier werden aus keinem Platz zwei für uns gemacht und sofort werden wir zu Raki für Männer (groß) und Frauen (klein) eingeladen.

    Und es ist herrlich inmitten all dieser Menschen, die uns sofort in ihre Mitte aufnehmen. Vermutlich fühlen sie sich wie wir sehr wohl - anders wäre die Szene, die wir beobachten nicht zu erklären: Ein albanischer Spieler verschießt und vor lauter Ärger springt einer der Männer auf uns spuckt dem Fernseher direkt ins Gesicht.

    Albaner sind eben temperamentvoll. ;-)

    Auf dem Weg nach Pogradec (Grenzstadt):

    Der Plan: Mit der Fähre von Albanien nach Nordmazedonien über den Ohridsee. Also fahren wir frühmorgens los mit dem Furgon (Minibus) von Girokaster nach Korça. Und ich sag’s euch Leute: Das ist eine der schönsten Strecken, die ich je gefahren bin. Da ist dieser wilde mäandrierende (hahaha…irgendwann wollte ich dieses Wort einmal benutzen) Fluss, der Aoos, hohe Berge mit beeindruckenden Aussichten, Bergseen und überall Ziegen- und Schafhirten, die ihre Tiere durch die Landschaften treiben.

    Wie es dann so ist auf Reisen, der Plan geht nicht auf. Als wir mit dem zweiten Furgon nach Pogradec kommen ist da zwar eine Stadt. Aber kein richtiger Hafen. Überhaupt scheint der See gerade mal noch für Hochzeitsfotoschießereien gut zu sein. Lang verweilen möchten wir jedenfalls nicht…es müffelt irgendwie nach Moder und bröckelt leider an jeder Ecke. Eine Fähre gibt es schon gleich gar nicht. Später (siehe Etappe Ohrid) wird uns auch klar warum.

    Also geht es mit dem nächsten Furgon an die Grenze, wo wir einfach abgesetzt werden. Zu Fuß geht es weiter, vorbei an angekokelten Nordmazedonien-Schildern, die eine gewisse Spannung zwischen den Ländern deutlich macht. Wir sind in unserem 10. Land angekommen.

    Und auf der anderen Seite?
    Nix. Kein Bus. Kein Taxi. Keine Info. Doch es dauert keine 5 Minuten, da hält ein nettes Ehepaar aus den Niederlanden an. Mit den beiden wird wieder klar: Wahrnehmung ist bei jedem eine andere. Was die beiden als schönen Naturpfad beschreiben, entwickelt sich als Pipistrecke am Hintereingang von Titos Sommerresidenz und modernen Hotelressorts. Naja.

    Dafür sind wir in Ohrid.
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  • Day 54

    Buchtipp für Albanien

    September 8, 2023 in Albania ⋅ ⛅ 22 °C

    Buchtipp "Frei" von Lea Ypi:

    Dörtes Buchbeschreibung:

    Was heißt Freiheit? Und war das Freiheit, als Albanien plötzlich Zugang zur westlichen Welt hatte? Jetzt waren die Grenzen zwar nicht mehr von Innen verschlossen, dafür riegelten sich die anderen Länder ab und plötzlich waren die Menschen nicht mehr willkommen.

    Endet Freiheit nur dort, wo wir unsere Meinung nicht sagen können und uns in einem total abgegrenzten Raum befinden? Und was ist das für eine Freiheit in einem System zu leben, in dem man zwar eigentlich das eigene Potenzial ausschöpfen kann, aber doch hauptsächlich dann, wenn man zu der Seite der Gesellschaft gehört, die an allem teilhaben kann und nicht ausgebeutet wird (also im Zweifelsfall weiß, männlich und gebildet...was man wiederum auch nur ist, weil es die eigene Familie schon vorher war)?

    Lea Ypi meint dazu: Zumindest haben wir die Freiheit jeden Tag zu entscheiden, das Richtige zu tun.
    Möge uns der Idealismus auf seinen Flügeln tragen.

    Das ist das zentrale Thema des Buches. Doch es ist auch eine Familiengeschichte, die Geschichte einer jungen Albanerin, die in den 80ern in einem Land aufwächst, in dem es keine Freiheit gibt. Zumindest nicht politisch und religiös. Ein Land, in dem Menschen verschwinden, gefoltert werden und alle vom Rest der Welt abgeschnitten sind.
    Es ist die Geschichte einer jungen Frau, deren gesamtes Weltbild von einem Tag auf den anderen ins Wanken gerät, weil alles, was vorher richtig war, plötzlich falsch ist. Auch, weil aus Angst vor den Folgen, vorher niemand ehrlich sein konnte zu einem Kind, das doch voller Fragen war.
    Und es ist eine bewegende Geschichte von drei Generationen Frauen, die mutig sind und auf ihre eigene Art Widerstand leisten.
    Ein großartiges Buch.

    Jens Meinung:

    Lea Ypi nahm mich als Leser sofort mit. Es beginnt in ihrer Kindertagen und sie beschreibt ausführlich das Leben im ärmlichen und abgeschotteten Albanien. Sie ist glücklich und ihre Familie auch, alle haben sich dem Sozialismus angepasst. Denn eigentlich könnte die Familie ein wohlhabendes Leben führen, jedoch steht ihr Familienname auf der roten Liste der Regierung und das verbaut jegliche Wege. Lea erzählt aus ihrer Sicht die Jahrzehnte, angepasst und immer auf der Hut vor dem Staat. Eine Cola-Dose wird zum Status-Symbol, die Flucht nach Italien der Mutter mit ihrem Bruder, eine Reise ins so ferne und andere Griechenland, umschreiben das System Albaniens in einer exakten und reflektierten Art und ließen mich in das Leben eintauchen. Die große Frage der Freiheit im Sozialismus oder Kapitalismus nimmt Lea auf und begleitet sie bis zum Ende des Buches als Professorin an der London School of Economics. Ypi lässt das Buch mit einer wundervollen Antwort ausklingen und die Worte klingen mir heute noch nach, so eindringlich schön waren diese.

    Dieses Buch sollte jeder lesen, der Freude an gesellschaftlich wichtigen Fragen und Staatsystemen hat, und er/sie wird lebendige neue Anregungen durch die albanische Geschichte bekommen. Ich habe mich in diese Buch verliebt...
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  • Day 54–55

    Es perlt schon wieder...

    September 8, 2023 in North Macedonia ⋅ ⛅ 23 °C

    In Ohrid dagegen blüht das Leben am See: Ausfahrtschiffe ohne Ende, Unterwasserboot-Fahrten, eine Festung mit Altstadt, Juweliergeschäfte mit Perlen aus dem Ohridsee, Shoppingmalls und ausgezeichnete Restaurants.

    Wir fühlen uns sehr wohl, baden im See, sonnen uns an der grünen Promenade und essen leckeren Fisch mit Livemusik am Seeufer.

    (Fun)facts:

    Hier gibt es die kleinste Marine der Welt.

    Der Ohridsee ist der älteste und tiefste See Europas.

    Von den Ohrid-Perlen ist nur der Lack aus dem See. Ist der Lack ab, bleibt nur eine billige Perle aus China übrig.
    (Zugegebenermaßen ist allerdings das Lackrezept einzigartig: Nur eine Familie in Ohrid kennt seit Jahrzehnten das Rezept aus Schuppen ohridseeischer Fische.)

    Ajvar (eine traditionelle Paprikapaste): Angeblich liegt hier sein Ursprung.

    2014 haben die Albaner Nord-Mazedonien angegriffen, weil dort so viele Albaner leben. Seitdem ist Albanisch zweite Amtssprache!
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