Südamerika 2018

juillet 2018 - janvier 2019
Conny und ich bereisen Mittel- und Südamerika und nehmen dabei so viel wie möglich mit! Die bisherigen Ziele: Mexiko, Guatemala, Kolumbien, Ecuador.
Anschließend geht’s für mich alleine weiter, streckenweise begleitet von Mama, Papa und Brigitte. ☀️
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  • Der Erkunder und der Fleißige

    22 juillet 2018, Mexique ⋅ ⛅ 20 °C

    Während Jan seinem ihn schon seit geraumer Zeit plagenden Gewissen nachgab und einen Arbeitstag einlegen wollte, beschloss ich, Elisa, Camilo und Nicolas zu dem Dorf „Chamula“ zu begleiten. Nach einem gemütlichen Frühstück nahmen wir ein colectivo, welches auf der anderen Seite der Stadt startete. Somit bekam ich eine kleine Stadtführung durch das wunderschöne San Cristóbal. In Chamula angekommen ging es direkt weiter mit einer privaten Stadt(Dorf)-Führung, diesmal von Juan (ein Dorfbewohner, der in San Cristóbal studiert). Dieser erzählte uns begeistert von seinem Dorf und dessen Gebräuchen. Sonntags ist in Chamula immer Markttag, welcher Bauern aus der ganzen Umgebung anlockt und somit das sonst sehr ruhige Dörfchen in ein buntes, lautes und fröhliches Treiben verwandelt. Für mich gab es neben leckerem Mais und Chicharrón (frittiertes Schweinefett) einen handgestrickten und sehr schönen Pulli. Der Höhepunkt des Tages war der Besuch der zentral gelegenen Kirche. Die Religion der Chamuleños ist eine Mischung des Christentums und alten Maya-Kulten. Wir traten durch die Türe und fanden uns in einer ungewöhnlichen Kirche wieder. Es gab keine Bänke, der Boden war mit Piniennadeln ausgelegt, an den Seiten reihten sich Heilige und die ganze golden und grün verzierte Kirche wurde durch den Schein eines Kerzenmeeres beleuchtet. Beim Betreten der Kirche wurden wir direkt von einem Guide abgefangen, der uns auf allerdings freundliche Art und Weise eine kleine Führung auf Spendenbasis nahelegte. Sehr gute Idee! So bekamen wir einen Einblick in die örtlichen Rituale: Wenn ein Dorfbewohner erkrankt, wird dieser von seinen Angehörigen in die Kirche gebracht. Ein „Pfarrer“ entscheidet per Pulsmessung, wie schwerwiegend die vorliegende Krankheit ist. Abhängig von der Einschätzung des Pfarrers werden verschieden viele Kerzen verschiedener Farben entzündet. Es wird ebenfalls ein Ei (bei z.B. einer leichten Grippe) oder ein ganzes Huhn (bei z.B. einer Lungenentzündung) benötigt. Das Ei bzw. das Huhn wird unter beschwörenden Gesängen an dem Kranken gerieben, sodass die negative – krankmachende – Energie vom Patienten auf das Ei/Huhn übertragen wird. Anschließend wird dem Huhn der Hals umgedreht und das erfolgreiche Ritual mit ordentlich Pox begossen. Die Angehörigen nehmen das Huhn mit nach Hause und vergraben es. Was mir sehr gut gefallen hat, ist die meiner Meinung nach dem Christentum fortgeschrittene Art zu beichten. Hierbei sitzt der Gläubige nicht in einer kleinen Kammer und beichtet einem Kirchenangehörigen, welcher, wie wir ja wissen, selber in einigen Fällen deutlich schlimmere Verbrechen begangen hat - ich schweife ab und es soll ja auch hier nicht um Kirchen-Bashing gehen. Der Gläubige spricht also nicht mit einem dunklen Gitter, hinter welchem ein Kirchenangehöriger sitzt, sondern geht zu einem der Heiligen. An der Brust eines jeden Heiligen hängt ein kleiner Spiegel, sodass der Gläubige sich beim Beichten seiner Sünden selbst in die Augen schaut. Die Decke der Kirche bedeckt ein Gemälde, welches einen Büffel, einen Leoparden, einen Adler und einen Jaguar zeigt. Diese symbolisieren die Apostel Johannes, Petrus, Markus und Paulus.
    Leider gibt es sehr wenig Bilder von dem Ausflug, da das Fotografieren sowohl in der Kirche als auch im Dorf, falls sich Bewohner auf dem Bild befinden, verboten war. Die Menschen glauben, dass ihre Seelen in den Bildern gefangen werden. Unter anderem für Einhaltung des Fotoverbotes sorgt die örtliche „Polizei“. Die „Polizisten“ tragen weiße Felle und sind mit langen, schwarzen Stöcken ausgerüstet, mit dessen Hilfe ungehorsame Touristen schon schwer verletzt wurden. Da es sich um ein autonomes Dorf handelt, welches seine eigenen Gesetze hat, ist bei Missachtung dieser keine Hilfe der mexikanischen Polizei zu erwarten. Als ich zurück ins Hostel kam, saß Jan im Innenhof. Laptop im Schatten, Körper in der Sonne. Als kleine schon erwartbare Vorwegnahme für morgen: Hautfarbe Tomate. Für das Abendessen gingen wir mal wieder in eine sehr leckere Taquería und buchten in einem „Reisebüro“ eine Bootstour für den kommenden Tag. Zurück im Hostel stellten wir auf der Suche nach unserem nicht aufzufindenden Geldbeutel unser Zimmer und das Auto von Carlos auf den Kopf, doch der Schlingel blieb verschwunden. Ratlos schlussfolgerten wir, dass er uns vermutlich aus unserem Zimmer geklaut wurde. Da das Hostel durchgehend ageschlossen war, musste es einer der anderen Gäste gewesen sein. Wir verkündeten laut, dass jegliches Geld von der Kreditkarte genommen sei und gingen – statt wie geplant feiern zu gehen – früh ins Bett.
    Conny
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  • Die Touris erobern den Canyon

    23 juillet 2018, Mexique ⋅ ⛅ 28 °C

    Ich spannte die Backenmuskulatur an. Meine Kiefer bewegten sich aufeinander zu und schoben meine Zähne durch das Weich. Köstlich süßer Saft floss in jeden Winkel meines Mundes und glitt meine Kehle hinunter. Zwei weitere An- und Entspannungen meiner Kaumuskulatur und das Fruchtfleisch der himmlischen Mango folgte dem Saft. Die Tasse am Mund angesetzt verursachte eine Bitterkeit, die einer heißen, dunklen Flüssigkeit entstammte und den perfekten Kontrast zu der fast unwirklichen fruchtigen Süße bildete. Den nicht zu verachtenden Nebeneffekt dieser heißen Köstlichkeit, genannt Kaffee (richtiger starker, schwarzer Kaffee, nicht dieser Instantcoffee-Quatsch), bildete das lebensenergieschenkende Koffein. Der Tag startete ganz nach dem Motto „Schlaf ist nur ein billiger Ersatz für Kaffee“, denn meine - wäre ich älter, würde ich sie „senile“ nennen, dazu ist es allerdings noch etwas zu früh - Bettflucht ließ mich mal wieder vor dem Wecker erwachen. Leider begann der Tag nicht nur mit einer exotischen Verwöhnung des Gaumens, sondern auch dem Fund unseres leeren (außer Kreditkarte) Portemonnaies im Mülleimer – hatte unsere Ansprache über die Nutzlosigkeit der Karte für den Dieb wohl etwas gebracht. Da sich vor einer Woche bereits ein ähnlicher Fall in dem Hostel zugetragen hatte, verlor der sonst sehr entspannte Besitzer Carlos die Nerven und wollte das nette Volunteerpaar rausschmeißen. Wir waren uns ganz sicher, dass sie niemals Stehlen würden und redeten ihm gut zu, dass das nicht die richtige Reaktion auf die Vorkommnisse sei. Die Diskussion wurde durch das Hupen des Minibusses unterbrochen, der uns für die geplante Tagestour abholte. Mit Nicolas ging es also los zum Cañon el sumidero. Angekommen, wurden wir in eine Touri-Massenabfertigung geleitet. Jeder durfte sich eine neonorangene Schwimmweste anziehen und in der Schlange einreihen. Durch die Musik eines überdimensionalen Xylophons abgerundet erinnerte uns das Gesamtbild an das Anstehen im Europapark für die Wasserachterbahn. Was mittelmäßig grausam - allerdings auch witzig – begann, wurde zu einer tollen Bootstour zwischen bis zu 1km hohen Felswänden. Von diesen stürzten sich Teile der heimischen Völker, als die Spanier kamen, um der Sklaverei zu entfliehen. Der Kolonialismus ist ein Thema, was in Mexiko eine große Rolle spielt und uns immer wieder begegnet. Wir bekamen Krokodile, Affen und verschiedene Vögel zu Gesicht. Anschließend ging es zu drei Aussichtspunkten, sodass wir den Canyon und unsere Tour nochmal von oben sehen konnten. Der letzte Halt der Tour war das Dorf Chiapa de Corzo, welches uns allerdings nicht übermäßig beeindruckte und eher durch seine sich unserer Hautfarbe anpassenden Essenspreise negativ auffiel. Zurück im Hostel sahen wir voller Erleichterung und Freude, dass Camilo und Elisa nicht gegangen waren und die Stimmung sich wieder normalisiert hatte. Abends bummelten wir noch durch das wunderschöne San Cristóbal und gingen lecker essen, zur Abwechslung mal chinesisch.
    Conny
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  • Revolutionäre Indios & Adiós Mexico!

    24 juillet 2018, Mexique ⋅ ☀️ 23 °C

    Da wir bis dato noch nicht sonderlich viel von San Cristóbal selber gesehen hatten, entschieden wir uns, vor unserer Abreise noch eine Free Walking Tour zu machen. Um 10 Uhr morgens standen wir also auf dem Hauptplatz, wo sich schon eine kleine Gruppe an Touristen um den Guide, einen ende dreißig jährigen, bärtigen, stämmigen Bär, herum versammelt hatte. Nachdem wir noch eine Weile gewartet hatten, führte uns Rafael durch die verschiedenen Straßen und Märkte der Stadt und erzählte dabei von den Einheimischen, seiner Jugend und den Zapatistas. Letzteres bezeichnet eine Bewegung der indigenen Bevölkerung Mexikos, welche insbesondere im Süden Mexikos seit Ende des 20. Jhs. um Gleichberechtigung und Anerkennung der Indios kämpft und sich auch genereller gegen eine kapitalistische Globalisierung ausspricht. Die Bewegung hatte vor allem früher aber auch noch heute in San Cristobal einen wichtigen Stützpunkt und so sieht man noch an zahlreichen Orten der Stadt revolutionäre Graffitis und Symbole und eine der größten Bars der Stadt nennt sich Revolución.
    Leider mussten wir dann die Stadtführung frühzeitig abbrechen, da wir in Richtung guatemaltekische Grenze aufbrechen wollten. Zum ersten Mal auf unserer Reise hatten wir das Gefühl, dass wir gerne noch einen Tag länger im vielseitigen San Cristobal verbracht hätten. Allerdings lief unser 7-Tage-Visum aus, welches wir bei der Einreise von Belize ausgestellt bekommen hatten und ein Überschreiten der 7 Tage hätte bedeutet, erneut die 30 € Grenzgebühr zahlen zu müssen. Somit machten wir uns im colectivo (nachdem wir am Vorabend erfahren hatten, dass die Grenze zu Guatemala um 18 Uhr schließt und wir bis dahin noch circa 4 Stunden Weg vor uns hatten, erschien uns Trampen doch ein wenig riskant) auf den Weg. Pünktlich wie immer kamen wir um kurz nach 18 Uhr an der Grenze an und fanden diese glücklicherweise noch geöffnet vor. Ähnlich wie beim Grenzübergang zu Belize wurde uns hier zunächst die Ausreise aus Mexiko bestätigt und anschließend mussten wir circa 10 Minuten mit dem Taxi bis zum guatemaltekischen Grenzposten fahren. An letzterem wurden wir von einem gemütlichen Beamten herzlich begrüßt, nach unserem Befinden befragt und nach dem Zahlen der Einreisegebühr von 15 Quetzales (1,50 €) mit einem freundlichen „Buen viaje“ verabschiedet. Dieser entspannte Grenzübertritt sorgte direkt dafür, dass wir uns wohlfühlten und der Zeit in Guatemala noch positiver entgegenblickten. Nach einem kleinen Fußmarsch fanden wir dann unser weiteres Transportmittel für den kommenden Reiseabschnitt vor: den Chicken Bus! Diese aus Kanada und Amerika importierten, ausrangierten Schulbusse sind das billigste Fortbewegungsmittel in Guatemala und somit wie für uns gemacht. Für umgerechnet 2 Euro fuhren wir also in Richtung Huehuetenango („Huehue“), eine circa 85km von der Grenze entfernte Stadt, welche wir uns als Übergangsstation auf der Weiterfahrt zu den südlicheren Teilen Guatemalas ausgesucht hatten und in der wir eine Couchsurfing-Gelegenheit gefunden hatten. Entgegen der überwiegend negativen Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit dem Chicken Bus von einigen Reisenden gehört hatten (eng, laut, ungemütlich, anstrengend), waren wir zunächst überrascht davon, wie gemütlich es bei der Abfahrt noch war: eine eigene Bank für jeden von uns und ausreichende Beinfreiheit! Schon kurz darauf wurde uns aber bewusst, was die anderen gemeint hatten: der Bus hält nämlich überall da, wo jemand einsteigen will und ein „zu voll“ gibt es nicht. So füllt sich mit der Zeit allmählich jeder Sitzplatz und dann eben auch darüber hinaus. So fuhren wir dann eingequetscht zu dritt auf einer Bank, welche eigentlich für 2 Schüler konstruiert ist für circa zwei Stunden durch eine wohlgemerkt faszinierende Berglandschaft. Nach Einbruch der Dunkelheit kamen wir dennoch unbeschadet in Huehue an und ließen uns von einem Taxi zu der uns angegebenen Adresse fahren. Bei der Ankunft entstand dann die erste etwas ausführlichere Diskussion mit dem Fahrer: Wir hatten mit ihm einen höheren Preis vereinbart, da er uns in dem Glauben gelassen hatte, die Fahrt würde 15 Minuten dauern. Da wir nun aber schon nach 5 Minuten am Ziel ankamen und deswegen den Preis neu verhandeln wollte, behauptete er steif und fest, der Verkehr um diese Zeit sei unberechenbar und 15 Minuten wären lediglich eine grobe Einschätzung gewesen. Als wir uns dann auf einen ein wenig geringeren Preis „geeinigt“ hatten, stellte sich auch noch heraus, dass er kein Wechselgeld dabeihatte, sodass wir bei den Nachbarn um Kleingeld bitten mussten … Das ganze Gehabe drehte sich letzten Endes nur um einen Unterschied von 2,50€ und 3€ aber letzten Endes geht es dann doch irgendwie ums Prinzip.
    Naja, jedenfalls klingelten wir bei unserer Couchsurferin und die herzliche Begrüßung ihrer Familie und von ihr selbst ließ uns die Diskussion schnell vergessen. Sury, 27, teilzeit arbeitend und studierend, lebt mit ihrer Familie (Mutter, Vater, Bruder) in einem Haus und hatte sich bereiterklärt, uns zwei für eine Nacht bei sich nächtigen zu lassen. Von ihrer herzlichen Latina-Mama, die ich direkt ins Herz geschlossen hatte, wurden wir dann bekocht, aßen gemeinsam mit der Familie zu Abend und quatschten über Gott und die Welt. Unter anderem erfuhren wir, dass es allein in und um Huehue 7 verschiedene Maya-Sprachen gibt, die sich alle derart voneinander unterscheiden, dass sich die einzelnen Dörfer untereinander ohne Spanischkenntnisse nicht verstehen können - verrückt. Sury führte uns dann noch ein wenig durch die verschlafene, eher uninteressante Stadt und wir tranken ein guatemaltekisches Bier (überraschend gut) und einen ebenfalls hier gebrauten Schnaps (okay). Die Nacht durften wir dann zu zweit in Surys Bett verbringen, während sie im Zimmer ihres Bruders schlief.
    Jan
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  • Huehue - Quiche - Chichi - Pinocchio

    25 juillet 2018, Guatemala ⋅ 🌧 25 °C

    Das Programm für den nächsten Tag sah wie folgt aus: Fahrt von Huehue nach San Pedro am Lago Atitlán mit Zwischenstopp in Chichicastenango (Chichi). In aller Früh (7:30 Uhr) standen wir also auf, stärkten uns mit einem leckeren Tortilla-Frühstück, welches von unserer Latina-Mutti und diesmal noch in Zusammenarbeit mit ihrer eigenen Mutter frisch zubereitet wurde und begaben uns in Richtung Busterminal. Von dort aus starteten wir den Trip, diesmal mit einem colectivo in Richtung Quiché. Das mittelgroße Dorf, in dem wir eigentlich nur umsteigen wollten, zog uns dann mit seinem ursprünglichen und traditionellen Charme in seinen Bann, sodass wir dort über den Markt schlenderten und uns zum Essen in ein kleines Restaurant setzten. Schnell war klar, dass wir die ersten Touristen waren, die jemals das Lokal betreten hatten, denn schon beim Hineingehen wurden wir von den anderen Gästen mit großen Augen betrachtet und jede Bewegung vom Bestellen bis hin zum Essen wurde genauestens inspiziert. Trotzdem fühlten wir uns dabei nicht unwohl und konnten die Blicke mit einem freundlichen Lächeln erwidern, sodass sich die Einheimischen bald wieder auf ihr Essen und ihre Gespräche konzentrierten.
    Von Quiché aus ging es dann weiter nach Chichi, ein traditionelles Bergdorf, von dem wir viel Positives gehört hatten. Das Städtchen präsentierte sich dann jedoch relativ unspektakulär, außer zwei Kirchen und einem sehr schön gelegenen Friedhof gab es nicht viel zu sehen. Das mag auch daran gelegen haben, dass wir uns für den Besuch einen Tag ausgesucht hatten, an dem kein Markt in der Stadt war und an dem auch keine ursprünglichen Maya-Rituale durchgeführt wurden. Naja, nächstes Mal dann!
    Am späten Nachmittag fuhren wir dann zunächst mit dem colectivo, später mit dem Chicken Bus (dieses Mal mit noch mehr Leuten, sodass die Menschen im Mittelgang stehen mussten) nach Panajachel, die größte Stadt am Lago Atitlán. Von dort fuhren wir mit einem Boot durch strömenden Regen (wir waren immerhin überdacht, unsere Rucksacke haben aber ein wenig gelitten) bis nach San Pedro, unser Ziel für die folgenden Tage. Am Steg erkundigten wir uns nach Hostels, welche uns mit unserer Hängematte unterkommen lassen würden und wurden von einem eifrigen Mitarbeiter eines Reiseveranstalters zum Hostel Pinocchio geführt. Dort wurden wir von René begrüßt, einem sehr freundlichen Voluntär aus Guate City, der uns wohl den besten Hängematten-Spot unserer bisherigen Reise zeigte: ein überdachter Teil der Dachterrasse mit Blick über das Dorf und auf den See. Der Preis von 40 Q (5 €) war uns dann aber doch ein wenig hoch vergehängt, sodass wir fragten, ob sich da nicht etwas machen ließe. Er erklärte uns, der Besitzer des Hostels sei gerade nicht da und gab uns zu verstehen, dass dieser sicher mit sich reden lassen würde und erklärte uns auch im Nachhinein, dass die 40Q mit einer Kommission zusammenhängen, die der penetrante Typ vom Steg für das Bringen neuer Gäste verlangen würde.
    Um die Wartezeit zu überbrücken, gingen wir in ein Restaurant, was uns René empfohlen hatte und aßen hervorragenden Fisch und Schokoladenhühnchen zu erschwinglichen Preisen.
    Wieder zurück im Hostel erwartete uns Julio, der freundliche Besitzer und bot uns den Hängemattenplatz auf dem Dach für 25Q an, was wir natürlich dankend annahmen. Mittlerweile müssen wir sagen, wir hätten es nicht besser treffen können mit dem Schlafplatz. René und Julio machen alles was geht, damit wir uns so zu Hause wie möglich fühlen und der morgentliche Ausblick auf die über dem See aufsteigende Sonne ist unbezahlbar! Den restlichen Abend verbrachten wir dann in einer gemischten Gruppe von aufrichtig netten Leuten bis hin zu den Klischee-Travellern und „Open-Mindern“, die schon alles gesehen haben und alles wissen. Solche Begegnungen sind für uns immer sehr amüsant und eine willkommene Unterhaltung.
    Nachdem die Gruppe nach und nach die Dachterrasse verließ, saßen wir noch eine Weile zweisam oben, bevor wir uns in unsere Hängematten kuschelten.
    Jan
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  • Gschwind um den See geheizt

    26 juillet 2018, Guatemala ⋅ 🌧 23 °C

    Wir wurden von einem übertrieben korrekten Sonnenaufgang geweckt. Die Sonne hat den Himmel aufs Übelste zerrissen. Bei mir war natürlich nicht mehr an Schlaf zu denken. Ich vertrieb mir eine Stunde mit Bilder bearbeiten, dann erwischte ich JPK, wie er kurz ein Auge öffnete und schlug vor, heute etwas früher in den Tag zu starten. Das „fuck you“ stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, doch er fand sich schnell mit seinem Schicksal ab. Nach einer weiteren Aufforderung „jetzt machmer aber gschwind n Schwups“ meinerseits machten wir uns auf zum Frühstück und buchten ein Quad, wobei uns der freundliche Besitzer des Hostels half. Kurz darauf saßen wir schon auf dem 125er Gerät und jagten es über mit Schlaglöchern übersäte Sandpisten und abenteuerliche Pfade hinauf. Gefolgt von einer Staubwolke und mit traumhaften Ausblicken auf den „Lago Atitlán“ umrundeten wir diesen an einem Tag, während die anderen Touris richtig Auge machten. In „Santiago“ gabs eine „Ceviche“ (Art Fisch-Krabben-Cocktail), die so geil war, dass wir gar nicht klar kamen! In „San Antonio de Palapó“ tranken wir einen Kaffee. Die anderen Dörfchen waren auch sehr süß. In einige hatten sich scheinbar noch nicht viele Touris verirrt und wir wurden freudig begrüßt. 20 Kilometer vor „San Pedro“ (unserem Ort) begann es so krank zu schütten, dass wir sofort komplett nass waren und unter einem Polizeistützpunkt (vier Stöcke und ein Bretterdach) Zuschlupf suchen mussten. Anschließend cruisten wir noch das letzte Stück und freuten uns auf eine „warme“ (der Begriff „warm“ wird hier anders ausgelegt) Dusche. Wir chillten, bloggten und lasen noch ein bisschen, bevor die Hängematten uns in den Schlaf schaukelten.
    Conny
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  • Seelenbaumeln & Paartherapie

    27 juillet 2018, Guatemala ⋅ 🌧 25 °C

    In diesem Blogeintrag versuche ich es mal wieder mit einer korrekten Ausdrucksweise und verständlich formulierten Redewendungen, ob das gelingen wird, werden wir sehen. Nach morgendlicher Motivationsarbeit (Wortwörtlich: „Jan jetzt machen wir aber einen Schwups, wenn nicht sogar einen Schwups die Wups“) machten wir uns zum Markt auf und deckten uns mit diversen Leckereien ein, die wir anschließend in köstliche Sandwiches verwandelten. Mit dem Boot ging es nach „San Marcos“, ein romantisches (Touri-)Dörfchen. In einem „Naturschutzgebiet“ fanden wir einen traumhaften und einsamen Badeplatz und verbrachten den Nachmittag dort - herrlich entspannt! Der Blick auf den stillen See und die im Hintergrund aufragenden Vulkane war etwas ganz Besonderes. Zurück im Hostel lernten wir Lisa und Jonas kennen (zwei 30-Jährige aus dem Ruhrpott und dem Sauerland). Der Abend entwickelte sich von Smalltalk („wo wart ihr davor, wo reist ihr danach weiter…“ – das übliche blabla zwischen Reisenden) bis hin zu einem Paartherapeuteneinsatz unsererseits. Die stolzen Bachelor-Psychologen gaben ihr Bestes und diskutierten eifrig über Themen wie z.B. ‚wieviel erzählt/zwingt man seinem Partner auf, von Erlebnissen aus vorherigen Beziehungen‘. Wir verbrachten einen sehr interessanten Abend und bekamen dank der zungenlockernden Wirkung des Rum-Colas einen erstaunlichen Einblick in die Beziehung der zwei. Auf genauere Erläuterung wird an dieser Stelle aus Respekt vor den Betroffenen verzichtet.
    Conny
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  • 1 Königreich für 1 Party & Rocky

    28 juillet 2018, Guatemala ⋅ 🌧 24 °C

    Unser letzter Tag am Lago Atitlán war nach den Strapazen der vorhergehenden Tage (das Entspannen am See steckte uns noch tief in den Knochen und das leckere Essen lag schwer im Magen) dem Chillen gewidmet. Das hieß für mich vor allem spätes Aufstehen, bzw. in der Hängematte dösen, bis es die knallend heiße Sonne unmöglich machte, während Conny (wer hätte das gedacht) bereits aufgestanden war und sich mit Lisa und Jonas unterhielt. Der folgenden Stunden waren dann vor allem von intensivem Blog-Schreiben (dessen Früchte ihr nun ernten dürft) und dem Versuch der Zubereitung eines Curry-Crevettes-Eintopfs (wohlgemerkt „Versuch“ – es wird wohl das erste und letzte Mal gewesen sein) gekennzeichnet.
    Nachdem wir das eher mittelmäßige Ergebnis unseres missglückten Experiments verdaut hatten, zog es uns dann doch aus dem Hostel hinaus. Am Vortag hatten wir von einem psychodelischen Techno-Rave (verzeiht mir meine grobschlechte Musikkenntnis in diesem Bereich) gehört, der in einem abgelegenen Hostel stattfinden sollte. Hochmotiviert, uns zu stampfenden Rhythmen in Trance zu tanzen verließen wir also mit einer gemischten Gruppe von Leuten, die wir im Laufe des Nachmittags kennengelernt hatten, das Hostel.
    Blöd nur, dass in San Pedro um 23 Uhr alles zu macht… Somit irrten wir eine Weile lang im Dorf umher, von potentieller Party-Location zu potentieller Party-Location – ohne Erfolg. Also ging es zu halbwegs gesitteter Uhrzeit ins Bett.
    Für den nächsten Tag stand die Fahrt nach Antigua bevor, welche sich zwischenzeitlich auf unbestimmte Zeit verzögerte, weil der Bus auf unerklärlichen Gründen nicht mehr weiterfahren wollte und wir so circa eine Stunde auf die Fortsetzung der Reise warten mussten.
    Letzten Endes kamen wir aber doch der ehemalige Hauptstadt Guatemalas an, welche klassisch im Kolonialstil gehalten ist und dessen Stadtmitte von McDonalds, Burger King, KFC, etc. durchzogen ist. Schließlich gelangten wir in unser Hotel, wo bereits ein alter Bekannter freudig auf uns wartete – Rocky! Wir hatten uns im Vorfeld mit dem alten Banausen verabredet, um uns in Antigua zu treffen und gemeinsam den Vulkan Acatenango zu besteigen!
    Das fröhliche Wiedersehen wurde dann mit einem Riesen-Essen und einer verhältnismäßig kleinen Menge Bier (schließlich mussten wir für die Tour am nächsten Tag um 6 Uhr aufstehen) gefeiert und es wurden die besten Geschichten der vergangenen Wochen ausgepackt.
    Jan
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  • Über den Wolken aufgehende Sonne

    30 juillet 2018, Guatemala ⋅ 🌧 15 °C

    Früh morgens ging es also los. Vorausschauend wie immer hatten wir unsere Taschen nicht am Vorabend schon gepackt, sondern stopften in aller Eile das Nötigste in unsere Rucksäcke, duschten uns notdürftig und stiegen kurz darauf mit einem Pärchen (er aus den Staaten, sie aus Kanada) und dem – wie sich später herausstellte - Gründer des Reiseunternehmens unseres Vertrauens in einen Jeep, welcher uns in ein Dörfchen am Fuße des Acatenango Vulkans brachte. Auf der Fahrt erzählte uns Elvin in kürzester Zeit die gesamte Geschichte seines Unternehmens, mit allen darin verwickelten Familienmitgliedern und Hochs und Tiefs und einer kleinen Exkursion in die guatemaltekisch-amerikanische Geschichte. Das ganze natürlich auf Spanisch. Für unsere noch im Halbschlaf steckenden Köpfe also die erste Herausforderung des 2-Tage-Trips.
    Im Dorf angekommen gingen wir dann in der Tagesordnung zu einem weitaus angenehmeren Punkt über: dem Frühstück in der Familie von Elvin! Gestärkt und vom Kaffee wachgerüttelt packten wir die verdächtig kleine Essenstüte für die kommenden 2 Tage in unsere Rucksäcke und bekamen noch eine dicke Jacke, Handschuhe, Mütze und Wanderstöcke mit (was angesichts der im Dorf herrschenden Temperaturen noch wie eine übertriebene Sicherheitsmaßnahme für fröstelnde Touris erschien, stellte sich später als dringend nötig und Gold wert heraus).
    Nach der Verabschiedung von der Familie wurden wir abermals per Jeep zum Startpunkt der Wanderung gebracht und erhielten von Elvin letzte Ratschläge und Tipps. Gemeinsam mit unserem liebenswürdigen und aufmerksamen Guide „Chaps“ ging es dann unter schwerstem Stöhnen, Grummeln und wiederholtem „Noch können wir umdrehen, Leute“ los – bis zur ersten Pause zum Klamotten-Wechseln (und Verschnaufen) nach knapp 3 Minuten.
    Nach und nach gewöhnten sich aber unsere Körper an die Anstrengung (wer hätte das gedacht?) und so stapften wir – zeitweise von verschieden großen Tourigruppen begleitet – langsam aber stetig den Berg hoch. Dabei konnten wir auch immer wieder einen Blick auf den Vulkan Fuego werfen, dessen Ausbruch im Juni zahlreiche Menschenleben (offiziell circa 500, inoffiziell wohl eher 3000) gekostet hatte. Die Spur, die die Lava hinterlassen hat, ist noch klar zu erkennen und der Acatenango, also „unser“ Vulkan war bedeckt mit schwarzen Vulkansteinen, die bei der Eruption des Fuego-Vulkans kilometerweit durch die Luft geflogen sein müssen. Nach circa 5 Stunden erreichten wir unser Ziel – das Base Camp auf circa 3600 Metern. Von dort aus bot sich uns ein atemberaubender Blick über die Landschaft und einige aktive und inaktive Vulkane Guatemalas. Nachdem wir ein wenig aus dem Staunen herausgekommen waren und unsere Taschen abgestellt hatten (sowohl die Zelte als auch eine gemütliche Feuerstelle waren schon bei unserer Ankunft aufgebaut), gesellten sich zwei deutsche Mädels zu uns, denen wir auf dem Weg begegnet waren. Ihr Guide hätte sich schon den ganzen Weg nach oben betrunken und sei nun angetrunken ins Zelt schlafen gegangen. Da sie sich mit ihm unwohl fühlten, baten sie um eine Unterkunft auf unserem Zeltplatz und nach einem kurzen Anruf unseren Guides bei seinem Chef hatte sich unser Rudel um zwei Personen erweitert.
    Da wir recht früh das Base Camp erreicht hatten, verbrachten wir noch ein, zwei Stunden mit Quatschen, Fotografieren, Entspannen und dem Trinken eines selbstmitgebrachten Biers (beste Idee Ever!!), bis Chaps zum Essen rief. Auf dem Speiseplan standen Spaghetti mit Tomatensoße und Bohnen. Was normalerweise nicht gerade als ein kulinarisches Highlight durchgehen würde, wurde von uns nach der anstrengenden Wanderung regelrecht verschlungen. Was dann kam, war einfach großartig: Chaps hatte Marshmellows und heiße Schokolade im Gepäck! So saßen wir also bei untergehender Sonne dicht um das wärmende Feuer gedrängt auf 3600 Meter Höhe und verspeisten frisch geröstete Marshmellows und tranken selten so gut schmeckende heiße Schoggi. Nachdem die Sonne untergegangen war, hielt diesmal der Himmel die nächste Überraschung für uns bereit: ein unglaublich schöner Sternenhimmel, wie man ihn nur in der freien Natur und ungestört von Stadtlichtern und Smog beobachten kann.
    Was es aber eben auch nur in der Natur gibt: plötzliche, heftige Gewitter mit stürmischem Regen. Und genau so eins brach in dem Moment über uns herein, als wir uns gerade entschieden hatten, uns auf den Weg ins Zelt zu machen. So verharrten wir eine Weile unter der Plane, die über der Feuerstelle aufgehängt war, bis wir merkten, dass es keinen Sinn hatte, abzuwarten und durch den Regen zu unserem Zelt rannten. Die Nacht war dann eher unruhig … immer wieder vom prasselnden Regen, sowie lautem Donner und grellen Blitzen geweckt dösten wir vor uns hin, bis uns um 4 Uhr morgens schließlich Chaps endgültig weckte und uns zu verstehen gab, dass es nun an Zeit sei, die letzten 376 Meter des Vulkans zu besteigen. Mit allem an Klamotten, was unser Rucksack hergab sowie mit Stirnlampen ausgerüstet, stapften wir also den matschigen Pfad in Richtung Gipfel hinauf. Kurz vorm Erreichen des Ziels stockte dann das Vorankommen nochmals – einerseits war der Rhythmus einigen Teilen unserer Gruppe zu schnell und andererseits hatte sich vor uns eine riesige Masse anderer mehr oder weniger wanderfreudiger Touris angestaut. Conny und ich, die zu den etwas fitteren der Gruppe gehörten (hört, hört – ein Raunen ging durch die Menge) und vor allem von der Motivation angetrieben waren, noch vorm Sonnenaufgang die Spitze zu erreichen, warteten eine Zeit lang ab, entschieden uns dann aber, einen Gang zuzulegen und die Mitwanderer auf der Überholspur (also Querfeldein durch Eis und Gestein) links liegen zu lassen. Das Ergebnis dieser Zusatz-Anstrengung lohnte sich absolut und war einfach nur überwältigend. Es bot sich uns einer der schönsten, wenn nicht sogar DER schönste Sonnenaufgang unseres Lebens! Nachdem wir jede Menge Fotos geschossen hatten und auch der Rest der Gruppe eingetrudelt war, umrundeten wir noch den Krater des Vulkans und machten Halt bei einigen Löchern im Berg, aus denen heißer Dampf entwich, bevor es dann an den weitaus weniger beschwerlichen Abstieg zurück zu den Zelten ging.
    Mit einem Müsli-Brei Frühstück gestärkt ging es schließlich weiter abwärts. Mehr oder weniger schlendernd liefen wir den Berg hinab und erreichten schließlich wieder die Straße, wo Elvin uns herzlich begrüßte, uns nach den Erlebnissen der vergangenen 2 Tage befragte und uns schlussendlich vor unserem Hotel in Antigua absetzte.
    Den Nachmittag verbrachten wir mit Schlaf Nachholen, Duschen (abermals ging ein Raunen durch die Menge), Essen und Trinken, bis wir uns auf den Weg in eine Bar machten, wo wir mit einer Kanadierin verabredet waren und in der ein Pärchen, welches wir ebenso wie die Kanadierin auf dem Abstieg des Vulkans getroffen hatten, ein Konzert gab. Die beiden gaben ein derart eingespieltes und großartiges Duo ab (er absolut locker an der Gitarre und sie mit viel Witz und einer einzigartigen Stimme), dass ich es noch heute bereue, kein Video gemacht oder die beiden nach ihren Namen gefragt zu haben. (Edit: nach stunden- bis tagelanger Suche bin ich auf das Social Media Profil der zwei gestoßen, sodass ich euch tatsächlich mit einem Video der talentierten Musiker verwöhnen kann!)
    Am nächsten Morgen verabschiedeten wir dann Rocky (Wir sind uns ganz sicher, dass es in Deutschland oder der Schweiz ein Wiedersehen gibt!) und machten uns auf den Weg nach Guatemala City, um unseren Flug nach Bogotá, Kolumbien zu nehmen. Dass wir das ganze zeitlich wie immer unnötig spannend machten, muss eigentlich nicht einmal mehr erwähnt werde, so sehr gehört es schon zu unserem Reise-Alltag, es sorgt aber auch immer wieder für kleine Adrenalinkicks, ohne die es ja auch irgendwie langweilig wäre.

    Guatemala wird uns derweil vor allem dank seiner faszinierenden Landschaft, aber auch aufgrund der herzlichen, sehr ursprünglichen, traditionell und indigen geprägten Leute sehr, sehr positiv in Erinnerung bleiben.
    Jan
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  • Eine tolle Stadt ohne Schokoladenseite

    2 août 2018, Colombie ⋅ ⛅ 16 °C

    Bogotá also. Ein neues Kapitel unserer Reise. Von dieser Stadt hatten wir so unglaublich viel Ambivalentes gehört (die Meinungen gingen von „geht da bloß nicht hin“ bis hin zu „beste Stadt meines Trips“), dass wir ganz gespannt waren, als wir am Flughafen ankamen. Der Reiseführer beschreibt die Stadt außerdem als „Herausforderung“, der es sich zu stellen gilt und als Blickduell, welches es sich lohnt, einzugehen. Mit dieser Schilderung im Hinterkopf ließen wir uns also auf die 8-Millionen-Stadt ein. Das Folgende ist eine Sammlung unserer Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen. Dabei gilt kein Anspruch auf die Richtigkeit der Reihenfolge. Anzumerken ist zudem noch, dass wir die meiste Zeit in Kolumbien gemeinsam mit Alex und Hannah verbracht haben. Die beiden sind gute Freundinnen aus dem Psycho-Studium, reisen durch Kolumbien und waren zur gleichen Zeit in Bogotá. Denkt euch die zwei also einfach dazu, sofern nicht anders angegeben 😉

    1) 25 neue Freunde
    Der erste Tag begann gleich mit einer positiven Überraschung. Gerade hatten wir das Hostel verlassen und schlenderten gemeinsam mit Alex (Hannah war zu dem Zeitpunkt noch nicht in Bogotá angekommen) über einen zentralen Platz, als ein Mitte zwanzig jähriger, europäisch aussehender, langhaariger Typ mit einer leicht südländisch angehauchten Freundin auf uns zulief. Er stellte sich uns als Steve vor, sagte, es sei sein 25. Geburtstag und sein Ziel für den Tag sei, 25 „random people“ zu finden, um mit diesen gemeinsam in einem Partybus (hier „Chiva“ genannt) seinen Ehrentag zu feiern. Und wir sollten Teil dieser zusammengewürfelten Gruppe sein. Selbstverständlich sagten wir ohne Zögern zu und so standen wir wenige Stunden später am abgemachten Treffpunkt. So ganz haben wir wohl unsere deutsche Mentalität noch nicht abgelegt, denn trotz 10-minütiger Verspätung waren wir die ersten. Umso mehr freute sich Steve, uns zu sehen! Allmählich trudelten dann auch die anderen geladenen Gäste ein, manche euphorischer als andere und manche sogar mit Geschenken.
    Nachdem wir ein paar Bier in der Bar getrunken hatten, ging es dann los mit der Chiva – letzten Endes ein alter, mit lauter Musikanlage ausgestatteter Schulbus ohne Wände und Bänke. So fuhren wir zu mal besserer, mal grausamerer Musik durch die Stadt und sogar bis zu einem Aussichtspunkt, der einen großartigen Nachtblick über die Stadt erlaubte. Nach der Spritzfahrt ging es dann noch in eine Disco. Letzten Endes lässt sich das ganze Erlebnis schwer beschreiben und umso glücklicher sind wir, dass Steve ein Youtube-Video von dem Spektakel gemacht hat: https://www.youtube.com/watch?v=SGdx9Emt6GI&amp… (ab Minute 9 geht’s los, für diejenigen, die sich das Vorgeplänkel ersparen wollen)
    Alles in allem war es jedenfalls ein außergewöhnlicher Abend, der uns noch länger in Erinnerung bleiben wird und der ein optimaler Startschuss für unsere Zeit in Kolumbien war.

    2) Ulli & die vermeintliche Free Walking Tour
    Nachdem wir in San Cristobal den Fehler begangen hatten, die Free Walking Tour am letzten Tag zu machen und somit sämtliche Tipps und Empfehlungen nicht umsetzen konnten, rafften wir uns diesmal zu Beginn der Bogotá-Tage (bzw. „Bogotage LOL“ – Zitat Jan) auf und standen um 10 Uhr morgen auf dem zentralen Platz, der Plaza Simón Bolívar. Wir fragten eine kleine Gruppe an Touristen, ob sie ebenfalls auf die Free Walking Tour warteten und die diese Frage bejahten. Es stießen einige weitere Touris dazu, die sich alle irgendwie zu kennen schienen (80% Deutsche mit einem Altersdurchschnitt von über 60). Zuerst genervt, später von der uns gebotenen Unterhaltung begeistert und irgendwie fasziniert zogen wir mit der Gruppe los. Die Free Walking Tour war informativer und professioneller als wir erwartet hatten. Normalerweise führen einen solche Touren durch versteckte Cafés oder kleine Ateliers. Dieses Mal wurden wir an sonst für Zivilisten gesperrte Bereiche vor Regierungsgebäuden geführt und erfuhren einiges über die Kolonialarchitektur, Geldscheine und die Geschichte Bogotás. Unsere Landesmänner präsentierten sich von ihrer klischeehaftesten Seite und glänzten durch Unterbrechen und Unterhaltungen während die Guide Dinge erklärte. Besonders vorbildlich verhielt sich hierbei der gute Ulli (Anfang 70, modische Cordhose-Sandalen-Socken-Kombination), den man direkt vom Bürgersteig des Regierungsgebäudes zurückpfeifen musste. Eine halbe Stunde später waren wir auf der anderen Seite des Regierungsgebäudes und wer hätte es ahnen können – Ulli jedenfalls nicht – galt hier die selbe Regel: betreten des Bürgersteigs am Regierungsgebäude verboten. Während die Guide von Simón Bolívar erzählte, nutze Ulli ihre Unaufmerksamkeit und schlich sich hinter ihrem Rücken in Richtung Bürgersteig, um ein Foto mit seiner Digitalkamera – selbst mein Handy macht bessere Fotos – ein Foto des Gebäudes zu schießen. Ein empörter Schrei seiner Frau „Ulli was machst du denn da schon wieder? Hat man dir das nicht gerade verboten?“ verriet den armen Ulli allerdings und die Guide, welche wahrscheinlich letzte Woche mit einer Grundschulklasse einfacher durch den abgesperrten Regierungsbereich kam, forderte den grauhaarigen Rheinländer geduldig auf, doch bitte aus der verbotenen Zone zu kommen. Somit hielt die Stadtführung nicht nur interessante Infos für uns parat, sondern bot uns auch noch ein kleines Theaterstück mit dem Titel „Deutsche Urlauber von ihrer besten Seite“. Als es am Ende noch ein Gruppenbild gab und die freundliche Guide sagte, sie habe ja von allen die E-Mail-Adressen, um dieses zu verschicken, erschlich uns langsam das Gefühl, dass das eventuell doch nicht die Free Walking Tour war. Wir gaben der Guide unsere E-Mail-Adresse und dieser wurde ebenfalls klar, dass wir uns wohl in eine falsche, gebuchte Gruppe verlaufen hatten. Da wir aber wir ihre Lieblingsteilnehmer waren – der Maßstab lag wie bereits erklärt nicht sehr hoch – schmunzelte sie nur und meinte „Ihr kamt wohl einfach so dazu“. Wir waren übrigens auch die einzigen, die ihre Fragen bezüglich kurz vorher präsentierter Infos beantworten konnten. Somit gaben wir ihr ein kleines Trinkgeld und freuten uns über eine kostenlose und interessante Stadtführung durch Bogotá und seine Geschichte.

    3) Das berühmt berüchtigte Gold-Museum
    Ganz oben auf unserer Liste in Bogotá stand auch das Gold-Museum. Der Grund dafür war, dass dieses in zahlreichen Reiseführen als DAS Highlight und Must-See nicht nur von Bogotá sondern von ganz Kolumbien, wenn nicht sogar Südamerika aufgeführt wurde.
    Voller Vorfreude und ganz gespannt betraten wir also das Museum, schlossen uns einer gratis Tour an und was dann kam, war … ernüchternd. Was wir nämlich nicht bedacht hatten, ist, dass zum Hochgenuss eines Gold-Museums auch ein zumindest geringes Interesse an Gold und allem, was man damit machen kann, vorhanden sein sollte. Andernfalls ist das Betrachten von insgesamt 35.000 Ausstellungsstücken aus Gold sehr bald ermüdend und wenig spannend. Wir ließen also die erste Stunde der Tour über uns ergehen, bis wir uns unauffällig entfernten, im Schnelldurchgang die 4 Stockwerke durchliefen und dann desillusioniert das Museum verließen. Naja, Geschmäcker sind verschieden. 😉

    4) Die Gangboss-Stadtführung
    Auf unserer All-inclusive Free Walking Tour hatten wir am Ende der Führung nach Tipps für eine Stadtführung gefragt, die doch bitte ein bisschen weniger touristisch sein möge und daraufhin die Empfehlung der „Breaking Borders Tours“ erhalten, welche wohl von Ex-Gefängnisinsassen geführt wird und bei der man durch die etwas gefährlicheren Randviertel läuft. Genau richtig also für uns.
    Wir trafen uns wie verabredet mit unserem Guide „Jaime“ und seinem Sohn „Kevin“ (übrigens hier ein weitaus weniger klischeebehafteter Name als bei uns) auf einem in der Nähe unseres Hostels gelegenen Studentenplatz. Die Begrüßung verlief überaus herzlich und nach dem üblichen Anfangs-Geplänkel (Woher kommt ihr, wo wart ihr, wohin geht ihr?) folgten wir Jaime bergauf in ein etwas abgelegeneres, ruhiges Viertel. Die Geschichten, die uns dann erzählt wurden, sind eigentlich noch immer unglaublich.
    Im Jaimes Viertel „Egypto“ gab es noch bis vor kurzem zwei Gangs, die sich, wie das so ist mit den Gangs, nicht ausstehen konnten, sodass es mehrfach zu Schusswechseln und Messerstechereien zwischen den Mitgliedern der Gangs kam. Hinzu kam noch der gemeinsame Feind, die Polizei. Und unser Guide war mal so ganz eben der Boss eben genau einer dieser Gangs gewesen. Nach seinem letzten Knast-Aufenthalt („Der Typ hatte meinen Bruder umgebracht, als ich ihn gesehen hab, hab ich nicht lange gezögert, sondern zweimal geschossen und als er am Boden lag, nochmal auf ihn eingetreten“) hatte er sich dann entschieden, der Kriminalität den Rücken zuzukehren und nicht mehr gegen seine Mitmenschen zu kämpfen, sondern gegen die Stigmata, die seine Gegend behafteten. Das Ganze, um seinen Söhnen und seinem Viertel eine bessere Zukunft zu bescheren. So liefen wir durch das mittlerweile von Graffitis geprägte, bunte Viertel, sahen Einschusslöcher in den Wänden, sahen die Orte, an denen zahlreiche Freunde und Familienmitglieder von Jaime ihr Leben gelassen hatten und bestaunten die zahlreichen Wunden, die Messer und Kugeln an Jaimes Körper hinterlassen hatten. Irgendwie surreal. Außerdem bemerkenswert war Jaimes Ambivalenz zwischen der Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann und dass ein Wechsel hermuss und der gleichzeitige Stolz auf die Gang und das Glänzen in den Augen beim Berichten von Messerstechereien und Auseinandersetzungen.
    Auch die Geschichten aus dem Gefängnis waren für uns unglaublich. Dort herrscht wohl eine klare Hierarchie. Wenn du einen Schlafplatz auf einer Pritsche willst, musst du darum kämpfen. Wenn du etwas zu essen willst, musst du darum kämpfen. Wer etwas besitzt, was viele wollen / brauchen, der hat einen Trumpf in der Hand. Das war auch Jaime klar und so ließ er sich von außen Drogen ins Gefängnis schmuggeln (dabei waren ihm Freundinnen behilflich, die die Ware in ihren Geschlechtsteilen versteckten) und arbeitete sich mit dem Handel an die Knast-Spitze.
    Nun hat sich die Lage ein wenig beruhigt, die Polizei darf weitestgehend ungehindert die Straßen betreten, nur Touristen sollen sich nicht dort aufhalten (das wir einem hier zwar über viele Orte gesagt, diesbezüglich jedoch mit so viel Nachdruck, dass man dem getrost Glauben schenken kann). Während unserer Tour fuhren zwei Polizisten auf einer Enduro an uns vorbei und hielten direkt vor uns, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Der Sozio hatte seine Pistole schon beim Herfahren schussbereit gezogen. Das Viertel besitzt einen Kindergarten, für Kinder werden Videoabende und Fußballturniere organisiert und es herrscht eine fast friedliche Stimmung. Vieles davon ist sicher Jaimes Verdienst.

    5) Das Baustellen-Polizeipuff-Hostel
    Ein paar Worte zu unserem Hostel. Zum einen war da die Baustelle. Eine Baustelle, die sich direkt neben unserem Zimmer befand und auf der die Arbeiter spannenderweise für den Zeitraum von 8-10 Uhr morgens die größtmögliche Motivation hatten und für den sie sich auch gleich die lauteste zu verrichtende Arbeit aussuchten. So waren die meisten Morgen (der Duden verbietet es uns, überraschenderweise, „Morgende“ zu sagen :o ) von Baustellenlärm und einer daraus resultierenden Mischung aus genervtem Stöhnen und Kraftausdrücken in Richtung der Arbeiter geprägt.
    Weniger störend aber umso interessanter war, dass eines Mittags plötzlich eine Gruppe von drei Polizisten im Eingangsbereich stand. Diese schienen sich jedoch wenig um die Hotelgäste geschweige denn die Verbrechensbekämpfung zu kümmern, sondern waren vielmehr damit beschäftigt, mit zwei kräftigen Mädels (eine davon die Tochter der Hostelbesitzerin) zu flirten. Interessant wurde es dann, als es nicht beim Flirten blieb, sondern die Truppe gemeinsam die Treppe hinaufging und nach einer Weile wieder hinunterkam, die Mädels mit verwuschelten Haaren und die jungen Polizisten (ist Jungbullen hier der politisch korrekte Ausdruck?) mit einem breiten Grinsen und offenem Hosenladen. Das Ganze spielte sich in den kommenden Tagen mehrmals ab und führte dazu, dass wir weder die Hosteltochter noch die Polizisten nicht mehr so wirklich ernst nehmen konnten 😉

    6) Sonstiges & Fazit
    Abgesehen von den erwähnenswerten Anekdoten verbrachten wir viel Zeit damit zu, durch die Straßen der Stadt zu schlendern, die kolumbianische Luft auf uns wirken zu lassen und in den Bars und Discotheken zu Reggaeton zu tanzen. Außerdem saßen wir in gemütlichen Cafés und auf studentischen Plätzen, sprachen viel Spanisch mit Einheimischen sowie Ausländern und tranken mal besseren, mal Instant-Kaffee.
    Insgesamt hat uns Bogotá sehr, sehr gut gefallen! Wenn sie auch nicht sonderlich fotogen sein mag, so hat uns die Riesen-Stadt doch mit einem gewissen Charme in ihren Bann gezogen und für mich persönlich wäre es sogar eine Option, dort einmal für einen längeren Zeitraum zu leben. Wer weiß, irgendwann vielleicht…
    Jan & Conny
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