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  • Day 66

    Der Yosemite: Wasserfälle & Felsgiganten

    August 7, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 24 °C

    Beschwingt von der urbanen Vielfalt San Franciscos zieht es uns nun in einen der berühmtesten und meistbesuchten Nationalparks der USA: Den Yosemite National Park. Der Park liegt etwa vier Autostunden östlich von San Francisco. Ursprünglich hatten wir nicht geplant den Park zu besuchen, aber von unterschiedlicher Seite wurde uns nahegelegt, es besser doch zu tun. Dann wollen wir jetzt aber auch das volle Programm: Wandern mit Zelt auf dem Rücken, übernachten, und wieder zurück! Der Plan steht. Mit der Orga haben wir schon zwei Wochen zuvor angefangen, denn ganz in überregulierter US-Manier ist hier einiges zu beachten und vor allem zu beantragen. Unser Anreisetag ist Sonntag. Hier müssen wir bis 18 Uhr am Zeltplatz Camp 4 (rischtje Berliner sollten hier kurz aufmerken) einchecken, den man hoffentlich vorher reserviert hat. Haben wir. Für Montag ist dann die Wanderung über den sogenannten Mist Trail zum Little Yosemite Valley geplant. Das Zelten ist im Little Yosemite Valley nur in einem sehr rudimentär ausgestatteten Campground (kein fließend Wasser, Plumpsklos) erlaubt, für den man ein sogenanntes Wilderness Permit (Genehmigung) benötigt. Dieses ist sieben Tage vor der geplanten Übernachtung über die Website ab morgens um 07:00 Uhr zu beantragen, es gilt das Prinzip ‚first come, first serve‘ (nach fünf Minuten sind die 30 Permits pro Tag vergeben). Mit dem Permit allein ist es allerdings noch nicht getan, dazu später mehr. Fest steht: wir haben das Permit bekommen.

    Am Sonntag passieren wir um kurz vor 18 Uhr das Eingangstor zum Yosemite Nationalpark und sind sofort aus dem Häuschen. So eine traumhafte Landschaft haben wir noch nicht gesehen: Das Yosemite Valley (in welchem sich der Großteil der Trubels abspielt, hier sind auch alle Shops, Hotels und Restaurants zu finden) liegt inmitten von sich abwechselnden immergrünen Wäldern und weitläufigen Wiesen umringt von gigantischen Felsklippen, die wie abgeschnitten hunderte Meter über uns aufragen. Über allem thront majestätisch der Half Dome mit seiner namensgebenden und charakteristischen Form (für die Besteigung des Half Domes hätte ein weiteres Permit beantragt werden müssen, das haben wir uns gespart). Hier und da können wir einen Wasserfall erspähen, der über die Klippen tief in das Tal hinabrauscht. Der Besuch hat sich jetzt schon gelohnt finden wir, umso mehr Lust haben wir auf die eigentliche Wanderung und die kommenden Tage. Etwas abgehetzt kommen wir gerade noch rechtzeitig am Camp 4 an, einchecken läuft problemlos, wir sind ja pünktlich. Das Auto muss - entgegen unseren Erfahrungen der letzten Monate - auf dem Parkplatz stehen bleiben; übernachten darf man wirklich nur im Zelt. Naja, so haben wir direkt die Möglichkeit schon mal unser Equipment für die zweitägige Wanderung zusammen zu stellen und auszuprobieren. Hungrig stellen wir unsere Ausrüstung auf dem Parkplatz zusammen, gehen verschiedene Wetterszenarien durch und wägen ab, was wir für die geplante Wanderung unbedingt benötigen und was vielleicht eher unnötig ist (nach Ricos Auffassung unnötig sind z.B. zwei Unterhosen, nach Johannes Einschätzung ist eine Schlafmaske hingegen unverzichtbar). Die Ausrüstung (Zelt, Schlafsäcke, Isomatten, Kocher,…), Klamotten und die Verpflegung inkl. Wasserflaschen verteilen wir gerecht auf beide Rucksäcke, dann tragen wir alles vom Parkplatz zum Campground - so ca. 250m - packen so gut wie alles wieder aus und bauen unser Nachtlager auf. „Starke Aktion“, wir nicken uns abgekämpft aber bewusst abgeklärt zu. Zum Abendbrot gibt es Risotto. Als die Sonne hinter den 1000m steil aufragenden, blanken Felswänden verschwindet wird es im Tal fast schon schlagartig dunkel. Dem Rhythmus der Natur folgend krauchen wir ins Zelt und betrachten noch den Sternenhimmel ehe wir in Vorfreude auf die anstehende Wanderung einschlafen.

    Montag Morgen, 06:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Die Nacht war angenehm kühl, wir sind ausgeruht und voller Tatendrang. Duschen, Frühstücken, Zelt abbauen Isomatten und Schlafsäcke zusammenrollen, Rucksäcke packen und alles sicher verschnüren: jeder Handgriff sitzt. Bevor es richtig losgeht müssen wir noch schnell noch zum Wilderness Center unser Permit für das Little Yosemite Valley abholen. Das ist ca. 500 m vom Campground entfernt, „ist also quasi um die Ecke“, denken wir. aber das Parkmanagement hat sich ein ausgeklügeltes Einbahnstraßensystem für diesen Teil des Parks überlegt, um den Besuchernassen Herr zu werden. Daher werden aus den eigentlichen 500m für uns 10km. Die Landschaft ist schön, die Straße schlängelt sich entlang eines Flusses durch saftig grüne Wiesen und üppige Baumbestände. So lassen sich die 20 Minuten Umweg gut aushalten. Angekommen in der Nähe des Wilderness Centers ein Parkplatz. Die letzten 300m bewältigen wir zu Fuß. „Schon wieder ne starke Aktion“, stellen wir leicht gequält fest. Punkt 08:00 Uhr öffnet das Center - eine kleine urige Blockhütte etwas abseits vom großen Souvenirshop und der Großraumcafeteria-. Eine Rancherin erkundigt sich nach unserer geplanten Wanderung, unserer Ausrüstung und gibt uns ein paar Ratschläge wie wir uns in der Natur zu verhalten haben. Dann händigt sie uns das schriftliche Permit aus. Damit ist es offiziell: wir dürfen im Yosemite National Park wandern und übernachten! Nichts wie los!

    Mit dem Van gehts wieder auf die Einbahnstraße, wieder etwa 10km durch die saftigen Wiesen und wieder entlang des Flüsschens..man kennts. Dann nach einer Abzweigung erreichen wir schon bald den Beginn des Wanderwegs. Die Parkplatzsuche ist schon das erste Abenteuer. Hier dürfen nur Tagestouristen parken, dort nur Gäste der Lodge. Auf den Hinweis eines Mitarbeiters hin, fahren wir eine kleine Schotterstraße entlang zu einem versteckten Parkplatz. Diesen würden wohl die meisten nicht kennen, weshalb wir dort Glück haben könnten. Tatsächlich finden wir auch einen Parkplatz, aber wenn das hier schon der Geheimtipp ist, können wir uns die Menschenmassen vorstellen, die hier wandern gehen werden. Wir parken den Van, schnappen uns unsere Rücksäcke und laufen los, mittlerweile ist es halb zehn, die Sonne wandert kontinuierlich Richtung Zenit. Neben uns und der Sonne wandern auch - wie erwartet - massenhaft andere Abenteuerlustige in die selbe Richtung. Das der Yosemite kein Geheimtip ist, war uns ja klar, daher bleiben wir gelassen.

    Schnell wird der Weg steiler. Der Untergrund ist asphaltiert. In der Sonne liegt zusammen gerollt eine Schlange und bewegt sich kein Stück. Als Teil der großen Masse machen wir Höhenmeter um Höhenmeter immer weiter hinauf auf die schroffen Felsgiganten. Dann die erste Brücke. Sie geht über den Merced River, der sich hier tosend seinen Weg ins Tal bahnt. Für die meisten der Moment für ausgiebige Fotosessions, wir wissen, dass noch einiges vor uns liegt und ziehen weiter. Hier ist unser eigentlicher Wanderweg, der Mist Trail wegen Wartungsarbeiten gesperrt. Wir müssen den deutlich längeren und beschwerlicheren, aber vermutlich nicht weniger atemberaubenden „John Muir Trail“ bis zur nächsten Gabelung laufen. Ein Umweg von etwa sieben Kilometern. So werden aus den ursprünglich angesetzten acht Kilometern Wanderung letztendlich 15 Kilometer. Der Weg ist nun nicht mehr asphaltiert sondern steinig. Der Wald ist dicht. Den wärmenden Einfluss der Sonne kann man trotzdem nicht leugnen. Es sind weniger Menschen auf diesem Streckenabschnitt unterwegs - wahrscheinlich sind die ersten schon bei der Brücke umgekehrt -. In zahllosen Serpentinen geht es aufwärts. Wir überholen immer wieder kleinere Wandergruppen. Zwischen den Bäumen ist immer wieder mal das Tal mit seinen massiven, glatt geschliffenen Felswänden aus Granit zu sehen. Wir sind auf etwa 1350 m Höhe, die Luft wird dünner, der Wald lichtet sich und gibt uns zunehmend der Sonne preis. Die erste Pause am Wegesrand. Wasser trinken, Müsliriegel essen und vor allem die Rucksäcke mal kurz ablegen. Jetzt sind wir die Überholten.

    Gestärkt geht es weiter. Serpentine um Serpentine. Der Weg ist von losem Geröll gesäumt, wir laufen mit Bedacht, um Verletzungen möglichst zu vermeiden. Wir hören es Rauschen. Vor uns tut sich ein riesiger Wasserfall auf: Die Vernal Falls. Sie stürzen 97m in die Tiefe. Von Euphorie gepackt meistern wir den Anstieg und finden uns dann auf 1500m an der Fallkante. Bevor das Wasser hinabstürzt sammelt es sich in einen glasklaren Gebirgssee. Satt grüne Bäume säumen das Ufer und freche Eichhörnchen rennen aufgeweckt hin und her. Es ist malerisch. Auf einem großen Stein im Schatten machen wir Mittagspause und füllen unsere Wasservorräte mit Hilfe unseres Wasserfilters wieder auf (beste Investition ever: Mineralwasser in seiner reinsten Form!).

    Die Pause war notwendig, aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Also gehts weiter. Nun haben wir den Weg (von hier an wieder der Mist-Trail) nahezu für uns allein. Viele Passagen des Weges sind nun noch schmaler und noch steiler. Eine Dreiergruppe kommt uns entgegen, “in about 1.5 hours in your direction we saw a bear”, warnen sie uns und stapfen beschwingt weiter talwärts. Wir sind kurz etwas in unserem Enthusiasmus ausgebremst, sagen uns dann aber dass schon nichts passieren wird, da Schwarzbären in der Regel keinerlei Interesse an Menschen haben und lieber rechtzeitig das Weite suchen. Kontinuierlich geht es bergauf. Unsere Rucksäcke sind schwer. Sie ziehen an uns als wollten sie zurück ins Tal. Wir wollen aber ins Little Yosemite Valley, und das ist nun mal weiter oben. Nach einer Weile stehen wir vor einem wahren Giganten: die Nevada Falls rauschen aus 181 Metern Höhe vor uns in den Merced River. Wir stehen in der Gischt, die wie schwere Wolken im Tal hängt. Es ist angenehm kühl und die Pflanzen und Moose sind hier besonders sattgrün. Kurz halten wir inne, der Blick geht nach oben zur Fallkante. Da wollen wir hin. Dort oben irgendwo muss sich die Hochebene aufspannen auf der wir heute Abend unser Zelt aufschlagen wollen. 181 Höhenmeter. Der Weg besteht fast nur noch aus Steinquadern die zu schmalen Treppen angeordnet sind. Geländer gibt es keine. Die Höhe und der Blick zurück sind schwindelerregend. Die Sonne scheint erbarmungslos. Bei Gegenverkehr weicht man sich gegenseitig aus ohne aus dem Gleichgewicht zu kommen. Es ist wirklich grenzwertig aufregend und vor allem anstrengend. Mehrfach suchen wir kurze Abkühlung im Schatten eines spärlich gewachsenen Baums. Angekommen auf 1800 Metern sind wir ziemlich fertig. Aber wieder erstreckt sich vor der Fallkante ein kristallklarer Gebirgssee, der seicht vor sich hinplätschert bevor er sich in den Wasserfall verwandelt. Wir erfrischen uns, filtern Wasser und liegen an der Böschung. Einige sonnenhungrige scheinen hier schon den ganzen Tag Sonne zu tanken. Von hier oben können wir einen Großteil des Yosemite National Parks überblicken. An mehreren Stellen stürzen sich Wasserfälle über die Gebirgshänge ins Tal. Wir sind überwältigt und vergessen für einen Moment unsere Erschöpfung. Es gibt wieder Müsliriegel und ein paar gesalzene Nüsse bevor wir die letzte Etappe zum Zeltplatz antreten.

    Die Oberschenkel und Waden brennen als wir uns in Bewegung setzen. Vielleicht war das doch alles ne Nummer zu groß für uns. Zum Glück liegt das Little Yosemite Valley auf etwa 1900 Metern Höhe und der Weg dorthin ist deutlich weniger steil. Die seicht ansteigenden letzten 100 Höhenmeter meistern wir - etwas klapprig - und kommen dann endlich im Campground an. Der bietet, wie schon erwähnt, nur Mindeststandard aber wir sind nach 5,5 Stunden, über 700 Höhenmetern und 20.000 Schritten einfach nur froh endlich die Rucksäcke abwerfen zu können.

    Nach kurzer Verschnaufpause und einem weitere Müsliriegel entdecken wir dann nicht weit entfernt vom Zeltplatz - vielleicht 5 Minuten zu Fuß - unser persönliches Paradies! Der Merced River schlängelt sich hier verhältnismäßig unaufgeregt durch den Wald und an seinem Ufer erstreckt sich ein kleiner Sandstrand. Wir können unser Glück kaum fassen, schwingen uns in die Badehosen, schnappen unsere Handtücher und machen es uns am Ufer gemütlich. Im klaren Gebirgswasser kühlen wir unsere strapazierten Körper ab. Die Kulisse ist einmalig schön. Wir genießen die nächsten 2 Stunden in vollen Zügen, wir fühlen uns geehrt Teil dieser nahezu unberührten Natur sein zu dürfen. Es ist schon fast etwas luxuriös.

    Nach dem Abendessen (Nudeln) verkriechen wir uns pünktlich mit einsetzen der Dämmerung in unser Zelt und gucken noch einen Film - Disneys Aladin - den wir uns in weiser Voraussicht vorher runtergeladen haben. Morgen steht der Abstieg an. Erschöpft aber zufrieden schlafen wir schließlich ein.

    Zum Frühstück gibts für jeden zwei kleine Packungen Porridge, die wir im Hostel in San Diego mitgingen ließen. War lecker. Zelt zusammenbauen, Rucksäcke packen und los. 08:30 Uhr beginnen wir den Abstieg. Der Abstieg zurück ins Tal dauert etwa 2.5 Stunden. Heute machen uns weniger die pralle Sonne und das Gepäck zu schaffen als vielmehr die geschundenen Füße. Über Nacht haben sich einige unvorteilhafte Blasen gebildet. Aber hilft ja nix. Wir lassen uns nichts anmerken und laufen betont beschwingt an den uns entgegenkommenden Wanderern vorbei. Beim Abstieg sind wir immer wieder erstaunt über uns selber dass wir am Vortag das alles hier bergauf gelaufen sind. Als wir am Van ankommen machen wir drei Kreuze. Zufrieden schmeißen wir unser Equipment ins Auto und atmen erstmal tief durch.

    Wir sind uns beide einig dass diese Wanderung die schönste aber auch abenteuerlichste und anstrengendste war, die wir jemals gemacht haben. Der Yosemite National Park ist zu Recht einer der meistbesuchten Parks Amerikas, wir werden die Schönheit dieser Landschaft wohl niemals vergessen.

    Jetzt fahren wir noch ein paar Stündchen gen Osten, denn morgen wartet schon Katy Perry in Las Vegas auf uns! (R)
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  • Day 63

    San Francisco: Hippies und Elite-Uni ☮️

    August 4, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 17 °C

    Am Mittwoch fahren wir nach dem Frühstück aus San Diego los Richtung San Francisco. Die Fahrt zurück nimmt zwei Tage in Anspruch. Den ersten Tag wollen wir acht Stunden bis hoch zum Pinnacles Nationalpark fahren, weil wir dort einen günstigen Zeltplatz gefunden haben. Von dem Pinnacles Nationalpark sind es dann nur noch knapp zwei Stunden Fahrt bis San Francisco, bzw. Palo Alto, der Stadt in welcher wir unsere Freundin Marie besuchen wollen.

    Am ersten Tag nehmen wir also den Großteil der Strecke mit und fahren unter anderem auch durch Los Angeles, diesmal aber die Stadt. Das wollten wir uns nun doch nicht nehmen lassen, hier wenigstens auch einmal durchzufahren und den Duft Hollywoods zu schnuppern. Uns hat L.A. aber nicht wirklich von den Socken gehauen. Es war schon sehr cool, den Sunset-Boulevard hinunter zu fahren, wo links und rechts der berühmte „Walk Of Fame“ mit den vielen im Boden eingelassenen Sternen die Straße säumt. Auch Beverly Hills ist mit seinen ganzen Villen und prächtigen Anwesen schön anzusehen und das berühmte Hollywood Schild thront erwartungsgemäß majestätisch über dem ganzen Spektakel. Alles in allem war L.A. jedoch vergleichsweise unspektakulär und vor allem die großen und berühmten Straßen und Orte, wie etwa das Dolby Theatre in welchem die Oscar-Verleihung stattfindet, sehen im Fernsehen doch viel größer aus, als sie tatsächlich sind.

    Von Los Angeles fahren wir dann durch trostlose und ganz unglamoröse Einöde bis zum Pinnacles Nationalpark. Auch dieser ist nicht spektakulär, aber der Zeltplatz ist schön und hat sogar Duschen!

    Am nächsten Morgen lassen wir es entspannt angehen. Um 14 Uhr fahren wir dann bei Marie vor. Marie wohnt zusammen mit vier Mitbewohner:innen in einem wirklich schönen Einfamilienhaus im Midcentury-Baustil. Total lichtdurchflutet und geräumig, wir fühlen uns direkt sehr wohl. Hier im Palo Alto und grundsätzlich im ganzen Großraum San Franciscos wird in der Regel nicht höher als 1-2 Stockwerke gebaut. Das trägt auch zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Marie arbeitet gerade am Institut für Wirtschaftliche Forschung der Stanford University und muss daher an diesem Donnerstag noch arbeiten. Rico und ich laden also unsere Sachen ab und machen einen Spaziergang durch das schöne Palo Alto. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Grüne, vielleicht etwas spießige Vortortidylle lässt uns zur Ruhe kommen. Hier ist es überhaupt nicht aufgeregt. Wir holen uns einen Kaffee und schlendern durch den nahegelegenen Park. Dort legen wir uns auf die Wiese und dösen ein bisschen vor uns hin. Auf dem Rückweg gehen wir bei Bargain Outlet ein paar Sachen einkaufen und können unseren Augen kaum glauben, wie günstig die Lebensmittel hier sind!! Fast so günstig wie in Deutschland und um einiges günstiger als in den übrigen Geschäften! Das ist ein wahrer Glücksgriff, hier werden wir künftig immer einkaufen gehen, vorausgesetzt es gibt noch mehr Geschäfte dieser Kette in den Vereinigten Staaten.

    Nachdem wir unseren Einkauf bei Marie verstaut haben, fahren wir zu dritt in das „Stadtzentrum“ Palo Altos. Palo Alto gehört zu den teuersten Wohnregionen in den gesamten USA und das spürt man auch. Alles ist sauber, ordentlich und sicher. Von der Obdachlosigkeit die in so vielen anderen Städten ein großes Problem darstellt, bekommt man hier nichts mit. Dass die Menschen hier nicht nachvollziehen können, warum die soziale Spaltung in der amerikanischen Bevölkerung immer mehr zunimmt, leuchtet uns hier ein. Es gibt hier ja schlicht keine Probleme. Zumindest als weiße:r Amerikaner:in.

    Für einen Donnerstagabend ist es in Palo Alto ziemlich voll und bei dem Pizzarestaurant das wir ursprünglich ins Auge gefasst haben, kriegen wir leider keinen Tisch. Also gehen wir auf Maries Empfehlung zu einem anderen Restaurant, doch auch hier haben wir Pech: alles voll, wir können uns aber auf eine Liste schreiben lassen, in 30-45 Minuten wäre der nächste Tisch frei. Hungrig hinterlegen wir also unsere Namen mit einer Telefonnummer und überbrücken die Wartezeit mit einem Spaziergang durch die schönen Einkaufsstraßen Palo Altos. Nach der angesagten Zeit werden wir wieder bei dem Restaurant vorsprechig, es dauert aber noch zehn Minuten. Gut, also nochmal warten. Als wir nach zehn Minuten dann immernoch keine Nachricht bekommen haben, gehen wir nochmal zurück um nachzufragen. „Oh, ihr seid ja gar nicht aufgetaucht, also haben wir euren Tisch vergeben.“ Der Hunger ist inzwischen so groß, dass uns fast die Tränen in die Augen schießen. Nachdem wir erklärt haben, dass wir keine SMS bekommen und ja die ganze Zeit vor der Tür rumgelungert haben, hat man Mitleid mit uns. Der nächste freie Tisch wird also unserer und wir können endlich essen. Es gibt Cajun Pommes, Mac&Cheese und Jalapeño-Maisbrot mit Akazienhonig. Alles in allem hat sich das warten gelohnt! Schlafen dürfen wir die drei Nächte bei Marie im Zimmer. Sie schläft in der Zeit bei ihrer Freundin Sophia, die aber in einem anderen Haus wohnt. Somit sind Rico und ich mit den übrigen vier Mitbewohner:innen allein in dem Haus. Drei von ihnen lernen wir auch kennen, sehr nette Gesellen, aber eben Zweck-WG-Vibes.

    Am nächsten Morgen machen Rico und ich uns nach dem Frühstück auf nach San Francisco (Marie muss arbeiten). Aus Palo Alto fährt ein Zug nach San Francisco. Eine Fahrt: 8$. Cool, denken wir uns, denn von Marie haben wir am Abend vorher erfahren, dass in San Francisco die meisten Autos in den gesamten USA geknackt und gestohlen werden. Da wir darauf nach der Fahrerflucht jetzt nicht unbedingt auch noch Lust haben, wollen wir also entspannt mit dem Zug fahren. Die nächste Station ist leider 30 Minuten zu Fuß entfernt, es hilft ja nichts, also los! Wir laufen und laufen, die Sonne knallt erbarmungslos auf uns runter, zum Glück haben wir uns warm angezogen - in San Francisco ist es schließlich immer deutlich kühler als in den Außenbezirken. Laut Navi kommen wir immer später am Bahnhof an, bis sich die finale Ankunftszeit schließlich mit der planmäßigen Abfahrtszeit des Zugs deckt. Die letzten Meter rennen wir also und kommen recht verschwitzt am Gleis an: der Zug hat 20 Minuten Verspätung. Na klar. Nach 20 Minuten steigen wir dann endlich in den immerhin klimatisierten Zug. Nun dauert es eine knappe Stunde bis wir in San Francisco sind. Für San Francisco haben wir uns einen Sightseeing-Bus gebucht. Das ist immer gut, um einen raschen Überblick und ein Gefühl für eine Stadt zu bekommen. Vom Hauptbahnhof in San Francisco sind es ja auch nur …. 30 Minuten zu Fuß… also wieder los. Letztendlich hat es insgesamt also 2,5 Stunden von Tür zu (Bus-)Tür gedauert aber jetzt sind wir endlich in Downtown San Francisco! An der Station für den Sightseeing-Bus warten wir kaum 10 Minuten, schon können wir einsteigen und bekommen während der Fahrt viele spannende Infos über die Stadt. In dem Stadtteil Hight-Ashbury steigen wir aus: hier wird der Hippie-Lifestyle für den San Francisco so bekannt ist, noch authentisch gelebt. Die Häuser sind bunt, die Menschen sind bunt und an jeder Ecke wird Musik gemacht. Die Läden bieten schrille Psychodelia oder Vintage-Mode an und auch die Musik spielt eine große Rolle: es gibt viele kleinere und größere Record-Stores und sogar das ehemalige Haus von Jimi Hendrix befindet sich in der Straße. Wir bummeln durch die Gegend und ich (Johannes) kaufe mir in einem Vintage-Geschäft eine cool geschnittene Bomberjacke, Rico wird hingegen bei Amoeba-Music (einem riesigen Musikgeschäft) fündig. Insgesamt vier CDs wurden hier erstanden, „ich bin aber nur bis „E“ gekommen!“.

    Nach langer Zeit des Bunmelns stellen wir uns wieder an die Haltestelle für den Sightseeing Bus, aber… es kommt keiner. Nach einer halben Stunde warten stehen neben uns inzwischen mindesten 30 weitere Personen an der Haltestelle und warten auf den Bus. Wir haben aber Glück, der Bus hält genau vor uns, sodass wir als erste einsteigen können und nach zwei Stationen auch oben nebeneinander sitzend die weitere Fahrt genießen können. Wir fahren noch einmal über die Golden Gate Bridge (das kennen wir ja schon) und durch das schöne San Francisco mit all seinen Highlights. Nur die berühmte geschwungene Lombard-Street verpassen wir leider, weil diese zu steil und eng für den großen Bus ist. In Downtown wollen wir uns bei „Tony‘s“ eine Pizza zum Abendbrot abholen, weil hier (laut Frank Rosin) wohl die beste Pizza der Welt serviert werden soll. Dort angekommen ist unser Hunger aber zu groß um uns an der lange Schlange anzustellen, wir finden in Little Italy das wunderschöne Restaurant „The Stinking Rose“ und bekommen hier eine vorzügliche Calzone und hervorragende Gnocchi serviert. Gestärkt und zufrieden geht es für uns nun zurück zum Bahnhof. Wir beschließen, den Bus zu nehmen. Da wir hier noch nicht mit dem Bus gefahren sind, fragen wir drei Mitarbeiter des Restaurants, wo man Bustickets kaufen könne. „Just don’t pay. That‘s what I always do. Nobody is checking for tickets anyways. Take the risk guys!” wird uns mit hämischem Lächeln in italienischem Akzent geantwortet. Naja, da wir uns ohnehin ein bisschen sputen müssen, um unsere Bahn zurück nach Palo Alto zu erwischen, steigen wir in den nächsten Bus ein, ohne Ticket. Tatsächlich werden wir nicht kontrolliert, das war jetzt aber auch wirklich nur eine Notlösung! Wir kaufen sonst immer Fahrkarten. So auch für den Zug nach Palo Alto. Mit den Fahrkarten setzen wir uns rechtzeitig fünf Minuten vor Abfahrt in den Zug. Es vergehen fünf Minuten, zehn Minuten, zwanzig Minuten. Nichts passiert. Dann eine Ansage des Zugführers: Die Abfahrt verzögert sich um unbestimmte Zeit, scheinbar steht ein anderer Zug mitten auf den Gleisen und versperrt die Durchfahrt. Wir können also nichts anders machen als: Warten. Mal wieder. Inzwischen sind wir ja geübt darin. Der Zug sollte um 19:10 Uhr abfahren. Inzwischen ist es 20:30 Uhr und wir stehen immer noch im Bahnhof. Unser temporäres Nummernschild haben wir inzwischen in zwei geteilt und spielen auf der Rückseite Stadt-Land-Gewässer (wer kennt überhaupt so viele Flüsse?). Dann hören wir wieder die Stimme des Zugführers, diesmal ganz euphorisch: „Folks, I have amazing news for you! There is a bus waiting in front of the station that will bring you to the next train station. From there you can take the train to your regular destination”. Aha, naja also die Einrichtung eines SEV bei Störungen im Betriebsablauf sind wir in Deutschland ja eher als Mindeststandard gewöhnt und nicht als eine Leistung die eine solche Euphorie hervorrufen würde. Wir laufen also nach vorne zum Bahnsteig mit hunderten anderen Passagieren. Aber da steht kein Bus. Auf den müssen wir (natürlich) noch zwanzig Minuten warten. Und als wir dann endlich an der nächsten Station ankommen - inzwischen ist es 21:30 Uhr - steht dort auch kein Zug der uns mitnehmen könnte. Auf der anderen Seite steht zwar ein Zug der eigentlich Richtung San Francisco fahren sollte, aber auch nicht weiter kommt. Auf Rückfrage erfahren wir, dass hier niemand vom Personal weiss, was jetzt passieren soll. Also wieder warten. Schließlich einigt man sich darauf, dass der Zug vom gegenüber liegenden Gleis uns mit zurück in die für uns richtige Richtung nimmt. Dafür gibt es aber keinen normalen Übergang von einem Gleis zum anderen, nein, wir müssen wieder in den Bus einsteigen und geschlagene 10 Minuten um den Pudding fahren, um ans andere Gleis zu gelangen. Da soll mir nochmal jemand sagen, Deutschland sei unorganisiert. Am anderen Gleis angekommen steigen aus dem Bus aus, der aber natürlich nicht alle Passagiere auf einmal mit rüber bekommen hat und in den Zug ein. Und obwohl nicht alle Passagiere mitgekommen sind fährt der Zug direkt los. Während noch etwa die Hälfte der Passagiere am anderen Gleis stehen. Zum Glück haben wir es in die erste Fahrt geschafft, sonst müssten wir da noch länger warten.

    Schließlich kommen wir um 22:30 Uhr in Palo Alto an. Marie holt uns ab vom Bahnhof und der erhoffte gemeinsame Abend fällt dann leider nur sehr kurz aus, da wir alle erschöpft ins Bett fallen.

    Dafür verbringen wir den nächsten Tag komplett zusammen. Am Vormittag holen wir uns einen sehr lecker belegten Bagel und erkunden das Gelände der Stanford-University. Ein wirklich schöner Campus. Sehr grün, viele Brunnen und wenig Verkehr. Das man hier zwischen der Vorlesungen gut abschalten kann, merken wir sofort. Auch die Architektur ist interessant. Mediterraner Klassizismus, in Sandsteinfarben gehaltene glatte Fassaden und rote Dächer.

    Nachdem wir in dem Stanford-University-Shop gestöbert haben (hier gibt es sogar eine eigene Kollaboration mit Nike) und Marie uns ihr Büro gezeigt hat, geht es weiter nach San Francisco. Diesmal klappt die Anreise reibungslos, da wir mit einem Uber fahren, das nur marginal teurer ist als drei Zugtickets.

    Marie zeigt uns heute ihren liebsten Teil San Franciscos: das Mission-District. Der Stadtteil ist vergleichbar mit Berlin-Neukölln. Hier gibts es viele Künstler:innen, die entweder auf der Straße ihre musischen Fähigkeiten zur Schau stellen oder in den verschiedenen kleinen Geschäften ihr Handwerk anbieten. Wir holen uns Bubble-Tea und laufen durch eine schöne mit Graffitis besprühte Gasse, wo verschiedene politische Statements künstlerisch in Szene gesetzt werden. Im Sonnenschein lassen wir uns einfach treiben, halten hier und da mal an, bummeln und holen uns leckeres Gebäck. In einem Bronze-Geschäft wird Marie von einer von der Decke fallenden Biene gestochen. Hier passiert nichts so, wie man es erwartet. San Francisco ist wirklich eine sehr coole Stadt, voller Leben. Auch hier ist jedoch die soziale Spaltung Amerikas nicht von der Hand zu weisen, insbesondere die Schere zwischen arm und reich. Viele Obdachlose und gescheiterte Personen sind Teil des Straßenbildes. Es ist nicht gefährlich, aber dennoch ist die Armut auch hier deutlich erkennbar. San Francisco ist seit dem Technik-Boom und der Ansiedlung der großen Firmen wie Apple und Facebook extrem gentrifiziert. So mussten die Menschen, die hier schon ihr ganzes Leben wohnen ihre Wohnungen verlassen, weil diese inzwischen nicht mehr bezahlbar sind.

    Den Nachmittag verbringen wir in einem großen und schönen Park und treffen hier auch noch Freunde von Marie, mit denen wir ein paar Runden UNO spielen. Danach gehen wir (wieder zu dritt) auf Maries Empfehlung zu einem Chinesen und essen dort wirklich hervorragendes chinesisches Essen. Gesättigt machen wir anschließend auf meinen Wunsch hin einen kleinen Spaziergang zu einem Donut Geschäft, für einen Nachtisch. Letztendlich dehnt sich dieser Spaziergang zu einer kleinen Wanderung aus, da das erste Geschäft keine Donuts mehr vorrätig hat, weshalb wir noch ein paar Kilometer die steilen Hänge von San Francisco bergan zu einem anderen Geschäft laufen müssen. Die Stimmung kippt beinahe und Teile unserer Reisegruppe sind kurz davor die ganze Aktion abzubrechen, dann gibt es aber doch wirklich leckere und bezahlbare Donuts. Von hier gehts es für uns dann wieder zurück nach Palo Alto.

    Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschieden wir uns am nächsten Morgen von Marie und machen uns auf den Weg zu dem berühmten Yosemite Nationalpark, wo wir endlich wieder wandern wollen…
    (J)
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  • Day 59

    San Diego: Punkrock unter Palmen 🤘🏼🌴

    July 31, 2023 in the United States ⋅ ☁️ 23 °C

    Südkalifornien, kurz vor der mexikanischen Grenze: San Diego.

    Die Empfehlung kam von Leuten sowohl aus Anchorage als auch aus Portland. Die Stadt soll einen besonderen Vibe haben und die Strände am Pazifik sollen zum Baden einladen. Genau das was wir suchen.

    Gegen Nachmittag kommen wir in Ocean Beach an. Ocean Beach ist ein Stadtteil San Diegos der direkt an der Küste liegt. Die Häuser sind flach, höchsten zwei Geschosse. Die Sonne scheint. Die Leute schlendern durch die Straßen…in Badehosen und Bikinis. In Badehosen und Bikinis! Schlendernd! Darauf haben wir uns schon so lange gefreut. Hier sind wir genau richtig! Wir checken im Hostel SameSun ein. Ein ehemaliges kleines Strandhotel von 1900, das heutzutage ein Anlaufpunkt für Hippies, Surfer und Weltenbummler ist. Die Fassade ist farbenfroh bemalt mit Blumen, Regenbögen und Fischen und auf dem Dach steht ein riesiges Peace-Zeichen. Wir sind im Hippi-Paradies angekommen.

    Jetzt aber erstmal die Badehose an und ab an den Strand, die letzten zwei Sonnenstunden genießen. Fünf Minuten und wir sind da. Auf der Promenade bieten Händler allerlei handgefertigte Waren an, einer dreht sich einen Joint, im Wasser 40 Surfer die sich an den 1,5m hohen Wellen versuchen. Eine Gruppe stößt euphorisch mit Drinks - ganz klassisch in roten Plastikbechern - an, andere liegen platt da und sind schon derart braun dass man meinen könnte sie machen seit 3 Monaten nichts anderes. Wir lieben es. Von den Wellen lassen wir uns immer wieder an Land spülen. Wir machen wilde Hebefiguren oder tauchen unter den brechenden Wassermassen durch. Der Ekel vor dem Seegras und den meterlangen Algen kommt nur bei besonders prächtigen Exemplaren kurz durch, „es sind ja auch wirklich einfach nur Pflanzen“, sagen wir uns.

    Nach dem Abendbrot wollen wir auf der Hostelterrasse mit Blick auf die kleine Straße den Abend ruhig ausklingen lassen, doch es kommt anders. Tara aus den Staaten, Sam aus Neuseeland und Daniel aus Deutschland verwickeln uns in ein Gespräch, der Supermarkt auf der anderen Straßenseite versorgt uns mit IPA und Weißwein aus der Dose. Es wird ein feuchtfröhlicher Abend mit tollen Gesprächen und wundervollen Menschen. Wenn das der Vibe San Diego‘s ist, dann kanns gern so weitergehen.

    Samstag ist Strandtag. Nach dem Frühstück gehts mit Daniel und Tara nach La Jolla (spanisch ausgesprochen als La Choja), ein Stadtteil San Diegos, etwa 30min entfernt von Ocean Beach. Buchten mit weiße Sandstränden prägen diesen Bezirk. Auf den Felsen der Steilküste sitzen Seelöwen und Robben und über die Badenden fliegen die Pelikane. Wir breiten unsere Handtücher aus und stürzen uns erstmal in den Ozean. Es ist wieder seegrasig, aber das sind wir ja schon gewöhnt. Danach gibts ein paar Sandwiches, die wir vorher im Supermarkt gekauft haben, wir quatschen, lachen, schießen Fotos und haben eine gute Zeit.

    Zu 18 Uhr ist ein Skate-Contest in Ocean Beach angekündigt, keine 3 Minuten vom Hostel entfernt. Also Strandsachen zusammenpacken, ab zum Van und zurück in unseren Kiez. Wir zwei ziehen uns noch schnell ne riesige Käsepizza am Strand rein (diesmal landet nichts von der Pizza auf irgendwelchen T-Shirts!), die anderen Beiden gehen direkt zum Event. Das Skate Event ist auf der Rückseite eines Skate Shops. In Amerika liegen die Rückseiten von Gebäuden häufig in engen, schmucklosen Gassen, in denen unter anderem auch die Mülltonnen stehen oder die Mitarbeiter zum rauchen die Laderampe nutzen. Man kennt diese Gassen auch aus Filmen: Hier enden Verfolgungsjagden entweder indem der Verfolgte über eine Seitentür verschwindet um sich in Sicherheit zu bringt oder der Verfolgte steht plötzlich vor einem Zaun, der ihm den Weg versperrt, weshalb er dann vom Verfolger gemeuchelt wird. In so einer Seitenstraße ist also besagter Contest. Und der ist in vollem Gange. Rocker, Punker, Hippies und Skater zwischen 5 und 70 Jahren, bestimmt 100 Leute. Die Skater nehmen ordentlich Anlauf, fahren über einen Kicker, springen über einen Zaun und grinden schließlich über die Kante eines Müllcontainers. Die biertrinkende Menge quittiert die Tricks entweder mit Applaus oder auch mit einem mitfühlenden „ouuuhh“. Gleichzeitig spielt eine Band. Psychodelic Rock. Geht schön sphärisch nach vorn. Das Bier ist auf Spendenbasis, die Burger sind ‚for free‘ (haben wir zu spät mitbekommen, wir hatten ja nun schon ne Pizza). Nach Sonnenuntergang ist der Contest zu Ende, aber die Livemusik geht weiter. Diesmal eine Punkband. Die Menge tobt. Es wird gepogt. Wir holen uns im Supermarkt noch mehr Bier. Es fetzt einfach. Mit einem betrunkenen Amerikaner reden wir über „Schnurrbärte“, er will alles über Bärte wissen und wie sie im Deutschen genannt werden. Der ganze Abend fühlt sich an als wären wir in Kreuzberg, nur unter Palmen. Selig und beschwipst schlendern wir irgendwann richtig Hostel und fallen ins Bett. „California dreaming“, heute Abend haben wir es gefühlt.

    Am nächsten Morgen sitzen wir auf der Hostelterrasse und telefonieren erstmal ausgiebig bei etlichen Kaffee’s nach Deutschland. Dann drehen wir eine Runde durch Ocean Beach auf der Suche nach der ein oder anderen coolen Klamotte, letztlich ohne Erfolg. Aber allein durch die Straßen San Diegos zu schlendern fühlt sich gut an. Reggae hier, Rockmucke da. In der Bar trinken sie schon Bier und spielen Billard, im Café wird ein Fair Trade Cappuccino mit Hafermilch bestellt. Man fährt Longboard, Rollschuh oder Fahrrad, Hauptsache lässig. Alles sehr vertraut. Hier ist es auf eine angenehme Art amerikanisch ohne zu amerikanisch zu sein.

    Genug gelaufen. Ab zum Strand, diesmal mit Boogi Boards (kleine Surfboards) vom Hostel. Wir haben richtig Spaß. Auch das Seegras ändert daran nichts (hats ja noch nie). Danach in der Sonne brutzeln bei einem Kreuzworträtsel bzw. wahlweise einem kleinen Schläfchen. Dann kommt von Daniel ein Anruf: ob wir ein Thermometer haben, er hat nen Sonnenstich. Haben wir. Ist im Van. Der steht in der Nachbarschaft, drei Blöcke vom Hostel entfernt, da ist das Parken kostenlos. Wir gehen also zum Auto. „Das hat doch ne Beule!”. Und Kratzer. Je näher wir kommen desto deutlicher werden die Spuren hinten links am Heck. Das gibts doch nicht: Uns hat ein anderes Auto gestreift. Es ist ein Lackschaden, nicht gravierend aber doch wertmindernd. Und eine Autoversicherung haben wir ja, und die ist nicht gerade billig. Also rufen wir das SDPD (San Diego Police Department) an um den Schaden anzuzeigen. 50 Minuten Warteschleifen in der Non-Emergency Hotline. Und immer wieder die gleichen Bandansagen. Gehirnwäsche. Dann endlich die Erlösung: eine Mitarbeiterin nimmt ab. Wir schildern den Sachverhalt. Sie verweist uns auf ein Onlineformular, das sollen wir ausfüllen und dann wird es von einem Beamten bearbeitet und gilt dann als Schadensnachweis für die Versicherung. 30 Sekunden hat das insgesamt gedauert. Wow. Heute machen wir nichts mehr, morgen ist ein neuer Tag.

    In unserem 8ter Gemeinschaftssaal steht die Luft. Locker 28 Grad. Alles klebt. Zusätzlich wird geschnarcht, was das Zeug hält. Johannes hat fast kein Auge zugemacht. Wir sprechen mit Eric von der Rezeption und schildern ihm die Situation. Mit Eric haben wir in den letzten Tagen immer wieder mal geschnackt. Er ist entspannt. Ohne zu zögern bietet er uns ein anderes 8ter Zimmer an, dass - so versichert er uns - deutlich besser klimatisiert ist und gleichzeitig die kommenden Tage nicht voll ausgebucht ist. Wir ziehen sofort um. Danke Eric!

    Beim Frühstück kümmern wir uns um den Schaden beim Auto. Der Polizeibericht ist schnell ausgefüllt, der Anruf bei der Versicherung ist hingegen etwas ernüchternd, da ein Schaden durch Fahrerflucht nicht versichert ist. Bedeutet, wir müssen selber für den Schaden aufkommen. Wir sind sauer! Das ist einfach nicht gerecht, wir haben ja nichts falsch gemacht oder den Schaden aktiv verursacht. Jetzt wollen wir es aber auch genau wissen und fahren zum Nächsten Body Shop (diese Werkstätten sind auf Karosseriearbeiten spezialisiert) um den Schaden schätzen zu lassen. Nach einer kurzen Inspektion und ein paar erklärenden Worten sagt der Mechaniker: “Well, you should plan with around 3000 Dollar”. Das Launelevel sackt nochmals ab. Wir entscheiden die Entscheidung erstmal zu vertagen. Später kommen wir zu dem Entschluss die Ausbesserungsarbeiten - wenn überhaupt - am Ende unserer Reise durchführen zu lassen. Letztlich ist unser Van noch immer in erstklassigem Zustand im Vergleich zur Mehrzahl der Rostlauben, die hier sonst durch die Straßen cruisen.

    Nach einer kurzen Kochsession mit Daniel in der Hostelküche überwinden wir das Mittagstief direkt, schwingen uns zu viert in die Karre von Tara und fahren in den Nachbarbezirk Pacific Beach, denn da gibts einen kleinen Freizeitpark mit einer Hand voll Fahrgeschäften..allesamt etwas in die Jahre gekommen. Es klappert und quietscht, die Leute schreien. Ob vor Freude oder aus purer Angst bleibt unklar. Wir sind wegen der Achterbahn hier. Die ist komplett aus Holz gebaut und den Blick über den Pazifik und San Diego wollen wir uns nicht entgehen lassen. Acht Dollar pro Person kostet der Spaß. Machen wir also. Beim Anstehen beobachten wir die Leute die aus der Achterbahn aussteigen. Irgendwie traumatisiert. Aber trotzdem nicht unglücklich. Also los. Den Sicherheitsbügel schön eng anpressen und dann gehts schon klackernd nach oben. Neben dem Klackern noch das Ächzen der alten Holzbalken. Wir sitzen ganz hinten, “da ist man am schnellsten”. Der Zug passiert mit dem ersten Wagon den oberen Kipppunkt. Die ersten Schreie sind zu vernehmen. Wir genießen die Aussicht. Wirklich ein nettes Städtchen. Der Zug nimmt fahrt auf, es geht bergab. Alle schreien. Wie am Spieß. Der erste Dipp, die Wirbelsäule wird schmerzhaft zusammen gestaucht. In der Linkskurve, die sich eher wie eine Linksecke anfühlt, wird der Kopf nach links geschleudert. Dann bergauf, ein kurzer Moment der Schwerelosigkeit, gefolgt vom nächsten Dipp. Diesmal fühlt es sich nach Hirnblutung an. In mittelschwerer Benommenheit bringen wir die nächsten Kurven und Dipps hinter uns und steigen schließlich aus. Traumatisiert. Aber nicht unglücklich.

    Zurück in Ocean Beach gehen wir vier noch zu einer Jazz Jam Session zwei Blocks weiter. Die Bar ist schräg. Verrückte Möbel - ein Stilmix aus verschiedenen Epochen - surreale Kunst und Installationen und eine interessante Mischung aus Menschen lassen uns die Aufregungen des Tages vergessen.

    Dienstag. Wir wollen Jetski fahren. Die Karten haben wir schon die Tage vorher rabattiert gekauft. Bevor es richtig los geht bringen wir das Auto zum Ölwechsel und fahren dann direkt von der Werkstatt mit Tara und Daniel zum Hafen. Nach kurzer Instruktion dürfen wir auf unsere Jetskis, immer pärchenweise (heißt nicht das Tara und Daniel ein Pärchen sind, die beiden haben sich im Hostel kennengelernt). Ich (Rico) sitze auf dem Fahrersitz, Johannes dahinter. Im Hafenbereich sind die Jetskis automatisch gedrosselt auf 5mph, ab der grünen Boje wird die Drosselung aufgehoben, sagt uns der Instruktor. Wir also los im Schneckentemp, ist vielleicht auch gar nicht schlecht um erstmal ein Gefühl zu entwickeln. Tara und Daniel überholen uns. Im Affenzahn. Komisch. Wir schleichen weiter. Da hinten ist ja schon die Boje. Sie kommt näher. Wir passieren sie. Nicht passiert. “Gibst du auch richtig Gas?”, “Ja, ist voll auf Anschlag”, “Geh mal in den neutralen Gang und dann wieder zurück in den Vorwärtsgang”, “Warte…klappt nicht. Wir fahren weiter nur 5 Meilen die Stunde”, “Maaaan ej, sollen wir mal Plätze tauschen?”, “Neeein maaan, ich krieg das schon hin”..es wird hitzig, wir keifen uns noch kurz an aber dann auf einmal schießt das Gefährt los. Endlich. Aber es ist nicht einfach auf dem unruhigen Wasser. Nach 10 Minuten tauschen wir in ruhigerem Fahrwasser die Plätze. Jetzt ist Johannes am Steuer und es läuft. Mit bis zu 40 mph (das sind um die 70 km/h!!) preschen wir übers Wasser, vorbei an den Wolkenkratzern Downtowns, an Flugzeugträgern der US Navi, einem alten Piratenschiff und edlen Villen. Es fetzt. Im Fahrwasser anderer Schiffe haben wir kurze Flugphasen, beim Landen kreischen wir vor Freude. Also Jetskis gehen schon richtig ab, vergleichbar mit ner Achterbahnfahrt, die allerdings 90 Minuten geht. Auf dem Rückweg auf Höhe der grünen Boje werden wir wieder gedrosselt. Wäre ja nicht weiter schlimm gewesen, wenn die anderen Beiden nicht schon wieder mit 50 Sachen an uns vorbei geschäppert wären. Johlend und voller Freude. Fies, aber so können wir noch ein bisschen runterkommen nach der aufregenden Fahrt. Auf den Rückweg schmeißt Tara uns dann bei der Werkstatt raus wo unser Auto bereit steht für die Abholung. Easy cruisen wir mit dem frisch geölten Van zurück nach Ocean Beach.

    Den Nachmittag verbringen wir am Strand und reiten noch einmal die Wellen mit den Boards. Die Wellen sind ordentlich groß und wir perfektionieren unsere Surfkünste. Das macht nochmal richtig Spaß. Und das Seegras gehört mittlerweile irgendwie dazu. Wir wollen es schon fast nicht mehr missen, dieses glitschige meterlange Grünzeug. Es wird das letzte Mal sein, dass wir auf unserer Reise in den Pazifik gesprungen sind.

    Am Mittwoch packen wir nach dem Frühstück das Auto, verabschieden uns von Tara (Daniel ist schon am Vorabend abgehauen) und verlassen schweren Herzens San Diego. Bis zum nächsten Mal!

    Aber jetzt geht es erstmal nach San Francisco…
    (R)
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  • Day 54

    2.000 km: Von Oregon nach Kalifornien

    July 26, 2023 in the United States ⋅ 🌙 23 °C

    Für unsere Reise bis nach San Diego planen wir 1,5 Wochen ein.

    Wir machen uns von Portland auf in Richtung Küste. Den ersten Stopp wollen wir am Carter Lake einlegen. Je näher wir dem Pazifik kommen, desto wolkiger wird es. Ein Waldbrand? Tatsächlich handelt es sich um Nebelschwaden, die vom Pazifik aufs Festland ziehen. Ein bisschen unheimlich, aber auch wahnsinnig faszinierend. Dass solche Nebelschwaden John Carpenter auch zu der Geschichte in „The Fog“ inspiriert haben, leuchtet uns hier ein.
    Wir fahren also durch die Nebelbänke bis zu unserem Zeltplatz. Als wir dort ankommen, ist es schon stockfinster (so dunkel, dass wir sogar die Abzweigung zu unserem Zeltplatz übersehen) und zunächst auch etwas unbehaglich. Aber zum Glück haben wir unsere neue Lichterkette gekauft, die bewirkt hier Wunder!

    An dem kleinen Campground lassen wir zwei Tage die Seele baumeln, liegen am See, tanken Sonne und trinken im Örtchen Kaffee. Abends zieht auch hier Nebel auf, aber tagsüber kommt doch immer die Sonne raus.

    Am Samstag fahren wir dann weiter zum Crater Lake Nationalpark. Auf der Fahrt sind wir fasziniert von der Schönheit Oregons. Wir fahren durch grüne Wälder mit roten Steinfelsen und kleine Bäche schlängeln sich durch die Täler. Der Crater Lake ist der tiefste See Nordamerikas (>600 Meter). Hier stand vor 8.000 Jahren mal ein Berg, der durch eine große Eruption weggesprengt wurde und den riesigen Krater hinterlassen hat. Über die Jahre hat sich dieser Krater mit Schmelz- und Regenwasser gefüllt und es erstanden der Crater Lake. Hier kommen wir an einem netten Zeltplatz unter. Inzwischen können wir aber insgesamt feststellen: die staatlichen Zeltplätze in Kanada haben uns deutlich besser gefallen. In den USA sind die Zeltplätze zwar auch landschaftlich schön aber die sanitären Anlagen sind schon ziemlich in die Jahre gekommen. Alles ein bisschen gammelig und in Slaughterhouse-Atmo. Aber immerhin: es gibt hier Duschen!

    Am Abend besuchen wir einen Vortrag über den Sternenhimmel beim Crater Lake mit anschließender geführter Sternenwanderung. Leider muss die Wanderung ausfallen: es ist zu wolkig. Der Vortrag selbst ist auch eher mittelmäßig, das ist wohl insgesamt alles eine Kinderveranstaltung (um 22 Uhr…).

    Am nächsten Tag bewandern wir den Crater Lake. Vormittags kraxeln wir 300 Meter hoch zum Garfield Peak und genießen einen tollen Blick über den See und das umliegende Tal. Die steile Wanderung ist wirklich anstrengend, da wir bereits auf 2.161 Höhenmeter starten. Anschließend fahren wir etwas um den See herum und belohnen uns mit einer Wanderung runter zu einer Badestelle. Der Weg hoch ist jedoch der anstrengende Part und als wir oben am Startpunkt ankommen, ist die ganze Abkühlung schon wieder verfolgen. Den restlichen Tag verbringen wir mit unserer Lektüre in der Hängematte.

    Am Montag tanken wir am Campground noch einmal zu richtig guten Konditionen voll und machen uns dann auf in Richtung Kalifornien. Wir wollen den malerischen Highway One hinunterfahren, der sich entlang der Pazifikküste über ganz Kalifornien erstreckt. Auf dem Weg kommen wir wieder an riesigen Mammutbäumen vorbei, die ganz leger den Highway säumen.

    Der legendäre Highway One ist wirklich schön, der Highway schlängelt entlang der Berge der California Coast Ranges und immer mit Blick auf den Pazifik. Hier kriegt man wirklich das Gefühl in Kalifornien zu sein! durch die die Nacht verbringen wir auf einem Zeltplatz direkt am Strand. Jetzt knurren uns die Mägen und wir wollen hier an der Küste mal frischen Fisch essen. Bei Google wird ein Restaurant ganz in der Nähe in Fort Bragg empfohlen. Also dahin, aber erstmal müssen wir noch tanken, denn der Highway One ist ganz schön hügelig und unser großes Auto braucht viel Sprit um die Höhenmeter zu schaffen. Wir halten an einer Tankstelle. Ich (Johannes) steige aus, öffne die Tankklappe, will den Tankdeckel aufschrauben und … greife ins Leere? „Ehm… Rico, hast du den Tankdeckel wieder raufgeschraubt, als wir beim Crater Lake getankt haben?“
    - „Mist, den habe ich wohl auf der Zapfsäule liegen lassen…“

    Natoll. Der Tankdeckel ist weg. Ist deshalb der Tank so schnell leer gewesen? Nervös fragen wir in der Tankstelle, ob dort womöglich ein Tankdeckel übrig ist, den jemand anderes dort vergessen hat. Leider nein, aber es gibt wohl in Fort Bragg einen Händler, der Tankdeckel verkaufen könnte. Mit inzwischen dicken Löchern im Bauch geht es also zu dem Autoteilehändler und tatsächlich: Glück im Unglück, für unseren Chevrolet Express 2012 hat er genau den passenden Deckel. Mit einem Auto von einer deutschen Marke wäre es bei weitem nicht so leicht gewesen, einen passenden Deckel zu finden, denn Amerika macht gerne alles ein bisschen anders als Europa und der Rest der Welt, so auch bei Normungen.

    Für $13.99 können wir einen neuen Tankdeckel aufschrauben und kommen also mit einem Schrecken davon.

    Jetzt endlich: Essen. Das Restaurant das wir rausgesucht haben, ist wirklich schwer zu finden. Laut Google wohl mitten in einer Trailerparksiedelung (?). Etwas unbehaglich, aber wir versuchen es trotzdem zu finden und tatsächlich: ein unscheinbarer Wellblechverschlag weist sich als das Restaurant aus, nachdem wir suchen. Und hier soll es so gut sein? Wir gehen hinein und sind völlig von den Socken. Ein luftiger Raum mit einer bestimmt 10 Meter hohen Decke, über drei Ebenen tut sich vor uns auf. Ein riesiges Panoramafenster ermöglicht den Blick auf den Pazifik und ein Livemusiker sorgt für ein stimmungsvolles Ambiente. Krass, dass sich hier so ein Paradies auftut. So lässt sich der Abend gut beschließen.

    Wir fahren am nächsten Morgen weiter entlang der Pazifikküste. Am vorigen Tag haben wir ganz viele Camper gesehen, die ihr Nachtlager einfach an den vielen Aussichts- und Parkmöglichkeiten aufgeschlagen haben. Das wollen wir heute auch machen. Unser Ziel für den Tag liegt zwischen Half Moon Bay und Santa Cruz, südlich von San Francisco. Wir überlegen kurz. „Könnte das bedeuten, das wir über die Golden Gate Bridge fahren?“ Und tatsächlich: das Überfahren der Golden Gate Bridge ist Teil der Strecke. Man muss zwar eine Maut von $ 9 zahlen, das ist es uns aber allemal wert. Als wir auf die Brücke auffahren schieben sich große Nebelschwaden von dem Pazifik zum Festland. Es ist wirklich magisch, man sieht nicht links und nicht rechts und auch kaum 20 Meter weit. Auf einmal tut sich einer der großen Brückenpfeiler vor uns auf. Die Brücke ist deutlich größer als gedacht. Wir fahren weiter und weiter, bis sich der zweite Pfeiler auftut und wir schließlich auf der anderen Seite angelangt sind. Das war wirklich richtig toll und wir sind beide noch ganz euphorisch. Die Euphorie ist auf der anderen Seite aber schnell verflogen: Wir stehen mitten in der Rush Hour. Wir müssen unseren Weg durch den Rand von San Francisco machen und dahin wollen auch tausende andere Fahrzeuge. Stau auf einer siebenspurigen Autobahn. In dem doch sehr besorgniserregend aussehenden Auto - die Stoßstange macht’s nicht mehr lange - zwei Spuren neben uns raucht ein gruselig aussehender Mann am Steuer (!) eine Bong. Naja, lieber schnell weiter!

    In dem kleinen Örtchen Half Moon Bay machen wir einen Stop beim Mexikaner zum Abendessen. Kalifornien ist voller mexikanischer Restaurants und wir lieben es! Dann geht es weiter. Es dämmert langsam und wir halten entlang des Highway One Ausschau nach guten Stellplätzen für unseren Van. Aber… es gibt keine. Wir sind ganz alleine auf dem Highway und die ganzen romantischen Campergrüppchen vom Vorabend haben es nicht bis hierher geschafft. Hmm, da es aber bereits dunkel wird und wir auch müde sind, suchen wir also bei iOverlander (einer App, auf welcher gute Übernachtungsstellplätze für Camper angezeigt werden) nach einem entsprechenden Platz. Wir entscheiden uns für einen Pullout etwas abseits der Straße. Dort angekommen, bekomme ich (Johannes) jedoch ein schlechtes Bauchgefühl. Irgendwie fühlt es sich komisch an, hier zu übernachten. Nach etwas Recherche finden wir heraus, warum wir hier so alleine sind: Vor einigen Wochen ist hier scheinbar jemand mit einem Messer auf verschiedene Camper losgegangen und seitdem kann die Polizei die Sicherheit der Wildcamper nicht mehr garantieren. Deshalb ist es jetzt verboten am Straßenrand das Nachtlager aufzuschlagen und jeder der das tut und dabei erwischt wird, muss Strafe zahlen. Da sieht man mal wieder: das Bauchgefühl sollte man nicht unterschätzen. Wir fahren also weiter, jedoch ziemlich planlos wohin, denn Zeltplätze gibts in der Gegend so gut wie keine und Geld für ein Hotel oder Motel (ab 300 $ / Nacht) haben wir nicht.

    Nach einer halben Stunde Fahrt haben wir aber Glück: dort ist ein Campground ausgeschildert. Er ist Teil eines ziemlich luxuriösen Resorts und für 52 $ können wir dort unser Zelt aufstellen. Da es jedoch schon spät ist und wir müde sind, schlafen wir doch heimlich in unserem Auto. Das kriegt auch niemand mit. Der Zeltplatz selbst ist toll, es gibt ganz großzügige Duschen und Waschräume, einen großen Kamin und sogar eine Sauna. Die können wir jetzt gut gebrauchen! Die Sauna ist auch tatsächlich noch in Betrieb und wir freuen uns total auf ein heißes Dampfbad. Fünf Minuten später setzen wir uns zu fünf anderen Personen in eine sehr kleine Sauna, die ungefähr 28° C hat. Uns ist schon fast kalt. Es stellt sich heraus, das die Tür die ganze Zeit nur angelehnt war und deshalb müssen wir erstmal warten, bis die Saune sich aufheizt. Während dieser Zeit lernen wir aber sehr wertvolle Informationen. Wir erfahren nämlich, dass wir hier auf einem KOA Campground sind. „KOA“ steht dabei für „[K]ampgrounds of Amerika“. Das ist ein Anbieter, der Zeltplätze in ganz Amerika zur Verfügung stellt und - anders als die staatlichen Zeltplätze - immer einen gewissen Standart bietet: Immer Duschen, Waschmaschinen, saubere Waschräume und meistens sogar einen Pool oder eine Sauna. Als Mitglied kann man sogar 10 % pro Nacht sparen.

    Am nächsten Morgen werden wir sofort Mitglied bei KOA und buchen auch direkt einen entsprechenden Zeltplatz, diesmal bei
    Santa Margarita, einem kleinen Ort mitten in Kalifornien. Kurz bevor wir an unserem Zeltplatz ankommen, tut sich abseits der Autobahn ein riesiger Rummel auf. „Midcalifornia Fair“ steht in großen Buchstaben auf den Bannern. Wir machen große Augen! Vielleicht können wir da ja heute Abend hingehen, die Fair ist laut dem Navi immerhin nur 30 Minuten von unserem Campground entfernt. Gesagt getan: Nachdem wir auf unserem Zeltplatz eingescheckt, Wäsche gewaschen und ein bisschen am Pool (😎) gelegen haben, machen wir uns auf den Weg zur Midcalifornia Fair. Das scheint hier ein riesen Ding zu sein. Jede zweite Werbung im Radio macht Anspielungen auf die Fair (“Going to the fair? Get Icecream at ours before you go!”) und laut Flyer soll heute sogar Pitbull auftreten. Dafür braucht man zwar extra Tickets, aber beeindruckt sind wir trotzdem von dem ganzen Aufriss.

    Bei der Fair angekommen, geht erstmal die große Parkplatzsuche los, denn obwohl Amerika so ein autobestimmtes Land ist, für diesen Jahrmarkt gibt es bei weitem nicht genügend Parkplätze. Wir parken also ca. 2 Kilometer entfernt und müssen 20 Minuten zum Eingang laufen. Egal, das ist es uns wert! Der Rummel selbst ist ein riesiger Spielplatz. Zich Fressbuden, Fahrgeschäfte und Schießbuden blitzen und blinken in allen Farben des Regenbogens, überall trällert lustige Musik und tausende Menschen wuseln über das riesige Gelände. Wir wollen uns natürlich auch was gönnen. Rico holt sich einen 40 cm langen Corndog und ich mir einen HotDog „Chicago Style“.

    Es gibt Limonade in allen Geschmacksrichtungen die man sich vorstellen kann (und noch mehr: was bitte ist „Purple Flavor?“), Maiskolben am Spieß in Käseflips paniert und kandierte Äpfel mit den verschiedensten Toppings. Der Rummel besteht zum großen Teil aus Attraktionen die sich um sämtliche Achsen drehen, das kann ich nicht mitfahren ohne dass mir schlecht wird, wir entscheiden uns aber für Wilde Maus, ein Kettenkarussell in 20 Metern Höhe und Wildwasserbahn. Dass wir uns die bis zum Schluss aufgehoben haben, war eine sehr weise Entscheidung: wir sind pitschnass! Insgesamt war es ein sehr lustiger Abend, aber der Rummel war alles in allem doch sehr ähnlich zu dem, was wir in Deutschland bei den Volksfesten auch haben.

    Der nächste Streckenabschnitt führt und von Santa Margarita zu unserem nächsten KOA Campground in Palm Springs. Palm Springs liegt ganz in der Nähe des Joshua Tree Nationalparks, den wir uns auf dem Weg nach San Diego anschauen wollen. Auf der Fahrt nach Palm Springs stoppen wir in Montecito, der Nachbarschaft, in welcher auch Katy Perry und Orlando Bloom heimisch sind. Hier ist es wirklich paradiesisch. Gepflegte Grünstreifen und Bürgersteige, nicht viel Verkehr, die Vögel zwitschern und in der Luft liegt der Duft der umliegenden Hibiskusbüsche. Eine wahre Ruheoase. Kein Wunder, dass die Reichen und Schönen sich hier niederlassen. Weiter geht es, nun sollein wir durch Los Angeles fahren. Los Angeles selbst ist ja nicht nur die eigentliche Stadt L.A., sondern auch der Verwaltungsbezirk „Los Angeles County“, welchem neben der Stadt Los Angeles unter anderem auch die Städte Beverly Hills, Calabassas, Malibu, Santa Monica, Hollywood und Passadena angehören, die wir zumindest vorher alle als Stadtteile von Los Angeles eingeordnet haben. Da es sich dabei jedoch um eigene Städte handelt, kann man sich vorstellen, wie riesig Los Angeles ist. Über siebenspurige Interstates fahren wir stundenlang durch Los Angeles und geraten - natürlich, wie soll es anders sein - in die Rushhour. Insgesamt brauchen wir durch Los Angeles auf der Stadtautobahn fünf Stunden. Die Fahrt ist so anstrengend, dass wir zwischendurch sogar einen Fahrerwechsel machen müssen. In Amerika darf man ja auch von rechts überholen, was es nicht einfacher macht, den Überblick über den Verkehr zu behalten. Für heute Abend haben wir Tickets für das Reboot das Disney Klassikers „The Haunted Mansion“ in Palm Springs für 20:45 Uhr reserviert. „Schaffen wir locker“! Letztendlich kommen wir völlig geschafft um 20:43 Uhr auf dem Kinoparkplatz an und laufen erstmal gegen eine Wand. 43° Celsius. Uff, schnell ins Kino. Hier haben wir besondere „D-Box“ Plätze gebucht, die sich während des Films mitbewegen sollen. Das funktioniert mehr schlecht als recht und nach dem Film ist uns ein bisschen flau im Magen.

    Jetzt ist es 23 Uhr und es sind noch 38° C. Kälter wird es heute nicht. Die Nacht wird entsprechend. Mit kaum mehr als 3 Stunden Schlaf und vielen Stunden rumwältzen und schwitzen in den Knochen, fahren wir am nächsten Morgen weiter. Jetzt aber erstmal durch den Joshua Tree Nationalpark, bevor es endlich auf die letzten Meilen nach San Diego geht.

    Der Joshua Tree Nationalpark ist der einzige Ort der Welt, wo der Joshua-Tree wächst. Der Joshua Tree gehört zu der Familie der Jucka-Palme und sieht aus wie ein riesiger stacheliger Baum von einem anderen Planeten. Die ganze Landschaft hier ist lebensfeindlich und faszinierend zugleich. Der Gedanke, dass wir vor knapp zwei Monaten in Alaska gestartet sind und nun schon in der Wüste stehen, ist wirklich Wahnsinn! Wir sind überwältigt, von der Landschaft hier, die schon wieder so anders ist, als alles was wir bisher gesehen haben. Wir durchfahren den Park zwar nur und machen hier keine Wanderungen (viel zu heiß!!), aber die Straße durchquert den Joshua Tree Park komplett, sodass wir einen sehr guten Eindruck kriegen. Riesige Steinhügel tauchen links und rechts der Straße auf und sehen so aus, als hätte ein großer Mensch sie zu einem Haufen zusammengerauft. Eidechsen, Klapperschlangen und giftige Skorpione sind hier ansässig, aber außer einer Eidechse sehen (und hören) wir zum Glück nichts davon. Die kommen auch erst nachts raus, wenn es nicht mehr so heiß ist. Wir sind wirklich hin und weg von der Landschaft und schon viel weniger müde. Dennoch ist die Fahrt nach San Diego sehr anstrengend, denn es geht wieder über siebenspurige Autobahnen.

    Nach einer Mittagspause bei In-N-Out Burgers (der besten Burgerkette der Welt, die es leider nur in Kalifornien gibt) kommen wir - nach 2.000 Kilometern Autofahrt von Portland - dann endlich in San Diego an und freuen uns auf ein paar Strandtage an denen wir endlich mal nichts machen wollen! (J)
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  • Day 47

    Portland: Pizza auf Abwegen

    July 19, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 26 °C

    Für die nächsten 5 Nächte sind wir in Portland. Die Stadt mit ihren 600.000 Einwohnern liegt im Norden des Bundesstaates Oregon an der Grenze zu Washington. Sie gilt als eine der links-liberalsten und fahrradfreundlichsten Städte der Vereinigten Staaten (ca. 500 Kilometer Radwege durchziehen die Stadt). Die Brauereiszene ist groß und in den Ausgehvierteln tummeln sich die Nachtschwärmer. Klingt verheißungsvoll, wir haben Bock.

    Klar ist jedoch auch, dass wir das reichhaltige Angebot der Großstadt und die Tatsache, dass es in ganz Oregon keine Mehrwertsteuer gibt, dafür nutzen werden unseren Van zu pimpen und in den Service zu bringen. Nur Party-hard is also auch nicht. Entsprechend gehts direkt bei der Ankunft zu Ron Tonkin - der ein Autohändlerimperium inklusive Servicewerkstätten in Portland aufgebaut hat. Alles easy hier. Für die Durchsicht ist es heute, am späten Freitag Nachmittag, schon zu spät, aber morgen können wir gern vorbeikommen. Kostet 120 Dollar. Finden wir gut. Auf ins Hostel in North-West Portland zwischen Down Town und Pearl District. Es ist malerisch. Viele Einbahnstraßen, breite Radwege, Bars, Bäckereien und Designläden, hübsche farbenfrohe Einfamilienhäuser aus dem Beginn des 20. Jahrhundert in typisch amerikanischer Holzbauweise und modernere Gebäude wechseln sich ab. Die Straßen sind von Bäumen gesäumt und die Vorgärten grün und bunt. Das Hostel bietet immer Freitags ein kostenloses Biertasting an. Die Gelegenheit Leute kennenzulernen! Es gibt etwa 10 verschiedene IPAs, Cider und klassischere Brauarten zum probieren und wir kommen direkt mit Kiera aus Pittsburg ins Gespräch. Sie tourt gerade im Rahmen eines Stipendiums durch etliche amerikanische Städte und interviewt Personen zum Thema Nachhaltigkeit. Nach dem Tasting gibts direkt noch zwei weitere Drinks in der Hostelbar und dann zieht es uns drei in das benachbarte Ausgehviertel. Wir entscheiden uns schnell für eine nette Bar mit hübscher Terrasse. Auf der Karte: Whiskey. Bestimmt hundert verschiedene. Von 6 bis 100 Dollar pro Glas ist alles dabei. „Excuse me, how much is a beer?“. Die Kellnerin guckt durchaus genervt. „I don‘t know. Maybe 5 Dollar. Or 6. I‘m an expert for Whiskey“. Ok. Also dann ein Bier und zwei Gläser Wein..und der Vollständigkeit halber auch einen Whiskey. Hier berät sie uns wirklich gut und ihre Laune hellt sich merklich auf. Der Abend verfliegt wie im Flug, wir halten es moderat, morgen wollen wir ja schließlich nicht in den Seilen hängen.

    Samstag, der Wecker klingelt um sieben. Wir bringen das Auto zu Ron Tonkin. Für den Service sind etwa 4 Stunden angesetzt, sollte also bis zum Mittag erledigt sein. Wir nutzen die Zeit und laufen zum nächsten Baumarkt, da auf unserer Auto-Pimp-Liste mittlerweile einige Sachen drauf stehen. Hier im Randbezirk fällt uns die große Anzahl an Obdachlosen auf. Einige scheinen hart vom Leben gezeichnet. In kleinen Gruppen stehen sie vor ihren Zelten am Wegesrand oder an Kreuzungen und halten Schilder hoch auf denen sie um Spenden bitten. Eine Mischung aus Mittleid und Unbehagen beschleicht uns, letztlich geht aber auch keine Gefahr von ihnen aus. Im Baumarkt - Home Depot, den kennen wir schon aus Anchorage in Alaska - laufen wir durch die Gänge auf der Suche nach Spiritus, einer solarbetriebenen Lichterkette, Aufbewahrungsmöglichkeiten und einer elektrischen Kühlbox. Wir nehmen aber erstmal nichts mit, wir haben ja kein Auto. Beim Mittagessen bei Tacco Bell (feinstes mexikanisches Fastfood, wirklich lecker!) kontaktiert uns die Werkstatt: Die Durchsicht ist erfolgt, es gibt einiges zu tun. Wir können den Van erstmal abholen. Wir sind nervös.

    Zurück bei Ron Tonkin bekommen wir eine Liste von Mängeln. 2700 Dollar! Beim Gespräch mit der Mechanikerin stellt sich aber heraus, dass das Auto gut in Schuss ist. Die Liste zeigt die Dinge die mal gemacht werden könnten. Wir atmen auf. Am Montag sollen wir wieder kommen und angeben was wir gerne repariert/ausgebessert hätten. Das bringt die Planung der nächsten Tage etwas durcheinander. So flexibel wie wir sind, wirft uns das aber nicht aus der Bahn, das Hostel wird verlängert und die Planung angepasst. Weiter mit der Orga. Jetzt wirds turbulent. Es geht zurück zum Baumarkt. Hier kaufen wir bis auf die Kühlbox alles was wir uns ein paar Stunden zuvor schon angeschaut haben. Die Herausforderung des Tages bleibt die Kühlbox. Die soll elektrisch funktionieren, über die Bordsteckdose im Auto (die alte Kühlbox haben wir mit Eiswürfeln „betrieben“ was regelmäßig zu Überschwemmungen geführt und gerade bei hohen Temperaturen einfach nicht besonders gut funktioniert hat). Es beginnt ein Ritt quer durch die Stadt. Im ersten Laden - primär ein Ausstatter für Jägerbedarf..alles voller Waffen, alles irgendwie in Camouflage - steht direkt eine. Für schlappe 170 Dollar. Wir fahren weiter zu zwei weiteren Läden. Erfolglos. Also doch wieder zurück zu Laden Nummer eins. Es ist kurz vor Ladenschluss. Wir nehmen sie, hilft ja nichts. Jetzt noch zu Walmart für ein elektrisches Kochfeld und vielleicht ein Vorzelt. Ersteres finden wir. Draußen dämmert es bereits. Wir sind geschafft. Bei Subway gibts einen vegetarischen Sub und dann fallen wir im Hostel in unsere Betten. Nightlife lassen wir ausfallen.

    Den Sonntag lassen wir entspannt angehen. Wir wandern durch den Washington Park und schauen uns den Rosengarten an. Die vielen verschiedenen Rosen in ihrer ganzen Farbpracht sind wirklich toll aber letztlich landen wir dann bei Temperaturen über 30 Grad auf einer schattigen Wiese im Park wo wir die Mittagshitze liegend abwarten. Irgendwann packt uns der Hunger und nach kurzer Recherche ist klar: Wir gehen zu PizzaKat. Wir bestellen eine große 18’’ Pizza und setzen uns in den netten Hinterhof. So weit. So entspannt. Dann kommt die Pizza. Und zwar in hohem Bogen. Die Kellnerin kommt beim Abstellen der riesigen Pizza irgendwie aus den Gleichgewicht. Sie strauchelt, versucht zu retten was zu retten ist, aber das Unglücklich ist nicht mehr abzuwenden. Ein Stück saftigste Pizza landet auf meinem (Rico’s) weißen T-Shirt. Erwartungsgemäß mit der ‘Marmeladenseite’. Die Kellnerin - sichtlich beschämt - entschuldigt sich mehrfach, bietet ihre Hilfe, geht und kommt direkt wieder um sich erneut zu entschuldigen. Wir beteuern dass es alles halb so wild ist, sowas kann schon mal passieren. Nach kurzen Verreiben der Tomatensoße und leichtem Einarbeiten des Mozzarellas mit einer Serviette ist der vorerst endgültige Zustand des Shirts erreicht. Wir essen die Pizza. Wirklich lecker, kannste nix sagen. Dann kommt die Geschäftsführerin und entschuldigt sich ebenfalls. Sie bietet uns als Entschädigung jedem einen Softdrink an. Da wittern wir unsere Chance und lehnen ab. Verhältnismäßiger wäre in unseren Augen eine komplette 18’’ Pizza, am besten nicht heute sondern morgen. Sie stimmt zu. Klingt für alle Beteiligten nach einem guten Deal. Sie versichert uns, dass wir gleich morgen (Montag) vorbeikommen können, sie sei da. Top. Am Abend gehen wir mit Kiera wieder aus. Unsere Mission: Endlich mal einen APS (Aperol-Spritz) trinken, das wäre ihr erster jemals und sie wünscht es sich sehr. An der 4. oder 5. Bar werden wir fündig und lassen dort den Abend mit allerlei Geschichten und Stories ausklingen.

    Der Montag ist wieder Auto-Service Tag. Wir haben uns entschieden Reparaturen im Umfang von 800 Dollar durchführen zu lassen, unter anderem die eine defekte Bordsteckdose damit wir die neue Kühlbox nutzen können. Die Zeit, bis der Van abgeholt werden kann, verbringen wir in Downtown (wir fahren Öffies, Tram) bei Powell’s - ein verwinkelter Buchladen über mehrere Etagen und Zwischenebenen. Man kann sich hier wirklich verlieren. Die Regale sind bis unter die Decke mit Büchern zu allen nur erdenklichen Themen gefüllt. Wir stöbern und entdecken. Aufgeregt zeigen wir uns gegenseitig unsere Fundstücke. Mit dabei sind Disney Kochbücher die die Orginalrezepte zu etlichen DisneyKlassikern enthalten oder auch ein Buch über die Sex Pistols in dem unter anderem ein Foto von Sid Vicious und Lemmy Kilmister zu sehen ist, wie sie sich Arm in Arm ablichten lassen (na, wer hat hier wohl welches Buch beigesteuert?). Im Powell’s Café blättern wir bei einem Käffchen noch durch das ein oder andere Buch bevor die Werkstatt sich meldet, dass das Auto abgeholt werden kann. Also gehts mit der Tram wieder los.

    Wir quatschen mit dem Mechaniker und zahlen. Dann los jetzt. Schnell noch die Kühlbox einstöpseln und ab dafür. Aber sie geht nicht. Dass an der Bordsteckdose gearbeitet wurde sieht man jedoch an den Kratzern und dem abgebrochenen Schutzdeckel. Isn Scherz. Kühlbox in die andere Buchse: Hier gehts. Wir gehen wieder zurück zum Mechaniker. Er versichert er hätte die Buchse repariert. Wir bestehen drauf dass er sie sich nochmal anschaut. Es dauert etwa 45 min, dann ist das Problem gelöst, es war eine Sicherung. Aber die Kratzer und der abgebrochene Deckel bleiben. Wir haben aus dem PizzaKat Dilemma gelernt und fangen an zu verhandeln: Nach kurzem Hin und Her bietet er an, uns die kompletten Kosten für die Reparatur der Boardsteckdose zu erlassen (200 Dollar). Wir geben uns nach außen betont mürrisch und stimmen zu. Innerlich feiern wir beide ne riesen Party!

    Der Dienstag wird der vielleicht wichtigste Tag für uns in Oregon. Warum? Na weil es keine Mehrwertsteuer gibt. Das ist der Grund warum es in Oregon einige der größten Outlet Center der USA gibt. Daher wird heute geshoppt. Um es kurz zu machen: Wir kaufen Hemden, Gürtel, Hosen, Taschen, T-Shirts,…es is jede Menge und am Ende sparen wir etwa 800 Dollar. Die ca. 150 Shops verlangen uns am Ende eine Menge Durchhaltevermögen ab aber wir sind am Ende glücklich über unsere neuen Errungenschaften. Ab sofort sind wir also besonders stylisch unterwegs.

    Am Abreisetag spazieren wir noch ein wenig durch Portland, besuchen noch einmal kurz Powell’s auf ein weiteres Käffchen und dann war da ja noch was! Die “offene Rechnung” bei PizzaKat. Es wartet ja noch eine Pizza auf uns nach dem Malheur von Sonntag. Die Chefin hatte uns ja versichert dass sie am Montag da ist. Da war aber Schließtag. Genauso am Dienstag. Kann man jetzt mutmaßen ob hier Kalkül im Spiel war, muss man aber auch nicht. Wie dem auch sei: Wir bleiben hartnäckig und stehen also Mittwochs zur Mittagszeit im Laden. Die Chefin hinterm Tresen. Sie erkennt uns sofort. Etwas schmallippig kommt von ihr ein langgezogenes “Hiii, how are you doooing?”. Wir kommen direkt zur Sache und fordern unsere 18-Zoll Pizza. Sie nimmt die Bestellung auf. “Anything else?”, wir darauf: “Two Coke, please”. Sie darauf: “only the Pizza is the free part of the deal”. “All right, then we just take two tap water, please”. Die Luft ist zum schneiden. Auf der Pizza kauen wir gehemmt herum, sie steht am anderen Ende des Raums hinterm Tresen, würdigt uns keines Blickes und tippt beton wichtig auf ihrem Handy rum. Den Pizzarand bekommen wir beim besten Willen nicht runter. Wir sehen zu den Laden zu verlassen. Der Deal ist damit erfüllt, die Art und Weise wie das von statten ging war letztlich etwas ehrenlos. Aber immerhin sind wir satt. Portland war cool. Wenn auch nicht so cool wie vorher in unserem Reiseführer angekündigt. Wir schwingen uns in den Van und fahren gen Süden. Immer der Sonne entgegen. Ciao Portland. (R)
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  • Day 41

    Vampire & Treibmammutbäume in Washington

    July 13, 2023 in the United States ⋅ ☀️ 15 °C

    Zurück in den Vereinigten Staaten! Nach ca. 2 Stunden Fährfahrt kommen wir in Port Angeles an. Erstmal wieder durch die Grenzkontrolle, ein zunächst etwas grimmig wirkender Grenzbeamter möchte wissen, was wir in den USA wollen und wie wir uns das alles denn leisten könnten. „Well, we‘ve worked so hard!!“. Nach der Frage ob wir Orangen oder Eier einführen würden (Milch und Bananen waren aus irgendwelchen Gründen kein Problem), lächelte er uns an: „Enjoy your vacation! You deserved it after all your hard work!“. Naja, zumindest haben auch die grimmigsten Grenzbeamten Humor!

    In Port Angeles angekommen, fahren wir erstmal zu Walmart, um Lebensmittel zu kaufen und sind total überwältig wie vielfältig das Angebot ist, verglichen zu Kanada. Hier haben wir jetzt vier Monate, um uns mal durch alles durchzuprobieren.

    Zurück in Port Angeles gehen wir bei „Bella Italia“ essen (später erfahren wir, dass der
    Name tatsächlich auch eine Anspielung auf Twilight sein soll). Es gibt Meatball Spaghetti und Penne Alfredo. Beides ganz gut, aber auch nicht outstanding.

    Dann fahren wir tatsächlich noch eine knappe Stunde entlang des Olympic Nationalparks zu unserem Zeltplatz. Die Straße windet sich entlang riesiger Waldhänge die in goldenes Licht getaucht sind. Wir haben schon viele bewaldete Berge in Nordamerika gesehen, aber diese hier finden wir besonders schön, ohne das an etwas Bestimmten festmachen zu können. Auch wenn wir noch nie im Washington State waren, fühlen wir uns hier direkt sehr wohl. Als wäre uns der Ort schon vertraut. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir uns so sehr mit diesem Teil der USA und den hier angelegten Geschichten beschäftigt haben.

    Am nächsten Morgen geht es nach Forks, in die Stadt, um welche es hauptsächlich in Twilight geht. Die Beschreibung aus den Büchern stimmen ganz gut mit der Realität überein: Forks ist eine sehr kleine, schläfrige Stadt, mit einer größeren Straße, die jedoch neben einigen Restaurants und kleinen Geschäften nicht sonderlich viel zu bieten hat. Dass der Twilight-Tourismus eine große Rolle für die Stadt spielt, merken wir sofort: in beinahe jedem Schaufenster gibt es Twilight-Fanartikel zu kaufen oder es wird zumindest mit netten Wortspielen versucht, die Touristen in das Geschäft zu locken. So wird bei Sully‘s Burgers unter anderem der “Twilight-Punch” und der “Bella-Burger” serviert.

    Auch wir kommen nicht drumrum und nehmen an einer Führung durch das Twilight-Archiv von Forks Teil. Hier können wir Original Kostüme aus den verschiedenen Filmen der Serie bestaunen und sogar die Puppe, die liebevoll “Chuckesmee” getauft wird (ein Mix aus dem Namen des Babys im Film, Reneseme, und Chucky der Mörderpuppe). Da wir vor der Tour gewarnt werden, dass diese Puppe besessen sein soll und schon einige unheimliche Dinge vorgefallen sind, halten wir von ihr lieber etwas Abstand.

    Nachdem wir den Vormittag in Forks verbracht haben, fahren wir am frühen Nachmittag tiefer in den Olympic Nationalpark.

    Der Olympic Nationalpark ist „der atemberaubendste gemäßigte Regenwald der Welt“ (laut unserem Reiseführer) und beherbergt die „größte Biomasse der Welt“ (Reiseführer).

    Hier gibt es Riesenlebensbäume, Sitka-Fichten und Hemlock-Tannen. So richtig voneinander unterscheiden können wir die riesigen Nadelbäume nicht. Wir sind ganz bezaubert als wir den River Trail im Hoh Rain Forest entlang spazieren. Zwar haben wir ja auch auf Vancouver Island schon Mammutbäume gesehen, diese hier sind aber noch größer und vor allem hängen die Moose und Flechten hier noch viel länger und üppiger von den Ästen und Stämmen. Wir machen Rast an einem Flussbett und kühlen uns im glasklaren Wasser etwas ab und füllen unsere Wasserfilterflasche auf (selbstgefiltertes Mineralwasser, gibts was besseres?), danach geht es weiter zu unserem nächsten Zeltplatz, diesmal im Regenwald. Auf der Fahrt dorthin lesen wir, dass in dieser Nacht möglicherweise Nordlichter in Washington sichtbar sein könnten. Da unser Zeltplatz mitten im Regenwald liegt, überlegen wir, doch an der Küste zu übernachten. Tatsächlich finden wir auch einen Zeltplatz mit Küstenzugang, der gerade noch einen Stellplatz frei hat. Dort schlagen wir unser Lager auf und diese Entscheidung hätten wir nicht besser treffen können. Wir schlendern im Licht der untergehenden Sonne den Strand hinab und sammeln auf dem Weg Sanddollar. Hier an diesem Strand liegt sehr viel Treibholz. Oder wohl eher Treibmammutbäume, den hier werden ganze Baumstämme angespült, die so groß sind wie die Bäume, die wir noch wenige Stunden zuvor im Regenwald angetroffen haben.

    Bei Dunkelheit stellen wir unsere Campingstühle an der Steilküste auf und sind völlig hin und weg von dem Sternenhimmel der sich über uns auftut. Hier sitzen wir nun einige Stunden und reminiszieren. Über alles was wir bisher erlebt haben und was noch auf uns wartet. Wir philosophieren über die Sterne und Galaxien und wie immer unter einem so beeindruckenden Sternenhimmel, fühlen wir uns klein und unbedeutend, was jedoch gar nicht schlecht, sondern irgendwie beruhigend ist. Zuhause ist gar nicht so weit weg, wie es sich manchmal anfühlt.

    Nordlichter können wir in dieser Nacht zwar nicht sehen, dafür aber einige Sternschnuppen, die über den Nachthimmel huschen und am Horizont über dem Meer verschwinden. Das Meeresrauschen wiegt uns langsam in eine schläfrige Stimmung, sodass wir gegen halb eins, etwas durchgefroren, in unser Auto schlüpfen. Auch der Olympic Nationalpark hat uns wieder viel geboten und war ein wertvoller Stopp auf unserer langen Reise.

    Die nächsten Tage werden wir in Portland, der größten Stadt Oregons verbringen. (J)
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  • Day 38

    Vancouver Island und der Pacific Rim

    July 10, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 16 °C

    Autofähre. Das ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. Gut gelaunt und voller Enthusiasmus fahren wir einmal quer durch Vancouver bis zum Fährhafen Tsawwassen. Wir werfen einen letzten Blick zurück auf Vancouver und dann geht es auf das riesige Schiff. Bei der eineinhalbstündigen Überfahrt nach Swartz Bay im Osten Vancouver Islands lassen wir uns den Wind um die Ohren wehen. Die offene See wird schon bald abgelöst durch zahlreiche Inseln. Einige besiedelt, andere scheinbar unberührt. Felsen ragen aus dem Wasser. Ein Fischer dreht in einem Bötchen seine Kreise. Und auf einmal war da diese dunkle Flosse. Nur kurz war sie zu sehen. Und schon wieder. „Das sind Orcas!“. Wir werfen uns einen wissenden Blick zu und zücken die Kamera. Einige Minuten begleiten uns die zwei Killerwale bevor sie abdrehen. Eine schöne Begegnung.

    Als wir in Swartz Bay ankommen ist es 14:00 Uhr. Unser Ziel ist Tofino, ein kleines Hafenstädtchen im Osten der Insel: 3 Stunden Autofahrt, das klingt machbar. Nach ca. 30 Minuten ein Stau. Der Blick geht aufs Navi: eine Fähre bringt hier die Autos über eine Art Fjord: 30 $. Die alternative Route um den Fjord herum: 15 Minuten länger als die Fähre. Letzteres machen wir also und kaum ein paar Meter gefahren beginnt das Abenteuer: die Straße wird schmal sobald wir das letzte Haus passieren. Ein Wald tut sich auf. Urig, quasi ein Urwald. Farne, alte Bäume, dicht gedrängt. Die Straße windet sich hindurch - bergauf, bergab - und dazu ständig Gegenverkehr (da sparen sich wohl einige die 30 Kröten für die Fähre). Dann - in letzter Sekunde - scharf gebremst, weil ein Reh in aller Seelenruhe über die Straße schlendert. Na immerhin das Reh ist entspannt. Nach gefühlt einer halben Ewigkeit endet die verschlungene Abenteuerstraße auf dem Highway, der schon bald am Zielhafen der kleinen Fähre vorbeiführt. Aus den 15 Minuten Umweg wurden am Ende 2 Stunden, 3 graue Haare und ein Liter Schweiß.

    Weiter gehts nach Tofino - jetzt aber auf direktem Weg. Unser Navi kennt zum Glück eine kleine Abkürzung, dadurch können wir wieder ein wenig Zeit gut machen… also runter vom Highway und rauf auf die Waldstraße. Herrlich. Ganz abgelegen. Und dann wird die Straße zu einem Schotterweg. Angenehm werden wir kilometerlang durchgeschüttelt, Staub überall. Dann ein Schild, wir können es nicht lesen (staubbedingt). Dann das nächste Schild: „Trespassers will be prosecuted“ (Eindringlinge werden strafrechtlich verfolgt). Wir fahren weiter, wir wollen ja schließlich Zeit gut machen! „Streets are patrouliced by unmarked vehicles“ (Unmarkierte Wagen fahren Patrouille!). Diese Art von Hinweisen häuft sich derweil. Die Schriftfarbe ändert von schwarz auf rot. Wir werden immer langsamer. Schließlich stehen wir. Abbruch! Wir wenden. Diese Aktion hat sich am Ende also auch nicht sonderlich gelohnt (+1 Stunde).

    Zurück auf dem regulären Weg Richtung Tofino wird es nochmal richtig malerisch. Die Straße schlängelt sich in engen Kurven durch die bergige Landschaft. Als es langsam dämmert, dämmert es auch uns: Wir haben den Zeltplatz gar nicht für diese Nacht reserviert, sondern erst für die darauffolgende. Nun gut, erstmal ankommen und dann verhandeln, vielleicht lässt sich ja was machen. Und dann - wirklich 500m vor den Ziel - fliegt uns zu allem Überfluss doch echt der linke Scheibenwischer um die Ohren! Einfach weg. Also U-Turn, und in Schrittgeschwindigkeit die Landstraße zurück. Nicht lange und wir haben das gute Stück unversehrt gefunden. Glück gehabt. So kann es weiter gehen. Und so geht es auch weiter: Am Zeltplatz angekommen - mittlerweile ist es 22 Uhr - dürfen wir auf dem so genannten Over Flow Parking stehen. Am Ende ein bewegter Tag an dem wir nur noch ins Bett fallen.

    Am Samstag lassen wir es ruhig angehen. Nach dem Ausschlafen gehts mit dem Auto 20 Minuten ins beschauliche Tofino mit seinen 1900 Einwohnern (unser Zeltplatz liegt etwas außerhalb). Es gibt ein erstklassiges veganes Frühstück und frischen Kaffee. Es folgt ein Spaziergang durch den Ort. “Surfer Paradies”, hatten wir im Vorfeld gelesen. Wir also in der Main Street. Viele Autos. Wenig Fußvolk. Und schon garnicht Surfer. Ein Laden. Eine Bruchbude. Ein Café. Ein Bootsanleger. Ne Baustelle. Also die Surfer-Atmosphäre haben wir uns anders vorgestellt. Wir beschließen, es für heute dabei zu belassen, gehen im hiesigen Supermarkt ein paar Lebensmittel kaufen und cruisen „super surfy“ zurück zum Campground.

    Für diese Nacht haben wir eine Reservierung, wir checken also ein und und richten uns auf Camp Site 87 ein. Es ist der Wahnsinn! Rückwärts eingeparkt stehen wir in erster Reihe an einer Steilküste und können, vorbei an Jahrhunderte alten Douglasien und Zedern mit ihren massiven Stämmen, den Pazifik sehen und hören. Es ist malerisch. Die Hängematte aus Vancouver bauen wir fast schon zeremoniell das aller erste Mal auf. Beim ersten Belastungstest geht - fast schon erwartungsgemäß - ein Knoten auf, sodass die Hängematte samt Zuladung (Rico) auf dem Boden landet. Nach hämischem Gelächter folgt der zweite Versuch. Diesmal hält alles und so kann ausgiebig mit Kreuzworträtsel und Prosa relaxt werden. Später kochen wir ein wirklich gutes Kokos-Süßkartoffel-Curry bevor wir runter an den Strand gehen und nach anfänglichem Zögern in den kalten Pazifik springen. Es ist wirklich kalt und die Wellen sind nicht zu unterschätzen. Aber es fetzt.

    Der Sonntag ist grau und frisch. Nach dem Frühstück machen wir einen Strandspaziergang. Die Ebbe hat etliche Felsen freigelegt, die von allerlei Meeresgetier bevölkert werden. Wir schalten direkt in den Entdeckermodus. Neben unzähligen Miesmuscheln finden wir farbenprächtige Seeanemonen, Krebse und kleine Fische. Das Highlight aber war der handgroße Seestern, der - vollständig von Wasser bedeckt - entspannt an einem Stein klebte. Danach ging es ins Café Rhino, einem beliebten Treff für junge Leute (sind das die angepriesenen Surfer?) und Touris. Sowohl der Kaffee, als auch die angebotenen Donuts und das WLAN waren hervorragend. Wir sitzen bestimmt drei Stunden hier, beobachten das bunte Treiben und planen nebenbei grob die nächsten Wochen. Grobplanung heißt, wir schauen wo und wie lange wir etwa bleiben wollen und recherchieren schon mal nach Zeltplätzen und potentiellen Aktivitäten und Sehenswürdigkeiten. Der Blog Eintrag über Vancouver ist hier auch entstanden. Solche Ereignisse nennen wir “Adminsession”.

    Und dann reißt der Himmel auf. Die Köpfe rauchen. Also ab zum Strand und rein ins Meer. Der heutige Strand liegt auf halbem Weg zwischen Tofino und Zeltplatz in einer betuchten Wohngegend. Parken können wir überall. Aber wir werden auch alle 10 Meter auf Verkehrsschilder mit immer der gleichen Frage konfrontiert: “Have you paid for parking?”. Erst denken wir noch, wir können schlauer sein als das System und gurken ewig durch das Villenviertel. Schließlich geben wir aber resigniert auf und zahlen brav die Parkgebühr. Fühlt sich an wie eine Niederlage. Ist ja auch eine.

    Am Montag, wird ausgiebig gewandert, schließlich sind wir seit 3 Tagen mitten im Pacific Rim National Park, der einen der größten gemäßigten Küstenregenwälder der Welt beheimatet. Zunächst geht es auf die zwei Rainforest-Trails, die jeweils etwa 1,5 km auf Holzstegen durch den Urwald führen. Wir sind begeistert. Von dichtem Grün umringt führen beide Wege vorbei an uralten Riesenlebensbäumen, mächtigen Zedern, abgstorbenen Baumriesen, durch Schluchten hindurch und vorbei an kleinen Bächen. Die Luft ist feucht. Urtümliche Geräusche von Vögeln schallen durch den Wald. Flechten und Moose besiedeln jeden Ast und jeden Fels, dabei gleichen die Flechten langen Zottelbärten die wild vor sich hin wuchern. „Ein gelungener Auftakt“, sind wir uns einig und fahren weiter nach Tofino, wo schon das Wassertaxi auf uns wartet. Das Boot, welches einem alliierten Landungsboot aus dem Zweiten Weltkrieg ähnelt soll uns nach einer 15-minütigen Fahrt auf eine benachbarte Insel bringen. Das tut es auch. Und wie! Der leistungsstarke Motor schraubt sich wirklich ambitioniert durchs Wasser. Wir nehmen vorsorglich unsere Mützen ab. Auf einem Felsen sonnen sich entspannt ein paar Robben. Wir erreichen Meares Island, eine Insel die den ansässigen Native Americans zugesprochen wurde. Auf der fast zweistündigen Wanderung durch diesen noch urwaldigeren Urwald kommen wir an noch älteren Bäumen vorbei, einige dürften nach Schätzungen um die 1000 Jahre alt sein. Sie sind wirklich majestätisch: Ihr Umfang sprengt die Vorstellungskraft und auch ihre Höhe ist nicht im Ansatz vergleichbar mit den Bäumen aus Mitteleuropa. Wahre Giganten. In einer kleinen Bucht machen wir eine Pause mit Banane und Keksen bevor wir uns wieder auf machen ins ewige Grün. Auch diesen Trail haben wir gemeistert und beseelt von der Schönheit und Artenvielfalt der Natur geht es wieder peitschend-forsch mit dem Wassertaxi zurück ans Festland. Am Abend gucken wir dann Twilight im Van. Schließlich gehts schon bald nach Washington State, wo die Haupthandlung der Saga spielt.

    Vorher reisen wir jedoch noch weiter nach Victoria, die größte Stadt auf Vancouver Island. Das 300.000-Einwohner Städtchen gefällt uns auf Anhieb. Es wird viel Wert auf angelegte und gepflegte Grünflächen gelegt, etliche Brunnen sorgen für Erfrischung. Das Publikum ist international, genauso wie das angebotene Essen. Der Hafen ist quirlig mit seinen Wassertaxis, Dampfern und Yachten, die sich scheinbar kreuz und quer (aber vermutlich trotzdem Regeln folgend) ihren Weg durchs Hafenbecken bahnen. Zahlreiche Gebäude in Downtown sind im victorianischen Stil erbaut. “Irgendwie europäisch”, stellen wir fest. Mit dieser Erkenntnis pfeifen wir uns zum Abendbrot einen wirklich leckeren Burrito bzw. Enchiladas beim Mexikanischer rein bevor wir auf unseren heutigen Camp Ground ein wenig außerhalb der Stadt aufmachen. Dieser liegt ganz unaufgeregt eingebettet zwischen Obstbäumen fast direkt am Meer. Die Szenerie gleicht einem Zeltplatz an der Nord- oder Ostseeküste. Wir fühlen uns heimisch. Auf einem alten Treibholzstamm sitzend schauen wir über die Meerenge auf die vielen Inseln und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Wir rätseln ob da vielleicht jemand wohnt.“Wäre cool mal für ein oder zwei Stündchen eine Meerjungfrau zu sein, dann könnten man mal die Unterwasserwelt erkunden, es ist bestimmt ganz friedlich”. Auf dem Weg zurück zum Van dann noch ein Weißkopfseeadler. Hoch oben in einem Baum überblickt er seelenruhig das Geschehen. Zurück im Van bauen wir unser Heimkinosystem auf und gucken - na klar - den nächsten Twilight Teil.

    Mittwoch. Die letzten Stunden in Kanada. Ein letztes Frühstück in Victoria. Stilecht in einem American Diner mit Bacon, Avocado, pochiertem Ei und Sauce Hollandaise. Gestärkt und mit verstopften Arterien hauen wir bei Starbucks noch die letzten kanadischen Dollar auf den Kopf und begeben uns dann zur Fähre. Die Grenzbeamten walten ihres Amtes und segnen unsere Einreise in die Vereinigten Staaten ab ohne mit der Wimper zu zucken (komplette Emotionslosigkeit). Das Auto ist auf der Fähre. Es kann losgehen. (R)
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  • Day 34

    Big City Life in Vancouver

    July 6, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 27 °C

    Von Banff fahren wir einen Tag früher als geplant los Richtung Vancouver. Einen Zwischenstopp machen wir in Revelstoke mit zwei Übernachtungen. Die ganze Strecke von Banff nach Vancouver zieht sich, es geht viel bergauf und bergab und landschaftlich haben wir uns inzwischen an Kanada auch gewöhnt. Revelstoke ist ein kleines, beschauliches Örtchen. Es gibt dort einen ganz netten Nationalpark, den Mount Revelstoke mit dem Meadows in the Sky Parkway. Wir machen dort ein paar kleine Wanderung und besichtigen auch den großen Staudamm, aber mehr gibt es in Revelstoke dann auch nicht zu tun. Am Sonntag machen wir uns nach einem sehr amerikanischen Frühstück bei Dennys (Pancakes MIT Bacon UND Ahornsirup UND Spiegelei UND Hashbrowns, unser Cholesterinspiegel ist für die nächsten Wochen überlastet) endlich auf in Richtung Vancouver. Unser Hotelzimmer in Vancouver haben wir erst ab Montag, aber da es Freitag schon weiter nach Vancouver Island geht, wollen wir den Montag voll in Vancouver auskosten und nicht als Autofahrtag verschwenden.

    Sonntag Abend kommen wir also nach einer langen Autofahrt in Vancouver Downtown an und haben erstmal einen ganz schönen Kulturschock. Wir sind nach so langer Zeit in beschaulichen Nationalparks und einsamen Gegenden von dem Verkehr und den ganzen Menschen etwas überfordert und flüchten erstmal ins Kino: Indianer Jones 5. Genau das, was wir gerade brauchen. Vorher schlagen wir uns noch den Bauch mit frischem und überraschend gutem Indischen Curry aus dem Deli im Supermarkt voll. Die Nacht verbringen wir in einer Einfamilienhausgegend auf der Straße und schlafen in unserem Auto (ein bisschen Lichtenrade-/Karow-like).

    Montag früh fahren wir dann direkt morgens zu unserem Hotel und haben Glück: wir können schon einchecken. Wir bekommen ein 2-Zimmer Apartment im 17. Stock mit tollem Blick über Downtown. Den Tag in Vancouver verbringen wir mit Sightseeing. Im Hop-On Hop-Off Bus geht es zwei Stunden durch Vancouver mit den schönen Seiten wie der Robson Street und dem Stanley Park (den wir bald auch mit dem Rad erkunden wollen) und den nicht so schönen Seiten, wie Chinatown. Wir schlendern am Nachmittag noch durch die belebte und kulinarisch vielfältige Robson Street und gönnen uns einen in Asia-Instantnudeln panierten riesigen Mozzarella-Corn-Dog mit Ranch & Barbecue Dressing (pervers!!).

    Am Abend steht ein besonderes Highlight auf dem Programm: Wir haben einen Tisch in dem sich drehenden Panoramarestaurant im Vancouver Lookout Tower reserviert. Im gläsernen Fahrstuhl geht es auf 170 Meter Höhe. Tatsächlich bekommen wir einen Tisch direkt am Fenster und können einen wahnsinnigen Blick über Vancouver, den Hafen, das Meer und sogar bis zum Mount Olympic in Washington State (USA) genießen. Im goldenen Licht der untergehenden Sonne lassen wir uns nach einem Aperitif bei einer Flasche Wein einen Hummer (Rico) bzw. ein Thunfischsteak (Johannes) schmecken. Auch der Blick bei Dunkelheit ist faszinierend und der erste volle Tag in Vancouver findet so den perfekten Abschluss.

    Am Dienstag leihen wir uns Fahrräder aus und wollen auf den Rädern entlang des wohl sehr tollen Radwegs zum Granville Market, einem Markt mit vielen kleinen Shops und großer Markthalle. Der Plan ist; dass wir uns hier mit Lebensmitteln eindecken und dann im Stanley Park picknicken. Der Radweg ist wirklich ganz malerisch schön, man kommt sich vor, wie in einer perfekten grünen Utopie: Breite Wege für Fußgänger, Spielplätze, Cafés, Blumenbeete, Wohnblocks und der zweispurige Radweg. Weit und breit keine Autos, kein Verkehr, Vancouver ist also wirklich zumindest zum Teil eine Stadt für Menschen und nicht für Autos. Das macht uns sehr glücklich. Am Granville Market angekommen bummeln wir ein bisschen durch die hübschen Geschäfte und kaufen uns sogar eine Hängematte. In der Markthalle sind wir ganz überwältigt von der Auswahl an frischen und leckeren Lebensmitteln und Streetfoodständen. Der Magen knurrt schon, also holen wir uns doch schon etwas für gleich und machen das Picknick gleich vor Ort. Es gibt Pasteten, Spinattaschen, Quiche und Cupcakes. Dazu frischer ungesüßter Eistee und Limonade 😋.

    Nachdem wir uns die Mägen vollgeschlagen haben geht es weiter zum Stanley Park. Das erwartete Picknick hätten wir hier auch gar nicht zufriedenstellend machen können, denn der idyllische Park aus unserer Vorstellung ist in Realität ein mit Straßen und Parkplätzen durchzogener Forst, der keine Liegeflächen bietet und auch keine Möglichkeit unsere Hängematte auszuprobieren (was uns der Verkäufer aber versichert hat). Naja. Zum Glück haben wir das Picknick schon vor Ort im
    Granville Market erledigt.

    Am Abend gibt es in der Bar neben unserem Hotel einen Bingoabend, moderiert von einer Dragqueen. Wir sind früh dran und trinken noch etwas auf der Terrasse. Auf die Frage, wann es denn losginge wird uns geantwortet: „When the Dragqueen arrives. You‘ll notice, she’s very loud!”. Und so war es auch: kreischend und mit allen, die nicht bei drei auf dem Baum waren flirtend betritt die Drag Queen die Bar. Dann geht auch schon der Bingo Abend los. Es werden sechs runden Bingo gespielt. Da es unser erstes Bingo ist, muss Rico auch mal die ein oder andere Frage stellen. „I‘m gonna get you, you cutie with your accent!”, kommt es von der Drag Queen zurück. Insgesamt haben wir viel Spaß, ein Bingo haben wir an dem Abend leider nicht.

    Mittwoch wollen wir einen anderen Teil von Vancouver besichtigen: Gastown. Vorher wollen wir aber noch in die Kunstgalerie Vancouvers, die unter anderem derzeit „Fictional Fashion” ausstellt. Futuristische und fiktive Kleidung, die in einem Paralleluniversum getragen werden könnte. Auch werden Kleider präsentiert, die mit dem 3D-Drucker gedruckt wurden oder aus unkonventionellen Stoffen, wie zB Zellulose gefertigt wurden. Insgesamt war der besucht der Kunstgalerie ganz cool, aber auch nicht unbedingt die 70 $ wert. Nun also weiter nach Gastown. Gastown ist der historische Teil Vancouvers, mit alten Gaslaternen und drei- bis vierstöckigen Backsteinhäusern. Das Viertel ist hip und touristisch, aber auch nicht sehr groß. Nach zwei Straßen sind wir schon durch. Abends verschlägt es uns noch einmal ins Kino (Elemental: ein total süßer Animationsfilm über die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft).

    An unserem letzten Tag in Vancouver frühstücken wir (wie immer) auf unserem Balkon und genießen nochmal den Blick von Downtown. Vor unserem Hotel gibt es direkt einen kleinen Bäcker, der wirklich gute Brötchen hat und dazu gönnen wir uns immer Iced Coffe und Iced Matcha. Heute leihen wir uns nochmal Fahrräder aus. Besser gesagt ein Tandem. Damit fahren wir durch Downtown und genießen das Großstadtgefühl. Vancouver ist uns inzwischen richtig ans Herz gewachsen. Wir stoppen zum Shoppen und halten auch bei der Stadtbücherei, die eine tolle Dachterasse mit Garten hat. Im Granville Market holen wir uns nochmal leckere Kleinigkeiten und fahren dann weiter zu einem der vielen Strände in Vancouver. Hier ist der Pazifik recht warm, da Vancouver nicht direkt am Meer liegt, sondern an einem Fjord und sich das Wasser schneller aufwärmt. Den letzten Abend lassen wir noch mit einem Drink in einer der vielen Bars ausklingen und packen dann am Freitag unser Auto, denn jetzt geht es auf die Fähre nach Vancouver Island! (J)
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  • Day 27

    Banff: Hochs und Tiefs (wortwörtlich)

    June 29, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 22 °C

    Von Japser geht es über die Columbia Icefield Road nach Banff. Die Columbia Icefield Road soll eine der schönsten Strecken der Welt sein, zumindest dem TravelGuide zufolge, der uns in Jasper ausgehändigt wird.

    Auf dem Weg machen wir einige Stopps und strecken die rund 300 Kilometer auf einen ganzen Autofahrtag. Die Straße ist wirklich schön: sie schlängelt sich entlang der typisch-grünen Tannenwälder Kanadas, einiger See und auch bis hoch ins Gebirge, wo das Columbia Icefield besichtigt werden kann. Die Touren sind uns jedoch zu teuer. Wir machen lieber Halt an einigen Wasserfällen und Lookouts und nutzen das Columbia Icefield Infocenter als Mittagspausenstopp und WLAN-Quelle zur Planung der kommenden Wochen.

    Am späten Nachmittag kommen wir in Banff an und merken den Unterschied zu Japser sofort: ein Luxushotel reiht sich an das nächste, die Straßen sind voll mit Touristen und beim Einkaufen verlieren wir bei dem Trubel fast die Nerven. Banff ist deutlich touristischer als Jasper. „Naja“, denken wir uns, „dann wird ja zumindest auch unser Campground ganz nett und erschlossen sein“. Fehlanzeige! Wir müssen aus Banff eine gefühlte Ewigkeit zu unserem Zeltplatz fahren, der mitten in einem immer-feuchten Wald liegt. Statt einer heißen Dusche begrüßen uns mehrere Dutzend Moskitos und die sanitären Anlagen sehen aus, als wären sie seit 1980 nicht mehr renoviert worden (was wohl gar nicht so unwahrscheinlich ist). Unser erster Abend in Banff endet früh, denn am nächsten Tag klingelt schon um 05 Uhr der Wecker: wir wollen zum berühmten Lake Louise. Dieser ist nicht nur uns bekannt und wenn man nicht völlig im Tourismusdschungel untergehen will, muss man wohl spätestens um 06 Uhr morgens vor Ort sein.

    Gesagt, getan. Voller Euphorie sind wir am nächsten Morgen um 05:30 Uhr auf dem Highway Richtung Lake Louise und freuen uns auf das entspannte Morgenidyll an einem unberührten Gletschersee.

    Diese romantisch verklärte Vorstellung wird schnell mit der knallharten Realität überschrieben: gerade so kriegen wir noch einen der letzten Parkplätze. „Dayparking 21 $“. Mürrisch legen wir unsere Parking Permit hinter die Windschutzscheibe und machen uns auf den Weg zur Wanderung zum Lake Louise. Diese Wanderung dauert genau drei Minuten, denn der See ist quasi direkt am Parkplatz. Wirklich unberührt ist der See auch nicht: ein 15-geschossiger Hotelkomplex (Typ Platte mit Märchentürmchen) verspricht einen einmaligen Blick vom eigenen Hotelzimmer auf den Lake Luise und reiht sich problemlos ein in das Gesamtbild, das durch betonierte Wege und hunderte posierende Touristen komplettiert wird. Unsere Laune ist entsprechend. „Naja“ ,denken wir uns, „vielleicht gibt es ja hier in der Nähe doch noch einen recht ruhigen Wanderweg, damit die 21 $ nicht völlig zum Fenster rausgeschmissen sind“. Und so ist es auch: versteckt an der Seite von einem betonierten Weg um den See weist ein Schild den Wanderweg zum Lake Agnes und dem gleichnamigen Teehaus aus. Das ist genau nach unserem Geschmack und wir machen uns direkt auf. Die Wanderungist wirklich anstrengend. Die 3,8 Kilometer fühlen sich an wie 10. Es geht steht nur bergan und der Wanderweg selbst ist tatsächlich eher naturbelassen. Aber das ist auch was wir wollten. Als wir nach mehreren Pausen, kleinen Zickereien und viel Schweiß endlich beim Agnes Lake und dem Teehaus angelangt sind, ist es kurz vor acht. Das Teehaus macht um acht auf. Perfekt! Eine kleine Schlange hat sich schon vor der Hütte gebildet, aber das ist im Vergleich zum Lake Louise wirklich verkraftbar. Die Anstehenden kämpfen nach der Eröffnung um die Plätze draußen mit vermeintlich schönsten Blicken, aber wir entscheiden uns rein zu gehen, da es ohnehin noch sehr frisch ist. Das ist auch die beste Entscheidung, der Charme des Teehauses kommt im Innenraum erst wirklich zur Geltung und wir sitzen an dem schönsten Platz durch das Fenster auch einen wirklich malerischen Blick hatte. So kommen wir auch mit dem Team ins Gespräch („this is exactly the spot I sit at every morning!”) und im Hintergrund dudelt zwischendurch sogar „Pocahontas“ von „Annenmaykantereit“. Wir trinken Limonade und essen Suppe und Kekse. Als wir das Teehaus wieder verlassen, hat sich davor schon eine dermaßen lange Schlange gebildet, dass wir wirklich Mitleid mit den Wandernden haben, die es bis hier geschafft haben und dann noch so lange anstehen müssen. Für uns geht es aber erstmal noch etwas höher hinaus zum „Little Beehieve“ von welchem wir einen tollen Blick über den Lake Louise (ohne Touristen) haben. Der Abstieg ist auch nicht unanstrengend, aber wir sind wirklich froh, dass wir so früh gewandert sind, denn es kommen uns Massen an Menschen entgegen, die sich eine solche Idylle wir sie beim Anstieg hatten wohl auch wünschen würden. Letztendlich hat sich Lake Louise also doch gelohnt.

    Den Nachmittag nutzen wir, um ab dem nächsten Tag einen neuen Campground zu finden und kochen uns abends eine mittelmäßige Reisepfanne.

    Der zweite Banff-Tag wird genutzt zur Orga von Campgrounds und dem Buchen einer neuen Unterkunft in Vancouver (unsere bisherige hat wohl einen Wasserschaden). Am Mittwoch wollen wir mit der Sunshine Valley Gondola hoch zum Sunshine Valley fahren und von dort weiter mit dem Sessellift zum Start des Grizzly Lake Loop. Wir stehen wieder früh auf, um die erste Gondel um 08 Uhr zu erwischen. Doch auch hier haben wir Pech: die Gondel fährt nicht (Reparaturarbeiten). Als Ersatz wird ein Bus-Shuttle angeboten, preislich bleibt es aber bei den 65 $ pro Person. Immerhin funktioniert der Sessellift und eine Fahrt in einem klapprigen, gelben Schulbus der zum Shuttle umfunktioniert wurde, ist auch kein uncooles Erlebnis (wir fühlen uns wie Bart Simpson).

    Oben im Sunshine Valley geht es auf den Sessellift und von über 2.100 Metern dann los auf die Wanderung. Diese Wanderung ist die malerischste und bezauberndste die wir bisher gemacht haben: wir sind fast ganz alleine mitten im Hochgebirge, umgeben von Bergblumen, riesigen Wiesenflächen und atemberaubenden Ausblicken. Uns begegnen nur mehrere Nager auf dem Weg und auch ein zutrauliches Murmeltier kreuzt unseren Weg. Die Wanderung führt entlang von drei Seen und passiert auch den „Simpson-Lookout“ (wie passend).

    Der Hinweg geht fast nur bergab, das Wissen, auch alles wieder hoch zu müssen entmutigt uns bei einer solchen Atmosphäre aber nicht. Der Gedanke an Bären ist bei uns zwar immer noch im Hinterkopf vorhanden („Be Bear Aware!“) aber wir sind inzwischen schon deutlich entspannter und natürlich begegnet uns auch kein Grizzly (auch nicht am Grizzly-Lake).

    Der Rückweg ist so wie am Lake Louise: uns kommen ununterbrochen Wandergruppen entgegen und wir sind wieder darin bestätigt: früh Wandern lohnt sich! Als wir zurück kommen fährt die Gondel wieder, wir gönnen uns aber erstmal noch einen Snack (überbackene Nachos) im ansässigen Pub. Gerade als wir fertig sind, donnert es in der Nähe und die Gondel schließt, diesmal wegen des Wetters („Is‘n Scherz oder?“). Zunächst beschließen wir zu warten und überbrücken etwas Zeit mit Billardspielen im Pub, aber als auch nach 1,5 Stunden keine Wiedereröffnung der Gondel in Sicht ist, geben wir auf. Also wieder mit dem Bus runter. Die Gondel hat leider nicht geklappt, aber die Wanderung war’s trotzdem wert (und Sessellift fahren war auch ganz nett ☺️).

    Insgesamt ist uns Banff zu touristisch und wir beschließen, einen Tag früher als geplant abzureisen. Den letzten Tag wollen wir noch im Johnston Canyon wandern gehen und dann weiter ziehen in Richtung Revelstoke und Vancouver.

    Für den Johnston Canyon heißt es wieder um 06 Uhr aufstehen. Diesmal ist der Parkplatz wirklich leer und wir können die Wanderung sehr genießen. Sie führt entlang zwei toller Wasserfälle und weiter bis zu den „Inkpots“, kleine Seen in verschieden Farben, die von unterirdischen Quellen gespeist werden. Auch hier wieder viel bergan und bergab, wir schwitzen, aber die Ausdauer wird langsam schon besser. Bei den Inkpots sind wir ganz alleine und können eine ausgedehnte Pause mit kleinem Schläfchen machen. Auf dem Rückweg treffen wir wieder viele Wandernde und zweigen auf halber Strecke Richtung „Moose Meadows“ (zu deutsch: Elchwiesen) ab, ein Umweg von ca fünf Kilometern. Hier erhoffen wir uns aber große weite Wiesen und vielleicht auch den ein oder anderen Elch. Naja, der Wanderweg schlängelte sich durch einen sehr dichten Tannenwald („Wo sind die Meadows und wie zur Hölle sollen hier Elche durchpassen??“) und endet auf dem Moose Meadows Parkplatz. Von hier müssen wir nochmal zwei Kilometer entlang des Highways laufen, auf dem oft Grizzlys gesichtet werden. Doch auch diesen Entspurt in der heißen Sonne schaffen wir und genießen dann, nach 16 Kilometern Wanderung (und 123 Stockwerke An- und Abstieg laut der iPhone Fitness App) die Klimaanlage im Auto. Mittags heißt es dann Kaffee trinken und FindPenguins schreiben und den letzten Abend gehen wir nochmal richtig schön essen (Rico will Bison Ribeye Steak probieren).

    Banff war insgesamt sehr durchwachsen. Touristisch aber trotzdem landschaftlich wirklich schön. Also Hoch‘s und Tief‘s sowohl emotionaler Art als auch auf den Wanderungen. Weiter gehts nach Revelstoke! (J)
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  • Day 22

    Jasper Nationalpark: Schnee & Chipmunks

    June 24, 2023 in Canada ⋅ ☁️ 18 °C

    Nach drei langen und anstrengenden Autofahrtagen und bislang insgesamt über 3.000 Kilometern Fahrt kommen wir endlich im Jasper Nationalpark an. Wir sind auf einem super schönen Campingplatz, unser Stellplatz liegt am Rand des Zeltplatzes umgeben von Bäumen. Hier soll es auch Bären geben, wir treffen aber glücklicherweise keinen an. Stattdessen nur einige Eichhörnchen, die sich von unserer bloßen Anwesenheit scheinbar gestört fühlen und ordentlich Alarm machen. Als sie jedoch merken, dass von uns keine Gefahr ausgeht, nehmen sie sich wieder ihre Lieblingsbeschäftigung an: Tannenzapfen aufknacken und die Samen fressen.

    Total ausgehungert von der langen Fahrt gönnen wir uns an diesem Abend seit langem mal wieder ein Essen im Restaurant. Bei Earl‘s kommen wir auf unsere Kosten und lassen uns neben „Crispy Prawn Sushi Tacos“ auch eine „Spicy Salmon Poké Bowl“ und einen richtig guten Burger schmecken.

    Am nächsten Tag gehen wir es erstmal entspannt an. Wir schlafen aus. Es regnet, also nochmal umdrehen. Gegen Mittag schluffen wir zu den Waschräumen und hören dort von einer Camperin, dass es in Japser scheinbar kurz vor unserer Ankunft heftige Schneefälle gegeben hat und die meisten Wanderwege derzeit sowieso gesperrt sind. „Also ich werde heute keinen Fuß aus meinem Camper bewegen“, teilt sie uns mit.

    Wir zucken müde mit den Achseln, gehen duschen. Dann gucken wir einen Film und machen Mittagsschlaf. Als wir davon erwachen, scheint die Sonne und die Vögel zwitschern. Jetzt wollen wir mal die Stadt von Japser erkunden. Jasper ist ein wirklich schöner kleiner Ort, mit einer Einkaufsstraße, netten Cafés und alten Gebäuden. Die meisten Gebäude sind zwar renoviert, aber dennoch wirkt Japser authentisch kanadisch. So wie man sich eine kanadische Kleinstadt eben vorstellt. Wir kaufen einige Lebensmittel für die nächsten Tage ein, heute Abend gibt es Burger. Die gelingen auch wirklich gut und schmecken köstlich. Nach diesem sehr entspannten Tag, stellen wir uns aber für den nächsten Tag um acht einen Wecker: „Morgen machen wir endlich unsere erste richtige Wanderung!“.

    Naja, auf den Wanderweg sind wir letztendlich so gegen 12. Das mit dem früh aufstehen müssen wir noch üben. „Aber wir sind ja jetzt auch in einer anderen Zeitzone. Für uns hat der Wecker schon um sieben geklingelt“. Dass wir zu spät dran sind, merken wir bereits bei der Parkplatzsuche. Wenn man hier in Ruhe wandern will, muss man eigentlich vor 07:00 Uhr auf den Wanderwegen sein.

    Die Wanderung die wir heute machen wollen heißt „Valley of the Five Lakes“. Und sie hält was sie verspricht. Fünf wunderschöne Seen begleiten diesen (leider zu Anfang etwas überlaufenen) Wanderweg. Wir haben noch nie so glasklares Wasser gesehen. Die türkisblauen Seen liegen unberührt und ohne Aufregung gebettet inmitten der Kiefernwälder des Jasper-Nationalparks mit den schneebedeckten Rocky-Mountains im Hintergrund. An einem See machen wir kurz Rast und gehen bis zu den Knien ins Wasser. Kalt aber schön.

    Die Folgen des Unwetters können wir nun auch sehen, denn der Wanderweg ist übersäht mit umgestürzten Bäumen. Teilweise müssen wir drüber steigen oder unten durch kriechen. Ab und zu laufen wir aber auch zwei Arbeitern des Nationalparks über den Weg, die mit ihrer Kettensäge die Bäume einfach dort abschneiden, wo sie den Wanderweg blockieren. Simpel aber effektiv.

    Wir entscheiden uns, den größeren Bogen um den letzten See zu laufen und unterschätzen ein bisschen, wie anstrengend das doch für uns wird. Kein Wunder, dass wir auf einmal auch ganz alleine auf dem Wanderweg sind. Also wieder laut sprechen und singen und bloß keinen Bären erschrecken und erst recht keinem über den Weg laufen.

    Bären treffen wir zum Glück keine. Nur einige Eichhörnchen die ganz süß ihre Tannenzapfen knacken. Dieser Emoji 🐿️entspricht in etwa genau dem, wie die Hörnchen hier auf den Bäumen sitzen.

    Die letzten drei der insgesamt neun Kilometer langen Wanderung suchen wir den passenden Platz für Rast. Hier fühlt es Johannes nicht, dort fühlt es Rico nicht, „aber wenn wir wieder an dem See rauskommen, da setzen wir uns ans Ufer und machen Rast!“. Nun ja, der einzige See an dem wir noch rauskommen ist ein milchiger, mückiger See mitten in der knallen Sonne, über dessen Steg alle Wandernden rüberlaufen. Diesen See (oder Teich) haben wir am Anfang der Wanderung auch überquert und wissen also, dass die Wanderung fast vorbei ist. Pause machen wir also am Ende in unserem sehr aufgeheizten Auto.

    Auf dem Rückweg überquert noch eine Elchkuh mit ihrem Jungen die Straße ganz selbstverständlich und ohne wirklich auf den Verkehr zu achten. „Fair“, denken wir uns, denn eigentlich ist das ja hier ihr Revier und nicht unseres.

    Für die nächste Wanderung (Maligne Canyon und Maligne Lake) stehen wir nun tatsächlich früh auf. Um sechs klingelt der Wecker und um 07:30 Uhr sind wir auf dem Parkplatz. Auf dem Weg sehen wir noch einen Elch mit deinem prächtigen Geweih, der sich an den mit Morgentau befeuchteten Büschen am Straßenrand sattfrist.

    Die Wanderung selbst ist atemberaubend. Ein kleiner Trampelpfad führt uns erst einige Kilometer tief in den Wald hinein, bis wir ein leises Plätschern zu unserer rechten hören. Dieses entwickelt sich, je weiter wir laufen, immer mehr zu einem lauten Rauschen, bis wir schließlich am Maligne River stehen, der sich mit unglaublicher Kraft und Stromstärke durch den Canyon windet. Mehrere Wasserfälle und Stromengen lassen das Wasser immer mehr beschleunigen. Die Natur kann manchmal ganz schön brutal und gleichzeitig so faszinierend sein. Gerade jetzt in der morgendlichen Idylle schneidet dieser peitschende Strom einen groben Kontrast und fügt sich dennoch so mühelos perfekt in das Gesamtbild ein.

    Nach dem Maligne Canyon geht es noch weiter zum Maligne Lake, wo wir den Mary-Schäffer-Loop laufen wollen. Je weiter wir fahren, desto mehr Schnee liegt am Wegesrand, bis wir letztendlich an einem völlig zugeschneiten Maligne Lake ankommen. So viel Schnee habe es im Juni hier noch nie gegeben erzählt man uns. Total abgefahren. Wir laufen in dünner Kleidung (Rico mit kurzer Hose) den zugeschneiten Mary-Schäffer-Loop, einen total malerischen kleinen Rundwanderweg, der sich entlang des Sees und durch den anliegenden Wald schlängelt. Hier im Schnee kann man leider auch die ganzen Spuren sehen, die uns wissen lassen, dass hier vor nicht all zu langer Zeit wenigstens ein Bär lang getapst ist. Inzwischen sind wir aber schon cooler was Bären angeht. Als wir um eine Ecke laufen sitzt mitten auf dem Weg ein Tannenhuhn, dass es sich auf dem Wanderweg gemütlich gemacht hat. Als es uns sieht wird es etwas nervös und auch der Hahn kommt dazu. Das Huhn steht auf und wir verstehen, warum es so aufgeregt ist: die Henne hat ihre Küken gewärmt, die vermutlich im Schnee so nicht überleben könnten und auf die Wärme durch ihre Mutter angewiesen sind. Auch die Tiere passen sich hier also dem ungewöhnlichen Wetter an.

    Wir sind ganz beglückt das beobachten zu können und freuen uns noch bis zum Ende des Wanderweges darüber. Auf der Rückfahrt sehen wir am Straßenrand sogar noch eine Schwarzbärin mit zwei jungen. Die kleinen Bären sind ja noch süßer als die großen!!

    Die restliche Zeit in Japser verbringen wir mit Planung der nächsten Wochen (Columbia Icefield Road, Banff, Revelstoke, Vancouver, Vancouver Island, Whashington State mit dem Olympic Nationalpark,…). Wir ziehen nochmal auf unserem Zeltplatz um, diesmal schlagen wir unser Lager neben einem kleinen Bach auf und rösten Marshmallows über dem Lagerfeuer. Das Feuerholz kriegt man hier dazu und von unseren Nachbarn kriegen wir sogar eine Axt für einen schmalen Taler. Rico freut sich ganz besonders, jetzt endlich mal Holz spalten zu können („Ich wollte schon immer mal eine Axt haben!“)

    Wir waschen Wäsche, gehen
    einkaufen und dann heißt es auch schon Abschied nehmen von Japser und dem Jasper Nationalpark. (J)
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