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  • Day 140

    Der letzte Tag in Indonesien

    March 19 in Indonesia ⋅ ☀️ 31 °C

    // Kuta

    Die ganze Stadt scheint nur eine Daseinsberechtigung zu haben: Surfen! Das wird deutlich, wenn man die braungebrannten und muskulösen Rücken der Passanten auf der Straße sieht. Tagsüber liegt die Ortschaft in einer trägen Stille, während die Besucher sich auf den Wellen tummeln. Doch wenn die Dämmerung hereinbricht, erwachen die Restaurants und Bars zum Leben und erfüllen die Luft mit einer sprudelnden, positiven Energie.
    In der ersten Nacht übernachte ich in einem privaten Zimmer, das ebenso schäbig wie günstig ist. Mein Gehirn arbeitet fieberhaft an der Entscheidung, wie es weitergehen soll, und ich bin dankbar für das soziale Vakuum. Keine Gespräche, keine Aktivitäten.
    Beim Duschen am Morgen erlebe ich eine filmreife Szene: Als ich gerade gedankenverloren den Kopf einschäume, quetscht sich eine dicke Kakerlake aus dem Abfluss zwischen meinen Füßen und flitzt panisch im Zickzack durch das winzige Badezimmer. Auch ich laufe im Zickzack und rette mich mit einem Hechtsprung in den erhöhten Flur. Das Vieh ist so lang wie ein Finger! Da hilft nur: Tür zu und hoffen, dass es den Rückweg findet.
    Mit einem alten, klapprigen Roller mache ich mich auf den Weg zu einem „ursprünglichen Dorf der indigenen Bevölkerung“, das sich bei meiner Ankunft als stark kommerzialisiert entpuppt. Ein Guide fängt mich an der Straße ab und führt mich über schmale Trampelpfade, die zwischen hölzernen Hütten hindurchführen. Die Außenwände bestehen aus ausgeblichenen, gewebten Naturfasern, die Dächer sind dick mit Grasbüscheln gedeckt. So weit das Auge reicht, nur Beige, Beige, Beige. Endlich ein Klecks Farbe: In einer offenen Hütte webt eine alte Oma an einem altertümlichen Webstuhl einen Schal. Fasziniert beobachte ich ihre Arbeit einige Minuten, bis sie mich einlädt, es selbst einmal zu probieren. Spaßig! Doch damit endet der erfreuliche Teil der Führung.
    Unvermittelt werde ich zum Kauf eines Souvenirs gedrängt, doch ich erkläre, dass ich nicht genügend Bargeld dabei habe. „Gar kein Problem“, sagt der Guide, denn um die Ecke, mitten in dieser vermeintlich ursprünglichen Umgebung, steht ein Geldautomat. Kein Strom, kein fließendes Wasser, aber ein ATM… Was zum Geier?! Ich verweigere mich und der Guide führt mich weiter zum Aussichtspunkt, während er mir stolz erzählt, wie er einst seine Cousine gegen ihren Willen entführt hat, um sie anschließend zur Heirat zu zwingen. Uff... schwierige Traditionen. Ich lehne weiterhin ab, durch den Kauf von Souvenirs den „Erhalt des Ortes“ zu unterstützen, und der Herr führt mich schließlich schlechtgelaunt zurück zu meinem Roller. So faszinierend die Architektur auch sein mag, dieser Besuch hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
    Am Abend setze ich mich ins verdorrte Gras auf einen Hügel und beobachte den Sonnenuntergang über der Bucht. Die Wellen rollen scheinbar endlos an den Strand, und die Abendsonne glitzert um die vereinzelten, winzigen Surfer im Wasser. Ich werde nostalgisch und sehne mich plötzlich nach Gesellschaft. So schön es hier auch ist, mir wird klar, dass ich die Schönheit dieses Ortes aufgrund meiner Einsamkeit nicht in ihrem vollen Potenzial genießen kann.

    //Surfen

    „Wenn ich schon mal hier bin“, sage ich mir und melde mich an meinem letzten Tag in Indonesien für einen Surfkurs an. In Portugal hatte ich vor einigen Jahren die Grundlagen bereits gelernt und bin daher zuversichtlich: „I got this!“.

    Einem kleinen Kennenlernen folgt eine Einweisung an Land.
    Wir sind etwa zehn Schüler, die auf einem winzigen, selbstgebauten Katamaran in die Bucht hinausgeschippert werden. Ich bin zwar motiviert, bemerke jedoch schnell, dass die Wellen zwar einfach zu erwischen, aber relativ hoch und schnell sind. Ein Lehrer hilft mir mit dem Timing, und ich schaffe es, drei große, lange Wellen zu surfen. Bei der letzten Welle stehe ich jedoch zu weit vorne auf dem Brett und mache einen „Nosedive“: Das Brett verhakt sich im Wasser und katapultiert mich mit enormer Kraft nach vorne-unten. Schmerzhaft klatsche ich ins Wasser und werde unter der Welle weitergewirbelt. Der Strudel lässt mich nicht los, und ich erlebe die sogenannte „Waschmaschine“ (Der Begriff beschreibt den Vorgang perfekt). Mehr als fünf Sekunden bin ich orientierungslos in der Welle gefangen, bevor ich endlich auftauchen kann. Das war eine gruselige Situation.

    Es sind relativ viele Schüler im Wasser, und es kommt mehr als einmal zu Beinahe-Zusammenstößen in meinem direkten Umfeld. Gefährlich! Wieso lässt man so viele manövrierunfähige Anfänger auf einem Spot surfen? Gerade als ich wieder auf der Rip Current hinaus paddle, die Schultern und der Nacken schmerzen fies von der ungewohnten Bewegung, wird mir plötzlich zu allem Überfluss auch noch übel. Ich setze mich aufs Brett und atme tief durch. In wenigen Sekunden fährt die Übelkeit meinen Kreislauf herunter, und ich kann mich kaum noch aufrecht halten. Ich würge, und mein Magen krampft. Bin ich überanstrengt vom Paddeln? Oder seekrank? Ich schaukle eine gefühlte Ewigkeit bewegungslos auf den Wellen im Randbereich, bevor ich einsehe, dass ich zu überhaupt nichts mehr fähig bin. Ich muss aus dem Wasser, wird mir klar. Scheiße. Das Ufer ist zu weit entfernt, ich kann nicht aus eigener Kraft zurückpaddeln, meine einzige Chance liegt darin, in eines der Boote zu klettern, das außerhalb der Wellen wartet. Ich winke einen der Surflehrer heran. Übelkeit ist ja nichts Neues für mich, daher bin ich nicht hektisch oder hysterisch, nur enttäuscht und frustriert. Beim Näherkommen versuche ich ihm zu sagen, dass mir übel ist, aber es kommt kein Wort heraus. Mein Mund geht auf und zu, ich drücke Luft mit aller Kraft heraus, aber es formen sich einfach keine Worte. Was ist denn jetzt los? Der junge Mann paddelt näher heran und mustert mein Gesicht mit großen, ernsten Augen. Ich habe ein starkes Déjà-vu und erinnere mich an Tejas, wie er mich angsterfüllt gemustert hat, als ich die Lebensmittelvergiftung hatte. Der Moment dehnt sich wie Kaugummi, ich bin nicht fähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Die angsteinflößende Hilflosigkeit und das völlige Unverständnis für das, was passiert, sind übermächtig.

    Dann ruft der Lehrer seinem Kollegen etwas zu, und ich verstehe nur das Wort „Panic attack“. Hä, was? Ich soll eine Panikattacke haben? Und dann erst verstehe ich: Ich kann nicht sprechen, weil ich nicht atmen kann. Kaum dass ich das begriffen habe, wird es kurz ganz schlimm: Ich ringe gewaltsam nach Luft, aber es fühlt sich an, als würde ich stranguliert. Meine Hände und Füße werden taub, ich zittere, meine Ohren dröhnen und das Blickfeld wird angsam dunkler. Ich konzentriere mich auf eine ruhige, tiefe Atmung und mache mich auf dem Brett ganz lang. Ein Kampf mit einem unsichtbaren Gegner, der Minuten zu Stunden werden lässt.

    „We have to get out of the waves, the boat can't come here“, sagt der Lehrer. Er drückt mir seine Leine in die Hand und paddelt los, ich bewegungslos im Schlepptau. Und wie aufs Stichwort erwischt uns eine Monsterwelle, und ich gerate wieder in die Waschmaschine. „Das war's“, denke ich mir unter Wasser. Aber der Überlebenswille tut, was er soll, und plötzlich bewegen sich Arme und Beine doch wieder, und ich schaffe es zurück an die Wasseroberfläche. Japsend kralle ich mich ans Board, Isam, der Surflehrer und Retter, zieht mich zurück aufs Board, und plötzlich kann ich wieder atmen! Der Schreck hat wohl die Panikattacke unterbrochen.

    Das Boot kann oder will uns nicht retten, trotz Isams Bemühungen, auf uns aufmerksam zu machen. Er ändert die Taktik und treibt mein Board in die nächste große Welle, die ich für mindestens 20 Meter bodysurfe. Das wäre sehr spaßig gewesen, wenn ich nicht so entkräftet gewesen wäre. Wir haben die hohen Wellen hinter uns gelassen, doch es kommt noch immer kein Boot zu unserer Rettung; wir müssen bis zum Strand surfen und paddeln. Auf halber Strecke müssen wir eine erneute Kotzpause einlegen, dann ist es überstanden, und ich schleppe mich auf wackeligen Beinen zur nächsten Strandliege. Erst mal klarkommen. Später erfahre ich, dass auch zwei der anderen Schüler gerettet werden mussten – was für ein Katastrophentag!

    Schüchtern und ehrfürchtig bedanke ich mich bei Isam. An Land ist er ein junger, drahtiger Kerl mit Mondgesicht und breitem Grinsen. Im Wasser ist er Aquaman. Da sieht man, Erfahrung und Können schlagen reine Muskelkraft. „You are a saviour“, sage ich zum Abschied und drücke ihn fest.

    //Ein verfluchter Tag

    Nach dem großen Drama des Tages gönne ich mir eine echt-italienische Pizza im schönsten Restaurant auf der Fressmeile. „Abschalten, abschütteln, zurück zur Zuversicht“, lautet die Agenda des Abends. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit mir: Freche Kinder kreischen und springen um mich herum, bis ich wütend den Sitzplatz wechsle. Zu allem Überfluss juckt es mich am ganzen Körper... Ein Blick unter den Socken offenbart eine Straße von Stichen. Bettwanzen! Genau das hat mir noch gefehlt. Mir ist nach einem hysterischem Lachen zumute. Zurück im Hostel inspiziere ich die restlichen juckenden Stellen und stelle fest, dass ich vergangene Nacht wohl das Abendessen für eine ganze Kolonie Wanzen war. Ich informiere die Rezeption. Am liebsten würde ich sofort ausziehen, aber das Taxi ist für den frühen Morgen bestellt, und ich muss mich mit einem anderen Bett begnügen.

    Eine kurze Nacht steht mir bevor: Mein Wecker ist auf 3:30 Uhr gestellt, das Taxi kommt um 4 Uhr, der Flug geht um 6. Doch wach werde ich erst vom Wecker des Bettnachbarn um 5 Uhr. Nur noch eine Stunde bis zum Abflug! Hektik bricht aus, und ich werfe achtlos alle sieben Sachen in den Rucksack, während ich panisch den Taxifahrer anrufe. Verständlicherweise ist er verärgert, weil er in der Dunkelheit auf mich gewartet hat, aber mit dem Versprechen auf einen verdoppelte Vergütung lässt er sich überreden, mich noch mal abzuholen.

    Er scheint sich darüber zu freuen, dass wir es eilig haben, und drückt kräftig aufs Gas. Meine Angst, den Flug zu verpassen, weicht der Angst vor einem Unfall. Ich klammere mich an dem funktionsunfähigen Sicherheitsgurt fest. In einer scharfen Kurve vor dem Dorf, das ich am Vortag besucht habe, bremst er plötzlich ab und wir schleichen im Schritttempo weiter. Ich schaue ihn fragend an und er erklärt mir, dass hier Geister ihr Unwesen treiben und es daher ständig zu Unfällen kommt. Gerade dachte ich noch, „schlimmer geht's nicht mehr“, aber eine Begegnung mit einem Geist würde dem Ganzen wirklich die Krone aufsetzen. Angespannt spähe ich in den dichten Nebel, der aus dem pechschwarzen Unterholz sickert… Doch kein Geist erscheint, und wir beschleunigen wieder auf 130 km/h und rasen zum Flughafen. Noch 30 Minuten bis zum Abflug sagt die Uhr, als ich durch den Haupteingang renne. Das Bodenpersonal des kleinen Flughafens ist glücklicherweise kooperativ und macht mir keine Schwierigkeiten. Bei den vergangenen Flügen blieb ich ständig beim Boarding stecken, immer gab es etwas auszusetzen an meinem Gepäck. Aber heute klappt alles einwandfrei. Um 6:15 Uhr hebt der Flieger planmäßig ab -mit mir darin! Ich kann mein Glück im Unglück kaum fassen.

    Doch die Pechsträhne setzt sich beim Zwischenstopp in Kuala Lumpur fort: Ich reise nur mit Handgepäck, und die Abmessungen und das Gewicht meines Rucksacks waren (anders als der Inhalt) bisher nie ein Problem bei der Kontrolle... bis heute. Ich bin 4 Kilogramm drüber und soll dafür bezahlen. Vier mickrige Kilo! „Nun gut, wenn ihr es so wollt“, denke ich mir nach einer fünfminütigen Diskussion, drehe um und stapfe verärgert zur Toilette, wo ich alle meine Klamotten übereinander anziehe. Wie albern, diesen Kampf auszufechten, aber ich will nicht akzeptieren, dass ein 200 kg schwerer Mann mit 7 kg Gepäck akzeptiert wird, während 50 +11 Kilo „zu schwer“ sein sollen. Naja, rückblickend kann ich die Festsetzung schon verstehen, aber in dem Moment bin ich wütend!
    Schwitzend und schnaufend, aber siegessicher, stehe ich wie ein kleines Michelinmännchen wieder vor der freundlichen Frau an der Waage. Ja, fast... immer noch ist mein Gepäck ein kleines bisschen zu schwer. Ach, scheiß drauf. Ich gebe mich geschlagen und tapse frustriert davon. Die Dame ruft mich nach einigen Schritten zurück. Sie lächelt gütig und gestattet mir, mein Gepäck nun doch noch kostenlos einzuchecken. Yeayyy! (A for effort)

    Der Stopover in Kuala Lumpur beträgt insgesamt 4 1/2 Stunden, und die Zeit brauche ich auch, um zweimal das Terminal zu wechseln, durch die Immigration zu warten und das Gepäck zu regeln. Gerade setze ich mich zum Kaffeetrinken hin und will Max am Telefon von meinem Abenteuer erzählen, da wird schon der „Last Call“ für meinen Flug ausgerufen. Jetzt aber schnell zum Gate der Billigairline am aaanderen Ende des Flughafens, wie könnte es anders sein. „Julia!? You. Are. Late!! We just closed the gate, you're the last passenger!“ Ups, man hatte schon auf mich gewartet. Da hätte ich ja den nächsten Flug beinahe auch noch verpasst!
    Was ist nur los mit diesem Tag?!
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  • Day 138

    Am Fuße des Vulkans

    March 17 in Indonesia ⋅ ⛅ 26 °C

    Tetebatu

    Die Fahrt auf dem kleinen Roller nach Tetebatu ist ungemütlich und ich klammere mich wie ein Äffchen an den Fahrer. Die Nachmittagssonne scheint und die Umgebung ist abwechslungsreich, saftig grün und paradiesisch. Jeder Meter, den wir zurücklegen, bestärkt mich in der Entscheidung, weiterzuziehen. Mich plagen noch immer Schuldgefühle und Wut wegen Dodo, dem toten Katzenbaby. Ich verstehe jedoch allmählich, dass die Entscheidung, sie auf dem Grundstück des Hostels zu belassen, die richtige war. Nur hier hatte sie eine realistische Überlebenschance. Hätte ich denn wirklich mehr für sie tun können? Ist das ein Fall von „Shit happens“? Wir erreichen Tetebatu kurz vor Dämmerung und mein Gedankenkarussell wird endlich unterbrochen.

    Ich habe mich in einer Unterkunft mitten in den Reisfeldern eingebucht. Ein junges Bauernpaar hat einige Hüttchen auf ihrem Grundstück zusammengeschustert und begrüßt mich freudig. Ich bin der einzige Gast. Der junge Mann ist in meinem Alter, aber strahlt die „Verlebtheit“ eines 50-Jährigen aus. Seine Frau ist Anfang 20 und ihr Lächeln würde Eis zum Schmelzen bringen, so strahlend ist es. Ich würde sie nicht auf Anhieb als hübsch oder attraktiv beschreiben, aber sobald sich ihr Gesicht zu mir dreht und lächelt, ist sie der schönste Mensch auf der Welt. Eine faszinierende Verwandlung. Die Zwei haben alle Hände voll zu tun mit den Feldern, Nutztieren und Touristen. Und zu allem Überfluss auch noch Ramadan! Ich habe ein schlechtes Gewissen, Abendessen zu bestellen; die beiden müssen so kurz vor dem täglichen Fastenende hungrig sein. Aber Angi, die junge Bäuerin, beruhigt mich, das sind sie gewohnt und ich muss mich nicht sorgen. Sie strahlt und kichert, als ich sie für ihr traditionelles Abendessen mit Komplimenten überschütte.

    In der Nacht halten mich meine Gedanken und die Naturgeräusche wach: Ein großer Waran jagt ein Nagetier über das Dach meiner Hütte. Geckos, die ihre ulkigen „I-A“ Rufe in die Nacht senden. Rascheln, Surren, Klappern... So viel nächtliches Leben auf dem Feld. Meine Grübeleien über die kleine Dodo werden abgelöst von der Frage: „Was jetzt?“. Die Reise neigt sich schon dem Ende zu. Was will ich noch erleben, was will ich sehen? Ich muss bald Entscheidungen treffen.

    Der Bauer nimmt mich am nächsten Vormittag nach dem Frühstück zu einer Tour durch das Umland mit. Beim Vorbeilaufen an meiner Hütte zeigt er auf eine Pflanze und fragt mich, ob ich wüsste, was das ist. Ich bin ein Stadtkind, ich weiß gar nichts über Flora und Fauna, antworte ich. Wir gehen auf dem Grundstück von Pflanze zu Pflanze und er erklärt mir, was ich sehe: Vanille, Erdnüsse, Bananen, Mango, Kakao, Pfeffer, Schlangenfrucht, und viel, viel Reis. Kein Wunder, dass nachts so ein Trubel vor der Tür herrscht... ich schlafe ja praktisch in der Speisekammer. Die Pflanzen sehen aus, wie willkürlich gewachsen, aber er erklärt mir die Logik des Anbaus: Die verschiedenen Pflanzen helfen sich durch ihre Eigenschaften gegenseitig und gleichen Nachteile aus. Der große Vorteil einer kleinteiligen Mischkultur.
    Das Gras direkt am Rand des Reisfeldes zum Beispiel befestigt die Terrassen durch seine Wurzeln und hindert sie am Abrutschen. Gleichzeitig bieten ihre Wurzeln Futter für die dicken Fische, die im Wasser der Reisfelder leben und später wird das Gras als Viehfutter verwendet. Die Fische düngen den Reis und das Gras, werden nach und nach gefangen und gegessen. Der Mensch kann sich im besten Fall zurücklehnen und auf die Ernte warten. Ich bin erstaunt und sehe die Umgebung mit neuen Augen.

    Wir laufen zum Dorfkern und ich werde zum „Touri-Spot“ gebracht. Meinem Guide scheint der Boxenstopp unangenehm zu sein. Zu Recht, denn ich bin genervt, dass das „Abgreifen von Touristen“ sogar hier in der Abgeschiedenheit stattfindet. Im Rathaus wird mir und zwei weiteren weißen Besuchern, die sich außerhalb der Saison hierher verirrt haben, eine kleine Tee- und Kaffee-Verkostung aufgedrückt, um sie zum Kauf der lokalen Produkte anzuregen. Da mein Guide mir schon so viel erklärt hat und ich tatsächlich neugierig geworden bin, kaufe ich heute ausnahmsweise tatsächlich ein Päckchen „Vanille-Kaffee“, denn langsam muss ich ja mal über Souvenirs nachdenken.

    Das Wetter kann sich nicht entscheiden und es regnet ein wenig, als wir barfuß durch ein Bachbett zu einem versteckten Wasserfall waten. Ein Lichtschein wirft sich scharf auf die Wasseroberfläche des kleinen Pools und blendet mich. Grüne Farne hängen durch den schmalen Spalt, durch den der Bach hinunter plätschert. Mein Guide gibt mir Zeit, ein wenig herumzustehen und die Atmosphäre aufzunehmen. Wie schön, dass wir diesen Ort für uns alleine haben; heute sind wir die ersten Besucher. Ein Ort aus Märchen!

    Weiter geht´s, über die schmalen Trampelpfade zwischen den Reisfeldern. Ich versuche meinen neuen Kumpel in ein Gespräch zu verwickeln, aber selbst meine Witze perlen an ihm ab. Ein ernster, schüchterner Zeitgenosse. Aber zugegeben: Ich habe viele Fragen, bestimmt hat er schon lange nicht mehr so viele „blöde“ Fragen beantworten müssen. Er erklärt mir, dass auf jedem Feld eine kleine Hütte steht, denn kurz vor der Erntezeit müssen die Bauern Tag und Nacht vor Ort sein, um Affenbanden davon abzuhalten, das Feld zu plündern. Die Sonne lässt sich endlich wieder blicken und verwandelt die Felder in eine der schönsten Kulissen, die ich je gesehen habe. Das Wasser glitzert durch die Reispflanzen, satte, grüne Farben und eine sachte Brise, die in einer fließenden Bewegung durch die Halme fährt. Zwei Frauen kommen uns lachend entgegen und balancieren große Körbe auf den Köpfen. Ihre bunten Röcke und strahlenden Gesichter fangen für mich genau das ein, was Indonesien für mich bedeutet: Unbeschwertheit.

    Wir schleichen leise durch den Wald und mein Guide späht in die Baumkronen, während er merkwürdige Rufe nachahmt. Er versucht, die schwarzen Affen anzulocken, die es nur in diesem Wald und sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Nach einer halben Stunde endlich eine tierische Antwort und wir stoßen auf die Gruppe schwarzer Affen, die unbeeindruckt von uns in den Ästen hängt. Die Tiere sind groß und haben ungewöhnliche Gesichter, anders als die üblichen Makaken. Ich habe keine Ahnung von Affenarten, daher lässt mich diese Sichtung nur milde beeindruckt zurück. Aber ich kann an der plötzlichen Freude und Aufgeschlossenheit des Bauern ablesen, dass diese Sichtung etwas Besonderes zu sein scheint.

    Zurück in der Unterkunft ist ein neuer Gast angekommen und wir trinken zusammen einen Tee. Eine junge Französin, die eine bescheidene und entschlossene Ausstrahlung hat. Ich mag sie auf Anhieb. Ich erzähle ihr von meinen Entscheidungsschwierigkeiten. Dass die Zeit, nun da so wenig davon übrig ist, kostbar zu sein scheint... Ich will sie bestmöglich nutzen. Am Rande erwähne ich, dass für mich noch zur Debatte steht, einen Meditationskurs im Rahmen eines Vipassana zu machen. Sie schaut erstaunt von ihrem Getränk auf, ihre Augen mustern mich erst ernst und strahlen dann vor Freude. „That is going to be the best decision of your life“, sagt sie. Sie hat zu Beginn ihrer Reise 10 Tage in einem Vipassana-Camp verbracht und erzählt mir knapp davon. Schon in Indien habe ich einige Leute getroffen, die davon begeistert waren und auch auf meiner „In Indien nachholen“-Liste steht ein Meditationskurs ganz weit oben.

    Ihre unaufgeregte Begeisterung und felsenfeste Überzeugung machen mich neugierig. Ich recherchiere einige Camps und bewerbe mich kurzentschlossen bei einem, das auf der vorgesehenen Route liegt. Wenn es nicht klappt, reise ich im Top-Speed durch die restlichen Regionen, die ich noch sehen will. Wenn es klappt, schnüre ich ein abgespecktes Päckchen. Soll das Schicksal entscheiden! Ich schlafe in der Nacht schon sehr viel besser. Der Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen, hat sich gelegt.

    Am nächsten Morgen passen Margaux (deren Name übrigens Licht bedeutet – wie passend!) und ich auf Angis Baby/Kleinkind auf, als sie uns Frühstück zubereitet. Wir sind uns einig: Irgendwas ist komisch an diesem Kind. Es ist in dem Alter, dass es gerade so laufen kann. Wir brauchen lange, um endlich benennen zu können, was uns beide unabhängig voneinander so verunsichert: Das Kind „Arumi“ hat eine wahnsinnig genaue Präzision und Kraft. Jede Bewegung ist exakt. Es schiebt/hebt sich den Stuhl an den Tisch und klettert ohne ein Zögern auf den Stuhl und den Tisch, um mit uns auf Augenhöhe spielen zu können. Es greift nach meinem Stift, eine beherrschte Bewegung wie die eines Erwachsenen. Kein daneben Tatschen oder unkoordiniertes Wackeln. Gruselig und faszinierend zugleich! Wie kann ein Kleinkind in seiner Koordination schon so fortgeschritten sein?

    Nach dem Frühstück verabschieden Margaux und ich uns von der kleinen Familie. Ich fahre den Roller mit meiner neuen Freundin Richtung Süden. Das Wetter ist gütig und verschont uns vor einer ungewollten Dusche. Die Fahrt durch den Süden Lomboks ist landschaftlich wunderschön.
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  • Day 135

    Lombok

    March 14 in Indonesia ⋅ 🌧 28 °C

    Ich freunde mich mit Monica, einer Solo-Reisenden aus Litauen an und gemeinsam setzen wir mit der Fähre nach Lombok über. Die Überfahrt ist ungemütlich, die Wellen werfen den schmalen Kahn von Seite zu Seite. Auf dem Festland angekommen, werden wir von aufdringlichen Taxifahrern belagert und es wird so unangenehm, dass ich sogar unhöflich werde. Ein wenig verstimmt geht's zum Hostel. Die kleinen, bunten Zelt-Hütten stehen lustig vor dem saftig-grünen Hintergrund. Ich überlasse Monica die letzte verfügbare Hütte und buche mich selbst im stickigen Dorm ein. Kurz darauf komme ich mit einer jungen Deutschen ins Gespräch, die am Vortag einen mittelschweren Rollerunfall hatte. Die Unterhaltung mit ihr ruft deutlich in Erinnerung, wie schnell man hier unter die Räder gerät, auch unverschuldet.

    Am kommenden Morgen führen mich meine Füße wie von selbst zum Strand. Der Sand hat in einigen Abschnitten eine pechschwarze Farbe durch den Vulkanstaub und die Wellen rauschen laut, weiß und schäumend heran. Die Nachbarinseln werden von dunklen Regenwolken verschluckt. Wieder ein Ort, an dem die Zeit nicht zu existieren scheint. Obwohl es beinahe etwas Beängstigendes an sich an, fühle ich tiefe Ruhe. Die Farbe Rauchblau (meine Lieblingsfarbe) erscheint die Stimmung gut einfangen zu können: Eine kühle, distanzierte Farbe, die trotzdem eine beruhigende Wirkung ausstrahlt. Ich bin ganz alleine am Strand und jogge durch den weichen Sand. Auf dem Rückweg streichele ich gerade einen kurzbeinigen Straßenhund, als plötzlich ein wuscheliger Mann auftaucht, der mir etwas zuruft. Er will wissen, wo ich unterkomme. „Pff.. als ob ich dir das verraten würde“ denke ich mir. Ich reagiere abweisend, bin mir bewusst, dass wir die einzigen zwei Menschen weit und breit sind. Einige Minuten später fährt der Mann mir mit dem Roller hinterher und stoppt mich erneut. Oh oh, Alarmstufe orange! Er winkt beschwichtigend ab "I know you, we met yesterday. Don't you remember?" Und tatsächlich, am Abend zuvor haben wir Gäste mit dem Hostelpersonal und deren Freunden zusammengesessen und da war er auch dabei. Ups, gar nicht erkannt. Aber auch kein Wunder, dass ich mich nicht so genau erinnere: aus einer Laune heraus hat der Manager uns seine selbst gepflückt und getrockneten magic mushrooms gezeigt und Monica und mir einen Tee daraus zubereitet. Die Wirkung war minimal, außer einer kleinen Lichtempfindlichkeit war kein Effekt zu spüren. Aber nun gut... erkannt habe ich den Typ ja dann letztendlich trotzdem nicht mehr. Ich bin erleichtert, dass die gruselige Situation sich doch noch als harmlos herausstellt.

    Am Nachmittag unternehmen wir zu viert einen Ausflug in den Norden. Hamzah (der bekannte Fremde vom Strand) und Monica auf einem Roller, eine junge Deutsche und ich auf einen zweiten. Hamzah will uns einen Wasserfall zeigen und wir erhalten eine ausführliche Tour durch die Gegend. Der erste Wasserfall kracht ohrenbetäubend zu uns herunter und der Dunst, der dicht aus dem Pool aufsteigt, durchnässt unsere Klamotten. Kurz darauf geht ein plötzlicher Monsun auf uns nieder und wir drängen uns mit einigen Locals unter einen Unterstand. Es werden Kakaobohnen mit Zucker genascht, die Stimmung ist heiter und aufgeschlossen. Wir wandern in die Reisfelder und klettern zum Abschluss in den schwer zugänglichen Wasserfall-Pool im Hang. Es ist ein gefährliches Unterfangen und mir geht ganz schön die Sause. Für einige Minuten schweben wir auf einem ausgelassenen Adrenalin-High, dann klettern wir etwas eingeschüchtert von der Strömung wieder aus dem Nadelöhr. Im strömenden Regen geht es zurück, die kurvige Küstenstraße ermöglicht immer wieder großartige Blicke auf die Buchten und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.

    Am nächsten Morgen begegne ich dem Eigentümer der Unterkunft auf der Straße. Er sitzt hinter einer Einheimischen auf dem Roller und hält ein kleines, schmutziges Kätzchen in der Hand, das ganz unglücklich maunzt. Ich verwerfe spontan meine Pläne und gehe zurück zum Hostel aus dem ich bereits ausgecheckt habe um sicher zu gehen, dass mit dem Kätzchen alles in Ordnung ist. Der Eigentümer ist leider völlig desinteressiert an dem kleinen Geschöpf und bei mir kickt der Mutterinstinkt. Ich putze und füttere "Dodo" und sie schläft erschöpft in meinem Schoß ein. Den ganzen Tag verbringe ich mit der Pflege der kleinen Babykatze und am Nachmittag macht sie schon einen sehr viel fitteren Eindruck. Ich verlasse für einige Stunden den Ort des Geschehens, ich habe den Manager gebeten ein Auge auf Dodo zu haben. Als ich am Abend zurückkehre, herrscht heiteres Treiben. Einige Kumpels des Managers sind vorbeigekommen, es wird getrunken und gelacht. Mittendrin die kleine Dodo, die nicht zu wissen scheint, wohin mit sich. Sie tapst von Mensch zu Mensch und mauzt wehleidig. Ich versuche sie in einem Karton schlafen zu legen, aber das sieht die kleine Entdeckerin gar nicht ein. Nun gut, ich kann sie nicht mitnehmen, ich muss auf das Umfeld Vorort vertrauen. Hamzah rückt mir unangenehm auf die Pelle und ich beschließe mich zu verabschieden. Beim Abschied bitte ich jeden einzelnen Gast ein Auge auf Dodo zu haben. "Don't worry, she will be fine"

    Am nächsten Morgen steht Hamzah unerwartet vor der Tür. Ich habe ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ernst erlebt und schrecke fast vor ihm zurück. "The kitten died", sagt er. Ich starre bewegungslos, sage gar nichts und steige zu ihm auf den Roller. Wut. So wütend. Auf wen überhaupt? Mich selbst? Die blöden Typen vom Hostel? Beim Hostel heben die zwei Angestellten/Kumpels bereits ein kleines Grab im Garten aus. Ich überprüfe den kleinen Körper von Dodo. Jap, sehr tot. Eine schmale Ameisenstraße hat bereits einen Weg ins kleine Mäulchen gefunden. "Der Lauf der Dinge. So schnell geht's...", denke ich mir. Gestern noch quietsch-lebendig und jetzt mausetot. Immer noch wütend. Ich bin jedoch schweigsam und tue gefasst, was getan werden muss. Auf ein Stück trockenen Bambus schreibe ich einige Worte und stecke den Stab als Grabstein in die Erde. Die Typen vom Hostel sitzen verkatert in der Küche. "Wieso verdammt noch Mal, habt ihr nicht aufgepasst, so wie ihr es versprochen habt?" Möchte ich gerne fragen und dabei reihum gehen und jeden einzeln feste ohrfeigen. PATSCH PATSCH PATSCH! Stattdessen sage ich gar nichts, gucke kühl und gehe ohne Verabschiedung davon. Mich plagen Selbstvorwürfe. Hätte ich mehr tun können? Wieso haben die Leute Vorort nicht mehr getan?

    Ich ziehe mich an den Strand zurück und meditiere eine Weile. Irgendwann taucht Hamzah auf, um mir Gesellschaft zu leisten. Es tut ihm aufrichtig leid um Dodo und ich bin dankbar für sein Mitgefühl. Der Tag ist schon fortgeschritten, eine Weiterreise macht wenig Sinn, trotzdem steht nach der Meditation für mich fest: Ich will hier weg. Kein dramatischer Druck, einfach nur eine ruhige Gewissheit, dass ich diesen Ort, so traumhaft er auch ist, nicht mehr genießen kann. Ich entdecke Monica in den Wellen. Sie bekommt gerade privaten Surfunterricht von einem attraktiven Einheimischen. Wow, was für eine tolle Chance. Es wäre so einfach sich anzuschließen und genauso viel Spaß zu haben. Wir unterhalten uns kurz und sie versucht mich zu überreden da zu bleiben. Es ist ihr anzusehen, dass sie hier überglücklich ist und für einen Moment frage ich mich, wieso ich nicht genauso empfinden kann. Es stimmt: wir sind im Paradies. Trotzdem brodelt ein Unwohlsein in mir. Ich beschließe auf das Bauchgefühl zu hören. Weiter geht’s! Ich hole mein Gepäck im Hotel ab und frage den Eigentümer nach dem schnellsten Weg in die Berge. Sein Bruder lauscht und bietet sich spontan als Fahrer an. Keine 10 Minuten später sitze ich ungemütlich mit ihm auf seinem Roller und wir düsen dem Vulkan entgegen.
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  • Day 134

    Gili Air

    March 13 in Indonesia ⋅ 🌬 29 °C

    Mit dem Speedboat erreiche ich Gili Air, den Inbegriff von Abgeschiedenheit. Auf dem Spaziergang zur Unterkunft mache ich auf dem Trampelpfad Platz für die klirrenden Pferdekutsche und Touristen auf Fahrrädern. Ich habe mich in einem Yoga Zentrum eingebucht, leider gibt es aber keine freien Plätze mehr für das Meditations-Event am selben Abend, auf das ich scharf war. So ein Pech. Ein Gewitter überrascht mich, als ich gerade ein Päuschen in der Hängematte des Yoga-Shala mache. Der Regen prasselt ohrenbetäubend nieder, es donnert und blitzt und man könnte meinen, die ganze Insel wird einfach weggespült. Es steht 10 cm Wasser auf dem Rasen, das nicht weiß, wohin es versickern soll. Ich schaukel in der Hängematte und beobachte das Schauspiel gebannt aber entspannt. Zum Glück muss ich nirgendwo hin und kann einfach hier gemütlich fest- und aussitzen.

    // Neumondmeditation
    Das Gewitter verzieht sich pünktlich zum Abendevent und hat offenbar einige Leute an der Anreise gehindert... Somit wird doch noch ein Platz für mich frei und ich darf an der "new moon meditation session" teilhaben.
    Wir sind ca 20 Teilnehmer und sitzen im Shala im Kreis auf Yogamatten. In der Mitte sind einige Kerzen hübsch drapiert. Alle Gesichter sind von Kerzenschein erleuchtet, dahinter schwarze Schatten die über die Zeltplane tanzen. Wir gucken gespannt und hoffnungsvoll in die Runde, keiner spricht. Die Vorfreude ist deutlich spürbar. Die sympathische Lehrerin stellt sich vor, wir stellen uns der Reihe nach vor, kurze Meditation, dann folgt der ecstatic dance: jeder bewegt sich wie er möchte, ganz ohne Rhythmus schütteln wir uns frei von Ansprüchen und Sorgen.
    Neumond... Ein neuer Zyklus beginnt... Ein neue Chance für Veränderungen. Wir sollen uns eine Wunschzukunft vorstellen. Durch eine geleitete Meditation träumen wir uns in die Vorstellung hinein und machen sie für uns realer. Zuerst empfinde ich es viel verlangt, ad hoc ein persönliches Ziel zu formulieren. Wie oft konfrontiert man sich selbst schon mit der Thematik? Aber ich bin dann doch überrascht, wie schnell mein Gehirn Antworten liefert: in Zukunft möchte ich weniger egozentrisch und mehr nach außen gerichtet agieren. Ich will den Wissensdurst, Mut und das Selbstbewusstsein beibehalten, das ich neu entwickelt habe. Stark und lebenslustig! Sport und Ernährung sollen eine größere Rolle in meiner Freizeit einnehmen. Ich will bewusster Entscheidungen treffen und mehr genießen statt nur zu ertragen. Kein Zweifeln, kein Prokrastinieren. Dass Gefühl für die "neue Person" ist stark und ich mache es mir bequem in dem neuen Ich. Ja, so fühle ich mich wohl.
    Die Session ist zeitlich gut arrangiert und auch wir Teilnehmer scheinen alle auf der selben Wellenlänge zu schwimmen. Bei der ungezwungenen Feedbackrunde sagt das Mädchen neben mir, dass sie ein extremes Gemeinschaftgefühl wahrnimmt und die Verbundenheit in der Gruppe spürt. Die Zuneigung und das Wohlwollen füreinander nehme auch ich wahr. Wir nicken mehrheitlich zustimmend. Ich bin schweigsam und nachdenklich am Abend. Dass die Session so einen starken Effekt auf mich hat, überrascht mich. Plötzlich habe ich ein Ziel, ein realistisches Bild, das mich motiviert. Wer hätte gedacht, dass dieser Kurs mir so viel geben würde.

    // Ramadan
    Wusstet ihr, dass mehr als 80 Prozent der indonesischen Einwohner muslimischen Glaubens sind? Ich schon mal nicht. Das heißt, im Großteil Indonesiens – außer auf Bali, das hauptsächlich von Hindus bewohnt wird, und auf Flores, wo die meisten katholischen Glaubens sind – wird die Fastenzeit Ramadan gehalten. Im neunten Monat des islamischen Kalenders fasten gläubige Muslime von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Der Fastenmonat ist einer der im Koran verankerten Pflichten eines Muslims, in dem außer dem Verzicht auf Essen auch die Gedanken gereinigt und die Konzentration mehr auf den Glauben gelenkt werden soll.
    Während des Monats verläuft das öffentliche Leben in Indonesien langsamer. Angesichts der südostasiatischen Hitze ist es sehr verständlich, dass Angestellte ohne Nahrung und Wasser an diesen Tagen nicht ganz so schnell und konzentriert arbeiten können. Auch ich bekomme das zu spüren: meine Bestellung im Restaurant wird mehrfach vergessen.

    Mehrmals am Tag wird von den Moscheen lange und lautstark zum Gebet gerufen. Die Muezzins beginnen schon um 05:00 Uhr morgens mit ihrem Lobgesang und erst um 2 Uhr nachts ist Schluss. Ständig plärrt es aus den Lautsprechern der Moscheen, man kann den Gebeten uns Gesängen nicht entkommen. Ohropax ist mein bester Freund.

    // Sturm
    Am Morgen jogge ich durch den Nieselregen und schaffe es sogar die Insel zu umrunden.
    Dicke Regenwolken umhüllen die Insel, trotzdem bin ich entschlossen, das Beste aus der Zeit zu machen und leihe mir Schnorchel Equipment aus. Ich werde stutzig, keiner außer mir ist im Wasser. Nachdem ich zu den Korallen raus geschwommen bin, wird klar: mit guten Grund ist hier keiner! Die Strömung ist stark und wirbelt den Sand auf, was an vielen Stellen die Sicht auf 30 cm beschränkt. Ich plantsche trotzdem das Ufer auf und ab, auf der Suche nach den Schildkröten. Bei jedem auftauchen scheinen die Wellen höher und der Himmel bedrohlicher zu werden. Irgendwann bin ich entmutigt und verängstigt genug um die Mission vorzeitig abzubrechen.
    Am Nachmittag erleichtern sich die Regenwolken dann endlich über der Insel. Es donnert und blitzt und das Geräusch des Regens dröhnt unangenehm laut. Mein Bettchen ist in einer offenen Hütte vom Dachstuhl abgehängt und wackelt im Wind der ungehindert durch die Unterkunft fegt. So schön der "openspace" an Sommertagen auch ist, im Sturm macht das wenig Freude. Das Moskitonetz ist kaum zu bendigen und flattert wild umher bis ich es unter der Matratze festklemmen kann. Ich höre ein Miauen aus der Ferne. Ich antworte dem Hilferuf und 2 Minuten später hüpft ein kleines, schwarzes Kätzchen zu mir ins Bett. "Du kannst bei mir übernachten wenn du Angst hast" sage ich. Sie schaut mich lange an uns beißt mir zur Bestätigung in den großen Zeh.

    Der Sturm ist schlimmer als gedacht.
    Alle Reisenden sitzen auf unbestimmte Zeit auf den Gili Inseln fest, wird uns mitgeteilt. Reisende die am Vortag mit den letzten Fähren angereist sind, berichten vom enormen Wellengang, berstenden Bootsfenstern und sehr viel Kotze. Es sind sogar bereits Fischerboote gesunken.
    Nungut, nicht der schlechteste Ort um fest zu stecken.

    Ich mache in diesen Tagen auf Gili Air einige tolle und bereichernde Bekanntschaften: Ich gehe an drei Abenden mit unterschiedlichen Mädchen, denen ich im den Unterkunft begegnet bin, essen. Ich lerne im Gespräch viel über unterschiedliche Lebensmodelle, hinterfrage und klopfe auch an meinen eigenen Motiven und bin gefesselt davon, dass wir Menschen trotz unterschiedlicher Realitäten, doch alle nach dem selben Instinkten funktionieren. Eines haben die Drei gemeinsam: sie sind bescheiden und optimistisch. Die zwei Charakterzüge die ich am liebsten habe, wird mir klar. Wie schön und hilfreich diese Begegnungen waren!
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  • Day 129

    Island time

    March 8 in Indonesia ⋅ ☁️ 30 °C

    // Anreise
    "This is island-time" erklärt sich der Taxifahrer, als ich ihn wissen lasse, dass ich eine Stunde auf ihn gewartet habe. Hier nimmt es niemand so genau mit der Uhrzeit, sagt er. Die Fahrt zum Hafen von Bali wird zur Zerreißprobe: Vier Fahrgäste sind wir im Auto, drei Mal muss meinetwegen gehalten werden, damit ich mich übergeben kann. Was ist denn heute los? Was die Situation und Übelkeit noch verschlimmert: Ich bemerke, dass der Fahrer während der Reise immer wieder einnickt und versuche ihn durch Smalltalk wach zu halten. Am Hafen angelangt, steige ich zitternd aus dem Pkw und plumpse im Ticketoffice aufs Sofa unter der Klimaanlage. Ich bin völlig manövrierunfähig, mein Kreislauf brauch eine ganze Weile bis er wieder hochgefahren ist. Zum Glück gilt auch für die Fähre die Island time und mir werden noch einige Minuten zur Regeneration gegönnt.

    Die zweistündige Bootsfahrt zu Gili Trawangan, der Insel die mir so oft empfohlen wurde, verläuft dahingegen einwandfrei. Der Ort fällt völlig aus der Zeit: Weit und breit keine motorisierten Fahrzeuge, stattdessen bewegen sich kleine Pferde im Trab über die wenigen befestigten Straßen mit schmalen Kutschen, auf denen krebsrote Touristen sitzen. Immer wieder klingelt mich ein Fahrradfahrer aus dem Weg, hier teilt man sich die Fahrbahn. Ich mag die Atmosphäre.

    // Schnorcheln
    Mit einem kleinen Schnellboot geht's zu unterschiedlichen "Hotspots" um die drei Gili-Inseln. Am ersten Halt haben wir das Glück, eine große Schildkröte beim Fressen beobachten zu können. Der Guide unserer kleinen Gruppe bemerkt, dass ich nicht tief genug tauchen kann und übernimmt das Filmen für mich. Mit einem Atemzug bleibt er fast 30 Sekunden Unterwasser, das ist beeindruckend. Am zweiten Spott sind Statuen im seichten Wasser versenkt worden und Fische tummeln sich in Scharen um das Kunstwerk. Obwohl es eine wirklich touristische Aktivität ist, genieße ich jede Sekunde. Die Begeisterung des Guides ist ansteckend.

    // Freizeit
    Für den Nachmittag habe ich eine "silver jewellery class" gebucht. Mir bleibt nach dem gemütlichen Frühstück eine halbe Stunde zur freien Verfügung und ich beschließe noch mal auf eigene Faust ins Wasser zu gehen. Ich miete Schnorchelausrüstung am Strand, der Himmel hat sich zugezogen, trotzdem ist es schwül und heiß unter der Wolkendecke. Der Schnorchelausflug ist eher langweilig. Tote Korallen... Einige Fische... Schlechte Sicht durch den Sand in der Strömung. Ohne Sonnenschein sieht die Unterwasserwelt eher bedrohlich aus. Gerade will ich umdrehen, da erschreckt mich eine Bewegung. Ein großer Körper hat sich in 5 Metern Entfernung am seichten Meeresboden bewegt. Kurz habe ich ein bisschen Angst ganz alleine draußen im dunklen Meer mit einem unbekannten, großen Lebewesen ... "Erst gucken, dann -bei Bedarf- Angst haben" sag ich mir. Ich schwimme näher heran und kann meinen Augen kaum glauben: eine riesige Meeresschildkröte nagt träge an einigen Korallen. Aus dem Nichts taucht plötzlich ein zweiter Schnorchler auf. Wir treiben regungslos auf der Wasseroberfläche und beobachten die Schildkröte. Wow, der Moment gehört uns ganz alleine. Wir folgen der hungrigen Schildkröte auf ihrem Streifzug noch einige Meter, dann ist sie im aufgewühlten Sediment verschwunden. Der Einheimische und ich unterhalten uns kurz, verbunden durch diesen großartigen Zufall.

    Der Schmuckherstellungs-Kurs wird von einem Juwelier an der Promenade ausgerichtet. Der Lehrer ist ein netter Einheimischer, der meinem Wissensdurst freundlich und geduldig begegnet. Ich bin ambitioniert, er versucht mir meine Designidee auszureden, aber wir einigen uns auf einen Versuch. Das Silber muss immer wieder erhitzt und ausgewalzt werden. Der Lehrer hilft uns 4 Schülern abwechselnd bei der Umsetzung.
    Ob ich etwas eingravierten möchte, fragt er mich. Instinktiv entscheide ich mich für eine kleine Sonne auf der Innenseite. "Let's shine as people and help ourselves and others grow" ... Das sag ich zu dem Zeitpunkt so beiläufig daher und jetzt wo ich davon erzähle, erscheint es mir wie einer der schönsten Sätze und Motive überhaupt. Für die gesamte Zeit des Workshops habe ich einen kreativen Tunnelblick und bekomme kaum etwas von meiner Umgebung mit. Irgendwann sind alle anderen Lehrlinge unbemerkt gegangen und ich sitze immernoch auf meinem Schemel, schleife, poliere mein kleines Kunstwerk und bombardiere den Lehrer mit Fragen. Ich bin überglücklich als ich den Laden nach mehr als 2 Stunden verlasse.

    Da meine Unterkunft leider bereits ausgebucht war für die letzte Nacht auf der Insel, musste ich mich in einem "Party Hostel" an der Promenade einbuchen. "So schlimm kann es ja nicht werden" denke ich mir noch... Im Badezimmer begegne ich dann beim Umziehen 4 dicken, fetten Kakerlaken die überhaupt nicht scheu sind, sondern im Gegenteil, noch zu mir hin flitzen um Zuflucht unter meinem Flipflops zu suchen. Woa.
    Ein Blick in den Spiegel verrät dann auch, wieso es mich seit Stunden juckt und ziept am Rücken: meine komplette Rückseite ist krebsrot. Eine halbe Stunde bei völliger Bewölkung, ohne Sonnencreme schnorcheln und ich habe mich so böse verbrannt? Wie geht das denn?

    Vor der Tür stürmt es, aber ich muss trotzdem nach draußen um Creme für den Sonnenbrand zu kaufen und noch viel wichtiger: Abendessen!
    Der Sturm wird von Minute zu Minute immer schlimmer, ich beschließe umzudrehen aber der Regen nimmt so sehr zu, dass ich mich in einen Supermarkt retten muss. Dann fällt Der Strom auf der gesamten Insel aus. Man hört nur noch den Sturm wütend brüllen.
    Es ist eine gruselige Atmosphäre, ich bin verängstigt. Zum Glück hat der Supermarkt einen Generator und kann schnell wieder für Erleuchtung sorgen. Der Hunger treibt mich nach einer Weile wieder raus in den prasselnden Regen und ich wate durch knietiefes Wasser, dass die Straßen überspült. In den Restaurants sitzen noch immer Gäste in der Dunkelheit, die Füße im Matschwasser, und gucken verunsichert zu mir hinaus. Der Sturm wirkt dramatisch, außer den Locals ist hier niemand entspannt. Zurück an der Promenade, sehe ich aus der Ferne, dass mein Lieblingsrestaurant hell erleuchtet ist... Wahnsinn, die haben also auch einen Generator! Wie eine Motte ins Licht, stapfe und stolpere ich auf die verheißungsvolle Laterne in der Dunkelheit zu. Triefend trete ich ein und befinde mich in einer anderen Welt: lofi Musik, die den Schauer übertönt, Helligkeit, Sauberkeit und Kühle. Ich bekomme fantastisches Abendessen serviert und sitze den Weltuntergang noch ein bisschen länger aus. Leider hat auch mein Hostel einen Generator und offenbar einen großen Vorrat an Sprit: trotz der Umstände wird unter dem Vordach eine wilde Party abgehalten. Naja, die machen das Beste draus aber gleichzeitig bin ich auch genervt von der Ignoranz: die halbe Insel säuft ab und deren Prioritäten liegt beim sinnlosen Besäufnis? Nicht nur die Hits aus den 2000ern, sondern auch meine verbrannte Kehrseite halten mich in der Nacht wach.
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  • Day 127

    Bali

    March 6 in Indonesia ⋅ ☁️ 32 °C

    Niedergeschlagen von Max' Abreise, weiß ich nicht so recht wohin mit mir... Ich bin erschöpft von der Hektik der letzten Wochen und mir fehlt der Antrieb. Kurzerhand buche ich einen Flug nach Bali, um nicht im Trübsal zu versacken.

    Angekommen auf der Instagram-Insel, steuere ich am Abend die Bushaltestelle an. Kein anderer Fluggast weit und breit, alle anderen scheinen das Taxis zu nehmen. Es dauert nicht lange um zu verstehen warum... Der Bus fährt vor, doch der Fahrer will mich nicht mitnehmen. Ohne die App-Buchung keine Fahrt, Basta. Letztendlich kommt eine freundliche Dame nach vorne, schlichtet und bucht mir eine Fahrt über ihre Handy. Ich unterhalte mich ein Weilchen mit ihr und ihrer Familie im Bus, sie sind ehrlich interessiert an meiner Person und ich genieße die freundliche Zuneigung. Wir bleiben im dichten Feierabendverkehr stecken und sitzen stundenlangen im stickigen Bus fest. Am Busbahnhof angekommen bestelle ich zum ersten Mal ein Rollertaxi. Zum Glück habe ich nur den 40l Backpack und kleinen Rucksack, das findet alles Platz auf dem Roller und ist nur wenig ungemütlich.
    Die Fahrt ist abenteuerlich, denn wir schlängeln uns im Zickzack an den stehenden Fahrzeugen vorbei. Ich bewundere den Fahrer und grinse über beide Backen.

    Ich komme erst spät am Hostel in Ubud an und es stellt sich heraus, dass die Eigentümer schon ins Bett gegangen sind. Ein Übernachtungsgast aus Japan hilft mir aus der Patsche und zeigt mir die Schlafräume. Ich beschlagnahme einfach irgendein Bett... was soll ich auch anderes machen. Zu später Stunde bestelle ich ausgehungert Pizza und sitze in Gesellschaft des Familienhundes in der Dunkelheit im Hof. Erleichterung... Das hat ja doch noch alles geklappt irgendwie.

    Besuch im Affenwald. Der Park ist hübsch angelegt und wenn es nicht so voll wäre, könnte es ein sehr idyllischer Ort sein. Das Schild am Eingang sagt: kein Essen und kein Trinken mitbringen. Aber es ist ein sehr heißer Tag und ich will nicht auf Wasser verzichten. Die Quittung kommt 10 Minuten später: ein großer Affe nimmt unerwartet Anlauf und springt mir auf den Rücken. Eine beängstigende Situationen. Ich bleibe zum Glück ruhig und bedecke nur mein Gesicht mit den Händen. Andere Besucher kommen angelaufen und versuchen ihn zu verscheuchen, aber ziehen nur seinen Ärger damit auf sich. Der Affe öffnet meinen Rucksack und wühlt darin herum, bis er die Wasserflasche gefunden hat. Dann springt er ab, setzt sich gemütlich auf den Weg, öffnet den Drehverschluss und gönnt sich ein paar große Schlucke.
    Naja gut, bin ich ja jetzt selbst Schuld dran.

    Mit dem Roller fahre ich zu den berühmten Reisfeldern im Norden der Stadt. Ein Regenschauer empfängt mich. In einem der kleinen Hütchen im Hang mache ich eine Tee- und Kaffeeverkostung, hab ja sonst nichts Besseres zu tun. Ich starre lange raus in die treppenartige, grüne Anlage. So ein toller Ort und ich hab ihn fast für mich alleine durch den Regen.
    An sonnigen Tagen ist der Ort brechend voll mit Touristen, erzählt mir die Kellnerin, mit der ich eine halbe Stunde plaudere. Der Regen donnert laut aufs Dach und macht mich müde und träge. Ausharren... Die Szene erinnert mich an das Gemälde Nighthawks von Edward Hopper: Einsamkeit und Leere - an einem Ort, an dem normalerweise Geselligkeit stattfindet.
    Kurz vor Sonnenuntergang habe ich dann endlich die Möglichkeit, die Reisfelder zu erkunden. Ich rutsche auf dem glitschigen Weg langsam vorwärts und treffe auf der anderen Hangseite auf einige Hühner und eine schreiende Katze. Ich streichel den kleinen Schreihals und er springt mir sofort zum Kuscheln in den Schoß. Nun gut, damit ist die Wanderung wohl vorzeitig beendet. Die Katze beruhigt sich langsam und tritt mich sachte mit ihren kleinen Pfötchen. Süß.

    Am nächsten Tag tauche ich ein in die faszinierende Welt der Klangschalen! Die 1 1/2 Stunden lange Sitzung beginnt mit einer kurzen Meditation, im Anschluss liege ich auf dem Boden und es werden Klangschalen auf meinen Körper platziert. Die Vibration der Schalen geht mir durch Mark und Bein, ich bekomme Gänsehaut. Zeitweise gleite ich sogar in ein leichtes Dösen ab. Danach spüre ich eine tiefe Entspannung... Meine Gedanken schweifen ruhig, mein Herzschlag ist langsam und meine Atmung ist tief und gleichmäßig. Wohlbefinden.
    Die beiden Lehrerinnen laden mich im Anschluss ein, an einem gemeinsamen Mittagessen teilzuhaben, und wir tauschen uns offen und herzlich aus.

    Auf einer kleinen Wanderung durch den Jungel gerate ich wieder in einen Schauer und sitze für einige Zeit in einem hübschen Cafe, mitten im Wald fest. Wieder überkommt mich ein Anflug von Einsamkeit. Wieso fällt es mir so schwer alleine zu sein? Sind das noch die Nachwehen von der Zeit mit Max?

    Am Abend halte ich in einem kleinen, verlassenen Restaurant. Ich bin der einzige Gast und der Eigentümer und ich kommen direkt ins Gespräch. Stundenlangen sitzen wir beisammen, seine Schwester und zwei seiner guten Freunde, ebenfalls Weltenbummler wie ich, kommen hinzu und wir haben interessante Gespräche zu allen möglichen Themen. Endlich lerne ich etwas über Kultur und Leute! Auch am nächsten Tag besuche ich das Restaurant wieder, hauptsächlich für die Gesellschaft und werde sogar noch mit dem Roller zurück zur Unterkunft gefahren. "You're part of the family now" sagen sie zum Abschied. Wow, das war wirklich eine tolle Begegnung.

    Ich genieße die Zeit in Ubud. Der Verkehr ist mindestens genauso schlimm wie in Indien, nur das ständige Hupen fehlt.
    Der Ort hat großen Charm, durch die vielen hinduistischen Ausschmückungen und reizenden Eingangsportale, die prunkvoll und einladend gestaltet sind.
    Aber ich will gar nicht wissen was hier in der Hauptsaison los ist, wenn der Ort schon in der Nebensaison so gut besucht ist.
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  • Day 123

    Ein Goodbye in Singapur

    March 2 in Singapore ⋅ 🌩️ 29 °C

    Die Einreise in die Stadt gestaltet sich schwierig! Es ist viel los und wir müssen uns im riesigen Terminal durchfragen.
    Passkontrolle, Ausgangsstempel, Busfahrt, Passkontrolle, Eingangsstempel, Gepäckkontrolle. Beinahe geschafft... Aber dann werde ich von einer Beamtin aus dem Verkehr gezogen, sogar der Reisepass wird mir abgenommen, um sicherzugehen, dass ich mich nicht verkrümel. Ob ich Kaugummi dabei habe, werde ich gefragt. Komische Frage... Ja ein paar wenige Kaugummis habe ich im Rucksack. "It's forbidden. You have to come with me and see an officer" sagt die Dame lächelnd. Ich bin völlig ahnungslos, als mir erklärt wird, dass das Mitführen von Kaugummi seit kurzem aaabsolut verboten ist. Oh oh, bin ich in Schwierigkeiten? Der Beamte ist gerade mit einem Herren beschäftigt, der sogar zwei Päckchen Kaugummis im Gepäck hatte, und entlässt mich aus Zeitmangel mit einer Warnung. Bigger fish to catch... Glück gehabt. Max guckt ganz besorgt als ich um die Ecke biege. Er hat in der Zwischenzeit recherchiert, dass mich diese Aktion im schlimmsten Fall in den Knast hätte bringen können, mit Geldstrafen von bis zu 10.000€. wohow! Ok..
    Krasse Sache, beruhig dich Singapur.

    Die Skyline ist geprägt von ikonischen Gebäuden wie dem Marina Bay Sands, das durch seine außergewöhnliche Dachkonstruktion auffällt, und dem ArtScience Museum, das an eine offene Lotusblüte erinnert.
    Das heiße und schwüle Singapur ist für uns Fußgänger nicht ideal... Rund um die Marina Bay und den Singapore River können wir nichtsdestotrotz viele Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen. Immer wieder ziehen heftige Regenschauer über uns hinweg und sorgen für etwas Abkühlung.
    Der Tag ist aufregend und anstrengend.
    Ich bin etwas geknickt... So viel tolle Architektur, aber wir haben nicht genügend Zeit in die Tiefe zu gehen. Zugegeben, selbst wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, das Wetter ist zu unangenehm, die Versorgung mit Lebensmitteln und die Hotels zu teuer... Die Stadt macht es uns nicht einfach.
    Wir entfliehen einem erneuten Schauer im Cloud Forest. Es ist zwar viel los, aber Max und ich haben trotzdem richtig viel Spaß. So ein tolles Pflanzenuniversum... Informativ und sehr gut gepflegt.

    Später spazieren wir zum Wahrzeichen der Stadt, eine futuristische Parkanlage mit riesigen vertikalen Gärten und leuchtenden Supertrees.
    unter den großen "Bäumen" nehmen wir pünktlich zur Abendvorstellung platz. Das Konzert mit Lichtshow ist wirklich toll! Das klassische Stück ist perfekt mit den Beleuchtungen der Trees synchronisiert. wie in einem echten Konzert, übernimmt jeder der Trees eine andere "Stimme" und nur wer Ausblick auf mehrere Bäume hat, versteht die Komposition und das Gesamtkonzept.

    Danach geht's völlig erschöpft ins Hotel. Max hat für uns zwei 160€ für eine Nacht liegen lassen, denn was wir vorab nicht wussten: Taylor Swift spielt an jenem Abend ein Konzert in Singapur und die Preise gehen durch die Decke. Eine von vielen "It is what it is..." Situationen.

    Am nächsten Morgen müssen wir voneinander Abschied nehmen. Verständlicherweise einer der ganz schlimmen Abschiede.
    Tschüüüüssi, bis ganz bald mein Lieber!
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  • Day 122

    Drachenparade

    March 1 in Malaysia ⋅ ☁️ 32 °C

    Wir verbringen eine Nacht im Vorort vor Singapur um Hotelkosten zu sparen. Bei der Ankunft bestellen wir ein Grab und bleiben prompt im Verkehr stecken. Menschen laufen in Gruppen gutgelaunt über die Straßen und schlängeln sich durch den Verkehr. Es geht nur noch im Schneckentempo vorwärts. Was ist denn da los? Der Fahrer erklärt uns, dass heute ein großes Fest in einem der Tempel gefeiert wird und viele Menschen aus dem Umland anreisen. Nach einer gefühlten Ewigkeit geben wir das Warten auf und steigen auf der Schnellstraße aus dem unbeweglichen Auto. Auch wir schlängeln uns nun durch die stehenden Fahrzeuge und erreichen eine abgesperrte Schnellstraße die in Richtung Stadt verläuft. Mitten auf der leeren Fahrbahn geht's zu Fuß der Skyline entgegen. Es herrscht eine merkwürdige Stimmung... Fast wie in einer Ausnahmesituation, liegt etwas bedrohliches, knisterndes in der Luft. Umso näher wir der Stadt kommen, desto mehr Menschen begegnen wir. Am Abend mischen wir uns unter die vielen Schaulustigen auf den Straßen. Und dann ist es soweit: eine lange Parade zieht vorbei. Riesige Fahnen werden geschwungen, Trommeln geschlagen, Süßigkeiten geworfen, Drachen schlängeln sich durch die Menschenmenge und überall ist Licht und Lachen. Ich habe keine Ahnung was wir da beobachten... welcher Anlass und welche Bräuche das sind... Ein chinesischer Feiertag?
    Egal, es war wunderschön!

    @Max, gerne vervollständige wenn du dich an mehr erinnerst als ich 😄
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  • Day 121

    Kontraste

    February 29 in Malaysia ⋅ ☁️ 33 °C

    // Kuala Lumpur
    Eine Stadt mit vielen Kontrasten.
    Unsere Füße tragen uns vorbei an niedriger Blockrandbebauung mit Wellblechdach aus dem letzten Jahrhundert, und keine zwei Straßenecken weiter, legen wir den Kopf in den Nacken um an verglasten Hochhäusern hinauf zu schauen. Von der vielbefahrenen 6-spurigen Straße geht's rüber in den dicht bewachsenen Stadtpark.
    Von einem Extrem ins nächste.

    Die Architektur der Stadt ist eine Mischung aus alten kolonialen Einflüssen, asiatischen, malaiischen und ganz klar auch islamischen Inspirationen, aber auch modernen und postmodernen Elementen. Den Kolonialgebäuden lässt sich der neugotische oder griechisch-spanische (?) Stil ablesen. Die Railway Station zum Beispiel fällt durch ihre malerische Architektur auf, die so gar nicht an einen einfachen Bahnhof erinnert. Der selbe Baustil findet sich in vielen Prachtbauten im Umfeld aus dem späten 19. Jhd. Ich hab lange gebraucht bis ich entschlüsselt habe, was genau "nicht stimmt" mit den Gebäuden... irgendetwas schien nicht ganz ins Bild zu passen... Erst bei der nachträglichen Recherche bin ich auf den Trichter gekommen, dass der Baustil modifiziert wurde um sich an das ganzjährig heiße und feuchte Klima anzupassen. Ahaa!
    In den zentralen Bezirken der Stadt sieht man viele Gebäude mit lokalen und islamischen Motiven. Auch die Architektur der Spätmoderne und Postmoderne hat deutlich Einzug gehalten.
    Die berühmten Petronas Towers, deren Formensprache besonders an der Spitze der Türme an die alte malaysische Baukunst erinnern, hat der Architekt Foster auf moderne Art mit viel Glas ausformuliert. Zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung 1996 galten die Petronas Towers als höchstes Gebäude der Welt.
    Außerdem lässt sich eine starke multikulturelle Mischung der Stadtbewohner wahrnehmen. Nur ungefähr die Hälfte der Bürger ist malaiischer Herkunft, daneben leben viele Chinesen, Inder und Araber.

    Die Stadt hat tausend Gesichter, an jeder Straßenecke gibt es etwas zu bestaunen und zu verstehen. Ich musste bei unserem kurzen Besuch leider sehr viel Zeit im Hotelzimmer verbringen weil mir die Hitze doch sehr auf den Kreislauf geschlagen hat.

    // Hindu Tempel
    Auf dem Vorplatz der Batu-Höhlen werden wir von der unübersehbaren, über 40 Meter hohen Statue des Hindu-Gottes Murugan begrüßt. Dann steigen wir die 272 Stufen der Regenbogentreppe nach oben. Die Sonne brennt schon am Morgen heiß vom Himmel und der Aufstieg lässt uns schwitzen. Am oberen Ende angekommen öffnet sich die gewaltige Höhle. Besonders beeindruckend präsentiert sich die 100 m hohe Kathedralenhöhle, in der mehrere Hindu-Schreine errichtet sind. Ein weißer Lichtschein hüllt das Innere am Höhlenende ein, hier ist die Höhle nach oben geöffnet.

    Viele Inder beten in den Tempeln und ich fühle mich wie magisch zu ihnen hingezogen. Ich kenne ihre Riten und Regeln, am liebsten würde ich ebenfalls die Schuhe abstreifen, eintreten und mich zu ihnen gesellen. Aber nein, ich gehöre nicht dazu. Ich ertappe mich dabei trotzdem die Hände zum Gebet zusammenzulegen und ein "Dankeschön" loszuschicken... Kann ja nicht schaden. Der Besuch der Höhlen macht mir deutlich, wie tief meine Zuneigung für die indische Kultur wirklich ist. Ein Zwicken und Ziehen, Verlangen, Vermissen... Fast wie Heimweh.
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  • Day 120

    Nebelwald

    February 28 in Malaysia ⋅ ☁️ 22 °C

    Auch der "Moosy Forest" enttäuscht uns nicht: Wieder fühlt man sich fast wie in einer Filmszene: der Nebel hängt kühl und feucht in der Luft. Alle Geräusche wirken gedämpft. Der Steg führt in Schlangenlinien durch den dichten Dschungel, und tatsächlich sind alle Oberflächen außerhalb des Stegs überwachsen mit dichtem Moos. Dicke Nebel-Schwaden wabern in Fetzen über den Hügelkamm und verschlucken die meisten der Waldgeräusche. Optisch wirkt die Szene fast bedrohlich und düster, aber gleichzeitig bewirkt die Ruhe auch ein Gefühl von Zeit- und Ortlosigkeit.Read more

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