• Dörte und Jens

DJ Orient

Wir, Dörte und Jens, haben unsere Backpacks gestopft, die Hausschlüssel übergeben und unsere Jobs aufgegeben. Um auf Entdeckung in neue Länder mit ihren faszinierenden Geschichten und Kulturen zu gehen und dabei wunderbaren Menschen zu begegnen. Läs mer
  • Resans start
    17 juli 2023

    Darum sollte jeder Reisen

    15 juli 2023, Tyskland ⋅ ☀️ 11 °C

    Reisen...

    lässt dich und deinen Horizont wachsen. Führt dich zu Unbekannten wie Menschen, Orten und Situationen, Dingen, die du dir selber nicht erträumen lassen kannst. Öffne dabei deine Augen für die Möglichkeiten und Größe der Welt.

    Bringt dich an Grenzen, lässt dich wanken und fängt dich in Momenten immer wieder auf, die dich nie wieder loslassen werden. Diese Erlebnisse führen dich aus deiner "Minity Mentality". Das schmerzt und befreit zugleich und gibt dir einen klaren Blick auf die Vergangenheit, das Hier und Jetzt und deine Zukunft und vor allem auf dich selbst.

    Deine Heimat, dein Zuhause aus Menschen, Gewohnheiten und einem Umfeld erstrahlt im klaren und hellen Licht, weil es sich so wertvoll zeigt, wie es wirklich ist: Eine Konstante, die Halt gibt.

    Kleine Dinge glühen auf, die man sonst nicht sehen konnte. Das Leben gerät ins Wanken, weil dir tausend Eindrücke entgegenschießen mit Gefühlen, die wärmen und dich gefrieren lassen, gerade so ehrlich wie sie nun einmal sind.

    Und am Ende wird dein Blick vom Reisen klar wie ein Diamant, der mit jedem Fußabdruck den du in die Welt machst, egal ob groß oder klein, weiter geschliffen wird. Denn du wirst immer wissen, wo dein Heimathafen ist und wo du Zuhause bist, egal wann und wo das sein wird.

    Das Logbuch deiner Reisen ist immer bei dir, tief in deinem Herzen, sind alle Begegnungen gesammelt. Du selbst entscheidest wann und ob du diese Schatztruhe öffnest, sie wird dich sicher nie wieder verlassen und einzigartig für dich sein. Tritt auch du raus und schau um die Ecke, die dir bisher verborgen geblieben ist.

    Reisen ist faszinierend und bereichert jeden von uns
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  • Tichy im 10. - Wien

    20–25 juli 2023, österrike

    Wien ist einfach spitze, sie wird als die leiwandste Stadt der Welt gesehen.
    Wir haben uns in Wien verliebt, weil Wien so unfassbar lebenswert ist. Ost und West hier verschmelzen, dabei Kultur und Kulinarik mörder guat sind.

    Rubrik-da legst di nieder:

    1. Der Wiener Kinoklassiker "Der dritte Mann" aus dem Jahr 1948 wird noch heute mehrmals in der Woche ausgestrahlt im historischen Wiener Burgkino

    2. Das berühmte Würstel "Käsekrainer" ist gar nicht aus Wien, sondern stammt aus Slowienen -> schmeckt trotzdem guat

    3. Der Joseph macht das weltbeste glutenfreie Brot... echt (Jospeh Brot 1. Bezirk)
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  • Überraschungs-Ei

    23–26 juli 2023, Slovakien ⋅ ⛅ 31 °C

    Besserer Kaffee als in Wien?
    Riesenspringbrunnen als Open-Air Kinderbadeparadies?
    Autobahn statt jüdische Viertel?
    Geburtsort jüdischer Selbstverteidigung?
    Die Welt steht Kopf?

    Willkommen in Bratislava :-)Läs mer

  • Wer hat den Größten?

    25–30 juli 2023, Ungern ⋅ ☁️ 24 °C

    Wer hat den Größten?

    Gulaschkommunismus ist kein Gericht, sondern der Titel Ungarns Sonderrolle in der Sowjetunion. Weil man den Widerstand der Ungaren fürchtete, gab es hier gegenüber anderen Regionen etwas mehr Freiheiten. Und die Sprache ist einzigartig und ganz schön schwierig: Sage und schreibe 44 Buchstaben.

    Zum Anstoßen wird zum Beispiel: 'Egeschegedreck' gesagt.

    Hier sprießen unzählige Quellen, die in Zukunft der Reichtum des Landes werden könnten. Kluge Köpfe und Ingeneure entwarfen unter anderem den Zauberwürfel und den Irkarus-Bus, der heute noch das Stadtbild ziert. Verlassene Häuser sind hier zum Teil hippe Ruin-Bars und der Langos wird nach wie vor in Massen verspeist.

    Und warum hat Ungarn nicht mehr den Größten? Beim Bau des Präsidenten-Palast wurde bewusst das Westminster Abbey um 2 Meter in der Länge übertroffen. Mittlerweile übertraf Bukarest diese Länge nochmals und Ungarn bleibt für uns trotzdem ganz Groß ;-).
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  • Katzen die Löwen sein wollen

    30 juli–2 aug. 2023, Kroatien ⋅ ⛅ 26 °C

    Auf dem ersten Blick sind wir uns nicht sicher, was für ein Tier auf dem Dach der Markuskirche dargestellt wird. Das Bild aus Dachziegeln möchte einen Löwen präsentieren, jedoch war das Wissen über Löwen zu dieser Zeit offensichtlich nicht ausgeprägt genug, sodass diese schönen Geschöpfe entstanden sind (siehe Bild).

    Plötzlich knallt es! Die Uhr steht auf 12 Uhr Mittags. Es ragt eine Kanone aus dem Dachgeschoss eines alten Turms in der Altstadt. Jeden Tag seit über 140 Jahren wird einfach nur der Tradition halber ein Schuss gelöst, um den Bewohnern Zagrebs zu signalisieren, dass alles in Ordnung ist. So erzählte es uns jedenfalls der Stadtführer... Zagreb setzt mit seiner kleinsten Seilbahn der Welt in Sachen Einzigartigkeit einen drauf, die uns anschließend die 66 Meter in 55 Sekunden in die Unterstadt bringt.

    Was unsere Reiseherzen jedoch noch höher springen lässt: Die Cevapcici von Plac am Dolac Markt in der Innenstadt. Hier wird gezaubert in der Küche und es schmeckt hervorragend. Serviert werden die Cevapcici schlicht mit Sandwichbrot, rohen Zwiebeln und Ajvar und zusammen mit einem frisch gezapften Karlovačko-Bier ist das ein wahrer Genuss.

    Beste Leben.
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  • Wer ist eigentlich Jože Plečnik?

    1–3 aug. 2023, Slovenien ⋅ ☁️ 27 °C

    Uns summt es noch in den Ohren „Again, again and again“. Mit einer piepsigen und hohen Stimme und einem herzlichen Lachen beendet unsere Stadtführerin ihren eigenen Witz.

    Die Rede ist von Jože Plečnik, der prägende Architekt dieser wunderschönen Hauptstadt Sloweniens. Er baute viele Gebäude, Brücken und Märkte in Ljubljana und wir werden ihn nie vergessen, weil das „Again, again and again“ zu unserem Running-Gag auf der Reise geworden ist.

    Ljubljana ist zum Genießen: Tolle Hotels, vorzügliche Restaurants in mitten einer autofreien Innenstadt, wo kleine E-Busse dich kostenlos durchs Zentrum chauffieren. Ein Markt mit regionalen Köstlichkeiten von Bauern aus dem Umland, wunderschöne Brücken und viele Parks und Grün.

    Slowenen keltern orangenen Wein, der zwar optisch schön ist, jedoch geschmacklich mehr als durchschnittlich. Auch die warmen Worte und der vorherige ausführliche Genuss von unserem Guide Boris bei der Weinprobe änderte nichts am Geschmack des orangenen Weins.

    Vermutlich kommen wir „Again“, weil Ljubljana im Herzen Europas eine prächtige Stadt ist.
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  • Bahnen, die eine kleine Welt bedeuten

    3–6 aug. 2023, Kroatien ⋅ 🌙 25 °C

    Da fahren wir nun nach einem heißen Sommertag in einem von Kreuzfahrttouristen völlig überfüllten Split in strömendem Regen mit dem Fahrrad den Berg hinauf und eigentlich habe ich gerade auch keinen Bock mehr weiterzufahren.

    Und plötzlich steht da mitten zwischen den tristen Wohnblöcken eine Bretterbude. Da gibt es Bier und Schnaps und vor allem Männer, die Karten spielen. Und eine Boules-Bahn. Die eigentlich eine Balote-Bahn ist. So heißt das hier nämlich.

    Und die Herren sind so nett, dass sie uns tatsächlich ihre Kugeln ausleihen. Gerade hat es aufgehört zu regnen und wir freuen uns wie die kleinen Kinder über unsere Wurfkünste. Bis die Männer selber anfangen zu spielen. Da fallen mir nur noch die Augen aus dem Kopf: Da wird mit einer Geschwindigkeit und Kraft geworfen, mit einer Präzision gezielt, das Spiel des Gegeners kurz vor Ende zerstört und diskutiert und wild gestikuliert und mitten zwischen diesen alten Veteranen, im Sonnenuntergang, leicht einen sitzend, schauen wir dem Treiben zu.

    Für einen kurzen Moment sind wir einfach Balote-Spieler wie alle anderen.
    Diese Zugehörigkeit lässt uns in das kroatische Leben eintauchen - Heimat in der Ferne.
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  • BH

    6–7 aug. 2023, Bosnien och Hercegovina ⋅ ☀️ 25 °C

    Bosnien-Herzegowina

    Wenn wir das Land mit drei Wörtern beschreiben müssten: Kaffee, Kippe und Golf 2.

    Das begleitet uns überall und ständig. Und es ist dabei zerrissen wie der ganze Balkan. Drei Präsidenten, drei Versionen der Geschichte, drei Postämter, drei Telekommunikationsgesellschaften...und überall sind die Spuren des Krieges noch sichtbar.

    Doch dieses Land hat so viel mehr zu bieten: blaue und tosende Wasserfälle, grüne Wanderwege, traditionelle Berghütten, uralte Steinformationen, natürliche Bergseen, Derwisch Kloster aus dem 15. Jahrhundert, viele mittelalterliche Burgen, leckeren Wein, Bergziegenkäse, Sac (FLEISCHgericht), todesmutige Brückenspringer und eine unfassbare Gastfreundschaft.

    Love BH.
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  • Može? Ne može?

    7–13 aug. 2023, Bosnien och Hercegovina ⋅ ⛅ 26 °C

    Geht oder geht nicht?

    Bei Familie Nuić in Ljubuški geht (fast) alles. Und vor allem plötzlich Teil einer unfassbar herzlichen Familie zu sein. Die alles mit uns teilt: Täglich (!) bestes Essen von Oma Manda (wie sie sich Jens sofort vorstellt und einer sehr taffen Frau) oder dem zukünftigen Sterne-Koch Philipp, der "Sač" (herzegowinische Grillpfanne) und Schweinebäckchen zaubert. Es gibt Wein in Massen, kreiert u.a. von Zlatko (Blanc de Noir) und desigend von Kata (alles drei Enkelkinder). Wir werden eingeladen zum Familienfest von Josip und Vicky und lauschen den unfassbar lustigen Geschichten von Vlado, dem Ehemann von Manda. Der hat hier schon gelebt, als er mit seiner Mutter noch Kartoffeln gegen anderes Gemüse kilometerweit entfernt getauscht hat, als es noch keine Wasserleitung und keinen Strom gab - er selber sorgte dafür, dass dies sich ändert.

    Wir werden verwöhnt (schon lange hat uns niemand mehr zum Frühstück gerufen), wohnen wie die Fürst:innen und werden überall hingefahren. Philipp zeigt uns das ganze Weingut, das die Familie aus dem Nichts (also einem steinigen Acker) geschaffen hat, gibt uns eine private Weinprobe und unterhält sich mit uns, als wären wir alte Freunde.

    Wir werden mehrere Male zum Essen eingeladen und jeder Versuch eine Rechnung zu bezahlen wird beinahe mit Unmut abgewehrt.

    Keine Ahnung, wie wir uns jemals für so viel Gastfreundschaft bedanken können. Wir versuchen es: Tausend Dank liebe Familie Nuic!
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  • Die geteilte Stadt

    14–17 aug. 2023, Bosnien och Hercegovina ⋅ ☀️ 29 °C

    Wir kommen mitten in der Nacht mit dem Zug in Sarajevo an und finden einen menschenleeren alten sowjetischen Bahnhof vor, der irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt und gleichzeitig auch wunderschön. Uralte Telefonzellen, die noch in Betrieb sind, und einige Busunternehmen mit zig deutschen Städten auf ihren Routen. Es zeigt, dass die Ströme vieler Bosnier weiterhin ungebrochen ins Ausland pulsieren, teils wegen Verwandtschaft und teils wegen der besseren Lebensperspektiven.

    An der Ecke dampft der Cevapcici-Grill, ein im ganzen Balkan typisches Bild...diesen hätten wir besser überspringen sollen. Am nächsten Tag streckt uns diese Essen nieder, Bauschmerzen und Durchfall bestimmen unseren Tag. Die Stadtführung durch ein schlauchartiges Sarajevo, welches von Bergen umschlossen ist, wird zäh, weil der Magen immer wieder streikt. C'est la vie auf Reisen, wer gerne einfach, authentisch und lokal isst, wird zwangsläufig mal daneben greifen. Nach zwei Tagen mit viel Bett, Suppe und Cola sind wir wider aufnahmefähig.

    Sarajevo schockt einfach, eine Mischung aus der osmanischen Periode, Habsburger-Königszeit, alten Jugoslawien-Zeit, Olympiabauten von 1984 und modernen Wolkenkratzern. Alles in den Mixer und voilá das Stadtbild Sarajevo ist fertig, alles umrahmt vom Miljaka Fluss, welcher zentral in der Stadt fließt. Die Epochen der Stadt spiegeln sich auch in der bewegenden Geschichte wieder, die überall spürbar ist.

    Wir spazieren über die Brücke vom Attentat auf den ungarisch-österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand, welches den 1. Weltkrieg auslöste und besuchen das wirklich kleine Museum dazu. Danach trinken wir einen bosnischen Café im osmanischen Teil der Stadt und schlendern durch den alten Bazar mit Souvenirs aus vergangenen Tagen. Auf der anderen Flussseite steht der alte Sportkomplex von Olympia, der seine beste Zeit hinter sich hat und nun finden dort eine Diskothek und ein Museum für Musikgeschichte platz. Hier zeigen in einem Kooperationsprojekt junge Künstler die Rock-Geschichte Jugoslawiens bis Anfang der 90er Jahre.

    Einschusslöcher in Gebäuden sind Zeitzeugen des Balkankriegs, während dessen die Stadt über drei Jahre von den Serben belagert war. Im Nationalmuseum Sarajevos mit angeschlossen Tito Café finden wir eine weitere Lebensgeschichte der Stadt. Zum einem die Heroisierung des Gründungsvaters Jugoslawiens Josip Broz "Tito", der hier bis heute ungebrochen von vielen verehrt wird. Von vielen aber auch ungebrochen verabscheut aufgrund all seiner Gräueltaten. Im umliegenden Garten gibt es einen Militär-Friedhof mit Panzern und Waffenarsenal. In der aktuellen Ausstellung reist man in einem Wohnzimmer den Flüchtlingsgeschichten nach Deutschland im Balkan-Krieg nach.

    Am Abend pulsiert die Stadt wegen des Film-Festivals, welches ein internationales Publikum, hunderte Filme und Partys in die Stadt spült und das heutige Leben gut widerspiegelt auf dem Weg in eine sichere und moderne Welt. Es ist eine laue Sommernacht, mitten im Innenhof eines Wohnviertel Sarajevos wird ein Kino geschaffen und wir chillen in Liegestühlen und lauschen der Dokumentation von Joan Baez "I am a Noise".

    Und dann kommt die Realität und haut uns wieder um. Sarajevo teilt sich in zwei Teile auf, einen bosnischen und einen serbischen. Diese leben nebeneinander und trennen die Stadt bis heute spürbar: In der Verwaltung, im Schulsystem, Telekommunikation und vor allem in den Köpfen der Menschen. Letzteres erschreckt uns am deutlichsten. Wir fragen mehrere Bewohner der Stadt nach dem Weg zum Busbahnhof, der uns nach Srebrenica bringen soll. Dieser liegt im serbischen Teil der Stadt und wir wohnten im bosnischen. Meinungen der Bürger gingen von "ich weißt es nicht, das geht glaube ich nicht" über "nimmt ein Taxi, das geht sonst nicht anders" bis hin zu "nur mit Taxi, weil es viel zu gefährlich ist" und "die Menschen im anderen Teil sind gefährlich". Was skuril wirkt, ist jedoch die Wahrheit und lebendige Zeitgeschichte und Folge vieler Traumata. Wir nehmen den Bus und finden selber unseren Weg. Der bosnische Bus fährt jedoch nicht über die innere Stadtgrenze, die anschließenden 500 Meter laufen wir zu Fuß in den serbischen Teil. Das Misstrauen, die Distanz und die Haltung des jeweils Anderen, in der wohlgemerkt selben Stadt, hinterlassen in uns ein furchtbares Gefühl und viele Gedanken.

    Sarajevo ist resistent gegen alle harten Zeiten der Geschichte und steht noch heute genau dafür. Eine unfassbar lebendig und aus unseren Augen wunderschöne Stadt. Die mit ihrer Authentizität und Lebendigkeit uns in den Bann gezogen hat.
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  • Entweder du bist fleißig oder Gauner

    16–18 aug. 2023, Bosnien och Hercegovina ⋅ ☁️ 24 °C

    Für manche Dinge gibt es keine richtigen Worte. Es dauert, bis man überhaupt darüber sprechen kann - selbst, wenn man es gar nicht selber erlebt hat.

    Was wir in Srebrenica gesehen haben gehört dazu. Da ist ein Ort, der eigentlich bekannt war für seine heilenden Quellen. Große Hotelruinen und Wanderwege zeugen von einer strahlenden Vergangenheit. Berge, Wälder, wunderschöne Aussichten…geradezu idyllisch.

    Und dann liest man, sieht in Videos, hört von Zeitzeugen, was in diesen Wäldern und Bergen geschehen ist. Und mir fehlen die Worte. Erneut und wie so oft ob der menschlichen Brutalität, der Skrupellosigkeit, dem Hass.
    Wer auch immer dorthin fährt: Bitte nehmt euch Zeit. Für alle Aspekte, Perspektiven und Räume. Und nehmt euch Zeit für den Ort.

    Und für die Menschen…beim Trampen lernen wir glücklicherweise Damir kennen…einen der witzigsten Lebemänner, die ich getroffen habe.
    „Bevor du fertig bist, mein Auto zu reparieren, habe ich ein Kind gemacht und großgezogen und das hat das Auto schneller repariert.“ Solche und noch viel mehr Sprüche haut er raus.

    Auch er war dabei. Er hat überlebt. Sein Vater auch. Er konnte fliehen, weil er eine alte Frau getragen hat. Sein Vater hat Monate durch die Wälder bis nach Tuzla gebraucht.
    Damir wäre heute eines meiner IK Kinder*, die selten zum Unterricht erschienen wären. Mit denen ich tausend Gespräche deswegen geführt hätte. Und es ist so gut, seine Perspektive zu hören. Er wollte lieber arbeiten. Geld für die Familie in Bosnien verdienen. Da lag seine Verantwortung. Für die er bis heute alles gibt. Streng, doch nicht ohne Humor. Prioritäten sind eben unterschiedlich.

    Am Ende wurde Damir eben auch wieder aus Deutschland abgeschoben. Denn der Krieg war ja vorbei. Er ist in die Nachbarschaft zurückgekehrt aus der er grausamst vertrieben wurde. Und Damir ist der Fleißige. Kein Gauner. Eine ehrliche Seele. Hat ständig neue Ideen, um dieses Leben zu meistern.

    Da, kurz hinter dem Ort Srebrenica, in den Bergen lebt er mit seiner Familie auf einem Hof, macht Holzkohle, betreibt Landwirtschaft und teilt mit uns einen Abend lang den reichlich gedeckten Tisch.

    *IK Kinder: Wer Dörte noch nicht besser kennt...sie hat in den letzten Jahren in einer Internationalen Klasse unterrichtet, wo Kinder und Jugendliche aus der ganzen Welt, Geflüchtete und andere Migranten, Deutsch gelernt haben.
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  • Livemusik für Pobednik

    18–22 aug. 2023, Serbien ⋅ ☀️ 31 °C

    Der Start in den serbischen Teil des Balkans ist mit Stolpersteinen übersät. Erst der schwere Schritt in den serbischen Teil Sarajevos zu kommen (siehe Sarajevo) und anschließend steigen wir mit nur drei anderen Reisenden in einen kleinen Mini-Bus an der Grenze zu Serbien.

    Die Grenzstadt Zwornik besteht selbstverständlich wieder aus zwei Ländern, die in einander übergehen. Für jeden Bürger dieser zwei Ländern ist die Ein-und Ausreise leicht über die Fußgängerbrücke. Wir werden zur Transit-Grenze abgewiesen, die sich über drei Kilometer entfernt am anderen Ende der Stadt befindet. Nach einem langen Fußmarsch quetschen wir uns zwischen LKW´s und Autos durch und passieren die Grenze.

    In Serbien ist alles beschwerlicher. Es gibt hier an der Grenze keinen Busterminal, nur einen staubigen Streifen an der Straße. Der nächste Reisebus fährt vor und der Fahrer guckt uns grimmig an und winkt mit dem Zeigefinger, dass er keine Reisende mit großen Rucksack mitnimmt und knallt die Tür zu. Nun müssen wir improvisieren und werden am Ende zwei Mini-Bussen bis nach Belgrad nehmen.

    Angekommen in einer lebendigen und sich gerade rasch modernisierenden Stadt, stehen wir vor dem gleichen Chaos an öffentlichen Verbindungen. Tickets können wir keine kaufen, weil mit einer Karte gezahlt wird, die aktuell jedoch nur für Locals ausgestellt wird. Wir steigen in den nächsten Bus zum Hotel und der Fahrer signalisiert, steigt einfach ein. Wir werden die nächsten fünf Tage immer schwarz fahren, nutzt ja nichts.

    Belgrad ist schön gelegen an der Donau, hat eine moderne Architektur, tolle Cafes, super viel Live-Musik und ne coole Partyszene, die zum Teil auf Hausbooten an der Donau liegen. Uns gefällt es hier, einzig die Haltung der Serben gegenüber fast jedem ist schwere Kost. Beim erfolgreichsten Fußballverein Roter Stern Belgrad steht ein Panzer vor dem Stadion mit der Ausrichtung auf den Erzfeind Partizan Belgrad (nur einige hundert Meter entfernt) und dem Kosovo, der sich seit Jahrzehnten versucht von Serbien abzutrennen.

    In der Stadt sind Symbole gegen die EU und die Nato zu finden, die 1999 die Stadt zerbombt haben, aufgrund des militärischen Einmarsches Serbiens in den Kosovos. Die Unterhaltungen über diese Thema mit Einheimischen findet immer die gleiche Sackgasse an politischen und durch die Medien konstruierten Antworten. Die Rolle Serbiens seit dem Ausbruch des Balkan-Kriegs und die bis heute andauernde Haltung gegenüber dem restlichen Balkan und der Welt ist eine einseitige Perspektive. Eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung ist fast unmöglich derzeit.

    Die Abreise mit dem Zug nach Montenegro zieht sich wie in roter Faden in dem serbischen Chaos für Reisende. Der ursprüngliche Bahnhof im Zentrum ist geschlossen und verlegt worden, jedoch weiß keiner eigentlich genau wo und die Meinungen gehen auseinander. Zum Teil heißt es, es gäbe keinen Zugbahnhof mehr oder dieser sei noch im Bau. Zum Glück ist dieser dann doch schon (fast) fertig, befindet sich jedoch kaum angeschlossen an die öffentlichen Verkehrsmittel. Am Ende finden wir gerade noch pünktlich den neuen Zugbahnhof und springen in den Zug nach Montenegro.

    Serbien hat es uns nicht leicht gemacht, es zu mögen. Jedoch ist es ein wunderschönes Land mit viel Grün und Bergen und auf den zweiten Blick auch mit freundlichen Menschen.

    Belgrad ist eine kosmopolitischer, attraktive und lebendige Stadt (vor allem Livemusik). Einzig der bittere Beigeschmack der andauernden politischen Konflikte seit dem Ende Jugoslawiens mit fast allen Nachbarn trübt diese Bild.

    Pobednik ist eine Siegerstatue an der alten Burg, die sich in Zentrum der Stadt befindet. Ein Mann, ein Penis, ein Skandal -> die Statue wurde aus dem Zentrum an den Rand gesetzt, weil die Nacktheit die Öffentlichkeit empörte.
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  • Willkommen im Hotel Jugoslavija

    20–24 aug. 2023, Serbien ⋅ 🌙 29 °C

    Warum quetschen wir uns in ein kleines Hotelzimmer am Rande der Stadt von Neu-Belgrad?

    Alles ist renovierungsbedürftig, zerfallen, halb geschlossen und doch versprüht es Charme, Geschichte und Melancholie von einer anderen Zeit.
    Hotel Jugoslavija ist das Hotel für internationale Empfänge unter dem Präsidenten Tito in Jugoslawien gewesen. Dieser Ort hat Geschichte geschrieben und ist doch leider dem Verfall nah.

    Dörte und ich liegen in Zagreb im Bett und suchen nach einer Auszeit vom Erkunden auf Reisen. Wir finden eine Dokumentation über das Hotel Jugoslavija, die wir zufällig im Streaming-Dienst sehen unter dem Suchbegriff „Jugoslawien“.

    In dieser Doku reist ein deutscher Journalist mit "jugoslawischen" Wurzeln in der Zeit zurück. Er begibt sich immer wieder in das Hotel und porträtiert seine Einzigartigkeit als Begegnungsort der größten Staatsmänner und Berühmtheiten der Welt, die von Jugoslawien eingeladen wurden. Das Hotel Jugoslavija ist ein Prestigeobjekt Titos und soll der Welt den jugoslawischen Wohlstand repräsentieren.

    Nach dem Ende packt uns spontan die Lust auch auf diesen Spuren zu residieren. Gesucht, gebucht und eingezogen. Und dann stehen wir vor dem Eingang des Hotels, mittlerweile zerfällt alles, die großen Leuchtbuchstaben erleuchten nur noch zum Teil, der Eingang ist verkleinert und nun mit einem amerikanischer Diner besetzt. Alles ist einfach übergroß und zum Teil menschenleer. Der Aufzug noch original, wie sehr vieles hier. Sitzend in der Empfangshalle unter einem riesigen Kronleuchter schwelgen wir in dem Flair der alten Zeit. Der leider auch fast verloren ist, nach zig Versuchen dem Hotel den alten Glanz neu einzuverleiben.
    Unser Zimmer und die Innenarchitektur des Hotels sind seit fast 50 Jahren unverändert. Auch die Zimmerluft, die im Belgrader Sommer super heiß werden kann, und das Interieur, das im Badezimmer an allen Ecken bröckelt.

    Uns gefällt es und kurz fühlen wir uns wie im Museum und in der Zeit gereist. Danke für diesen wunderschönen Zufall.
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  • #wildlife Montenegro

    22–28 aug. 2023, Montenegro ⋅ ☀️ 23 °C

    Feiern bis die Schwarte kracht in der Hauptstadt, wandern durch Landschaften, die einem den Atem rauben, Sandstrände, Steilküste, Mausoleen gigantischen Ausmaßes auf Bergspitzen, Yachthäfen, Seilbahnen, mittelalterliche Stadtkerne, Klosterinseln, reißende Flüsse, Rafting, türkise Stauseen, Raki bis zum Abwinken.

    Magst du? Ab nach Montenegro...

    Unser Zug von Belgrad hat alten IC-Charme und Zugfahren ist für uns in der Ferne eine besondere Freude aus Ausblicken und gemütlichem Distanzen überwinden. Ursprünglich war unser Ziel Bar, jedoch in Podgorica packt uns spontan die Lust hier zu bleiben, ohne zu wissen was uns erwartet.

    Es wird großartig, weil wir schnell ein Zimmer finden und die Stadt am Abend erkunden. Es weht ein leichter Sommerwind bei 30 Grad und wir hören Musik beim Überqueren der vielen Brücken in der Stadt. Im Flussbett legt ein DJ in einer Open-Air Bar auf und bei leckeren Cocktails tanzen wir in die Nacht.

    Am nächsten Tag mieten wir uns erstmal ein Auto, weil Montenegro zu viele abgelegene Bergregionen hat ohne öffentliche Verkehrsanbindung. Wir düsen für fünf Tage durch die wunderschönen Berglandschaften, sonnen uns an Stränden, baden in der Adria, springen in saukalte Bergflüsse, essen handgemachten Käse und Schinken und leckere Suppen in Bergdörfern, spielen Fußball mitten in den Bergen auf Stein-Rasenfeldern, trinken zu viel Raki und begegnen Menschen aus aller Welt auf Motorrädern, Fahrrädern und zu Fuß und dabei sehr gastfreundlichen Montenegrinern.

    Besonders Josef, einem selbstbewussten, alten Hotelbesitzer mit Deutschkenntnissen, bleit in Erinnerung: Er rief uns grinsenden zur Verabschiedung hinterher "Deutschland, wenn ihr Auto fahrt, immer schön die Hände bei euch behalten!" ;-)
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  • Von sechs auf elf Millionen...

    28–29 aug. 2023, Albania ⋅ ☀️ 35 °C

    ...Touristen in nicht einmal vier Jahren.

    Albanien in a Nutshell:

    Du kommst nach langer Fahrt auf chaotischen Straßen durch traumhafte Landschaften in einer größeren Stadt an. Dort, wohin du möchtest, fährt gerade kein Bus.

    Doch da triffst du eine Gruppe Frauen, die selber gerade aus den Bergen kommen, und sie laden dich in ihren privaten Bus ein. Nehmen dich nicht nur einfach mit: Bei 80 km/h auf der Autobahn dröhnt die Musik und selbst Oma tanzt auf den Sitzen. Und wenn das nicht mehr reicht, um gemeinsam zu feiern, dann hält der Busfahrer eben mitten im Nichts an und es wird richtig getanzt.

    Man unterhält sich ohne ein Wort zu verstehen. Und zum Abschied herzen und küssen einen alle.

    Albanien überrascht. Mit Gastfreundschaft, Türmen, wilder Natur, tragischer Geschichte und jede Menge Bunkern.
    Der Stadtführer beschreibt das, was die Albaner vereint, folgendermaßen:
    Sprache, Verehrung des Nationalhelden Shkenderbey und Mercedes fahren.

    In Skhodra:

    Wo ist Albanien eigentlich unterschiedlich zu dem Rest auf der balkanischen Halbinsel? Um es kurz zu machen: die noch größere Gastfreundschaft!

    Die Zeit läuft hier gemächlicher, unser Vermieter sonnt sich noch am Strand und darum werden wir auf einen landestypischen Shkenderbey Whisky eingeladen. Wir sollen Platz nehmen in einer angrenzenden Bar im Hinterhof und werden mit offenen Armen dort empfangen.

    Am nächsten Tag treffen wir hier einen Deutsch-Albaner, der uns unbedingt auf ein Kaffee einladen will und unser Vermieter lässt uns kostenlos unsere Backpacks in seinem Kühlhaus von der Schlachterei parken, für ein paar Wandertage in den albanischen Alpen.

    Doch noch nicht genug dieser übersprudelnden Herzlichkeit: Immer wieder reisen wir per Anhalter durch das Land und kommen mit tollen Menschen zusammen, die uns selbstverständlich mitnehmen und uns zum Teil zu sich nach Hause einladen.

    Eigentlich wollte ich von Skohder erzählen, der zweigrößten Stadt des Landes. Hier wird Fahrrad gefahren, was nicht oft passiert auf unser Reise. Sie hat eine alte und schöne Festung über der Stadt mit tollem Blick auf den angrenzenden See und Fluss.

    Der Busbahnhof ist einfach am größten Hotel der Stadt. Praktisch sind sie, die Albaner. Menschen leben hier einfacher und ärmlicher als zuvor auf unserer Reise. Das Zentrum ist schick gestaltet und Restaurants/Cafes legen viel Wert auf das Äußere, wobei nicht alles Gold ist, was glänzt.

    Wir besuchen das Museum "Site of Witness and Memory", in der die Geschichte des Sozialismus und die Rolle der Religion in Albanien aufgezeigt wird. Albanien war der erste atheistisch Staat der Welt und unterdrückte brutal jeglichen religiösen Glauben, der jedoch in dem Land tief verwurzelt ist.

    Es entsteht eine Schreckensherrschaft mit Ermordungen, Folter und jegliche Art von Religionspraxis wird unter Strafe gestellt. Zum Glück überleben einige Glaubenshäuser, aufgrund ihrer praktischen Umfunktionierung in Zirkusübungsstätten, Tischtennis-Hallen oder einfach nur Lagerräume.
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  • Peaks of the Balkans

    28 aug.–1 sep. 2023, Albania ⋅ ☀️ 30 °C

    Leider fährt der Bus nach Theth nur einmal morgens um 7 Uhr von Shkodra ab. So früh sind wir nicht unterwegs. Aber man ist nicht mit Jens unterwegs, wenn das ein Problem darstellen würde.

    Kurzerhand trampen wir mit leichtem Gepäck - problemlos die 80 km über den 1600 m hohen Pass - in den kleinen Bergort Theth. Problemlos heißt in diesem Fall in ein paar Stunden. Ich schwitze jedoch im englischen Mercedes auf der Beifahrerseite auf der engen kurvigen Straße bei jedem Überholmanöver wie im Juli als Kind bei den Bundesjugendspielen.

    Deutlich (fast zu) gechillter geht es dann mit zwei Israelis weiter und wir kommen da an, wo wir in unseren Köpfen einen kleinen, beschaulichen Ort wie in den Alpen vor jeglichem Massentourismus erwarten. Doch da sind wir vermutlich ein paar Jahre zu spät. Überall sprießen unkontrolliert die Hotels, Pensionen und Ferienhäuschen aus dem Boden wie die Pilze an einem feuchten Herbsttag.

    Dafür ist die Infrastruktur jedoch noch nicht ausgebaut, was man an den völlig überfüllten Mülltonnen erkennen kann. Zwischen den teilweise noch Rohbauten stehen vereinzelt die Kühe und alte Bauernhäuser zeugen von einer nicht allzu entfernten ruhigen Vergangenheit.

    Wir schlendern durch den Ort und finden hinter Wiesen und Kühen am Rand ein Gästehaus bei einer Familie, die an dem Touristen-Boom teilhaben möchte und neben ihrem zerfallenen Haus ein neues aus Beton ausschließlich für Touristen gebaut haben.

    Am Morgen bekommen wir ein großartiges lokales Frühstück (Brot, Tee, Ziegenkäse, fetttriefendes Omelett, Honig und Oliven aus eigener Herstellung von der 11 Jährige Tina serviert, als wäre sie bereits eine ausgebildete Hotelfachfrau.

    Und es das Frühstück brauchen wir. Denn es wird ein Knaller-Wandertag! Zuerst laufen wir gute 10 km zum Blue Eye, wo das Wasser so kalt ist, dass die gesamte Temperatur drum herum deutlich abnimmt, was uns nicht vom Baden abhält. Zurück trampen wir mit einem freundlichen Paar aus Kanada. Und dann geht es erst richtig los. Über den auf 1795 m hohen Valbona-Pass (Peaks of the Balkans Route Nummer 1) knapp 18 km in den gleichnamigen Ort auf der anderen Seite des Passes. 1000m hoch und wieder runter. Und es ist wunderschön!

    Wir übernachten bei einer Familie, die hier im Sommer in einem Zelt lebt, in einer kleinen Hütte, neben uns die Kuh und über uns nur der Sternenhimmel.

    Über Bayram Curr geht es trampend, mit Bussen und einer Fähre über den Stausee der Drin zurück nach Shkodra, wo unsere Rucksäcke noch immer im Kühlraum der Metzgerei lagern...
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  • Ein hoch auf Wolkenkratzer

    31 aug.–5 sep. 2023, Albania ⋅ ☀️ 26 °C

    Urplötzlich erreicht dich die moderne Welt des 21. Jahrhunderts wenn du in Tirana einfährst. Und passt damit so gar nicht zum Rest Albaniens.

    Wir werden von unserer Mitfahrgesellschaft von älteren Damen am Rande der Stadt rausgelassen und steigen in einen Linienbus um. Dieser fährt über Sandwege durch dunkle Industriegebiete und Satelliten Shopping-Malls ins Zentrum. Nun stehen wir Mitten umgeben von sage und schreibe zehn Wolkenkratzern und weitere zwölf sind im Bau, die hier irgendwie nicht hineinpassen. Noch unwirklicher wird es, als wir eine riesengroße Pyramide entdecken, die noch aus Zeiten der Enver Hoxha Diktatur stammen.

    Tirana klotzt, katapultiert sich in die Moderne und gleichzeitig vergrößert sich die soziale Ungerechtigkeit in einem wirtschaftlichen Entwicklungsland. Weil Albanien immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit aufweist, viele Albaner weiter an der Armutsgrenze leben, Korruption verbreitet ist und hier sich die Drehscheibe des europäischen Drogenhandels befindet. Lokals berichten, dass viele der Hochhäuser einen sehr hohen Leerstand haben. Unsere Guide spaßte mit dieser Entwicklung, er wolle die Türme mit Zipp Lines verbinden, damit sie überhaupt einen Nutzen bekommen.

    Backpacking-Reisen üble Seite:
    Nachts werden wir leider von so kleinen schwarzen Käfern, Bettwanzen, in unseren Hostelzimmer heimgesucht. Die kleinen Mistdinger kommen in der Nacht ganz unbemerkt und lutschen dich aus. Meist spürt man es in der Nacht nicht, sieht am Morgen dann die Beiß-Straße am Körper. Es juckt ordentlich und raubt auch den Schlaf, jedoch geht es auch wieder und hinterlässt keine Schäden. Nicht schön, jedoch in Hostelbetten, wo tausende Rucksackreisende verkehren eine gewöhnliche Herausforderung.

    Tirana bietet eine Handvoll Sehensenwürdigkeiten, gerade in ihrer Geschichte. Über fast 40 Jahre diktatorisch geführt von Enver Hoxha, der seine Bevölkerung nahezu einsperrt und mit der Zeit Panik vor einem militärischen Einfall entwickelt, so dass er über 170.000 Bunker in ganz Albanien zur Verteidigung errichten lies. Seine Kommandozentrale als Bunker und ein tolles Museum sind am Rande der Stadt untergebracht. Des Weiteren ist die Religion lange staatlich unter Strafe gestellt worden und Gotteshäuser erst seit 1991 wieder erlaubt.

    Die Fußball-Saison in Albanien hat gerade wieder gestartet und wir besuchen den aktuellen Meister, Partizan Tirana, in seinem neuen Stadion. Das ist noch gar nicht richtig fertig, weil zwei Tribünen noch folgen sollen und trotzdem sind die elektronischen Einlässe, Toiletten, Aufgänge bereits kaputt. Albaner lieben Fußball und durch eine nie endende Schleife des Vereins-Songs werden wir und das Stadion euphorisiert. Als dann noch das erlösende 1:0 fällt ist kein Halten mehr. Wir lieben es in Kulturen über Fußball einzutauchen und Albaner machen es einem auch leicht. Schon zu Beginn treffen wir ein sympathischen Jugendtrainer, der eine Zeitlang in Deutschland sein Glück suchte und uns sehr herzlich mit allem hilft.

    Wolkenkratzer, eine Pyramide, Bunker, ein riesen Platz im Zentrum mit übergroßer Skanderbeg Statue, ein Nationalmuseum ohne Englische Übersetzung (besser auslassen), Fußballverrückte und sehr sympathische Menschen* erwarten euch in Tirana.

    *So wie meinen ehemaligen Schüler Lisian. Ich freue mich so, dass wir uns nach so vielen Jahren hier wiedersehen können. Lisian war als kleiner Junge in meine Klasse am Siegtal-Gymnasium gekommen und ich weiß noch, wie wichtig er mit seiner ruhigen Art und hohen sozialen Kompetenz für die Klasse war. Immer wieder waren wir in Kontakt, nachdem die Familie leider wieder abgeschoben worden war. Und es hat mich tief berührt zu sehen, wie aus dem kleinen Jungen ein selbstbewusster, fleißiger und toller junger Mann geworden ist.

    Danke Lisian für den schönen Abend!
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  • Welcome to our cozy place

    4–9 sep. 2023, Albania ⋅ ⛅ 18 °C

    Berat und Girokaster:

    Es sind nicht nur nette Menschen aus Albanien, die uns hier begegnen. Als wir von Berat, dem pittoresken osmanischen Städtchen mit den tausend Fenstern morgens Richtung Girokaster mit dem Minibus (hier heißen sie Furgon) losfahren, ist dieser bereits eigentlich schon mehr als ausgelastet. Jedenfalls alle Sitze belegt, plus mehrere Hocker in der Mitte. Und von einem dieser Klappstühle heißt uns eine sympathische Frau (wie wir später herausfinden ist es Patrizia aus Paris) mit einem warmen "welcome to our cozy place" willkommen (Willkommen in unserem gemütlichen Örtchen). Kurzerhand werden einfach noch mehr Klappstühle in den Mittelgang gestellt und so finden auch wir noch einen Platz, so wie später auch noch mehr Passagiere, die dann stehen und weitere Dinge wie Motoren, Pakete und Koffer.

    Auch hier schwitze ich wieder bei allen Überholmanövern vor Kurven und Hügeln - doch der nette Deutsch-Albaner aus Aachen beruhigt mich: "Mach dir keine Sorgen - der Fahrer kennt den Weg!". Na dann!

    Mit Patrizia aus Paris und Timothy aus Belgien verbringen wir lustige und kulinarisch köstliche Abende, wohnen im besten Hostel auf der Reise (Stonehome Hostel), dessen niederländischer Besitzer uns bei einer Stadtführung viel erklären kann (die Steindächer wiegen etwa 400kg pro Quadratmeter!) und stoßen per Zufall auf eine kleine Kneipe, wo gerade das Spiel Albanien gegen Tschechien läuft. Auch hier werden aus keinem Platz zwei für uns gemacht und sofort werden wir zu Raki für Männer (groß) und Frauen (klein) eingeladen.

    Und es ist herrlich inmitten all dieser Menschen, die uns sofort in ihre Mitte aufnehmen. Vermutlich fühlen sie sich wie wir sehr wohl - anders wäre die Szene, die wir beobachten nicht zu erklären: Ein albanischer Spieler verschießt und vor lauter Ärger springt einer der Männer auf uns spuckt dem Fernseher direkt ins Gesicht.

    Albaner sind eben temperamentvoll. ;-)

    Auf dem Weg nach Pogradec (Grenzstadt):

    Der Plan: Mit der Fähre von Albanien nach Nordmazedonien über den Ohridsee. Also fahren wir frühmorgens los mit dem Furgon (Minibus) von Girokaster nach Korça. Und ich sag’s euch Leute: Das ist eine der schönsten Strecken, die ich je gefahren bin. Da ist dieser wilde mäandrierende (hahaha…irgendwann wollte ich dieses Wort einmal benutzen) Fluss, der Aoos, hohe Berge mit beeindruckenden Aussichten, Bergseen und überall Ziegen- und Schafhirten, die ihre Tiere durch die Landschaften treiben.

    Wie es dann so ist auf Reisen, der Plan geht nicht auf. Als wir mit dem zweiten Furgon nach Pogradec kommen ist da zwar eine Stadt. Aber kein richtiger Hafen. Überhaupt scheint der See gerade mal noch für Hochzeitsfotoschießereien gut zu sein. Lang verweilen möchten wir jedenfalls nicht…es müffelt irgendwie nach Moder und bröckelt leider an jeder Ecke. Eine Fähre gibt es schon gleich gar nicht. Später (siehe Etappe Ohrid) wird uns auch klar warum.

    Also geht es mit dem nächsten Furgon an die Grenze, wo wir einfach abgesetzt werden. Zu Fuß geht es weiter, vorbei an angekokelten Nordmazedonien-Schildern, die eine gewisse Spannung zwischen den Ländern deutlich macht. Wir sind in unserem 10. Land angekommen.

    Und auf der anderen Seite?
    Nix. Kein Bus. Kein Taxi. Keine Info. Doch es dauert keine 5 Minuten, da hält ein nettes Ehepaar aus den Niederlanden an. Mit den beiden wird wieder klar: Wahrnehmung ist bei jedem eine andere. Was die beiden als schönen Naturpfad beschreiben, entwickelt sich als Pipistrecke am Hintereingang von Titos Sommerresidenz und modernen Hotelressorts. Naja.

    Dafür sind wir in Ohrid.
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  • Buchtipp für Albanien

    8 september 2023, Albania ⋅ ⛅ 22 °C

    Buchtipp "Frei" von Lea Ypi:

    Dörtes Buchbeschreibung:

    Was heißt Freiheit? Und war das Freiheit, als Albanien plötzlich Zugang zur westlichen Welt hatte? Jetzt waren die Grenzen zwar nicht mehr von Innen verschlossen, dafür riegelten sich die anderen Länder ab und plötzlich waren die Menschen nicht mehr willkommen.

    Endet Freiheit nur dort, wo wir unsere Meinung nicht sagen können und uns in einem total abgegrenzten Raum befinden? Und was ist das für eine Freiheit in einem System zu leben, in dem man zwar eigentlich das eigene Potenzial ausschöpfen kann, aber doch hauptsächlich dann, wenn man zu der Seite der Gesellschaft gehört, die an allem teilhaben kann und nicht ausgebeutet wird (also im Zweifelsfall weiß, männlich und gebildet...was man wiederum auch nur ist, weil es die eigene Familie schon vorher war)?

    Lea Ypi meint dazu: Zumindest haben wir die Freiheit jeden Tag zu entscheiden, das Richtige zu tun.
    Möge uns der Idealismus auf seinen Flügeln tragen.

    Das ist das zentrale Thema des Buches. Doch es ist auch eine Familiengeschichte, die Geschichte einer jungen Albanerin, die in den 80ern in einem Land aufwächst, in dem es keine Freiheit gibt. Zumindest nicht politisch und religiös. Ein Land, in dem Menschen verschwinden, gefoltert werden und alle vom Rest der Welt abgeschnitten sind.
    Es ist die Geschichte einer jungen Frau, deren gesamtes Weltbild von einem Tag auf den anderen ins Wanken gerät, weil alles, was vorher richtig war, plötzlich falsch ist. Auch, weil aus Angst vor den Folgen, vorher niemand ehrlich sein konnte zu einem Kind, das doch voller Fragen war.
    Und es ist eine bewegende Geschichte von drei Generationen Frauen, die mutig sind und auf ihre eigene Art Widerstand leisten.
    Ein großartiges Buch.

    Jens Meinung:

    Lea Ypi nahm mich als Leser sofort mit. Es beginnt in ihrer Kindertagen und sie beschreibt ausführlich das Leben im ärmlichen und abgeschotteten Albanien. Sie ist glücklich und ihre Familie auch, alle haben sich dem Sozialismus angepasst. Denn eigentlich könnte die Familie ein wohlhabendes Leben führen, jedoch steht ihr Familienname auf der roten Liste der Regierung und das verbaut jegliche Wege. Lea erzählt aus ihrer Sicht die Jahrzehnte, angepasst und immer auf der Hut vor dem Staat. Eine Cola-Dose wird zum Status-Symbol, die Flucht nach Italien der Mutter mit ihrem Bruder, eine Reise ins so ferne und andere Griechenland, umschreiben das System Albaniens in einer exakten und reflektierten Art und ließen mich in das Leben eintauchen. Die große Frage der Freiheit im Sozialismus oder Kapitalismus nimmt Lea auf und begleitet sie bis zum Ende des Buches als Professorin an der London School of Economics. Ypi lässt das Buch mit einer wundervollen Antwort ausklingen und die Worte klingen mir heute noch nach, so eindringlich schön waren diese.

    Dieses Buch sollte jeder lesen, der Freude an gesellschaftlich wichtigen Fragen und Staatsystemen hat, und er/sie wird lebendige neue Anregungen durch die albanische Geschichte bekommen. Ich habe mich in diese Buch verliebt...
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  • Es perlt schon wieder...

    8–9 sep. 2023, Nordmakedonien ⋅ ⛅ 23 °C

    In Ohrid dagegen blüht das Leben am See: Ausfahrtschiffe ohne Ende, Unterwasserboot-Fahrten, eine Festung mit Altstadt, Juweliergeschäfte mit Perlen aus dem Ohridsee, Shoppingmalls und ausgezeichnete Restaurants.

    Wir fühlen uns sehr wohl, baden im See, sonnen uns an der grünen Promenade und essen leckeren Fisch mit Livemusik am Seeufer.

    (Fun)facts:

    Hier gibt es die kleinste Marine der Welt.

    Der Ohridsee ist der älteste und tiefste See Europas.

    Von den Ohrid-Perlen ist nur der Lack aus dem See. Ist der Lack ab, bleibt nur eine billige Perle aus China übrig.
    (Zugegebenermaßen ist allerdings das Lackrezept einzigartig: Nur eine Familie in Ohrid kennt seit Jahrzehnten das Rezept aus Schuppen ohridseeischer Fische.)

    Ajvar (eine traditionelle Paprikapaste): Angeblich liegt hier sein Ursprung.

    2014 haben die Albaner Nord-Mazedonien angegriffen, weil dort so viele Albaner leben. Seitdem ist Albanisch zweite Amtssprache!
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  • Ready for the future?

    9–13 sep. 2023, Nordmakedonien ⋅ ☀️ 29 °C

    In Wien sind wir im Museumsquartier in eine Architekturausstellung über Skopje gestolpert.

    1963 wurde die Stadt fast komplett durch ein Erdbeben zerstört. Tito schaffte es damals Ost und West in ihrer Hilfe zu vereinen (ansonsten ist der Typ ja durchaus schwierig, um es mal nett zu sagen).

    Es fand eine internationaler Architekturwettbewerb statt und eine Gruppe Architekten aus Japan gewann. Die Stadt wurde dann mit diesen Plänen und weiteren Ideen jugoslawischer Architekten mithilfe von polnischen Ingenieuren neu gestaltet.

    Viel erinnert an sowjetische Ideen: Große, breite Straßen und Plätze, Hochhäuser mit Innenhöfen mit viel Raum für gemeinsames Leben, Spielplätzen und Sportanlagen.

    Zwar wurde nie das ganze Projekt fertiggestellt, doch zumindest als wichtiger Bestandteil ein Kunstmuseum auf dem Hügel neben der alten Burg gebaut.
    Künstler aus aller Welt spendeten damals ihre Kunstwerke, um der Stadt auf die Beine zu helfen. Kunst als Teil moderner Stadtentwicklung.

    Und dann kam das Projekt „Skopje 2014“. Die Regierung beschloss, dieses sozialistische Erbe zu verdrängen. Es war Teil der Antiquisierungspolitik des damaligen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski (2006-2016), welches vorsah, Skopje in eine Barock-Stadt umzuwandeln.

    Und überall in der Stadt wurden Gebäude, Statuen, Plätze im neoklassizistischen Stil um- und neugebaut. Verrückt. Nirgendwo haben wir so viele gigantische Statuen gesehen, Berlin (Brandenburger Tor ähnlicher Bau), London (Doppeldeckerbusse) und Paris (Arc de Triomphe) so nah aneinander erlebt und sind in sozialistischen Shopping-Malls flaniert.

    Unbedingt wollten wir in das Kunstmuseum. Doch bereits auf dem Weg wird deutlich: Auch dieser Teil des alten Plans wird nicht mehr gefördert. Kein Schild weist dorthin, die Stufen sind mit Gras und Gestrüpp zugewachsen. Und im Museum selbst sind nur wenige Räume geöffnet…doch die Ausstellung beeindruckt. Eine wechselnde Auswahl der geschenkten Bilder ist zu sehen. Und die Solidarität dieser Zeit zu erahnen.

    Künstler aller Welt vereinigt euch! ✌🏼
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  • Kaca Cash Desk 22

    13–16 sep. 2023, Bulgarien ⋅ ☀️ 29 °C

    Bulgarien empfängt uns in einem wunderschönen Bahnhof, jedoch barsch. Am Schalter "Kaca Cash Desk 22" werden wir von einer Bulgarierin unfreundlich informiert, dass es die nächsten Tage kein Nachtzug nach Istanbul geben wird. Auf die Frage, wann denn der nächstmögliche Zug fahren wird, kommt die selbe Antwort und das Spiel wiederholt sich ein drittes Mal. Am Ende bekommen wir unsere Tickets, jedoch erst drei Tage später als geplant und tauchen wir länger ein in Sofia.

    Ungeplant ergeben sich oft gute wie auch schlechte Dinge, in diesem Fall das Zweite. Unser schnell gesuchtes Hostel erweist sich als absolute Drecksbude und wird noch von unserem Mitbewohner übertrumpft, einem stinkender Typ, der seine Fußnägel im gesamten Zimmer verteilt beim Schneiden und dieses auch so lässt. Wir finden es zunächst auch schwer, außerhalb die Schönheit Sofias zu entdecken.

    Wir ziehen am nächsten Tag um, machen eine Stadtführung, treffen coole junge Leute in einem Park mit denen wir den Abend über Bier und Wodka trinken und finden das schöne Sofia dann doch. Schöne Parks, beeindruckende Gebäude, ein wunderschöne Nationalgalerie, tolle Cafes mit Yammi-Kaffee und Bars versüßen unsere weiteren Tage.

    Witzigerweise gibt es im Zentrum eine Statue von der Göttin "Sophia" (ihr Gesicht gleicht dem von Sophia Loren, weil der Künstler sie toll fand) - obwohl die Stadt ihren Namen gar nicht von dieser Dame haben soll, sondern von der Haggia Sofia, der gleichnamigen Moschee in der Stadt, die es ja auch in Istanbul gibt.

    In einem Tagesausflug fahren wir nach Plovdvid und sind umgehauen von dem römischen Erbe, einer bunten Altstadt mit Flair, vielen Museen und Kunstaustellungen und alles in einer noch lebendigen sowjetischen Baustruktur.

    Uns ist bewusst, dass die beiden Städte nicht das ganze Bulgarien zeigen. Die Herausforderungen wie Korruption, Armut und Arbeitslosenzahlen sind vielfältig und auch für uns auf unseren Wegen spürbar. Ob sich das ändert?

    Eine besondere skurriele Geschichte schreibt gerade das Parlament in Bulgarien. Nach fünf Wahlen ohne Ergebnis, entschlossen die beiden stärksten Parteien sich das Amt des Ministerpräsidenten zu teilen. Alle sechs Monate wechseln sich die beiden Parteien in der Führung ab, was zu Stagnation in den Entscheidungen führt und die politische Landschaft vor weiteren Problemen stellt.
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  • Afiyet olsun Istanbul

    17–22 sep. 2023, Turkiet ⋅ 🌬 26 °C

    Istanbuls guter und besonderer Ruf eilt an jeder Ecke voraus, schon in unseren ersten Planungen glänzten die meisten Augen, wenn dir diese Stadt als Endziel unserer Zugfahrt nannten.

    Istanbul hält in jeder Hinsicht alle Versprechen, sie wurden sogar für uns übertroffen als ausgemalt. Zwei Kontinente in einer Stadt, das Meer, welches die Stadt umschlingt, das goldene Horn am Bosporus, das hervorragende türkische Essen, die prächtige Architektur mit Hagia Sofia und blauer Moschee, die enthusiastische Fußballbegeisterung und der Wandel zwischen Vergangenheit und Moderne überall in der Stadt.

    Wir kommen im Stadtteil Beyoğlu in einem guten Hostel unter, nur haben wir zwei kräftige Pakistanis und Inder im Zimmer, die um die Wette schnarchen das die Bäume nur so purzeln. Der wunderschöne und beeindruckende Taksim Platz ist in unmittelbarer Umgebung und unser Startpunkt für unsere Tagestouren in die 15-Millionen Stadt. Das Leben hier ist kosmopolitisch und wuselig, wie in vielen internationalen Städten.

    Anders sind die unzählige Moscheen, die das Stadtbild zieren. Kleine wie Riesengroße überstrahlen alles und ragen dabei unübersehbar in den Himmel. Weitere Besonderheit sind die viele Nationalflaggen, die in der Meeresluft wehen oder schlicht als Dekoration eines Geschäfts dienen. Die Türkei ist sehr stolz auf sich und ihre Nation und Kemal Atatürk ist die Überfigur sehr vieler Türken und im Land omnipräsent.

    Und "again", wie vielleicht kein zweites Mal auf der Welt zu finden, ist das diverse Leben in seinen vielfältigen Stadtviertel, die unterschiedlicher nicht sein könnten und damit für jeden etwas bereithält, egal welchen Reisegeschmack oder Geldbeutel. Wir leben im modernen Beyoğlu mit internationalen Hotels, Kongress- und Businesszentren und Parks. Durchschlenderten sehr oft Galata, das gefühlt alle Stadteile vereint und durchmischt ist und extrem im Wandel. Überfüllt mit (zu) vielen Menschen, tausend Geschäften, Bars und Restaurants und trotzdem noch die lokale Bäckerei, Fleischer und Frisöre seit Jahrzehnten besitzt. In Fatih befinden sich die schönsten Sehenswürdigkeiten der Stadt mit der blauen Moschee und der Hagia Sofia. Angrenzende finden sich mit Fener und Balat zwei ganz unterschiedliche Viertel mit jüdischem Einfluss in Balat und streng moslischem in Fener, die gerade am Anfang der Gentrifizierung sind. Coole kleine Plattenläden, Second-Hand Boutiquen, Cafes, Märkte und dazwischen kleinere Märkte seit jeher für die lokale Bevölkerung, Handwerkerläden, Frisöre. Und plötzlich stehen wir an der Tayip Erdogan Moschee, die dieser gestiftet hat für seine treuen Wähler in diesem Stadtviertel. Hier ist alles nach dem Geschmack Erdogans, sehr moslimisch, traditonell und autokratisch wirkend (oder wie würdest du die Atmosphäre in den Viertel beschreiben, Dörte: Ich habe es (als Frau) durchaus bedrückend erlebt ohne Kopftuch zwischen all den Frauen, von denen man nur die Augen sehen konnte...strenge Blicke der Männer...war ich doch mit kurzer Hose und offenen Haaren unterwegs).

    Eine kurze Fährfahrt über den Bosporus, die wir auch einfach zig mal hin- und her machen um die Stadt von Wasser aus zu genießen, und schon sind wir in Kadikoy. Dieses Stadtviertel unterscheidet sich schon wegen seiner Lage auf dem asiatischen Teil der Stadt. Arbeiterviertel, kein Glitzer und Glanz wie in Galata, sondern Straßenhändler, Streetfood und Bodenständigkeit, einfach weniger protzig und modern. Hier ist Fenerbahce Istanbul beheimatet und es ist traditioneller und bescheidener und dabei nicht weniger belebt und überlaufen wie Istanbul überall und zu jeder Tageszeit.

    Wir treffen bei uns im Hostel eine junge Italienerin und auf unsere Frage nach einem besonderen Ort in Istanbul empfiehlt sie uns, die Prinzessineninseln. Eine kleine Inselgruppe, die ca. eine Stunde Fährfahrt entfernt liegt und zum Teil autofrei ist und eine wundervolle Abwechslung zum schrillen Stadtleben bietet. Wir machen uns einen Morgen auf dem Weg, erst zu Fuß und merken dann wir schaffen es nicht rechtzeitig, winken schnell ein Taxi ran, sprinten zum Terminal, um dann am Einlass zur Fähre festzukleben, weil unsere Karte leer ist. Aufladen gelingt auch erst zögerlich und doch schaffen wir es dann zum Glück. Der Betonanleger scheint endlos und unsere Lungen immer kleiner, bis wir gerade noch auf die Fähre springen und ablegen. Die Sonne geht gerade auf und taucht über der Stadt auf und in der Ferne sehen wir Delphine aus dem Wasser springen und haben einen unvergesslichen Morgen. Auf der Insel gehen wir Wandern, baden und genießen die Ruhe auf der Insel.

    Dreh einmal einen Glücksrad und jeder wird gewinnen! Das ist Istanbul für uns, für jeden es ist auf seine ganz eigene Art ein Gewinn, weil vielfältig, bunt und einzigartig.
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  • Üç, üç, üç, üç, üç

    21 september 2023, Turkiet ⋅ ⛅ 26 °C

    Das ganze Stadion brüllt diese Zahl, als ein weitere Angriff von Fenerbahce Istanbul auf das Tor von Nordseeland zurollt. Unsere Ohren pfeifen nach dem Apfiff immer noch, weil die Lautsträke in diesem Stadion unfassbar hoch ist und mit keiner Atmosphäre vergleichbar. Fussball genießt in der Türkei ein hohen Stellenwert und frenetisch Fans sind im ganzen Land zu finden, egal wie klein oder groß ihr jeweilgen Verein ist. Wir sehen noch zwei weitere Spiele, eines von Galatasaray und eines von Fenerbahce in Kneipen mit hunderten Fans und auch hier ist es keinen Dezibel leiser oder weniger enthusiastischer. Wir freunden uns sogar mit Suleyman an, einem langjährigen Fan von Fenerbahce Istanbul und verbringen den Abend mit ihm zusammen.Er zeigt uns sein Stadtviertel, wo er arbeitet, wo wir essen sollen und trinken viel zu viel Bier und Raki zusammen. Am Ende kann ich mich gar nicht mehr an den gesamten Abend erinner, jedoch lügen die Fotos nicht. ;-)

    Auch in Belgrad besuchen wir ein Spiel. Bei Roter Stern Belgrad setzen wir uns lieber nicht direkt in die Kurve, weil der Ruf dieser Fangruppierungen brutal ist. Das Spiel in einer Liga, die seit Jahren von Roter Stern Belgrad beeherscht wird, ist unspannend und das Stadion auch nur zum Teil gefüllt. Die Stimmung ist grundsätzlich gut, jedoch verliert sich die Stimmung im großen und alten Stadion. Was deutlich von uns unterscheidet, ist die grenzenlose Unterstützung von Fans. Sie klettern auf das Dach des Stadions, um Banner zu präsentieren und am Einlass wird auch nur so durchgewunken. Hier lebt der Fussball noch nach dem Gesetzt der starken Fanklubs, die im Verein tief vernetzt sind und dadurch auch viele Freiheiten genießen.

    In Albanien fahren wir spontan zum Spiel von Partizan Tirana, um in eine kleinere und beschaulichere Fussballwelt einzutauchen. Am Stadiongelände, welches ganz neu gebaut worden ist und sich noch zum Teil im Bau befindet, stehen nur drei Händler mit Popcorn, Schals und einer mit Trikots. Als wir dann auf Erjon treffen, einem ehemaligen Regionalliga-Spieler aus Deutschland, der heute Jungentrainer ist, gibt er uns einen Einblick in den Fussballalltag in Albanien. Die Liga hat ein Niveau von unseren 3. Liga zum Teil und alles ist kleiner und beschaulicher. Wir verfolgen das Spiel mit 3000 anderen Fans und es ist mehr ein ruhiges Volksfest mit ab und an aufkommenden Gesang der kleinen Gruppe Partizanfans von ca. 50 Mitgliedern. Es ist gemütlich hier und Einlasskontrollen gibt es kaum, der Neubau bröckelt leider schon an den Einlasskontrollen (nicht mehr in Betrieb oder jemals...), Toiletten oder Aufgängen im Stadion, das kein Jahr alt ist.

    Am meisten begeistert hat uns die Stimmung im ausverkauften Toše-Proeski-Arena von Skopje, welches futuristisch und modern wirkte (zumindest von außen). Hier waren wir zu der Euro 2024-Qualifikation Partie gegen Italien live dabei. Schon vor dem Anpfiff war das Umfeld zum Stadion überströmt mit Rot-gelben Trikots, Fahnen und Schals. Ein ganzes Land wollte den Underdog in diesem Spiel zur Überraschung tragen und es gelang: Es ging 1:1 aus! Der bewegendes Moment war bereits vor dem Spiel, als die Nationalhyme ertönte und das ganz Stadion sich erhob und inbrünstig mitsang. Ein wunderschöner Moment und nach dem Ausgleich im Laufe der zweiten Halbzeit wurde es für alle, außer die Italiener, ein gelunger Fussballabend.
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  • Der George Clooney unter den Imanen

    22–23 sep. 2023, Turkiet ⋅ ☀️ 28 °C

    „In schāʾa ʾllāh, so Gott will…“ hatte Herr Kadıoğlu mich immer verabschiedet, wenn wir unser nächstes Treffen ausgemacht hatten, als er noch Imam in Eitorf war. Sei es für ein Treffen mit meinen Religionskursen, den Schüler:innen vom Austausch mit Krakau oder für eine Beratung in religiösen Fragen, die bei vielen meiner muslimischen Schüler:innen einfach eine große Rolle spielte.

    Gott, Allah oder das Universum…da kann sich jetzt jeder das aussuchen, was für ihn oder sie am stimmigsten ist…hat es auf jeden Fall möglich gemacht und wir konnten die Familie, deren Kinder ich teilweise unterrichtet habe, wiedersehen.

    Aus Istanbul hatte ich Ahmet einfach angeschrieben und gedacht, wir könnten uns vielleicht irgendwo auf einen Kaffee treffen. Doch da hatte ich die türkische Gastfreundschaft, die uns an sehr vielen Stellen noch begegnet ist, einfach unterschätzt.

    Die Kadıoğlus haben uns zu sich nach Hause eingeladen und es gab nicht nur Kaffee. Emine, Melek (Engel) des Hauses, zauberte nicht nur die leckersten Köfte (und so vieles mehr) zum Abendessen, sondern auch ein typisches Frühstück der Schwarzmeerregion "Kuymak" oder "Mıhlama" genannt (Maisgries mit Butter und Käse, der nur wirklich gut ist, wenn er richtig lange Fähden zieht) und uns das Bett so hergerichtet hat, dass wir schlafen konnten wie auf Wolken gebettet.

    Ahmet pflückte für uns Feigen von den Bäumen und er und Betül (sie war meine Schülerin) haben uns einen ganzen Tag an ihrem freien Tag mit viel Herzlichkeit die ganze Umgebung gezeigt: Die Landschaft um Akyazī, einen Tierpark und die Stadt Sakarya.

    Leider waren der ältere Bruder Ubeydullah (auch mein Schüler), der am Schwarzen Meer zur Schule geht und der jüngere Bruder, der zum Hāfiz ausgebildet wird (eine Person, die den ganzen Koran auswendig kann) nicht dabei.

    Geduldig haben Ahmet und Betül uns außerdem viele wichtige Wörter beigebracht, die für uns in der ganzen Türkei hilfreich waren, z.B.: „Olacak olan olacak“ (das ist jetzt wahrscheinlich völlig falsch geschrieben) heißt soviel wie, „es wird, was eben sein wird“.

    Und so Gott, Allah oder das Universum will, wird es irgendwann ein Wiedersehen geben. Wallah, wir hoffen es sehr.

    Teşekkür ederim, liebe Familie Kadıoğlu. Es gibt keine Worte, die unseren Dank ausdrücken könnten. Und wir hoffen, euch einmal bei uns zu Gast zu haben. In schāʾa ʾllāh.
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